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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1451;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ing. Kurt K in F (vertreten durch den bevollmächtigten Vertreter beim Vorarlberger Kriegsopferverband Werner Melter, Bregenz, Bahnhofstraße 39) gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Vorarlberg vom 23. September 1996, Zl. OB: 910-014200 SK/K-4/96, betreffend orthopädische Versorgung nach § 32 KOVG 1957, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.
Begründung
Der im Jahr 1930 geborene Beschwerdeführer bezieht eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. (Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt für Steiermark vom 29. Dezember 1983). Dem Beschwerdeführer wurde nach Ausweis des orthopädischen Versorgungsaktes zuletzt mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Vorarlberg vom 13. Mai 1991 gemäß Abschnitt V der Anlage zu § 32 des KOVG 1957 zur Beschaffung eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges eine Beihilfe in der zweifachen Höhe der durchschnittlichen Kosten eines Selbstfahrers von S 55.920,-- bewilligt.
Am 23. Mai 1996 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage entsprechender Urkunden beim Bundessozialamt Vorarlberg den Antrag auf Gewährung einer Beihilfe zur Anschaffung eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges. Am 28. Mai 1996 stellte der Beschwerdeführer bei dem genannten Bundessozialamt unter Vorlage einer Rechnung desweiteren den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für die Ausstattung des eigenen mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit einem automatischen Getriebe.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. September 1996 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundessozialamtes Vorarlberg vom 30. Mai 1996, mit welchem die genannten Anträge auf orthopädische Versorgung gemäß § 32 KOVG 1957 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 1 und § 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, BGBl. Nr. 120/1992, abgewiesen worden waren, keine Folge und bestätigte damit den erstinstanzlichen Bescheid.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen aus, der Sinn der im Bescheid dargestellten gesetzlichen Bestimmungen liege darin, den Beschädigten nicht mit Kosten zu belasten, die ihm durch die behindertengerechte Ausstattung eines Mittelklassewagens entstünden. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes müsse zwischen dem Antrag auf Gewährung eines Zuschusses und dem Kraftfahrzeugkauf ein "naher zeitlicher Zusammenhang" bestehen. Eine Geldleistung könne nicht bewilligt werden, wenn der (unter Wahrung der fünfjährigen Frist im Sinne der §§ 4 Abs. 5 und 5 Abs. 2 der genannten Verordnung BGBl. Nr. 120/1992) neuerliche Kraftfahrzeugkauf bereits "ein oder mehrere Jahre zurückliegt". In derartigen Fällen würde die Zuschußleistung nicht einen Kostenzuschuß, sondern eine Hilfe zur Vermögenslage darstellen. Da zwischen den beiden Antragstellungen am 23. Mai bzw. 28. Mai 1996 und der Anschaffung des Pkw im März 1995 ein Zeitraum von über einem Jahr liege, sei der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - gemäß § 24 Abs. 2 VwGG mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehene - Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf orthopädische Versorgung nach § 32 KOVG 1957 verletzt. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zuerkennung von Schriftsatzaufwand.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift mit
Schriftsatz vom 18. Dezember 1996 repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz KOVG 1957 hat der Beschädigte zum Zwecke der Wiedergewinnung oder Erhöhung seiner infolge der Dienstbeschädigung geminderten Erwerbsfähigkeit oder zur Behebung oder Erleichterung der Folgen der Dienstbeschädigung Anspruch auf orthopädische Versorgung.
Die orthopädische Versorgung umfaßt nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle unter anderem nach Z. 3 Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen und nach Ziffer 4 Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen.
Gemäß § 32 Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen unter anderem nähere Bestimmungen zu den Leistungen nach Abs. 2 Z. 2 bis 4 sowie der Höhe der Leistungen nach Abs. 2 Z. 3 und 4 mit Verordnung festzulegen.
Gestützt auf § 32 Abs. 3 KOVG 1957 hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen mit der am 1. März 1992 in Kraft getretenen Verordnung über die orthopädische Versorgung in der Kriegsopferversorgung verordnet, daß zufolge deren § 4 Abs. 3 Beschädigten für die Ausstattung des eigenen mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit einem automatischen Getriebe oder einer ähnlichen Vorrichtung ein Zuschuß zu den Kosten bis zur Höhe von S 17.500,-- (Z. 1) und für andere Sonderausstattungen, die Änderungen der Bedienungseinrichtungen, für die Beschaffung und den Einbau von Zusatzgeräten am eigenen mehrspurigen Kraftfahrzeug ein Zuschuß zu den Kosten bis zur Höhe von S 17.500,-- (Z. 2) zu gewähren ist.
Nach Abs. 4 dieser Verordnungsbestimmung setzt ein Zuschuß zu den Kosten der in Abs. 3 genannten Leistungen voraus, daß diese wegen der Dienstbeschädigungsfolgen erforderlich sind und von der Behörde vorgeschrieben werden.
Nach Bewilligung eines Zuschusses gemäß Abs. 3 entsteht zufolge Abs. 5 dieser Verordnungsbestimmung ein Anspruch auf eine neuerliche Bewilligung frühestens nach Ablauf von fünf Jahren. Voraussetzung hiefür ist die wegen Neubeschaffung eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges erforderliche behinderungsgerechte Ausstattung dieses Fahrzeuges.
