TE Bvwg Beschluss 2019/12/18 W226 2169222-2

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W226 1427333-4/4E

W226 1427336-4/4E

W226 1427334-4/4E

W226 1427335-4/4E

W226 2169222-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2019, Zlen. 1.) 831128102-190993907/BMI-BFA_STM_AST_01, 2.) 831128309-190993958/BMI-BFA_STM_AST_01, 3.) 831128505-190993940/BMI-BFA_STM_AST_01, 4.) 831128407-190993995/BMI-BFA_STM_AST_01 und 5.) 1111253600-190994334/BMI-BFA_STM_AST_01:

A) Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz

VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

B e g r ü n d u n g:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2, BF3, BF4 und BF5).

Die BF1 reiste im Jahr 2011 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann und Vater ihrer Kinder sowie den BF2 bis BF4 nach Österreich ein und stellten sie am 22.12.2011 Anträge auf internationalen Schutz, die letztlich mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 14.03.2013 als unbegründet abgewiesen wurden.

Am 04.08.2013 stellte die BF1 für sich und die BF2 bis BF4 Folgeanträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 13.08.2013 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Die in der Folge dagegen erhobenen Beschwerden wurden anschließend mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 11.10.2013 ebenfalls als unbegründet abgewiesen.

Am 14.04.2014 stellte die BF für sich und die BF2 bis BF4 neuerlich Folgeanträge auf internationalen Schutz.

Am 26.08.2015 wurde gegen den damaligen Ehemann der BF1 eine Wegweisung samt Betretungsverbot ausgesprochen, weil er die BF1 regelmäßig geschlagen hat und ihr mit einem vorgehaltenen Messer mehrmals gedroht hat, sie umzubringen.

Am XXXX wurde der BF5 im Bundesgebiet geboren und stellte die BF1 als dessen gesetzliche Vertreterin am 12.04.2016 auch für diesen einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX erfolgte die einvernehmliche Scheidung der BF1 von ihrem Ehemann.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017 wurden die neuerlichen Folgeanträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen und ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Infolge der dagegen erhobenen Beschwerden wurde am 25.04.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die BF ihre Beschwerden hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zurückzogen.

Mit dem am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündeten Erkenntnis wurden die Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt (Spruchpunkt I.), den Beschwerden im Übrigen stattgegeben und den BF jeweils der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG für die Dauer von zwölf Monaten erteilt (Spruchpunkt II.A.).

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, Ausgangspunkt für die Ehe der BF1 sei eine Brautentführung mit anschließender Eheschließung nach dem Willen ihres Ex-Ehemannes gewesen. Die Ehe sei bereits im Herkunftsstaat von Gewalttätigkeiten und Geschlechtsverkehr gegen den Willen der BF1 geprägt gewesen, wobei sie erfolglos versucht habe, den Übergriffen ihres Ex-Ehemannes durch Zuflucht bei ihrer Familie zu entkommen. Die Gewalttätigkeiten seien auch in Österreich fortgesetzt worden und hätten sich diese auch immer öfter auf die BF2 bezogen. In der Folge sei gegen den Ex-Ehemann der BF1 aufgrund einer Anzeige eine Wegweisung samt Betretungsverbot ausgesprochen worden und sei am XXXX eine für ein Jahr gültige einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b, 382e EO erlassen worden, mit welcher dem Ex-Ehemann der BF1 die persönliche Kontaktaufnahme sowie der Aufenthalt in und um das Asylwerberheim und die Schule der minderjährigen BF2 bis BF4 untersagt wurde. Dagegen habe der Ex-Ehemann am XXXX verstoßen, indem er sich im von den BF bewohnten Asylwerberheim aufgehalten und Kontakt zu den BF2 bis BF5 gehabt habe, sodass ihm eine Geldstrafe in Höhe von EUR 50,00 zuzüglich EUR 10,00 Verfahrenskosten auferlegt worden sei. Schließlich sei der Ex-Ehemann der BF1 mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX zur einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren verurteilt worden, weil er die BF1 zwischen 2011 und 13.08.2015 misshandelt habe, indem er ihr ein- bis zweimal pro Monat Schläge versetzt habe.

