TE Vfgh Beschluss 2019/11/28 KI16/2019

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Index

L3700 Benützungsabgabe, Gebrauchsabgabe

Norm

B-VG Art138 Abs1 Z2
Nö GebrauchsabgabeG §2
Nö StraßenG 1999 §18
ABGB §523
VfGG §7 Abs2, §43 Abs1

Leitsatz

Keine Einleitung eines Verfahrens zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonflikts zwischen dem OGH und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mangels Vorliegens derselben Sache betreffend die Verpflichtung zur Beseitigung eines vom Einschreiter errichteten Zaunpfostens

Spruch

Ein Verfahren zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wird nicht eingeleitet.

Begründung

Begründung

I.       Anzeige und Vorverfahren

1.       Mit einer auf §43 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG), BGBl 85/1953 idF BGBl I 33/2013, gestützten Anzeige wurde dem Verfassungsgerichtshof das "Entstehen eines Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Landesverwaltungsgericht NÖ iSd §43 VfGG iVm Art138 Abs1 Z2 B-VG" mitgeteilt.

1.1.    Der Anzeiger führt im Einzelnen aus, ihm sei mit einer Verfügung in Mitteilungsform vom 28. September 2017 von "der Verwaltungsbehörde MG Leobersdorf" einerseits ein bestehendes Gebrauchsrecht iSd §1 Abs3 Z1 NÖ Gebrauchsabgabegesetz 1973 (NÖ-GebAG), LGBl 3700-8 idF LGBl 17/2015, gemäß seiner Gebrauchsanzeige vom 11. April 2017 bestätigt worden, andererseits sei jedoch auch eine umgehende Beseitigung und Unterlassung der Wiedererrichtung einer vom ihm errichteten Ladevorrichtung auf Dauer gefordert worden. Diese Forderung zur Beseitigung einer Ladevorrichtung mit bestehender Gebrauchsbewilligung sei gesetzlich nur durch einen Widerruf der Gebrauchserlaubnis "mit einem Bescheid gemäß §4 Abs1" NÖ-GebAG "iVm §2 Abs6 letzter Satz NÖ-GebAG und iVm §5 Abs1 NÖ-GebAG möglich, so ferne Versagungsgründe iSd §2 Abs2 NÖ–GebAG im Nachhinein entstanden sind".

1.2.    Mit Antwortschreiben vom 2. Oktober 2017 habe der Anzeiger der Behörde unmissverständlich mitgeteilt, dass er einen "Bescheid mit Widerruf und Beseitigungsauftrag iSd §§4 und 5 NÖ-GebAG nicht erhalten hat und dieser Bescheid aber gesetzlich vorgesehen ist seit der Einführung der Verwaltungsreform 2014 mit der neuen Verfassungsbestimmung des Art94 Abs2 B-VG, mit welcher Bestimmung der (direkte) Instanzenzug an die ordentlichen Gerichte für Verwaltungsbehörden nur mehr dann vorgesehen ist, wenn dies in den in der Sache anzuwendenden Gesetzen ausdrücklich vorgesehen ist" (Zitat ohne Hervorhebungen im Original).

1.3.    Die angerufene Behörde habe aber erst nach einem Devolutionsantrag durch ihre Oberbehörde, "dem Gemeindevorstand der MG Leobersdorf, dem Wunsch nach einer entsprechenden Klarstellung des Widerspruchs zwischen aufrechten und bestätigten Gebrauchsrecht ohne Widerruf iSd §§4 und 5 NÖ-GebAG und der zwischenzeitig bereits bei Gericht eingebrachten Beseitigungs- und Unterlassungsklage mit Urteil in der ersten Instanz […] vom 24.07.2018 GZ: 15 C 1160/17t – 13 in so fern entsprochen" und habe "die gewünschte Klarstellung mit einem Bescheid […] vom 12.03.2019 GZ: BA-15/1-2019 zurückgewiesen und damit das bestehende und bisher nicht widerrufene Gebrauchsrecht für eine Ladevorrichtung vor dem Haus des Anzeigers bestätigt".

