TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/1 95/09/0150

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Veröffentlicht am 01.07.1998
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Manfred S in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 23. Februar 1995, Zl. 133/6-DOK/94, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor der Zollwache in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Zollamt Höchst - Zweigstelle St. Margarethen.

Mit Disziplinarerkenntnis vom 23. September 1994 erkannte die Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt für Finanzen den Beschwerdeführer für schuldig, er habe im Textilgeschäft "Bayers Modediskont" in Lustenau, Maria-Theresienstraße 9, einen Herren-Slip unter seiner Überhose verborgen und nachfolgend an der Kassa nicht bezahlt. Er habe dadurch gegen die im § 43 Abs. 2 BDG 1979 normierte Dienstpflicht, daß der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen habe, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seinen dienstlichen Obliegenheiten erhalten bleibe, verstoßen und somit eine Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 91 BDG 1979 begangen. Hiefür werde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 i. V.m. § 126 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 1.000,-- verhängt.

In der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 22. September 1993 am späten Vormittag die Textilfiliale "Bayers Modediskont" betreten. Im Verkaufsraum habe der Beschwerdeführer drei Herren-Slips ausgewählt, nachfolgend den Kassabereich betreten und der Kassierin den Kaufpreis für zwei Herren-Slips ausgehändigt. Als der Beschwerdeführer nach dem Zahlvorgang das Geschäft habe verlassen wollen, habe die am Kassaausgang angebrachte elektronische Diebstahlsicherung Alarm ausgelöst. In Gegenwart der von der stellvertretenden Geschäftsführerin der Textilfiliale herbeigerufenen Beamten des Gendarmeriepostens habe der Beschwerdeführer einen Herren-Slip aus seiner Jeans-Hose "hervorgefördert". Von den Gendarmeriebeamten sei der Beschwerdeführer routinemäßig zu Personalien und zum Tathergang um Auskunft ersucht worden. Auf die Frage, welchen Beruf er ausübe, habe der Beschwerdeführer angegeben, kaufmännischer Angestellter zu sein. Hinsichtlich der Vorkommnisse im Textilgeschäft habe der Beschwerdeführer die Ansicht vertreten, "die Sache ist klar, ich will dazu keine Angaben machen". In der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1994 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe beabsichtigt gehabt, Unterwäsche zu kaufen, weil ein Kuraufenthalt bevorgestanden sei. Die benötigte Unterwäsche sei aber nur zum Teil in der Textilfiliale vorrätig gewesen. Auf dem Weg zur Kassa habe er ein günstiges Jeans-Angebot entdeckt und diese Hose sogleich in einer dunklen Umkleidekabine anprobiert. Während des An- und Ausziehens müsse einer der drei ausgesuchten Herren-Slips versehentlich, "d.h. ohne daß er dies bemerkt habe", in die eigene Überhose gelangt sein. Bemerkt habe der Beschwerdeführer dies vermutlich deshalb nicht, weil er in Eile gewesen sei. Er habe zwar das Fehlen einer Unterhose auf dem Weg zur Kassa wahrgenommen, diese jedoch trotz Suchens nicht mehr vorgefunden. Am Kassaausgang sei für ihn völlig überraschend die elektronische Diebstahlsicherung ausgelöst worden. Da er gehört hätte, daß die Gendarmerie strafrechtlich relevante Fälle nicht weiterzuverfolgen gedenke, wenn es sich um einen Beamten handle, er aber an einer gerichtlichen Aufklärung des Vorfalles in der Textilfiliale interessiert gewesen sei, habe der Beschwerdeführer - im Zuge der Befragung zur Person und zum Tathergang auf der Gendarmeriedienststelle - den ursprünglich erlernten Beruf eines kaufmännischen Angestellten angegeben. Seine niederschriftlich protokollierte und eigenhändig unterfertigte Äußerung dergestalt, "die Sache ist klar, ich will dazu keine Angaben machen", sei ein Mißverständnis; "ihm sei die Sache nicht klar gewesen". Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung - so die Behörde erster Instanz auf der Seite 3 ihres Erkenntnisses - stehe für den Disziplinarsenat als erwiesen fest, daß der Beschwerdeführer beabsichtigt habe, den unter der eigenen Jeans-Hose verborgenen Herren-Slip aus der Textilfiliale zu entwenden. Die Verantwortung des Beschwerdeführers sei nach Ansicht des Senates ein Konglomerat aus an den "Haaren herbeigezogenen" Vermutungen und "naiver Selbstdarstellung". Es sei unglaubwürdig, wenn es der Beschwerdeführer nicht bemerkt haben wolle, daß ein Herren-Slip "zufällig" unter die eigene Überhose gelangt sein soll. Ein Kleidungsstück, und sei dies auch von der Größe eines Herren-Slips, werde "an dem in Rede stehenden Ort als Fremdkörper empfunden". Dies umso mehr als der Beschwerdeführer den Herren-Slip, nachdem er dessen "Fehlen" bemerkt gehabt habe, angeblich gesucht habe. Unverständlich erscheine in diesem Zusammenhang, warum der Beschwerdeführer bis zum Eintreffen der Gendarmerie in der Textilfiliale tatenlos zugewartet habe, ohne nach dem Grund des Auslösens der elektronischen Diebstahlsicherung zu suchen; insbesondere im Hinblick darauf, daß ihn die stellvertretene Leiterin zur Herausgabe der "gestohlenen Ware" aufgefordert habe. Völlig unglaubwürdig mute das Vorbringen zur falschen Berufsangabe an. Ein Beamter, der mit der Vollziehung von Gesetzen beauftragt sei, könne einer anderen Behörde nicht unterstellen, sie verfolge Delikte, die ein Beamter begangen habe, eher nicht. Eine solche pauschale Behauptung entbehre jeder Grundlage und sei deshalb absurd. Wenn ein Zollwachebeamter, der bezüglich Vernehmungen geschult sei und über eine lange Berufspraxis verfüge, vor der Gendarmerie niederschriftlich angebe, "die Sache ist klar, ich will dazu keine Angaben machen", müsse er sich über die Wirkung einer solchen Aussage, die nur als Geständnis aufgefaßt werden könne, bewußt sein. Zudem entspreche es den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß der unmittelbar auf den "Tathergang" folgenden Aussage erheblich mehr Gewicht beizumessen sei, als der späteren, im Lichte des Abwägens bzw. Überlegens getätigten weiteren Aussage. Es solle auch nicht unerwähnt bleiben, daß der Beschwerdeführer die von der Firma "Bayers Modediskont" beanspruchte Bearbeitungsgebühr von S 250,-- an Ort und Stelle widerspruchslos bezahlt habe. Dieser Umstand lasse darauf schließen, daß sich der Beschwerdeführer des Unrechtsgehaltes seiner Tat bewußt gewesen sei. Aufgrund der Vielzahl der gegen das Vorbringen des Beschwerdeführers sprechenden Indizien sei der Senat zur Ansicht gelangt, daß der Beschwerdeführer beabsichtigt gehabt habe, einen Herren-Slip im Wert von S 35,-- zu entwenden. Wenn auch die strafrechtliche Anzeige nach § 90 StPO von der zuständigen Bezirksanwaltschaft wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) zurückgelegt worden sei, sei die Angelegenheit aus disziplinärer Sicht differenzierter zu beurteilen. Der Beamte habe nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 jedes Verhalten zu vermeiden, das Rückschlüsse darauf zulasse, daß er sich bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben rechtswidrig oder unsachlich verhalte. Ein Zollwachebeamter, dessen "vornehmster Tätigkeitsbereich in der Verhinderung von strafbaren Handlungen besteht", störe das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, wenn er selbst strafbare Handlungen begehe. (Versuchter) Diebstahl, "und sei die Sache wertmäßig noch so gering und auch die Tat außerhalb der Dienstzeit begangen", bewirke bei Kenntnis dieses Umstandes eine Beeinträchtigung bzw. Schädigung des Vertrauens der Bevölkerung in die sachliche Wahrnehmung der dem Beamten auferlegten Pflichten. Um den Beamten "eindringlich auf die Pflichtwidrigkeit seines Tuns hinzuweisen und ihn - erzieherisch - zu künftiger Pflichterfüllung anzuhalten", sei die Verhängung der Geldbuße notwendig gewesen.

