Index
StVONorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über Beschwerde des GG in G, vertreten durch Dr. Teja Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. November 1987, Zl. I/7-St-G-8718, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. November 1987 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 22. Mai 1986 um 11.00 Uhr im Gemeindegebiet von Altlengbach, auf der A 1, nächst dem Autobahnzubringer Altlengbach, bei der Fahrt in Richtung Neulengbach, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug nicht bei dem vor der Kreuzung mit der Bundesstraße 19 angebrachten Vorschriftszeichen "HALT" angehalten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 4 letzter Satz StVO 1960 begangen. Über den Beschwerdeführer wurden eine Geldstrafe sowie eine Ersatzarreststrafe verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft zunächst die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides. Diesem Vorbringen bleibt es jedoch verwehrt, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. u.a. mit den Denkgesetzen in Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates der Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Die belangte Behörde stützte die maßgebenden Feststellungen auf die Zeugenaussage des Meldungslegers und die von ihm vorgelegte Skizze und legte ausreichend und schlüssig dar, warum sie bereits auf Grund dieser Angaben die Tat als erwiesen annehmen konnte und nicht der anders lautenden Verantwortung des Beschwerdeführers zu folgen war. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß es sich beim Meldungsleger um ein geschultes Organ der Straßenaufsicht handelt, das im Tatzeitpunkt zur Überwachung des Verkehrs im Einsatz war. Daß der Meldungsleger von seinem Standort aus den Verkehr auf jenem Teil der Straße, auf dem sich der Tatort befindet, gut beobachten konnte, durfte die belangte Behörde nicht nur auf Grund der beiden Zeugenaussagen des Meldungslegers, sondern insbesondere im Hinblick auf die unbestritten gebliebene Skizze des Meldungslegers annehmen, wonach der Standort des Gendarmeriebeamten vom Deliktsbereich ca. 123 m entfernt war und eine uneingeschränkte Sicht dorthin bestand. Es bedurfte daher nicht der Durchführung des vom Beschwerdeführer beantragten Lokalaugenscheines, um sich ein unmittelbares Bild über die Sichtverhältnisse (während des Einbiegemanövers) machen zu können, ganz abgesehen davon, daß die tatsächlichen Verhältnisse über den Einbiegevorgang auch durch einen Lokalaugenschein nicht mehr rekonstruierbar gewesen wären. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Meldungsleger habe es nicht darauf abgestellt, das Anhalten von Fahrzeugen an der Haltelinie zu beobachten, sondern habe offensichtlich andere Verkehrsbeobachtungen durchzuführen gedacht, erweist sich als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. War aber dem Meldungsleger die Sicht auf den Einbiegebereich möglich, muß einem geschulten Organ der Straßenaufsicht - Gegenteiliges wurde vom Beschwerdeführer nie vorgebracht - zugemutet werden, einen Verkehrsvorgang der vorliegenden Art richtig zu beobachten und wiederzugeben, zumal selbst nach der Aussage der Gattin des Beschwerdeführers vom 15. Mai 1987 das von ihrem Mann gelenkte Fahrzeug das einzige vom Beamten aus sichtbare Auto war. Den Angaben des Meldungslegers zufolge aber fuhr der Beschwerdeführer in mäßigem Tempo zur Kreuzung und ohne anzuhalten über die Haltelinie in die B 19 ein.
Der Beschwerdeführer vermochte daher einen relevanten Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen.
Die Rechtsrüge des Beschwerdeführers ist allerdings im Ergebnis berechtigt, weil der Beschwerdeführer nach den obigen Darlegungen während des Einbiegens in die B 19 überhaupt nicht anhielt und daher eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. c Z. 24 StVO zu verantworten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1987, Zl. 87/02/0077). Die Subsumtion unter die Vorschrift des § 19 Abs. 4 StVO war daher verfehlt.
Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war deshalb abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung zu überreichen und nur die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich war.
Wien, am 28. September 1988
Schlagworte
Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonenfreie BeweiswürdigungVerwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1988020007.X00Im RIS seit
02.03.2020Zuletzt aktualisiert am
03.03.2020