1.4.    Der Anzeiger habe "gegen diesen Bescheid […] wegen des nach wie vor bestehenden Widerspruchs der unveränderten Fortsetzung der nach Art94 Abs2 B-VG unzulässigen Klage auf Beseitung und Unterlassung bei gleichzeitiger Zurückweisung eines Bescheides zum ordentlichen Widerruf des Gebrauchsrechtes verbunden mit Beseitigungspflicht iSd §§4 und 5 NÖ-GebAG aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmung des Art94 Abs2 B-VG rechtzeitig Beschwerde erhoben" und diese Beschwerde sei von der Behörde laut deren Auskunft am 1. April 2019 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt worden und sei daher derzeit bei diesem anhängig.

1.5.    Die Behörde versuche mit ihrer Klage bei den ordentlichen Gerichten anstatt einer "Bescheidausstellung iSd §§4 und 5 NÖ-GebAG" offenbar die "eindeutige Verfassungsbestimmung des Art94 Abs2 B-VG zu umgehen und dadurch, obwohl weder im NÖ-GebAG noch nach §18" NÖ Straßengesetz 1999 (NÖ-StrG), LGBl 8500-0 idF LGBl 8500-3, "als in der Sache klagsrelevante Bestimmungen ein Instanzenzug an die ordentlichen Gerichte vorgesehen wird und daher diese Aufgaben nun seit der Verwaltungsreform von der zuständigen Verwaltungsbehörde und den Verwaltungsgerichten im Instanzenzug, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, zu erledigen wären, eine Entscheidung zu ihren Gunsten ohne Vorliegen der im Gesetz (NÖ-GebAG) genannten Bedingungen an Widerrufsgründen, also nach Willkür der Behörde, durchzusetzen und damit die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zu missbrauchen" (Zitat ohne Hervorhebungen im Original).

1.6.    Das Klageverfahren auf Beseitigung und Unterlassung der Ladevorrichtung des Anzeigers werde nach Eingabe einer ordentlichen Revision und einer Revisionsbeantwortung der Gegenseite nun auch vom Obersten Gerichtshof bearbeitet und entschieden werden, während gleichzeitig über "diesselbe Hauptsache nämlich auf Widerruf und Beseitigung der Ladevorrichtung" das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich entscheiden werde. Es liege daher offenkundig ein "Kompetenzkonflikt iSd §43 Abs1 VfGG zwischen dem Landesverwaltungsgericht NÖ und dem Obersten Gerichtshof vor, der vor einer Entscheidung in der Hauptsache vom Verfassungsgerichtshof iSd Art94 B-VG" zu entscheiden sein werde.

2.       Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte dem Verfassungsgerichtshof die Gerichtsakten vor und erstattete eine Äußerung:

Der Anzeiger habe am 1. April 2019 ein als Beschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG, somit als Bescheidbeschwerde bezeichnetes Schreiben bei der Marktgemeinde Leobersdorf eingebracht. Diese Beschwerde sei dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt worden. Mit dieser Beschwerde werde ein Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Leobersdorf vom 12. März 2019 angefochten. Mit dem angefochtenen Bescheid sei ein Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 9. Jänner 2019 wegen behaupteter Entscheidungspflicht des Bürgermeisters in einer Angelegenheit des NÖ-GebAG als unzulässig zurückgewiesen worden. Zur Begründung sei im Wesentlichen ausgeführt worden, die behauptete Entscheidungspflicht bestehe nicht. Auf die Erstattung einer weitergehenden Äußerung werde verzichtet.

3.       Der Oberste Gerichtshof legte dem Verfassungsgerichtshof die Gerichtsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Äußerung ab.

