TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/1 98/12/0143

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Veröffentlicht am 01.07.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des Ing. P in W, vertreten durch

Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 6. April 1998, Zl. 111090/OR/98, betreffend Vordienstzeitenanrechnung nach § 12 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer steht als Oberinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Telekomdienste Wien der Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft. Im Rahmen des Vorruhestandsmodells wurde er dienstfrei gestellt und wird auf Grund seiner unwiderruflichen Erklärung mit Ablauf des 31. Dezember 1998 in den Ruhestand übertreten.

Mit Eingabe vom 12. Jänner 1998 an das Personalamt Wien der Post- und Telekom Austria AG ersuchte der am 9. Dezember 1939 geborene Beschwerdeführer um Vollanrechnung der nach Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Mittelschulstudienzeit als Vordienstzeit; dieser Zeitraum - zwischen dem 9. Dezember 1957 und dem 9. Juli 1958 (Tag der Reifeprüfung) - war mit Bescheid vom 1. März 1971 sowie mit Bescheid vom 20. März 1978 betreffend die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages nur zur Hälfte berücksichtigt worden.

Das Personalamt Wien der Post- und Telekom Austria AG (Dienstbehörde 1. Instanz) wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 30. Jänner 1998 wegen entschiedener Sache zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an das beim Vorstand der Post- und Telekom Austria AG eingerichtete Personalamt (belangte Behörde).

Mit Bescheid vom 6. April 1998 wurde die Berufung - so der Spruch - "zurückgewiesen".

Zur Begründung erläuterte die belangte Behörde nach Darstellung der betreffend den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers bereits ergangenen Bescheide die §§ 68f AVG. "Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liege dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hätte. Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Antrages hänge davon ab, daß die durch den bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid erledigte Sache mit der dem zurückgewiesenen Antrag zugrundeliegenden Sache ident sei. Hiebei sei bei Beurteilung der Identität der Sache von dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt unter Bedachtnahme der darauf angewendeten Rechtsvorschrift auszugehen und zu beurteilen, ob dieser Sachverhalt nach einer neuen Rechtslage zu einem anderen sachlichen Ergebnis führe. Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeute dies, daß entweder eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtslage nach Erlassung des rechtskräftigen Bescheides über den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers eintreten hätte müssen.

Mit Bescheid vom 1. März 1971 sei der Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers gemäß § 12 Gehaltsgesetz 1956 in den Fassungen der 19. und 20. Gehaltsgesetznovelle neu festgestellt worden, wobei § 12 Gehaltsgesetz 1956 bereits zu diesem Zeitpunkt den für den Beschwerdeführer relevanten Teil ("Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule") enthalten habe. Am 20. März 1978 sei erneut über den Vorrückungsstichtag abgesprochen worden, wobei bei beiden Bescheiden die nach dem 18. Lebensjahr absolvierte Realschulzeit eine der Grundlagen der Berechnung gebildet habe. Von seiten des Beschwerdeführers sei kein Rechtsmittel gegen die erfolgte Subsumtion dieser Zeit ergriffen worden, daher seien 4 Jahre, 0 Monate und 25 Tage als dem Tag der Anstellung vorauszusetzende Zeiten mit Bescheid vom 20. März 1978 in Rechtskraft erwachsen. Eine wesentliche Änderung des Sachverhalts (9. Dezember 1957 bis 9. Juli 1958 Realschulzeit) bzw. eine Änderung der darauf angewendeten Rechtsvorschrift (§ 12 Gehaltsgesetz 1956), die zu einem anderen sachlichen Ergebnis führen würde, sei nach diesem Zeitpunkt nicht eingetreten. Die Rechtskraft des Bescheides werde nicht durchbrochen.

