Entscheidungsdatum
14.11.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §43 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. DDr. Tessar über die Beschwerde der A. Ges.mb.H, vertreten durch Masseverwalter Dr. B., dieser vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, vom 1.8.2019, Zl. …, betreffend Gewerbeordnung (GewO),
zu Recht:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der angefochtene Bescheid der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, GZ: …, vom 1.8.2019 hat folgenden Inhalt:
„Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 63, stellt gemäß § 345 Abs. 5 GewO 1994 i.V.m. § 44 und und § 43 Abs. 3 GewO 1994 fest, dass nach Eröffnung des am 01.07.2019, ZI. … beim Handelsgericht Wien über das Vermögen der A. Ges.mb.H., Rechtsform: Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Sitz Wien: Firmenbuchnummer: …, eröffnete Sanierungsverfahren die gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbetrieb der Insolvenzmasse für das Gewerbe „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ im Standort Wien, C.-Straße, GISA-Zahl: …, nicht vorliegen.
B e g r ü n d u n g
§ 345 Abs. 5 GewO 1994 normiert: Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist - unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff - dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.
Gemäß § 44 GewO normiert: Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gewerbeinhabers. Der Insolvenzverwalter hat jedoch den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1). Er kann auch nach Maßgabe des § 43 Abs. 3 auf das Fortbetriebsrecht verzichten. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
Gemäß § 43 Abs. 3 GewO 1994 ist die bei der Bezirksverwaltungsbehörde abgegebene Verzichtserklärung unwiderruflich.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 01.07.2019, Aktenzeichen: …, wurde über das Vermögen der A. Ges.m.b.H. das Sanierungsverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 16.07.2019 hat der Masseverwalter als Vertreter der Insolvenzmasse der Behörde mitgeteilt, dass das Unternehmen der Schuldnerin mit Ausnahme des Unternehmensbereiches Elektrotechnik fortgeführt wird.
Der Masseverwalter hat dann nach bereits erfolgten Verzicht auf das Fortbetriebsrecht mit Schreiben vom 17.07.2019 der Behörde mitgeteilt, dass er irrtümlich auf das Fortbetriebsrecht verzichtet habe und daher der im Schreiben vom 16.07.2019 abgegebene Verzicht als gegenstandslos zu betrachten sei.
Dem Argument, dass der Verzicht irrtümlich erfolgt sei, kann seitens der erkennenden Behörde nicht beigepflichtet werden. Dies wurde dem Masseverwalter auch nachweislich zur Kenntnis gebracht.
In einer ergänzenden Stellungnahme wird durch den Masseverwalter nun ausgeführt, dass er irrtümlich den Unternehmensteil Elektrotechnik mit der Gewerbeberechtigung Elektrotechnik gleichgesetzt habe. Zum Fortbetrieb des Facility Managements gehören die Gewerbeberechtigungen techn. Büro, Fachbereich Elektrotechnik, Elektrotechniker, Installateur, Reinigung, Betreiben von Schwimmbädern und das Betreiben von Saunaanlagen. Ein Teilbereich des fortbetriebenen Bereiches Facility Management sei das Gebäudemanagement, welches die Bewirtschaftung von bestehenden Gebäuden inkl. die elektrotechnische Versorgung dieser Gebäude im Rahmen des technischen Gebäudemanagements zum Gegenstand habe. Zum Gebäudemanagement gehören folglich auch der Umbau und die Sanierung mit Schwerpunkt auf elektrotechnischen Tätigkeiten.
Die Gewerbeberechtigung Elektrotechnik ist somit nicht mit dem Unternehmensbereich Elektrotechnik gleichzusetzen.
Die erkennende Behörde kann den Ausführungen des Masseverwalters lediglich darin zustimmen, dass die Gewerbeberechtigung Elektrotechnik nicht ident ist mit dem Unternehmensbereich Elektrotechnik. Der Unternehmensbereich Elektrotechnik erfasst nicht nur die Gewerbeberechtigung Elektrotechnik sondern wird als wesentlich umfassender Bereich anzusehen sein und inkludiert nach Ansicht der erkennenden Behörde auch die Gewerbeberechtigung Technisches Büro, Fachbereich Elektrotechnik.
