Entscheidungsdatum
19.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W256 2200887-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Juni 2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben, und der Beschwerdeführerin
gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, stellte am 25. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt.
Die Beschwerdeführerin wurde am 15. Juni 2018 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Dabei führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie stamme aus der Region Toghdeer und habe sie dort bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Familie gelebt. Sie habe seit ihrer Ausreise allerdings keinen Kontakt zu ihrer Familie. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Beschwerdeführerin zusammenfassend an, dass ihr Bruder einen Mann verletzt habe, weshalb die Familie des Verletzten Geld von Ihrem Stiefvater verlangt habe, andernfalls er getötet werde. Ihr Stiefvater habe daraufhin sie als Person anstelle der Bezahlung von Geld angeboten. Nachdem sie dies erfahren habe, sei sie geflohen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Somalia zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Aus den individuellen persönlichen Verhältnissen könne auch keine reale Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG 2005 abgeleitet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen auf ihr bisheriges Fluchtvorbringen, insbesondere auf die prekäre Situation für Frauen in Somalia verwiesen.
Mit Schreiben vom 15. April 2019 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie schwanger sei und legte sie dazu eine Kopie aus ihrem Mutter-Kind-Pass vor.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 10. September 2019 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurden der Beschwerdeführerin diverse Länderberichte, darunter eine Länderanalyse des Staatssekretariats für Migration der Schweizer Eidgenossenschaft "FOCUS Somalia" vom 31. Mai 2017 (im Folgenden: FOCUS Somalia), der Bericht FSNAU Quarterly Brief-Focus von Gu 2019 vom 29. April 2019 (im Folgenden: FSNAU-Food Security & Nutrition 4/2019) und der FEWS NET vom Mai 2017 (im Folgenden: FWES Net) zum Parteiengehör ausgehändigt. In der mündlichen Verhandlung wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Fluchtvorbringen. Ergänzend führte sie aus, sie gehöre dem Clan der Gabooye an und verwies sie auf eine sie und ihr Kind betreffende Verfolgung in Somalia wegen der Unehelichkeit des Kindes.
Mit Schreiben vom 29. November 2019 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia - Somaliland vom 17. September 2019 (im Folgenden: LIB Somaliland) und ein Auszug des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia vom 17. September 2019 (im Folgenden: LIB) zum Parteiengehör übermittelt.
In ihrer Stellungnahme vom 6. Dezember 2019 verwies die Beschwerdeführerin im Wesentlichen erneut auf die schlechte Lage in Somalia besonders für Frauen. Mittlerweile sei die Beschwerdeführerin Mutter eines Sohnes und sei auch darauf bei der Entscheidung einzugehen. Unter einem legte sie u.a. die Geburtsurkunde ihres am 21. Oktober 2019 geborenen Sohnes vor. Überdies wurde auf die Minderheitenangehörigkeit der Beschwerdeführerin verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
zur Person
Die - im Spruch genannte - Beschwerdeführerin besitzt die somalische Staatsangehörigkeit. Ihre Muttersprache ist Somalisch (AS 3, AS 181, Verhandlungsschrift Seite 5 und 10).
Sie wurde in XXXX in der Region Togdheer in Somaliland geboren und hat sie dort bis zu ihrer Ausreise gemeinsam mit ihrer Familie gelebt (AS 3, AS 181, Verhandlungsschrift Seite 5 ff).
Sie gehört dem Clan der Gabooye an (Verhandlungsschrift Seite 5).
Die Beschwerdeführerin verfügte in Somalia zum Zeitpunkt ihrer Ausreise über ihre Mutter, ihren Stiefvater und ihre fünf Geschwister. Seit ihrer Ausreise steht sie allerdings mit ihrer Familie in keinem Kontakt, weshalb ihr genauer Aufenthaltsort unbekannt ist (Verhandlungsschrift Seite 8).
Die Beschwerdeführerin hat in Somalia keine Schule besucht und kann weder lesen noch schreiben. Sie hat ihre Mutter im Haushalt unterstützt und die familieneigenen Ziegen gehütet (AS 183, Verhandlungsschrift Seite 6). Für ihren Lebensunterhalt ist ihre Mutter und ihr Stiefvater aufgekommen (Verhandlungsschrift Seite 6).
Sie hat Mitte 2015 ihr Heimatland verlassen und ist am 24. April 2016 in Österreich eingereist (AS 7, AS 9 und Verhandlungsschrift Seite 7).
Die Beschwerdeführerin ist gesund und nicht verheiratet. Sie hat im Oktober 2019 einen Sohn zur Welt gebracht (Verhandlungsschrift Seite 5ff, siehe auch die vorgelegte Geburtsurkunde).
Aktuell führt die Beschwerdeführerin in Österreich eine Beziehung zu einem somalischen Asylwerber, mit welchem sie allerdings nicht zusammenlebt (Verhandlungsschrift Seite 5).
Sie ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterabfrage vom 17. Dezember 2019).
zur Lage in Somalia
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (LIB, Seite 88).
Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (LIB, Seite 90).
Gewalt gegen Frauen, insbesondere sexuelle bleibt ein großes Problem. Besonders betroffen sind davon IDPs in Flüchtlingslagern. Auch Frauen und Mädchen von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre, Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (LIB, Seite 89).
Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten, die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (LIB, Seite 89).
Die Regierung tut jedoch wenig, um sich des Problems der sexuellen Gewalt anzunehmen. Es gibt de facto keinen Rechtsschutz gegen Vergewaltigung. Generell herrscht Straflosigkeit. Strafverfolgungen oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderen Formen der sexuellen Gewalt sind rar. Dabei werden Vergewaltigungen ohnedies nur selten der formellen Justiz zugeführt, denn sexuelle Gewalt ist ein Tabu-Thema, weswegen viele Opfer darüber nicht sprechen. Außerdem leiden Vergewaltigungsopfer an Stigmatisierung. Opfer, die sich an Behörden wenden, werden oft angefeindet, in manchen Fällen sogar getötet. Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (LIB, Seite 89).
Die Ehe ist in Somalia extrem wichtig. Es ist in der somalischen Gesellschaft geradezu undenkbar, dass eine junge Person unverheiratet bleibt (LIB, Seite 92).
Durch eine Scheidung wird eine Frau nicht stigmatisiert. Scheidungen sind in Somalia nicht unüblich. Bei einer Scheidung bleiben die Kinder üblicher Weise bei der Frau, diese kann wieder heiraten oder die Kinder alleine großziehen. Bei der Auswahl eines Ehepartners sind Geschiedene in der Regel freier als bei der ersten Eheschließung (LIB, Seite 93).
In Somalia gibt es keine Tradition sogenannter Ehrenmorde im Sinne einer akzeptierten Tötung von Frauen, welche bestimmte soziale Normen überschritten haben - z.B. Geburt eines unehelichen Kindes. Ein uneheliches Kind wird allerdings als Schande für die ganze Familie der Frau erachtet. Mutter und Kind werden stigmatisiert, im schlimmsten Fall werden sie von der Familie verstoßen (LIB, Seite 93).
zur Lage in Somaliland
Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem und ist üblich. Prinzipiell können sich Frauen in solchen Fällen zwar an Behörden wenden, in der Praxis gestaltet sich dies allerdings schwierig. Die NGO Health Poverty Action unterstützt in Hargeysa ein Frauenhaus (LIB Somaliland, Seite 25).
Gruppenvergewaltigungen stellen in urbanen Gebieten weiterhin ein Problem dar. Täter sind oftmals Jugendliche oder Studenten. Diese Vergewaltigungen geschehen meist in ärmeren Stadtteilen, bei Migranten, zurückgekehrten Flüchtlingen oder IDPs im städtischen Raum. Im Gegensatz zum Süden Somalias gibt es aus Somaliland so gut wie keine Berichte über Vergewaltigungen durch Uniformierte (LIB Somaliland, Seite 25).
Auch erwähnen weibliche IDPs in Somaliland nicht, dass sie im Lager besonderen Risiken sexueller Gewalt ausgesetzt wären (LIB Somaliland, Seite 28).
Aufgrund sozialen Drucks werden Vergewaltigungen aber auch nur selten angezeigt (LIB Somaliland, Seite 25).
zur Lage der Minderheiten in Somalia/Somaliland
Die somalische Kultur und Sprache ist in der Bundesrepublik Somalia einschließlich des de facto unabhängigen Somaliland sowie in Teilen von Kenia, Äthiopien und Djibouti heimisch (FOCUS Somalia Seite 8).
Die somalische Nation ist in Clans bzw. Stämme aufgeteilt. Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für sämtliche Angehörige der somalischen Nation (Somalis). Die Clans sind in sich weiter hierarchisch aufgegliedert in Clanfamilie, Clan, Sub-Clan, Sub-Sub-Clan (FOCUS Somalia Seite 8).
Im Alltag spielt die Clan-Zugehörigkeit eine große Rolle. Große Clans dominieren Politik und Verwaltung, wodurch kleinere Gruppen marginalisiert, gesellschaftlich manchmal diskriminiert werden. Ihr Zugang zu öffentlichen Diensten ist schlechter (LIB Somaliland, Seite 23).
Dies trifft v.a. auf die Gabooye zu. Diese leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Eine aktive Verfolgung findet allerdings nicht statt, und es kommt auch zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte. Allerdings kann es vorkommen, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird. Im Justizsystem treffen Gabooye zwar auf Vorurteile, sie werden von den somaliländischen Gerichten in den letzten Jahren aber mehrheitlich fair behandelt (LIB Somaliland, Seite 23).