Formell rechtskräftige Bescheide könnten außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG nur unter der Voraussetzung der Abs. 2 bis 4 leg. cit. aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden. Insoweit diese Voraussetzungen nicht zuträfen, seien die Behörden an Bescheide, allenfalls auch ungeachtet der Gesetzwidrigkeit ihres Inhaltes, gebunden und sei ein dennoch gestellter Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Für den § 68 Abs. 2 bis 4 AVG ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Für einen Antrag im Sinne des § 69 AVG fehle es an formellen und inhaltlichen Voraussetzungen; zudem sei die objektive Einbringungsfrist von 10 Jahren bereits abgelaufen.

Der Berufung könne daher keine Folge gegeben werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß nicht aufgrund einer unrichtigen Auffassung über die Zulässigkeit einer Bescheidabänderung nach § 68 Abs. 2 AVG eine solche Bescheidabänderung in Sachen einer Entscheidung über Vordienstzeitenanrechnung nach § 12 Abs. 2 Z. 6 lit. a Gehaltsgesetz 1956 abgelehnt wird, sowie in seinem Recht darauf, daß eine zulässigerweise nach §§ 63 ff AVG (in Verbindung mit §§ 1, 12 DVG) erhobene Berufung nicht zurückgewiesen wird, durch unrichtige Anwendung der zitierten Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, des Parteiengehörs und die Bescheidbegründung verletzt.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Z. 6a Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956, ist die Zeit des erfolgreichen Studiums an einer höheren Schule bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zur Gänze voranzusetzen.

Gemäß § 68 Abs. 1 des auch im Anwendungsbereich des DVG geltenden Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51 (AVG) sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

Die weitere in § 13 Abs. 1 DVG geregelte Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft spielt im Beschwerdefall keine Rolle.

Gemäß § 68 Abs. 2 AVG können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, von Amts wegen sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

Gemäß § 68 Abs. 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu.

In Ausführung seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, daß die Berufung zulässig gewesen sei und nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Darüberhinaus gehe die belangte Behörde offenbar von einer unrichtigen Rechtsansicht aus, wenn sie meine, "für den § 68 Abs. 2 bis 4 AVG ergeben sich keine Anhaltspunkte". Die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 AVG seien nämlich sehr wohl erfüllt. Insbesondere stehe der Abänderung des Bescheides kein aus diesem erwachsenes Recht entgegen; zwar erwerbe der Beamte durch die Vordienstzeitenanrechnung einen Rechtsanspruch, was aber nach dem Sinngehalt des § 68 Abs. 2 AVG nicht daran hindere, den Vorrückungsstichtag günstiger festzusetzen.

Der Beschwerdeführer räumt ein, daß die Partei keinen Rechtsanspruch auf eine Abänderungsentscheidung nach § 68 Abs. 2 AVG habe und die Behörde diesbezüglich ohne weitere Prüfung eine Zurückweisung vornehmen könne. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG müsse sie sogar zurückweisen, sofern sie nicht (von sich aus) Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 finde. Falls sie in der Gesetzwidrigkeit der früheren Entscheidung einen solchen Anlaß finde, anderseits aber meine, es stünde der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes unter Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG ein Hindernis entgegen, so stelle dies jedoch zweifellos eine Konstellation dar, die der Gesetzgeber hier nicht angestrebt habe. Es sei in diesem Zusammenhang auch an die grundsätzliche Aufgabenstellung zu erinnern, welche durch Art. 129 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof übertragen worden sei, nämlich die "Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung". Daß auch rechtswidrige Bescheide Rechtskraftwirkung haben und nicht ohne weiteres in Richtung auf eine Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes abgeändert werden können, sei ein Erfordernis der Rechtssicherheit. Wenn diese aber im Einzelfall einer Entscheidungsabänderung nicht entgegenstehe, weil das zuständige staatliche Vollzugsorgan und die betroffene Partei eines Sinnes seien und nur noch ein behördlicher Irrtum die Umsetzung des gemeinsamen Zieles hindere, sei offensichtlich ein Anwendungsfall der vorzitierten Verfassungsnorm gegeben, die Sicherung der Gesetzmäßigkeit des hier gegenständlichen Verwaltungsaktes könne nur durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgen. Nur er könne die Darstellung dahingehend vornehmen, daß die behördliche Auffassung über das Bestehen eines die Anwendbarkeit des § 68 Abs. 2 AVG hindernden Grundes unzutreffend sei, und damit die Voraussetzung dafür schaffen, daß nicht aus einem das Verfahrensrecht betreffenden Irrtum die auch behördlicherseits intendierte Herstellung des materiell-rechtlich richtigen Zustandes unterbleibe.

