TE Vwgh Erkenntnis 1963/12/20 1849/63

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Veröffentlicht am 20.12.1963
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Index

Abgabenverfahren

Norm

BAO §221

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Koprivnikar, Dr. Schimetschek und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Walter, über die Beschwerde des LN in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. September 1963, Zl. GA VII - 1656/63, betreffend Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Unbestritten ist, daß ein Stundungsansuchen des Beschwerdeführers, wenn es die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 2 BAO hätte beseitigen sollen, spätestens eine Woche vor dem Fälligkeitstag, im vorliegenden Fall dem 13. März 1963, hätte eingebracht werden müssen, während es tatsächlich erst am folgenden Tage beim Finanzamt durch eine Angestellte des Beschwerdeführers persönlich überreicht wurde. Das Finanzamt schrieb daraufhin dem Beschwerdeführer einen Säumniszuschlag von S 2,672,-- vor.

Der Beschwerdeführer beantragte, den vorgeschriebenen Säumniszuschlag aus Billigkeitsgründen nachzusehen. Er begründete dieses Ansuchen damit, daß seine Angestellte entgegen seiner Weisung den Stundungsantrag nicht termingemäß per Post aufgegeben, sondern erst am nächsten Tage beim Finanzamt persönlich überreicht habe. Somit liege aber höchstens ein "Formalverstoß" vor, weil der am 14. März 1963 beim Finanzamt persönlich überreichte Stundungsantrag dort nicht später eingetroffen sei, als wenn er noch am 13. März 1963 rechtzeitig zur Post gegeben worden wäre.

Das Finanzamt wies das Nachsichtsansuchen mit der Begründung ab, daß die angeführte Pflichtverletzung einer Angestellten eine Nachsicht gemäß §§ 221 und 236 BAO nicht rechtfertigen könne.

Der Beschwerdeführer berief. Er verwies dabei zunächst auf die Bestimmung des § 221 BAO , wonach die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entfalle, wenn der Abgabepflichtige nur ausnahmsweise säumig sei und die Säumnis nicht mehr als fünf Tage betrage, und behauptete, daß in seinem Falle beide Voraussetzungen zuträfen. Selbst wenn aber diese Gesetzesbestimmung nicht heranzuziehen sei und das Finanzamt eine Ermessensentscheidung gemäß § 20 BAO zu treffen gehabt hätte, wäre eine solche Entscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen gewesen. Es sei aber zweifellos unbillig, einem Steuerpflichtigen nur wegen einer "theoretischen Verspätung" einen Säumniszuschlag von S 2.672,-- vorzuschreiben, obschon das persönlich überreichte Stundungsansuchen dem Finanzamt genau zur selben Zeit vorgelegen sei, als wenn es am Vortage - also noch fristgerecht - per Post abgesendet worden wäre.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß in der Einhebung des gegenständlichen Säumniszuschlages eine Unbilligkeit nicht erblickt werden könne. Denn der Umstand allein, daß angeblich durch Nachlässigkeit einer Angestellten das Ansuchen um Zahlungserleichterung verspätet eingebracht wurde, könne eine Billigkeitsmaßnahme nicht rechtfertigen, zumal der Beschwerdeführer selbst anerkenne, daß er für die Nachlässigkeit einer Angestellten eintreten müsse. Gründe, die eine Billigkeitsmaßnahme aus anderen Erwägungen rechtfertigen würden, seien aber vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden. Die Bestimmung des § 221 BAO sei im vorliegenden Falle nicht anwendbar, da sie sich nur auf verspätete Zahlungen und nicht auch auf verspätet eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen beziehe.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 221 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung

eines Säumniszuschlages nicht, wenn .... der Abgabepflichtige nur

ausnahmsweise säumig ist und die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt.

Unter "Säumnis" ist aber, wie sich insbesondere aus den §§ 217 Abs. 1 und 219 BAO ergibt, nur die nicht zeitgerechte Entrichtung einer Abgabe, nicht dagegen die verspätete Überreichung eines Antrages zu verstehen, zumal der Gesetzgeber im Falle der Nichteinhaltung einer Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung von einer "Verspätung" spricht und die Einhebung eines "Verspätungszuschlages" vorschreibt (§ 135 BAO). Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall, in dem es sich keineswegs darum handelte, daß der Steuerpflichtige die Abgabe binnen fünf Tagen nach Eintritt der Fälligkeit bezahlt hätte, sondern der Beschwerdeführer vielmehr ein Stundungsansuchers um einen Tag verspätet überreicht hatte, die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 221 BAO, die nur die mit geringfügiger Verspätung erfolgte Zahlung von Abgaben zum Gegenstand hat, mit Recht ausgeschlossen.

Es kann somit nur mehr die allfällige Heranziehung der Bestimmung des § 236 BAO in Frage, wonach ein fällige Abgabenschuldigkeit auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden kann, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die belangte Behörde hat jedoch das Vorliegen einer Unbilligkeit im gegenständlichen Falle deshalb verneint, weil darin allein, daß das Stundungsansuchen durch die Nachlässigkeit einer Angestellten des Beschwerdeführers verspätet überreicht wurde, eine Unbilligkeit nicht erblickt werden könne und der Beschwerdeführer andere Gründe, welche eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen würden, nicht vorgebracht habe.

Letzteres ist jedoch nicht richtig. Der Beschwerdeführer hatte vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Stundungsansuchen zwar nicht mehr am letzten Tage der Frist zur Post gegeben, wohl aber bereits am nächsten Tage persönlich beim Finanzamt überreicht worden sei, wodurch der Antrag dem Finanzamt "ganz zur selben Zeit" vorgelegen sei, als wenn er noch am Vortage - also fristgerecht - per Post abgesandt worden wäre. Der Beschwerdeführer sprach in diesem Zusammenhange von einer bloß "theoretischen Verspätung", wobei er die Unbilligkeit darin erblickte, daß der Verspätungszuschlag schon wegen der formellen Nichteinhaltung der Frist vorgeschrieben worden sei, obschon er der ratio legis, daß dem Finanzamt zur Entscheidung über das Stundungsansuchen eine ausreichende Frist bis zum Fälligkeitstage zur Verfügung stehen müsse, im vorliegenden Fall dadurch voll Rechnung getragen habe, daß er das Ansuchen gleich am ersten Tage nach Ablauf der Frist direkt beim Finanzamt überreichen ließ, sodaß dem Finanzamt zur Entscheidung über den Antrag praktisch die gleiche Frist zur Verfügung stand, als wenn das Gesuch noch am letzten Tage der Frist zur Post gegeben worden wäre.

Mit diesem Billigkeitsgrund hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auseinandergesetzt, da sie aktenwidrigerweise angenommen hat, daß der Beschwerdeführer außer der Nachlässigkeit seiner Angestellten sonst keinen Grund vorgebracht habe, der eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen würde. Im Hinblick auf diesen Verfahrensmangel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 1 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 20. Dezember 1963

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1963:1963001849.X00

Im RIS seit

02.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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