Der durchschnittliche Angehörige der Gabooye in Somaliland ist arm. Es ist eine übliche Überlebensstrategie, dass die meisten Kinder im Stadtteil Daami (Hargeysa) arbeiten geschickt werden, damit sie zum Familieneinkommen beitragen; sie verrichten körperliche Arbeit, z.B. Schuhputz, Autowaschen, Metallarbeiten oder Haarschneiden. Man geht auf den Markt und sieht sich nach Arbeit um (LIB Somaliland, Seite 23).
zur Versorgungslage
Unterdurchschnittliche Regenfälle in den meisten Teilen Somalias während der Saison 2018 (Oktober - Dezember), gefolgt von harten Wetterbedingungen während der trockenen Jilaal-Saison (Jänner - März 2019) und der schlechten Leistung der Gu Regenfälle (April-Juni 2019) haben zu einer Dürre in vielen Teilen des Landes geführt (FSNAU-Food Security & Nutrition 4/2019, Seite 1).
Die Region Togdher wird zum größten Teil als IPC-3 Kategorie eingestuft (FSNAU-Food Security & Nutrition 4/2019, Seite 14). Die IPC-Kategorie 3 wird wie folgt definiert: Auch mit humanitärer Hilfe hat mindestens einer von fünf Haushalten in der Region Folgendes oder schlimmer: Nahrungsmittellücken mit hoher oder akuter Unterernährung oder sie sind nur marginal in der Lage, den Mindestnahrungsmittelbedarf bei beschleunigter Erschöpfung der Lebensgrundlagen zu decken, was jedoch zu Nahrungsmittellücken führen wird (vgl. FEWS Net, Seite 1).
Die maßgeblichen Entwicklungsindikatoren sind in Somaliland durchweg besser, als im Rest des Landes: Mehr Mütter überleben Schwangerschaft und Geburt, mehr Kinder gehen zur Schule, mehr Menschen haben Zugang zu Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut. Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei. Viele Haushalte sind darauf angewiesen. Außerdem ermöglicht die in Somaliland weit verbreitete, am Mobilfunknetz aufgebaute Zahlungs- und Transfertechnologie, dass in städtischen Gebieten lebende Menschen ihren Verwandten auf dem Land ohne Zeitverlust Geld zukommen lassen können.
Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben etwa Kinder bei Verwandten (76%) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7%) untergebracht. Weitere 54% schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser, als in anderen Landesteilen. Wenn Verwandten aber die Ressourcen zur Hilfe ausgehen, führt der Weg oft ins IDP-Lager (LIB Somaliland, Seite 32 f).
2. Beweiswürdigung:
Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.
1. zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, ihrer Herkunft, ihrer Schulbildung, ihrem Ausreisezeitpunkt, ihren Sprachkenntnissen und ihrem Familienstand ergeben sich aus ihren diesbezüglich weitestgehend gleichbleibenden und glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln.
Die Feststellungen zu ihrer Clanzugehörigkeit ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal die belangte Behörde dazu auch keine gegenteiligen Feststellungen getroffen hat.
Die Feststellungen zu ihrer Familie ergeben sich aus den eigenen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren. Die Beschwerdeführerin brachte im Verfahren konstant vor, seit ihrer Ausreise keinen Kontakt mit ihrer Familie zu haben. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln, zumal die belangte Behörde dazu auch keine gegenteiligen Feststellungen getroffen hat.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung und den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellungen zu ihrem Sohn ergeben sich insbesondere aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht und der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Geburtsurkunde.
Die Feststellungen zu ihrer strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.
3. zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsland
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal dazu auch gar nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
zu Spruchpunkt A.
zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2019/53 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).
Flüchtling iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl bspw VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva).
§ 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 der Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083 uva).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).
Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere der Zugehörigkeit zu einem niederen Clan oder bei Fehlen eines sozialen oder familiären Netzwerkes, jedoch Asylrelevanz erreichen.
Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Angehörige eines Minderheitenclans, welche überdies über keine Schulbildung und auch keine familiären oder sonstigen Anknüpfungspunkte in Somalia verfügt. Erschwerend kommt im Fall der Beschwerdeführerin zusätzlich hinzu, dass sie alleinstehende Mutter eines unehelichen Sohnes und damit - laut den Länderberichten - nicht nur generell als Schande in Somalia wahrgenommen, sondern auch vollständiger sozialer Ausgrenzung ausgesetzt werden würde.
Entsprechend den Länderberichten besteht daher für die Beschwerdeführerin ein ernstzunehmendes Risiko, sich im Falle einer Rückkehr in einem IDP Lager wiederzufinden und damit Opfer von (auch in Somaliland festgestellter) geschlechtsspezifischer Gewalt von zweifellos asylrelevanter Intensität zu werden.
Von einer Schutzfähigkeit und - willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden.
Auch kann angesichts der fehlenden Schutzgewährung durch die staatlichen Behörden nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin ein Ausweichen in einen anderen Landesteil Somalias möglich wäre, zumal sie im gesamten Staatsgebiet Somalias im Wesentlichen der gleichen - oben beschriebenen - Situation ausgesetzt wäre.
Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war der Beschwerdeführerin daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 aus diesem Grund der Status einer Asylberechtigten für die Dauer von drei Jahren zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
zu Spruchpunkt B.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.
Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W256.2200887.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.03.2020