4.       Aus den Gerichtsakten ergibt sich, dass die Marktgemeinde Leobersdorf mit einer Klage gegen den Anzeiger beim Bezirksgericht Baden – gestützt auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere §523 ABGB – die Beseitigung eines hohlen Zaunpfostens aus Metall mit darauf angebrachten Steckdosen samt Betonfundament von ihrem Grundstück und die Unterlassung der Nutzung des Grundstückes zur Installation einer weiteren solchen oder ähnlichen Vorrichtung begehrt hatte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Urteil vom 24. Juli 2018 statt. Gegen dieses Urteil erhob der Anzeiger rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. Das Landesgericht Wiener Neustadt entschied am 7. Jänner 2019, der Berufung nicht Folge zu geben und die ordentliche Revision zuzulassen. Der Beschwerdeführer erhob am 13. Februar 2019 das Rechtsmittel der ordentlichen Revision, die Marktgemeinde Leobersdorf brachte am 13. März 2019 eine Revisionsbeantwortung ein. Die Akten wurden dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

II.      Rechtslage

1.       §43 VfGG lautet:

"§43. (1) Ist ein Kompetenzkonflikt dadurch entstanden, dass ein ordentliches Gericht und ein Verwaltungsgericht, ein ordentliches Gericht und der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof selbst und ein anderes Gericht (Art138 Abs1 Z2 B-VG) die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen haben (bejahender Kompetenzkonflikt), so hat der Verfassungsgerichtshof nur dann ein Erkenntnis zu fällen, wenn von einem der genannten Gerichte ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht gefällt ist.

(2) Hat ein Gericht bereits einen rechtskräftigen Spruch in der Hauptsache gefällt, so bleibt die alleinige Zuständigkeit dieses Gerichtes aufrecht.

(3) Lag ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht vor, so ist das Verfahren zur Entscheidung des Kompetenzkonfliktes einzuleiten, sobald der Verfassungsgerichtshof von dem Entstehen des Konfliktes, sei es durch Anzeige eines im Abs1 bezeichneten Gerichtes oder der an der Sache beteiligten Behörden oder Parteien, sei es durch den Inhalt seiner eigenen Akten, Kenntnis erlangt.

(4) Die im Abs3 genannten Behörden sind zu dieser Anzeige verpflichtet.

(5) Die Einleitung des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof unterbricht das bei dem betreffenden Gericht anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des Kompetenzkonfliktes."

2.       §18 NÖ-StrG lautet:

"Sondernutzung

(1) Jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung von öffentlichen Straßen ist eine Sondernutzung und bedarf der Zustimmung der Straßenverwaltung.

Sie wird in Form einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Straßenverwaltung und Sondernutzer erteilt.

Durch eine Sondernutzung werden keine Rechte ersessen.

(2) Für den Anschluss von Haus- und Grundstücksausfahrten an die Straße ist eine Vereinbarung nach Abs1 nicht erforderlich,

wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

-

die Ausführung des Anschlusses im Einvernehmen mit der Straßenverwaltung hergestellt wird und

-

die Straßenverwaltung auf den Abschluss einer Vereinbarung verzichtet.

(3) Eine Vereinbarung nach Abs1 hat alle Angaben zu beinhalten, die alle Rechte und Pflichten, die mit der Sondernutzung verbunden sind, eindeutig regeln.

Dazu gehören insbesonders:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Art und Umfang der Sondernutzung,

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Auflagen und Bedingungen,

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Dauer der Sondernutzung,

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Gründe für den Widerruf der Zustimmung zur Sondernutzung,

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Sachleistungen,

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Entgelte (z. B. Bestandszins).

(4) Soferne nichts anderes vereinbart ist, gehen die Rechte und Pflichten aus der abgeschlossenen Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger über."

3.       Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ-GebAG lauten auszugsweise:

"§1 Recht zum Gebrauch

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher ein Gebrauchsrecht zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll.

[…]

(3) Folgende Arten des Gebrauches von öffentlichem Grund in der Gemeinde (Abs1) gehen über die widmungsmäßigen Zwecke hinaus und sind vor Beginn des Gebrauchs der Gemeinde anzuzeigen (§2 Abs6):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Anbringung und Aufstellung von ständig angebrachten Halterungen für Fahnen und ähnliche Vorrichtungen;

2.

regelmäßige Aufstellung von nicht unter kraftfahrzeugrechtliche Vorschriften fallenden selbstfahrenden Arbeits- oder Zugmaschinen oder von Handwagen, Handkarren und Handschlitten auf dem annähernd gleichen Ort;

3.

regelmäßige Aufstellung von nicht unter kraftfahrzeugrechtliche Vorschriften fallenden einspurigen Fahrzeugen auf dem annähernd gleichen Ort, wenn es sich dabei nicht um entsprechende Abstellanlagen handelt;

4.