Richtig ist, daß die Berufung des Beschwerdeführers zulässig und daher nicht zurückzuweisen war.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet:

"Ihre Berufung gegen den Bescheid vom 30. Jänner 1998, GZ 306019-04/98, des Personalamtes Wien der Post- und Telekom Austria AG, betreffend die Anrechnung der Studienzeit an der Realschule für die Zeit vom 9. Dezember 1957 bis zum 9. Juli 1958 zur Gänze gemäß § 12 Absatz 2 Z. 6 lit. a, wird wegen "entschiedener Sache" zurückgewiesen."

Als Rechtsgrundlage wird § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit §§ 1, 2 und 13 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes angeführt. In der Begründung setzt sich die belangte Behörde aber inhaltlich mit dem erstinstanzlichen Bescheid auseinander und gelangt im Ergebnis zu dessen Bestätigung. Da sich somit aus dem Gesamtinhalt des angefochtenen Bescheides eindeutig der Charakter einer Sacherledigung ergibt, ist das Vergreifen im Ausdruck (Zurückweisung statt Abweisung) nicht entscheidend (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1983, Zl. 83/01/0207).

Hinsichtlich seines weiteren Vorbringens ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, daß der Ausübung des Abänderungsrechtes gemäß § 68 Abs. 2 AVG ein begünstigender Bescheid im Einparteienverfahren dann nicht entgegensteht, wenn durch die Erlassung des neuen Bescheides die Partei günstiger gestellt werden soll. Bei begünstigenden Verwaltungsakten verbietet die Vorschrift des § 68 Abs. 2 AVG die gänzliche Aufhebung dieses Verwaltungsaktes oder seine Abänderung zum Nachteil der Partei, nicht jedoch eine Abänderung zugunsten der Partei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1985, Zl. 84/12/0128).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dienen aber die der Behörde im § 68 Abs. 2 bis 4 AVG eingeräumten Befugnisse nicht dem Schutz irgendeines subjektiven Rechtes, sondern der Wahrung öffentlicher Interessen, zu der die Behörde vom Gesetzgeber berufen ist. Daraus folgt, daß niemand, der die Ausübung des staatlichen Aufsichtsrechtes ohne Erfolg verlangt hat, mit Erfolg geltend machen kann, in einem ihm zustehenden Recht verletzt worden zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1972, 1778/71 oder das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1997, 94/07/0043).

Dies bedeutet aber auch, daß die Gründe, warum die Dienstbehörde von einer Handhabung des § 68 Abs. 2 AVG Abstand genommen hat, nicht zu überprüfen sind und der Beschwerdeführer selbst bei objektiv rechtlich unrichtiger Begründung über die Möglichkeit des Einsatzes dieses Aufsichtsmittels nicht in seinen Rechten verletzt wird. Aus diesem Grund geht auch die Rüge des Beschwerdeführers betreffend die mangelhafte Begründung ins Leere.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde wegen der unbestritten gegebenen formellen Rechtskraft von Vorbescheiden, die den Vorrückungsstichtag betreffen, die Zurückweisung der Vollanrechnung bestimmter Vordienstzeiten mangels in der Zwischenzeit eingetretener rechtserheblicher Änderungen (Sachverhalt; Rechtslage) im Ergebnis bestätigte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Da dies bereits aufgrund der vorliegenden Unterlagen erkennbar war, konnte die Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer abgewiesen werden.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Verfahrensmängel Verwaltungsgerichtsbarkeit Bescheidcharakter von Erledigungen nach AVG §68 Zulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120143.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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