Da sich daraus unzweifelhaft ergebe, dass die BF Opfer von Gewalt geworden seien, gegen den Ex-Ehemann eine Rückkehrentscheidung erlassen worden und daher seine Rückkehr nach Tschetschenien zu erwarten sei, der Rechtsschutz für Frauen, die in Tschetschenien häuslicher Gewalt ausgesetzt seien, ineffektiv sei, die BF1 auch nicht auf ihre Familie zurückgreifen könne, weil diese ihre Scheidung nicht anerkennen und sie zu ihrem Ehemann zurückschicken würde und auch ein Aufenthalt in anderen Teilen der Russischen Föderation schwer zumutbar sei, zumal die BF1 über keine nennenswerten Unterhaltsmittel oder Beziehungen in anderen Teilgebieten der Russischen Föderation verfüge, sei die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich.

Am 16.04.2019 brachte die BF1 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für sich und die minderjährigen BF2 bis BF5 gemäß § 59 AsylG einen Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltstitel ein.

Mit Schreiben vom 27.08.2019 teilte die Landespolizeidirektion XXXX mit, dass der Ex-Ehemann der BF1 am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben worden sei. Die Staatsanwaltschaft XXXX habe mitgeteilt, dass gegen die BF1 derzeit kein Verfahren anhängig sei und diese bei der Registerabfrage weder als Opfer, noch als Zeugin oder Privatbeteiligte aufscheine. Die Ehe mit XXXX sei am XXXX rechtskräftig einvernehmlich geschieden worden, wobei die Obsorge beiden Elternteilen zukomme und dem Ex-Ehemann der BF1 einmal wöchentlich für eine Stunde ein Besuchsrecht eingeräumt worden sei. Im Ergebnis würden die Voraussetzungen nach § 57 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG nicht vorliegen und könne eine positive Stellungnahme daher nicht abgegeben werden.

Am 16.09.2019 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab dabei an, dass sie und ihre Kinder gesund seien. Im Herkunftsstaat würden nach wie vor ihre Eltern und Geschwister leben und habe sie regelmäßig Kontakt zu ihrer Mutter. Ihre Familie lebe vom Einkommen der Eltern, der Vater arbeite als Schweißer, die Mutter als Verkäuferin. Ihre Brüder würden eine Ausbildung in der Berufsschule absolvieren, ihre Schwester arbeite nicht.

In Österreich würden sie und ihre Kinder vom Staat leben und helfe sie in einem Restaurant in der Nähe ihres Wohnortes aus, wenn dort eine Vertretung benötigt werde. Früher habe sie besser Deutsch gesprochen, seit sie mit dem BF5 zu Hause sei, habe sich die Sprache verschlechtert. Sie habe ihren Sohn bereits in vier Kindergärten angemeldet, Rückmeldung habe sie aber noch keine bekommen. Mit ihren Kindern spreche sie hauptsächlich Tschetschenisch und Russisch. Zu ihrem Alltag führte die BF1 aus, in der Früh bringe sie ihren Sohn zur Schule, anschließend koche sie, hole die Kinder von der Schule ab und lasse sie Hausaufgaben machen. Danach gehe sie mit den Kindern in den Park, lasse sie essen, bereite sie für die Schule vor und lasse sie schlafen gehen.

Im Falle der Rückkehr befürchte sie, dass ihr aufgrund der Scheidung die Kinder abgenommen würden. Sie und ihre Kinder hätten keinen Kontakt zu deren Vater, sie wisse nur, dass er abgeschoben worden sei. In Russland habe sie keinen Ort, wo sie leben könne und tue sich ihre Familie schwer, wenn auch sie noch dazu komme.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurde der Antrag der BF auf Verlängerung ihrer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 59 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt V.).