Der fortbetriebene Bereich „ Facility Management einschließlich Gebäudemanagement und technisches Gebäudemanagement“ ist keine Gewerbeberechtigung im Sinne der GewO 1994. Es mag durchaus sein, dass unter dieser Bezeichnung mehrere eigenständige Berechtigungen zusammengefasst werden. Da Facility Management aber keine eigenständige Gewerbeberechtigung ist, kann der Fortbetrieb auch nicht unter Facility Management erfolgen, sondern nur dadurch dass ein Fortbetriebsrecht für die entsprechenden Berechtigungen nach der GewO 1994 angezeigt wird.
Im gegenständlichen Fall wurde aber auf das Fortbetriebsrecht für das Gewerbe „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanalgen“ durch den Masseverwalter sogar zweimal verzichtet. Zum einen im bereits zuvor angeführten Schreiben vom 16.07.2019 und zum anderen mit Schreiben vom 15.07.2019 gerichtet an das Magistratische Bezirksamt.
Des weiteren wurde vom Masseverwalter auch beim Insolvenzgericht die Schließung des Unternehmensbereiches Elektrotechnik - ein über das bloße Gewerbe Elektrotechnik sogar hinausgehender Unternehmensteil - beantragt und von diesen mit 05.07.2019 auch angeordnet.
Gemäß der zuvor angeführten gesetzlichen Bestimmungen ist der Verzicht unwiderruflich. Dass hier nun ein Irrtum vorliegen soll, ist aus den dargelegten Gründen —2 maliger Verzicht —Ansuchen der Schließung beim Handelsgericht - nicht gegeben.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbetrieb nicht erfüllt werden, war spruchgemäß zu entscheiden.“
Dagegen erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin frist- und formgerecht Beschwerde und brachte Folgendes vor:
„Sanierungsverfahren
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 01.07.2019 wurde zu AZ … ein Sanierungsverfahren über das Vermögen der A. Ges.m.b.H., FN …, C.-Straße, Wien, eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt.
Bescheinigungsmittel:
- Auszug aus der Ediktsdatei, Beilage IB.
Rechtsmittelerklärung. Beschwerdegegenstand
Der Beschwerdeführer erhebt hiemit das Rechtsmittel der Beschwerde an das Verwaltungsgericht gegen den in Kopie samt Eingangsvermerk beiliegenden Bescheid der Magistratsabteilung 63, Magistrat der Stadt Wien vom 01.08.2019 zu GZ …, dem Beschwerdeführer zugestellt am-07.08.2019 (kurz: „Bescheid“) und ficht diesen Bescheid gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 und Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG zur Gänze an.
Überschriften
Die Überschriften in diesem Schriftsatz dienen nur der Übersichtlichkeit. Die Beschwerdeführerin erstattet ausdrücklich sämtliches Vorbringen in diesem Schriftsatz zu sämtlichen Aspekten und Grundlagen ihrer gegenständlichen Beschwerde.
Sachverhalt
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 01.07.2019 wurde zu AZ … ein Sanierungsverfahren über das Vermögen der A. Ges.m.b.H., FN …, C.-Straße, Wien, eröffnet. Der Unternehmensbereich „Elektrotechnik“ wurde mit Beschluss vom 04.07.2019 des HG Wien geschlossen.
Ungeachtet dessen wird die Gewerbeberechtigung „Elektotechnik" für den Fortbetrieb des Bereichs Facility Management, welcher den Kern des Unternehmens darstellt, trotzdem weiterhin benötigt. Der Teilbereich „Elektotechnik“ des Unternehmens der Schuldnerin ist nicht deckungsgleich mit der Gewerbeberechtigung „Elektrotechnik“.
Ein Teilbereich des nach wie vor fortbetriebenen Unternehmens der Schuldnerin ist das Gebäudemanagement bzw die Gebäudeverwaltung, welcher auch die Bewirtschaftung (Wartung etc) von bestehenden Gebäuden und technischen (elektrischen) Anlagen zum Gegenstand hat. Darunter fällt auch das „technische Gebäudemanagement“.
Da die technischen Anlagen in einem Gebäude elektrotechnisch versorgt werden und auch Steuerung zum elektrotechnischen Gewerk gehören, ist das Gewerbe Elektrotechnik für den Fortbetrieb des Bereiches Facility Management notwendig. Zum Gebäudemanagement gehören auch Umbau und Sanierung, bei welchen Großteils elektrotechnische Tätigkeiten durchzuführen sind.
Aus diesen Gründen wird die Gewerbeberechtigung „Elektrotechnik“ für den Fortbetrieb des nach der Schließung des Unternehmensbereichs „Elektrotechnik" verbleibenden Unternehmensteils der Schuldnerin benötigt.