Anbringung und Aufstellung von flach angebrachten Schildern, Schautafeln, Ankündigungen, Anschriften in Form von flach angebrachten Buchstaben, Zeichen u.ä, soweit diese nicht wirtschaftlichen Werbezwecken oder Wählergruppen dienen;

5.

Anbringung und Aufstellung von Steckschildern, Ankündigungstafeln, nicht ortsfesten Plakatständern, Werbefahnen oder freistehenden Buchstaben, soweit diese nicht wirtschaftlichen Werbezwecken oder Wählergruppen dienen;

6.

Anbringung und Aufstellung von Lautsprecheranlagen zu wirtschaftlichen Werbezwecken;

7.

Aufstellung von Fahrradständern.

Die Ausnahmen gemäß Z4 und 5 gelten für jene Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung für

-

die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung oder

-

die Wahl des Bundespräsidenten oder

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Volksabstimmungen, Volksbegehren oder Volksbefragungen auf Grund landes- oder bundesgesetzlicher Vorschriften

beteiligen, innerhalb von 6 Wochen vor bis spätestens 2 Wochen nach dem Wahltag oder dem Tag der Volksabstimmung, der Volksbefragung oder des Volksbegehrens.

[…]

§2 Erteilung der Gebrauchserlaubnis, Anzeigepflicht

(1) Die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis ist nur auf Antrag zulässig.

(2) Die Gebrauchserlaubnis ist zu versagen, wenn der Gebrauch öffentliche Interessen, etwa sanitärer oder hygienischer Art, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder die Aufenthaltsqualität für Personen (insbesondere Gewährleistung von Aufenthalts- und Kommunikationsbereichen) beeinträchtigt oder andere das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände herbeiführt; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

(3) Die Gebrauchserlaubnis kann einer physischen Person, einer juristischen Person, einer Mehrheit solcher Personen, einer Erwerbsgesellschaft des bürgerlichen Rechtes oder einer Personengesellschaft nach Unternehmensrecht erteilt werden.

(4) Bescheide über die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis, bei deren Erlassung ein Versagungsgrund nach Abs2 gegeben war, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler.

(5) Bewilligungsinhaber im Sinne des §1 Abs2 letzter Satz haben die Gebrauchnahme vorher dem Bürgermeister (Magistrat) anzuzeigen und die baubehördliche oder straßenpolizeiliche Bewilligung anzuschließen.

(6) In der Anzeige gemäß §1 Abs3 sind Beginn, Art, Umfang und Dauer des Gebrauchs anzugeben. Nach Ablauf von vier Wochen nach Vorliegen der vollständigen Anzeige oder nach formloser Zustimmung der Gemeinde vor Fristablauf darf mit dem Gebrauch begonnen werden. Der Gebrauch ist zu untersagen, wenn Gründe gemäß Abs2 entgegenstehen. Der Gebrauch darf auch nachträglich untersagt werden, wenn Gründe gemäß Abs2 nachträglich bekannt werden.

[…]

§4 Erlöschen der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis

(1) Die Gemeinde hat die Gebrauchserlaubnis zu widerrufen, wenn ein nachträglich entstandener Versagungsgrund nach §2 Abs2 bekannt wird, sofern nicht die Vorschreibung von Bedingungen, Befristungen oder Auflagen für die Ausübung des bewilligten Gebrauchs ausreicht. Weiters ist die Gebrauchserlaubnis bei wiederholter Bestrafung wegen Übertretungen dieses Gesetzes oder wegen Nichteinhaltung der gemäß §2 Abs2 auferlegten Verpflichtungen zu widerrufen. Durch den Widerruf erlischt die Gebrauchserlaubnis.