In seiner Begründung verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die Stellungnahme der Landespolizeidirektion XXXX , wonach die Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG laut Aktenlage und ergänzenden Erhebungen nicht mehr vorliegen würden, sodass auch nach Ansicht der Behörde die Voraussetzungen gemäß § 57 AsylG weggefallen seien. Da die BF ihren Aufenthalt zunächst auf drei ungerechtfertigte Asylanträge gestützt hätten, die BF1 kein geregeltes Einkommen habe und überdies im Falle ihrer Rückkehr von ihren Eltern und Geschwistern unterstützt werden könne, sei die Rückkehrentscheidung zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhoben die BF fristgerecht Beschwerde und brachten dazu vor, dass die Lebenssituation der Familie im Falle der Rückkehr immens erschwert werde und müsse die BF1 aufgrund der tschetschenischen Regelungen im Falle einer Scheidung die Kinder an die Verwandten ihres Ex-Ehemannes übergeben, was sie bei ihrer Schwester miterlebt habe, die ihre Kinder seit 13 Jahren nicht mehr gesehen habe. Auch sei unter Berücksichtigung der Länderberichte, aus welchen hervorgehe, dass geschiedene Frauen in der Russischen Föderation besonderen Schwierigkeiten gegenüberstehen würden, auf die Situation der BF1 als alleinstehende Frau mit vier minderjährigen Kindern Bedacht zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zum unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. das E 16.4.2002, Zl. 99/20/0430). Die dem unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl. in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl. 2000/20/0020). Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Nach der aktuellen - restriktiven - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 28 Abs. 3 VwGVG ist die Zurückverweisung dann gerechtfertigt, wenn sich die Behörde offenkundig notwendiger Erhebungen entledigen und auf das BVwG übertragen wollte (VwGH vom 06.11.2018 Ra 2017/01/0292) bzw. seitens des BVwG in Relation zu den Ermittlungsanstrengungen des Bundesamtes nicht "lediglich ergänzende Ermittlungen" vorzunehmen wären (VwGH vom 10.09.2018, Ra 2018/19/0172).

Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Begründung eines Bescheids erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, zu § 60 AVG unter E 19 angeführten Erkenntnisse). Zu einer lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhalts, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im Einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden (vgl. VwGH vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115). Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH vom 23.11.1993, Zl. 93/04/0156, vom 13.10.1991, Zl. 90/09/0186, Slg. Nr. 13.520/A, und vom 28.7.1994, Zl. 90/07/0029).

Im Fall der BF erweist sich der Bescheid in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus den folgenden Gründen als mangelhaft:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat die BF1 zwar zu den für sich und die BF2 bis BF5 eingebrachten Verlängerungsanträgen am 16.09.2019 persönlich einvernommen, doch beschränkte sich diese Einvernahme beinahe ausschließlich auf das Leben der BF in Österreich, insbesondere ihren Alltag, die Erwirtschaftung ihres Einkommens sowie ihre privaten Kontakte. Hingegen unterließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Befragung der BF1 dahingehend, welche konkreten Lebensumstände für den Fall der Rückkehr und welche konkreten Konsequenzen für das Familienleben mit BF 2 - BF 5 sie erwarte. Mit der Frage, ob BF 1 im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation möglicherweise - oder geradezu zwingend - wieder auf den Ex-Ehemann der BF 1 treffen könnte und welche Konsequenzen sie daher allenfalls zu erwarten hätte, setzte sich die Behörde überhaupt nicht auseinander.