Der beschwerdeführende Masseverwalter verzichtete mit Schreiben vom 16.07.2019 irrtümlich auf das Fortbetriebsrecht hinsichtlich der Berechtigung „Elektrotechnik“, weil er, sowie den Ausführungen der MA 63 zufolge auch die die MA 63, irrtümlich den Unternehmensbereich „Elektrotechnik“ mit der Gewerbeberechtigung „Elektrotechnik“ gleichsetzte und er erst am darauffolgenden Tag von der Schuldnerin über Gegenteiliges informiert wurde, nachdem er die Schuldnerin über seinen - irrtümlichen - Verzicht informiert hatte.
Am 17.07.2019 richtete der beschwerdeführende Masseverwalter sofort die Richtigstellung, nämlich dass der Masseverwalter irrtümlich den Verzicht des Fortbetriebsrechts erklärt hatte, an die MA 63.
Die MA 63 stellte sodann mit dem angefochtenen Bescheid fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Fortbetrieb der Insolvenzmasse für das Gewerbe „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen" nicht vorlägen. Dies unter anderem mit der Begründung, dass der Masseverwalter zwei Mal auf das Fortbetriebsrecht verzichtet hätte und man aus der gerichtlichen Schließung des Teilbereichs „Elektrotechnik“ daraus schließen könne.
5. Zulässigkeit der Beschwerde. Beschwerdepunkt
Gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG ist die Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 63 vom 01.08.2019 zu GZ … zulässig, weil der Beschwerdeführer durch den rechtswidrigen Bescheid in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten, insbesondere in seinem Fortbetriebsrecht - somit das Recht, den Gewerbebetrieb auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen—der Insolvenzmasse gemäß § 41b Abs 1 Z 4, § 44 GewO verletzt ist, wobei der Bescheid insbesondere an Rechtswidrigkeit des Inhalts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet.
Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers ergibt sich somit aus Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG, sodass die Beschwerde jedenfalls zulässig ist.
Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht überwiesen (Beilage ./D).
6. Rechtzeitigkeit der Beschwerde
Der in Kopie beiliegende angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 07.08.2019 - wie aus dem Kanzleistempel auf dem beiliegenden Bescheid ersichtlich - am zugestellt. Die Beschwerde ist daher fristgerecht erhoben.
7. Beschwerdegründe
7.1 Rechtswidrigkeit des Inhalts
Ein Bescheid ist wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, wenn der dem Bescheidinhalt zugrundeliegende Sachverhalt unrichtig beurteilt und/oder die dem Bescheidinhalt zugrundliegenden Rechtsvorschriften falsch angewendet wurden.
Der angefochtene Bescheid beruht auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde hinsichtlich der anzuwendenden Bestimmungen und ist daher rechtswidrig.
Die hier gegenständliche Norm, § 44 GewO, lautet wie folgt:
§ 44. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gewerbeinhabers. Der Insolvenzverwalter hat jedoch den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. l). Er kann auch nach Maßgabe des .§ 43 Abs. 3 auf [das Fortbetriebsrecht verzichten. Das Fortbetriebsrecht, der Insolvenzmasse endet imit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
Die belangte Behörde verkennt die anzuwendende Rechtslage grundlegend. Der Verzicht eines Masseverwalters auf sein Fortbetriebsrecht ist keinesfalls absolut oder unwiderruflich.
Wie § 44 GewO ausdrücklich normiert, endet das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse endet ausschließlich mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
Schließlich wäre andernfalls insbesondere die ausdrücklich in der Insolvenzordnung vorgesehene Wiedereröffnung von im Insolvenzverfahren geschlossen Unternehmensteile (siehe zB § 114a IO) gar nicht möglich. Die gegenständliche Gesetzesauslegung der belangten Behörde ist daher denkunmöglich und verfehlt.
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid unter anderem auch damit, dass vom Masseverwalter beim Insolvenzgericht die Schließung des Unternehmensbereiches Elektrotechnik - ein über das bloße Gewerbe Elektrotechnik sogar hinausgehender Unternehmensteil - beantragt wurde.
Die Begründung, dass der irrtümliche Verzicht auf das Fortbetriebsrecht aufgrund der Aktenlage - nämlich aufgrund der gerichtlichen Schließung des Unternehmensbereichs „Elektrotechnik“, auszuschließen sei, ist nicht schlüssig, weil es sich beim Verzicht unzweifelhaft um eine Erklärung des Verzichts auf einen Fortbetrieb handeln muss.