In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, die auf S. 2 des erstinstanzlichen Erkenntnisses angeführte Schilderung entspreche "im Großen und Ganzen" den Tatsachen. Der auf S. 3 angeführte Satz, "die Verantwortung des Beschuldigten zur Sache ist nach Ansicht des Senates ein Konglomerat aus an den Haaren herbeigezogenen Vermutungen und naiver Selbstdarstellung", disqualifiziere sich allerdings von selbst, weil der Senat aus der Sicht des Beschwerdeführers überhaupt nicht bemüht gewesen sei, sich objektiv der Wahrheitsfindung zu widmen. Vielmehr versuche die Behörde erster Instanz "mit pathetischen Phrasen eine Verurteilung zu rechtfertigen". Diese Vermutung werde dadurch erhärtet, daß in weiterer Folge ausgeführt werde, daß ein Herren-Slip unbedingt als Fremdkörper empfunden werden müsse. Als der Beschwerdeführer als Gegenargumentation den Slip habe herzeigen wollen, sei dies vom Senat sofort abgelehnt worden. Ferner sei es unrichtig, daß der Beschwerdeführer bis zum Eintreffen der Gendarmerie tatenlos zugewartet habe. Richtig sei, daß er in Gegenwart der stellvertretenden Geschäftsleiterin sogar die Jacke ausgezogen und den Inhalt seiner Taschen vorgezeigt habe, weil er sich das Auslösen des Alarms nicht habe erklären können. Zu der Angabe am Gendarmerieposten, "die Sache ist klar, ich will dazu keine Angaben machen", sei anzumerken, daß "mir die Sache damals nicht klar war". Der Beschwerdeführer habe zum Beamten gesagt, daß für ihn die Sache klar gewesen sei, "und erklärte daß ich erst vor Gericht weitere Angaben machen werde". Leider habe der Beschwerdeführer auch - laut Disziplinarerkenntnis - den Fehler begangen, die Bearbeitungsgebühr von S 250,-- zu bezahlen. Dazu "möchte ich hinzufügen, daß ich auch den Herrenslip im Werte von S 35,-- sofort und rechtzeitig bezahlt hätte, wenn er mir nicht aufgrund des Mißgeschicks in der Umkleidekabine unbemerkt in die Hose gerutscht wäre". Der Wert des Slips in Höhe von S 35,-- sei sicher nicht dazu angetan gewesen, sich deswegen bei einem Ladendiebstahl erwischen zu lassen, "es sei denn man ist an Kleptomanie erkrankt". Dies sei bei dem Beschwerdeführer "absolut nicht der Fall und könnte im Zweifelsfalle sicher von jedem fachkundigen Arzt als nicht gegeben bestätigt werden". Im gesamten Disziplinarerkenntnis sei nach "allen möglichen Gründen gesucht" worden, um das "völlig ungerechte Urteil" zu rechtfertigen. Keiner seiner Einwände bei der mündlichen Verhandlung sei auch nur annähernd zur Kenntnis genommen worden. Das Urteil widerspreche jeglichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Seine Vermutung sei dahingehend, daß er das Opfer einer politischen Intrige geworden sei. Er ersuche deshalb um eine neuerliche mündliche Verhandlung vor einem anderen, neutralen Disziplinarsenat. Zugleich beantrage er zu seiner Entlastung die Ladung der stellvertretenden Geschäftsleiterin als Zeugin.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - keine Folge.

Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses und der Berufung wird im angefochtenen Bescheid festgestellt, das von der Disziplinarkommission erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren sei für die Entscheidung der Angelegenheit ausreichend gewesen. Die belangte Behörde habe eine Ergänzung des Beweisverfahrens nicht für erforderlich gehalten "und sich der Beweiswürdigung der Disziplinarkommission und deren Begründung hiefür angeschlossen". Die stellvertretende Filialleiterin könne zur Klärung der Frage, wie der Herren-Slip unter die Jeans-Hose des Beschwerdeführers gelangt sei, nichts beitragen. Ebenso könne durch ein ärztliches Sachverständigengutachten, das darüber Aufschluß gäbe, ob der Beschwerdeführer an Kleptomanie erkrankt sei, nichts gewonnen werden. "Bagatelldiebstähle werden nicht nur von Kleptomanen begangen". Eine mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde "hätte nach der Überzeugung des Senats nur zur Auferlegung von Verfahrenskosten führen können". Die Behörde erster Instanz habe die Tat auch richtig als Verletzung der Dienstpflicht des § 43 Abs. 2 BDG 1979 qualifiziert. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers komme es auf das tatsächliche Bekanntwerden grundsätzlich nicht an; es genüge, daß der Vertrauensverlust in der Bevölkerung im Falle des Bekanntwerdens des vorgeworfenen Verhaltens eintreten würde. Die belangte Behörde halte ebenso wie die Behörde erster Instanz die Verhängung einer Disziplinarstrafe für notwendig, wobei auch die Höhe der Geldbuße als angemessen erachtet werde.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat unter Aktenvorlage (allerdings nicht des erstinstanzlichen Disziplinaraktes) eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt des BDG 1979) zur Verantwortung zu ziehen.