Zur Erinnerung wird diesbezüglich auf das am 25.04.2018 mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W236 1427333-3/10Z u.a. verwiesen, aus dem Folgendes hervorgeht:

"Die Erstbeschwerdeführerin heiratete am XXXX ihren nunmehrigen Ex-Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation. Die Ehe beruhte auf einer Brautentführung mit anschließender Eheschließung nach dem Willen des Ex-Ehemannes. Aus dieser Ehe stammen die minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer. Die Ehe war bereits im Heimatland von Gewalttätigkeiten und Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Erstbeschwerdeführerin geprägt, wobei die Erstbeschwerdeführerin in Tschetschenien den Übergriffen des Ex-Ehemannes erfolglos durch Zuflucht bei ihrer Familie zu entkommen versuchte. Die Gewalttätigkeiten in der Ehe fanden in Österreich eine Fortsetzung und bezogen sich in weiterer Folge immer öfter auch auf die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin.

Nach Anzeigeerstattung wurden gegen den ehemaligen Ehemann der Erstbeschwerdeführerin am XXXX eine Wegweisung und ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG erlassen.

Auf Antrag der Erstbeschwerdeführerin erließ das Bezirksgericht XXXX am XXXX , GZ. XXXX , gegen ihren Ex-Ehemann eine auf ein Jahr gültige einstweilige Verfügung gemäß § 382b EO sowie gemäß § 382e EO. Diesem wurden die persönliche Kontaktaufnahme mit der Erstbeschwerdeführerin sowie der Aufenthalt in und um das Asylwerberheim und die Schule der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer untersagt.

[...]

Gegen diese einstweilige Verfügung verstieß der ehemalige Ehemann der Erstbeschwerdeführerin am 25.02.2016, da er sich im von den Beschwerdeführerin bewohnten Asylwerberheim aufhielt und dort Kontakt mit den minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführerin hatte, weswegen über ihn mit Straferkenntnis vom 08.04.2016 der Bezirkshauptmannschaft XXXX eine Geldstrafe in der Höhe von € 50 plus € 10 Verfahrenskosten verhängt wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , GZ. XXXX , wurde der Ex-Ehemann der Erstbeschwerdeführerin wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung gemäß § 107b Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. In der Hauptverhandlung gab der Ex-Ehemann der Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass er aufgrund der islamischen Tradition berechtigt sei, seine Frau bei Auseinandersetzungen zu schlagen. Er habe sie nicht jeden Tag geschlagen und ihr auch immer nur leichte Schläge verpasst. Begründend wird in dem Urteil ausgeführt, dass der Ex-Ehemann gegen die Erstbeschwerdeführerin im Zeitraum 2011 bis 13.08.2015 eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt in Form von Misshandlungen am ausübte, indem er ihr ein bis zwei Mal pro Monat Schläge versetzt habe. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , GZ. XXXX wurde die Ehe der Erstbeschwerdeführerin und des XXXX einvernehmlich rechtskräftig geschieden. Die Obsorge der minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer kommt beiden Elternteilen gemeinsam zu, wobei die minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer von der Erstbeschwerdeführerin betreut werden. Dem Ex-Ehemann der Erstbeschwerdeführerin kommt jeden Freitag von 13.00 bis 14.00 Uhr ein Besuchsrecht am Wohnort der Beschwerdeführer zu. Die Zweitbeschwerdeführerin entzieht sich diesen Besuchen meist.

[...]

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es seit mehreren Monaten zu keinen Übergriffen mehr gegen die Erstbeschwerdeführerin bzw. die minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer kam. Diesbezüglich ist auf die Judikatur des VwGH v. 12.11.2015, zZl. Ra 2015/21/0023, hinzuweisen, wonach ‚vielmehr auch die Situation im Herkunftsland der Revisionswerberin in den Blick zu nehmen sei, wo im Fall der Abschiebung sowohl von ihrem geschiedenen Ehemann als auch von dessen dort lebenden Verwandten Gewalt droht, ein Aufenthaltstitel nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 nur dann nicht zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei, wenn feststünde, dass in Armenien staatlicher Schutz vor derartigen Bedrohungen gewährleistet ist. Diese Beurteilung würde eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Situation in Armenien in Bezug auf den Schutz vor Gewalt an Frauen, insbesondere mit dem im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe voraussetzen.'