Weiters untermauert die belangte Behörde ihre Begründung mit einem zweiten ausdrücklichen Verzicht des Masseverwalters vom 15.07.2019. Der Masseverwalter zeigte mit Schreiben vom 15.07.2019 lediglich den-Fortbetrieb des Unternehmens, mit Ausnahme des Unternehmensbereichs „Elektrotechnik“ beim Magistratischen Bezirksamt an. Er verzichtete hiebei nicht ausdrücklich auf den Fortbetrieb des Gewerbes Elektrotechnik.
Bei einer zweifelhaften Erklärung müsste die Behörde zum Beispiel Rückfragen zum Inhalt stellen; davor liegt noch keine „Verzichtserklärung" vor. Diese Argumentation kann für den am 16.07.2019 irrtümlich erfolgten Verzicht nicht als Begründung angeführt werden G.Dass hier ein Irrtum vorliegen soll, ist aus den dargelegten Gründen - 2 maliger Verzicht - Ansuchen der Schließung beim Handelsgericht“).
Es liegt lediglich die abgegebene Verzichtserklärung des beschwerdeführenden Masseverwalters in seinem Schreiben vom 16.07.2019 vor. Der Masseverwalter unterlag bei dieser Abgabe jedoch einem Irrtum iSd § 871 ABGB in der Hauptsache. Ein Irrtum iSd § 871 ABGB ist geeignet, die Rechtswirksamkeit eines Verzichtes auf einen im öffentlichen Recht wurzelnden Rechtsanspruch auszuschließen.
Der Irrtum' wurde dadurch veranlasst, dass der Teilbereich „Elektrotechnik“ mit Zustimmung der Schuldnerin gerichtlich geschlossen wurde. Der Masseverwalter ging daher wie dargelegt kurz ebenso wie die Behörde irrtümlich davon aus, dass somit auch das Gewerbe „Elektotechnik“ nicht fortzuführen wäre.
Für die Irreführung ist weder Absichtlichkeit noch Fahrlässigkeit erforderlich. Der Irrtum entstand allein aus dem ursächlichen Verhalten - nämlich der Zustimmung zur Schließung des Teilbereichs „Elektrotechnik“ - in sich. Die Verzichtserklärung des beschwerdeführenden Masseverwalters auf das Fortbetriebsrecht des Gewerbes „Elektrotechnik“ war eine Reaktion auf die gerichtliche Schließung des Teilbereichs „Elektrotechnik". Die Vorschrift des § 871 ABGB stellt zudem nicht darauf ab, ob der Irrtum entschuldbar ist oder nicht.
Verletzung von Verfahrensvorschriften
Der angefochtene Bescheid leidet in mehrerer Hinsicht an weiteren Verfahrens- und Begründungsmängeln. Ein relevanter Verfahrensmangel kann auch in der mangelnden Schlüssigkeit der Begründung liegen.
Wie bereits in Punkt 7.1 ausgeführt, ist die Begründung der belangten Behörde hinsichtlich der ersten „Verzichtserklärung“ sowie der Begründung, dass der irrtümliche Verzicht auf das Fortbetriebsrecht aufgrund der Aktenlage - nämlich aufgrund der gerichtlichen Schließung des Unternehmensbereichs „Elektrotechnik“, auszuschließen sei, nicht schlüssig. Die Behörde dürfte diese beiden Umstände - wie bereits ausgeführt - nicht zur Untermauerung Ihrer Argumentation verwenden.
Unsachlichkeit und Unbilligkeit
Zudem steht der angefochtene Bescheid mit dem aus Art 7 B-VG abzuleitenden Sachlichkeitsgebot in Widerspruch und leidet an Unsachlichkeit und Unbilligkeit. Die Verwaltung ist insbesondere durch das rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung an das Sachlichkeitsgebot gebunden und darf keine unsachlichen, unbilligen oder im Ergebnis unsinnigen Bescheide erlassen (siehe zB VfGH 13.12.2016, G 248/2016; VfGH 16.12.1999, G 69/99, ua).
Die belangte Behörde hätte die unverzügliche Mitteilung des Masseverwalters zumindest als Antrag auf Wiedereinsetzung und gleichzeitige Vornahme der entsprechenden Handlung (Nicht-Verzicht auf Fortführungsrecht „Elektrotechnik") deuten, und dem Masseverwalter gegebenenfalls zur Verbesserung zurückstellen, müssen, wenn sie berechtigt der Meinung sein hätte können, dass die unverzügliche Aufklärung jenes Irrtums nicht genüge oder als solche per se ausreichend sei.