Das Disziplinarverfahren ist vom Grundsatz der Unmittelbarkeit geprägt. Demgemäß hat nach § 126 Abs. 1 BDG 1979 die Disziplinarkommission bei der Beschlußfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist. Dies gilt nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung auch für die Disziplinaroberkommission, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.

Im Berufungsverfahren ist grundsätzlich zwingend eine mündliche Verhandlung gemäß § 124 BDG 1979 anzuberaumen (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, S. 447, m. w.N.). Nach § 125a BDG 1979 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I 1997/61) kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission nur dann Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt ist und die Parteien nicht ausdrücklich in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben. Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Berufung zurückzuweisen, die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen oder ausschließlich über eine Berufung gegen die Auflegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist.

Die Voraussetzungen zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 125a zweiter Absatz BDG 1979 lagen im Beschwerdefall nicht vor.

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung um die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung "vor einem anderen, neutralen Disziplinarsenat" ersucht. Dieses Vorbringen war in Richtung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu werten (zudem wird im angefochtenen Bescheid nicht dargestellt, warum der Sachverhalt i. S.d. § 125a BDG 1979 nach der Aktenlage hinreichend geklärt war). Die belangte Behörde räumt in der Gegenschrift ein, daß in der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung ein Verfahrensmangel gegeben sei, wenn trotz eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine solche nicht durchgeführt worden sei. Sie vertritt aber die Ansicht, der diesbezügliche Mangel sei nicht als wesentlich anzusehen (die belangte Behörde hätte nämlich auch bei Vermeidung dieses Mangels zu keinem im Spruch anderslautenden Bescheid kommen können).

Zu dieser Meinung der belangten Behörde ist nochmals auf die Bestimmung des § 126 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 hinzuweisen, wonach von der Disziplinaroberkommission bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht genommen werden darf, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Da nach der Berufungsschrift weiterhin Sachverhaltsfragen (und damit auch Beweisfragen) im Raum standen (so etwa in bezug auf das Verhalten des Beschwerdeführers bis zum Eintreffen der Gendarmerie, hinsichtlich der Aussagen des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten oder auch zur Frage, ob der Herren-Slip unbemerkt in die Hose gerutscht sei), hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Möglichkeit zur Darstellung seiner Verantwortung bieten müssen. Dabei wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich gewesen, etwa den in der Berufungsschrift gestellten Beweisantrag in bezug auf die Einvernahme der stellvertretenden Filialleiterin näher zu konkretisieren. Auch mit den in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen zur nach Ansicht des Beschwerdeführers notwendigen Einvernahme des Gendarmeriebeamten und der verkürzten, nicht "adäquaten" Wiedergabe seiner Worte im Gendarmerieprotokoll zeigt der Beschwerdeführer die mögliche Relevanz des wegen der Nichtdurchführung der mündlichen Berufungsverhandlung unterlaufenen Verfahrensmangels auf. In diesem Zusammenhang ist weiters festzuhalten, daß die belangte Behörde in der Gegenschrift u.a. die Ansicht vertritt, sie habe "keineswegs schlechthin" die Verantwortung des Beschwerdeführers in Abrede gestellt, daß die Unterhose versehentlich in die Überhose gerutscht sein könne. Damit entfernt sie sich aber erkennbar von den im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis enthaltenen Feststellungen, es sei unglaubwürdig, "wenn der Beschuldigte es nicht bemerkt haben will, daß ein Herren-Slip rein "zufällig" unter die eigene Überhose gelangt sein soll". Auch damit wird untermauert, daß es jedenfalls Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, selbst eine mündliche Verhandlung durchzuführen und aufgrund eigener Anschauung die Sachverhaltsfeststellungen (und darauf aufbauend eigenständig Wertungen zum Unrechtsgehalt und zur Strafbemessung) zu treffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995090150.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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