Die Erstbeschwerdeführerin konnte im gegenständlichen Verfahren insgesamt glaubhaft machen, dass sie seit vielen Jahren vom Ehemann körperlichen Angriffen und Drohungen gegen ihre Person ausgesetzt war. Insbesondere hat die Erstbeschwerdeführerin glaubhaft gemacht, dass die Übergriffe ihres geschiedenen Ehemannes seit der Eheschließung bereits im Herkunftsland bestanden. Infolge der glaubhaften Schilderungen der Erstbeschwerdeführerin hat diese auch im Herkunftsland versucht sich der Gewalt des Ehemannes durch Zuflucht bei der Familie zu entziehen, was aber keinen Erfolg brachte, da die Familie die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem geschiedenen Ehemann zurückschickte.

Laut Länderberichten wurde in der Russischen Föderation erst im Jahr 2017 ein Gesetz verabschiedet, das die Strafen bei häuslicher Gewalt stark verringert und nur mehr Geldstrafen vorsieht. Häusliche Gewalt wird nicht mehr als Straftat behandelt sondern lediglich als Ordnungswidrigkeit gewertet. Der Rechtschutz für Frauen, die in Tschetschenien häuslicher Gewalt ausgesetzt seien, sei ineffektiv, Frauenhäuser würden in der Teilrepublik Tschetschenien keine bestehen, was angesichts dessen, dass der geschiedene Ehemann der Erstbeschwerdeführerin die Scheidung im Falle der Rückkehr nicht anerkennen würde und die eheliche Gemeinschaft in Tschetschenien fortzusetzen gedenkt (vgl. S 13 der Verhandlungsschrift) und dem Umstand, dass das Asylverfahren des geschiedenen Ehemannes mit Erkenntnis das Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag negativ entschieden wurde und von dessen Rückkehr nach Tschetschenien auszugehen ist, in die vorliegende Entscheidung miteinzubeziehen war. Obzwar dem hg. Amtswissen zufolge die Bevölkerung Tschetscheniens auf einen traditionell starken Familienzusammenhalt zurückgreifen kann, der Familienverband bei der Schlichtung von Streitigkeiten jeder behördlichen oder gerichtlichen Instanz vorgelagert ist, kann die Erstbeschwerdeführerin darauf auch nicht zurückgreifen, da ihre Eltern laut ihren Angaben (vgl. S 9 der Verhandlungsschrift) die Scheidung nicht anerkennen und insbesondere die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem geschiedenen Ehemann zurückschicken würden. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt daher über keine Familienangehörigen, die ihre Interessen wirksam vertreten würden. Für die Erstbeschwerdeführerin wäre auch ein Aufenthalt in anderen Teilen der Russischen Föderation schwer zumutbar, verfügt doch die alleinerziehende Erstbeschwerdeführerin über keine nennenswerten Unterhaltsmittel oder Beziehungen zu anderen in Teilgebieten der Russischen Föderation aufhältigen Bezugspersonen.

Es zeigt sich daraus, dass in diesem vorliegenden speziellen Fall der Beschwerdeführer ganz offensichtlich der derzeitige unrechtmäßige Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet ein zentraler Anknüpfungspunkt ist, die Beschwerdeführer vor ihrem geschiedenen Ehemann bzw. Vater und daher vor weiterer Gewalt zu schützen, weshalb die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