(2) Die Gebrauchserlaubnis erlischt überdies im Zeitpunkt des Einlangens einer Verzichtserklärung beim Gemeindeamt (in einer Stadt mit eigenem Statut beim Magistrat). Ein Verzicht liegt auch dann vor, wenn die Gebrauchsabgabe binnen zwei Monaten nach Fälligkeit ohne Angabe von Gründen nicht entrichtet wird und außerdem für die annähernd gleiche Stelle, auf die sich die Gebrauchserlaubnis bezieht, eine neue Gebrauchserlaubnis beantragt worden ist. In derartigen Fällen wird der Verzicht im Zeitpunkt der Erteilung der neuen Gebrauchserlaubnis wirksam.

(3) Fällt die baubehördliche oder straßenpolizeiliche Bewilligung im Sinne des §1 Abs2 weg, hat die Gemeinde mit Bescheid festzustellen, dass das Recht zur Ausübung des als bewilligt geltenden Gebrauchs erloschen ist.

[…]

§5 Verpflichtungen nach dem Erlöschen des Gebrauchsrechts

(1) Wird die Gebrauchserlaubnis widerrufen oder das Erlöschen nach §4 Abs3 festgestellt, so ist im Bescheid eine angemessene Frist festzusetzen, innerhalb welcher der ehemalige Erlaubnisträger die Einrichtungen, durch die öffentlicher Grund in der Gemeinde (§1 Abs1) in Anspruch genommen wurde, zu beseitigen hat.

(2) Erlischt die Gebrauchserlaubnis, so hat der ehemalige Erlaubnisträger bzw seine Rechtsnachfolger die im Abs1 genannten Einrichtungen zu beseitigen und die durch die Beseitigung der Einrichtung betroffenen Flächen auf seine Kosten in jenen Zustand zu versetzen, der dem Zustand des unmittelbar angrenzenden öffentlichen Grundes in der Gemeinde entspricht. Falls dieser Herstellungspflicht nicht nachgekommen wird, ist diese von der Gemeinde mit Bescheid auszusprechen.

(3) Abs1 gilt im Fall des §2 Abs6 letzter Satz sinngemäß."

III.    Erwägungen

1.       Die Einleitung eines Verfahrens zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes ist unzulässig:

2.       Gemäß Art138 Abs1 Z2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua über Kompetenzkonflikte zwischen ordentlichen Gerichten und Verwaltungsgerichten. Der Verfassungsgerichtshof hat gemäß §43 Abs3 VfGG ein Verfahren zur Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes einzuleiten, sobald er von dem Entstehen eines Kompetenzkonfliktes Kenntnis erlangt und ein rechtskräftiger Spruch in der Hauptsache noch nicht vorlag.

3.       Gemäß §43 Abs1 VfGG besteht ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem ordentlichen Gericht und einem Verwaltungsgericht, zu dessen Entscheidung der Verfassungsgerichtshof gemäß Art138 Abs1 Z2 B-VG berufen ist, wenn ein ordentliches Gericht und ein Verwaltungsgericht die Entscheidung derselben Sache in Anspruch genommen haben.

4.       Ein solcher bejahender Kompetenzkonflikt kann dabei nur dann gegeben sein, wenn eines der beiden Gerichte zu Unrecht die Entscheidung in derselben Sache in Anspruch nimmt (vgl VfSlg 1351/1930, 1720/1948). Ob "dieselbe Sache" vorliegt, hängt weder von den in den Erledigungen verwendeten Formulierungen noch von den darin zitierten Rechtsvorschriften ab (vgl VfSlg 14.295/1995, 14.383/1995, 19.997/2015, 20.164/2017; VfGH 26.9.2019, KI8/2019), sondern ist insbesondere danach zu beurteilen, ob die vom Einschreiter an die beiden Organe gerichteten Begehren identisch sind (vgl VfSlg 16.104/2001, 19.997/2015, 20.164/2017, 20.233/2018; VfGH 26.9.2019, KI8/2019). Der Begriff der Identität der Sache darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht allzu streng ausgelegt werden, weil sich gewisse Verschiedenheiten in der Geltendmachung des Anspruches schon daraus ergeben müssen, dass die Verteilung der Zuständigkeit von materiell-rechtlichen Momenten abhängig ist, die bei der Geltendmachung vor den ordentlichen Gerichten anders geartet sind als bei der Geltendmachung vor den Verwaltungsbehörden und -gerichten nach den für diese geltenden Verwaltungsvorschriften (vgl VfSlg 16.104/2001 mwN).