Gemäß § 5 Abs. 1 der genannten Verordnung ist dem Beschädigten anstelle eines hand- oder elektrisch betriebenen Rollstuhles für den Straßengebrauch auf Antrag eine Beihilfe zur Beschaffung eines Personenkraftfahrwagens oder Invalidenkraftfahrzeuges zu gewähren, wenn er zur Führung eines solchen berechtigt ist. Die Beihilfe zur Beschaffung eines Personenkraftfahrwagens beträgt S 60.200,--, zur Beschaffung eines Invalidenkraftfahrzeuges S 90.300,--; die Beihilfe darf den tatsächlichen Betrag der Beschaffungskosten nicht übersteigen. Reparaturen und Betriebskosten für den mittels der Beihilfe beschafften Personenkraftfahrwagen bzw. das Invalidenkraftfahrzeug werden nicht ersetzt.
Nach Bewilligung einer Beihilfe entsteht zufolge Abs. 2 dieser Verordnungsbestimmung ein Anspruch auf eine neuerliche Beihilfe frühestens nach Ablauf von fünf Jahren. Voraussetzung hiefür ist die Neubeschaffung eines Personenkraftfahrwagens oder eines Invalidenkraftfahrzeuges und das Weiterbestehen des Anspruches auf einen Rollstuhl für den Straßengebrauch.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die vom Beschwerdeführer im Mai 1996 geltend gemachten Ansprüche auf orthopädische Versorgung unter den Leistungskatalog des § 4 Abs. 3 Z. 1 bzw. des § 5 Abs. 1 der Verordnung, BGBl. Nr. 120/1992, fallen und - mangels Gewährung eines auf diese Verordnung gegründeten Zuschusses bzw. einer Beihilfe in der Vergangenheit - die in den §§ 4 Abs. 5 erster Satz bzw. 5 Abs. 2 erster Satz der genannten Verordnung geregelten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0061). Die belangte Behörde geht in ihrer Entscheidung auch erkennbar davon aus, daß der Beschwerdeführer die antragsgegenständlichen Anschaffungen im März 1995 tatsächlich vorgenommen hat. Sie verneint die beantragten orthopädischen Versorgungsleistungen ausschließlich deshalb, weil zwischen dieser Anschaffung und der Antragstellung ein Zeitraum von über einem Jahr liege.
Der Beschwerdeführer ist damit im Recht, daß die im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtsvorschriften die Gewährung orthopädischer Versorgungsleistungen weder von einem "nahen zeitlichen Zusammenhang" zwischen den Anschaffungen und der Antragstellung abhängig machen, noch einen Anspruchsverlust wegen "verspäteter Antragstellung" vorsehen. Die insoweit von der belangten Behörde angenommenen zeitlichen Voraussetzungen entbehren der gesetzlichen Grundlage und können auch nicht auf die Verordnung BGBl. Nr. 120/1992 gestützt werden.
Für die orthopädische Versorgung im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Z. 4 und 32 KOVG 1957 ist das Anmeldungsverfahren (§§ 87 und 88 KOVG 1957) anzuwenden. Solcherart kommt es (unter anderem) darauf an, daß diese Versorgungsansprüche vom Versorgungswerber oder seinem gesetzlichen Vertreter durch Anmeldung geltend gemacht werden. Daß einem Versorgungswerber für diese Anmeldung - bei sonstigem Verlust seines Anspruches - ein bestimmter Zeitraum bzw. nur ein Jahr zur Verfügung stünde, ist weder dem KOVG 1957 noch anderen in diesem Zusammenhang anzuwendenden Rechtsvorschriften zu entnehmen. Der Umstand, daß ein Versorgungswerber seinen Anspruch (hier: auf orthopädische Versorgung) nicht unmittelbar im Zeitpunkt der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen bzw. in einem "nahen zeitlichen Zusammenhang" damit anmeldet, sondern seinen Anspruch später geltend macht, führt lediglich dazu, daß der Fälligkeitszeitpunkt für diese Versorgung im Monat der Geltendmachung eintritt und diese Leistung demnach erst zu einem späteren Zeitpunkt bewirkt werden muß (vgl. § 51 KOVG 1957). Entgegen der im angefochtenen Bescheid dargelegten Rechtsansicht verliert eine zu einem späteren Fälligkeitszeitpunkt erbrachte Zuschuß- bzw. Beihilfenleistung allein dadurch nicht ihren Charakter als orthopädische Versorgungsleistung, stellt doch jede derartige finanzielle Zuwendung - unabhängig von ihrem Zeitpunkt - einen Vermögenszuwachs für den jeweiligen Versorgungswerber dar. Ein allgemeiner Untergang von Rechten durch Zeitablauf findet im öffentlichen Recht - abgesehen von ausdrücklichen Präklusionsbestimmungen hinsichtlich bestimmter Rechte - nicht statt (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse in VwSlg. Nr. 7134/A und Nr. 8537/A). Öffentlich-rechtliche Ansprüche verjähren somit grundsätzlich nicht, sondern nur, wenn ausdrückliche Verjährungsbestimmungen bestehen. Auch die Verjährungsbestimmungen des ABGB dürfen im öffentlichen Recht nur dann ergänzend herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber ausdrückliche Verjährungsbestimmungen eingerichtet hat (vgl. auch die bei Dittrich/Tades, ABGB, 34. Auflage, Wien 1994, Seite 2135, E 1 und 2 wiedergegebene Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts).
Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Versorgungsansprüche wegen eines fehlenden "zeitlichen Zusammenhanges" zwischen Anschaffung und Antragstellung ablehnte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Nach § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung der mit 1. September 1997 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 gebührt Schriftsatzaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Da im Beschwerdefall eine derartige Vertretung nicht vorlag, war der beantragte Schriftsatzaufwand nach § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht zuzuerkennen.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996090332.X00Im RIS seit
11.07.2001