Wie sich aus der Stellungnahme der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX sowie der Einvernahme der BF1 vom 16.09.2019 ergibt, wurde der Ex-Ehemann der BF1 zwar am XXXX in die Russische Föderation abgeschoben, aufgrund der dargestellten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die BF1 den Gewalttätigkeiten ihres Ex-Ehemannes bereits im Herkunftsstaat über mehrere Jahre ausgesetzt war sowie im Hinblick auf die im zitierten Erkenntnis enthaltene Rechtsprechung, wonach auch die Situation im Herkunftsstaat berücksichtigt werden muss (vgl. dazu auch VwGH 30.08.2017, Zl. Ra 2017/18/0119 mwN), hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jedenfalls Ermittlungen dahingehend anstellen müssen, ob eine Kontaktaufnahme des Ex-Ehemannes der BF1 mit ihr sowie den BF2 bis BF5 im Falle der Rückkehr der BF in die Russische Föderation möglich oder sogar wahrscheinlich erscheint und welche Konsequenzen es insbesondere auch unter Berücksichtigung der Vorkommnisse in Österreich (Scheidung, Wegweisung samt Betretungsverbot, einstweilige Verfügung sowie Verurteilung des Ex-Ehemannes wegen fortgesetzter Gewaltausübung) für die BF allenfalls haben könnte, sollten sie in das Umfeld ihres geschiedenen Ehemannes bzw. Vaters geraten.

Im Hinblick auf § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG ist insbesondere festzuhalten, dass nicht zwingend vorausgesetzt ist, dass eine einstweilige Verfügung tatsächlich erlassen wurde und kann für den Fall, dass eine befristete einstweilige Verfügung erlassen worden war und nach deren Ablauf die Bedrohungssituation noch andauert, nichts anderes gelten. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut liegen die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz daher auch noch vor, wenn eine einstweilige Verfügung bereits abgelaufen ist, die Bedrohungssituation aber weiter anhält. Zudem entfällt eine Schutzbedürftigkeit vor weiterer Gewalt nicht schon deswegen, weil eine einstweilige Verfügung etwa wegen Haft oder Abschiebung des Täters nicht erlassen werden konnte (vgl. VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0162; RV 1803 BlgNR 24. GP 47).

Da auch im vorliegenden Fall eine einstweilige Verfügung bereits erlassen wurde, zwischenzeitlich aber abgelaufen ist, hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sohin auch aus diesem Grund Ermittlungen dazu anstellen müssen, ob die vom Ex-Ehemann der BF1 bzw. dem Vater der BF2 bis BF5 ausgehende Bedrohungssituation weiterhin anhält, wenn die BF in ihren Herkunftsstaat zurückkehren, zumal dessen Abschiebung allein nicht geeignet ist, einen Wegfall der Bedrohungssituation zu rechtfertigen.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die BF ihre Aufenthaltsberechtigung "besonderer Schutz" auch deshalb erhielten, weil laut Länderberichten in der Russischen Föderation die Strafen bei häuslicher Gewalt per Gesetz stark verringert wurden, der Rechtsschutz für Frauen, die in Tschetschenien häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, ineffektiv sei, der Ex-Ehemann der BF1 die in Österreich erfolgte Scheidung nicht anerkennen und die eheliche Gemeinschaft fortsetzen würde und auch ihre Eltern die Trennung nicht akzeptieren und sie zu ihrem Ex-Ehemann zurückschicken würden. Die Behörde hat sich auch in diesem Zusammenhang nicht damit auseinandergesetzt, ob es einer alleinstehenden Frau mit vier minderjährigen Kindern zumutbar ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren und sie in der Lage sein wird, dort für den Unterhalt der BF2 bis BF5 zu sorgen und ist auch nicht darauf eingegangen, inwiefern sich die Situation im Hinblick auf eine mögliche Unterstützung durch ihre Eltern verändert hat, sondern beschränkte sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durchgeführte Einvernahme ausschließlich darauf, wo sich die Familienangehörigen der BF1 derzeit aufhalten und ob sie noch Kontakt zu ihnen hat. Indem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weder auf die aktuellen Länderberichte und die sich daraus ergebende Situation der BF1, noch auf die in der Einvernahme am16.09.2019 geäußerte Befürchtung, im Falle der Rückkehr ihre Kinder zu verlieren und auch nicht auf allfällige Änderungen hinsichtlich einer möglichen Unterstützung durch ihre Familienangehörigen eingegangen ist, hat es seiner Ermittlungspflicht nicht Genüge getan, zumal die BF1 bei ihrer Einvernahme am 16.09.2019 auch ausdrücklich angab, ihre Eltern würden sich schwer tun, wenn sie zusätzlich zu ihren Geschwistern auch noch sie versorgen müssten.