5.       Vor diesem Hintergrund liegt im vorliegenden Fall eine Identität der Sachen, deren Entscheidung der Oberste Gerichtshof (und die in erster und zweiter Instanz entscheidenden ordentlichen Gerichte) einerseits und das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich andererseits in Anspruch genommen haben, nicht vor:

5.1.    Der Oberste Gerichtshof hat über das Begehren des Einschreiters zu entscheiden, die Unzuständigkeit des ordentlichen Rechtsweges für die von der Marktgemeinde Leobersdorf erhobene Klage bzw die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens festzustellen und der Revision stattzugeben und das angefochtene Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt sowie das Ersturteil dahingehend abzuändern, dass die von der Marktgemeinde Leobersdorf erhobene Klage, mit der diese – gestützt auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere §523 ABGB – die Beseitigung des vom Einschreiter errichteten hohlen Zaunpfostens aus Metall mit darauf angebrachten Steckdosen samt Betonfundament von ihrem Grundstück und die Unterlassung der Nutzung des Grundstückes zur Installation einer weiteren solchen oder ähnlichen Vorrichtung begehrte, vollinhaltlich abgewiesen wird. Das Begehren des Einschreiters vor dem Obersten Gerichtshof ist darauf gerichtet, die Verpflichtung zur Beseitigung der errichteten und zur Unterlassung ähnlicher Vorrichtungen abzuwenden; hiefür kommt es – dies ergibt sich aus den Entscheidungen der in erster und zweiter Instanz ergangenen Urteile – maßgeblich darauf an, ob es für die Nutzung der Straße zur Errichtung der im vorliegenden Fall strittigen Vorrichtung zusätzlich zu dem – dem Einschreiter unbestrittenermaßen bereits erteilten – Gebrauchsrecht nach dem NÖ-GebAG (verwaltungsbehördliche Bewilligung) einer Zustimmung der Straßenverwaltung in Form einer privatrechtlichen Vereinbarung nach §18 NÖ-StrG bedarf. Die ordentlichen Gerichte entscheiden dabei nicht darüber, ob die Voraussetzungen für das Gebrauchsrecht nach dem NÖ-GebAG vorliegen und dieses dem Einschreiter zu erteilen oder zu versagen ist.

5.2.    An das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich richtet der Einschreiter nach eigenen Ausführungen mit seiner Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Devolutionsantrages durch den Gemeindevorstand der Marktgemeinde Leobersdorf das Begehren, festzustellen, dass die Voraussetzungen für das ihm erteilte Gebrauchsrecht nach dem NÖ-GebAG vorliegen, keine Versagungsgründe nachträglich bekannt geworden sind und ein Widerruf und in der Folge ein Beseitigungsauftrag im Sinne des NÖ-GebAG nicht gerechtfertigt wären. Ungeachtet dessen, wie dieses Begehren vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich letztlich zu behandeln ist, betrifft es der Sache nach die verwaltungsbehördliche Bewilligung des Vorhabens des Einschreiters nach dem NÖ-GebAG, also das Vorliegen der Voraussetzungen des Gebrauchsrechtes im Sinne des NÖ-GebAG.

6.       Damit sind die vom Einschreiter an die beiden Organe gerichteten Begehren nicht identisch. Ein bejahender Kompetenzkonflikt im Sinne des §43 Abs1 VfGG besteht daher schon mangels Identität der Sache nicht.

IV.      Ergebnis

1.       Schon aus diesem Grund ist es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, ein Verfahren zur Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes einzuleiten.

2.       Dies konnte gemäß Art19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, Abgaben Landes-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:KI16.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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