Eine Gesamtbetrachtung aller dargelegten Umstände zeigt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher in Bezug auf die Abweisung der Verlängerungsanträge der BF kaum Ermittlungsschritte gesetzt hat und geht auch aus den angefochtenen Bescheiden hervor, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme der Landespolizeidirektion Steiermark stützte, sodass das Bundesverwaltungsgericht beinahe sämtliche Ermittlungen selbst nachholen müsste.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Verhängung eines Einreiseverbots für geboten erachtete, ist in Bezug auf die dabei zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier:

"Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" iSd § 53 Abs. 2 FPG) gerechtfertigt ist. Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0203; 30.6.2015, Ra 2015/21/0002, mwN).

Diesen Anforderungen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entsprochen, weil es zum einen weder die vom Ex-Ehemann der BF1 ausgehenden Gewalttätigkeiten noch die dadurch bedingte Erteilung der Aufenthaltsberechtigung "besonderer Schutz" berücksichtigte und sich im Hinblick auf die Mittelosigkeit nicht mit der konkreten Situation der BF1 als alleinerziehende Mutter von vier minderjährigen Kindern beschäftigte. Zum anderen ist auch in Bezug auf Einreiseverbote gegenüber Kindern eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weder auf das Alter, noch auf die konkreten Lebensumstände der BF2 bis BF5 Bedacht genommen, sondern rechtfertigte die ihnen gegenüber erlassenen Einreiseverbote mit pauschalen Begründungen für alle Familienmitglieder, die sich inhaltlich jedoch nur auf die BF1 bezogen (vgl. VwGH 16.05.2019, Ra 2019/21/0104).

Aus den dargelegten Gründen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sohin zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nur völlig ungeeignete Ermittlungen gesetzt bzw. teilweise überhaupt keine Ermittlungsschritte vorgenommen und dadurch letztendlich versucht, nahezu sämtliche Ermittlungsschritte an das Bundesverwaltungsgericht zu delegieren.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Die belangte Behörde würde durch ihre Verfahrensführung die wesentliche Ermittlungs- und Begründungstätigkeit quasi an die Rechtsmittelinstanz delegieren (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. 2014/03/0063). Würde in diesem konkreten Fall das Bundesverwaltungsgericht - jene Instanz die zur eigentlichen Rechtskontrolle eingerichtet wurde - die Instanz sein, die im Verfahren erstmals einen begründeten Bescheid mit den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes erlässt, so wäre damit der Rechtsschutz der BF de facto eingeschränkt. Es ist in erster Linie die Aufgabe der belangten Behörde als Tatsacheninstanz zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sich sachgerecht mit dem Antrag auseinanderzusetzen, den maßgeblichen Sachverhalt vollständig festzustellen und ihre Begründung im Bescheid nachvollziehbar darzustellen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, nach entsprechender Durchführung der gebotenen Ermittlungsschritte, insbesondere ergänzende Einvernahme der BF1 sowie Auseinandersetzung mit einzelfallspezifischen Länderberichten, mit der Frage beschäftigten müssen, ob im Falle der Rückkehr der BF vom Ex-Ehemann der BF1 nach wie vor ein Bedrohungsrisiko ausgeht, ob und gegebenenfalls wie die BF1 in der Lage sein wird, als alleinstehende Mutter den gesamten Unterhalt für sich und ihre Kinder zu erwirtschaften und ob bzw. welche Änderungen seit Erteilung der Aufenthaltsberechtigungen an die BF im Herkunftsstaat eingetreten sind, die eine Rückkehr zumutbar erscheinen lassen.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausschließlich auf die Stellungnahme der Landespolizeidirektion Steiermark gestützt und dadurch unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt hat, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu

A) wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W226.2169222.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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