Der gegenständliche Bescheid macht zumindest in seiner Auswirkung keinen Sinn und ist somit letztlich unsachlich und unbillig. Schließlich ist niemandem, vor allem auch keinem öffentlichen Interesse damit gedient, wenn eine wie dargestellt irrtümliche Erklärung des Masseverwalters auf Grund eines Irrtums, dem offenbar auch die Behörde unterliegt (Gleichsetzung Teilbereich „Elektrotechnik“ mit Berechtigungsumfang „Elektrotechnik“), einen profitablen Fortbetrieb und eine aller Voraussicht nach erfolgreiche Unternehmenssanierung gefährden oder gar verhindern würde.
Zum Beweis des profitablen Fortbetriebs und der aller Voraussicht nach erfolgreichen Unternehmenssanierung legt der Masseverwalter hiemit seinen jüngsten Bericht an das Konkursgericht sowie einen aktuellen Auszug aus der Insolvenzdatei vor, dem zu entnehmen ist, dass das Insolvenzgericht am 29.08.2019 die weitere Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin beschloss.
8. Fazit
Die Voraussetzungen für den Fortbetrieb sind gegeben,, weil insbesondere ein der Gewerbeberechtigung entsprechender Gewerbebetrieb vorliegt.
Der beschwerdeführende Masseverwalter unterlag bei der Abgabe seiner Verzichtserklärung vom 16.07.2019 einem unverzüglich aufgehklärten Irrtum iSd § 871 ABGB, dem auch das Insolvenzgericht und die Behörde unterlagen. Der Verzicht eines Masseverwalters auf sein Fortbetriebsrecht ist keinesfalls absolut oder unwiderruflich.
Der in Kenntnis jener Umstände von der Behörde erlassene angefochtene Bescheid dient keinem öffentlichen Interesse und verstößt somit gegen das Sachlichkeitsgebot.
Beschwerdeanträge
Aus den genannten Gründen richtet der Beschwerdeführer die höflichen
Anträge
an das Verwaltungsgericht,
I. gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und
II. gemäß Art 130 Abs 4 B-VG iVm § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und den angefochtenen Bescheid der Magistratsabteilung 63, Magistrat der Stadt Wien vom 01.08.2019 zu GZ … ersatzlos zu beheben;
in eventu
III. den angefochtenen Bescheid der Magistratsabteilung 63, Magistrat der Stadt Wien vom 01.08. 2019 zu GZ … gemäß § 28 Abs 3 VwGVG mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen.“
Der Inhalt des Schriftsatzes der Beschwerdeführerin vom 15.7.2019 betreffend die Anzeige des Fortbetriebes lautet wie folgt:
„1. Sanierungsverfahren
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 01.07.2019 wurde zu AZ … ein Sanierungsverfahren über das Vermögen der A. Ges.m.b.H., FN …, C.-Straße, Wien, eröffnet und ich zum Masseverwalter bestellt.
2. Unternehmens(teil-)fortbetrieb
Hiermit zeige ich Ihnen ausdrücklich an, dass das Unternahmen der Schuldnerin mit Ausnahme des Unternehmensbereichs Elektrotechnik bis auf weiteres fortbetrieben wird (siehe Teilschließungsbeschluss, Beilage./A).
3. Verantwortlicher Beauftragter
Ich weise in diesem Zusammenhang auf mein Fax vom 03.07.2019 hin, mit dem ich Ihnen die Vereinbarung über die Bestellung des Herrn Ing. D. E., geb. 1967, wohnhaft in F.-Gasse, G., als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Schuldnerin und Gewerbeinhaberin, als verantwortlichen Beauftragten zukommen ließ und bitte um Mitteilung, sollte dieses Sie nicht erreicht haben.“
.“
Der Inhalt des Schriftsatzes vom 17.7.2019 mit welchem eine unklare Formulierung im obangeführten Schreiben vom 15.7.2019 richtig gestellt wird, lautet wie folgt:
„Als Masseverwalter in obigem Verfahren teilte ich Ihnen gestern mit dem der Übersichtlichkeit halber nochmals angeschlossenen Schreiben irrtümlich mit, dass ich auf die Ausübung des Gewerbes „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ verzichte. Ich bitte Sie, jenes Schreiben als gegenstandslos zu beachten.
Vielmehr erkläre ich als Masseverwalter in obigem Verfahren, von meinem Fortbetriebsrecht hinsichtlich sämtlicher Gewerbe der Insolvenzschuldnerin Gebrauch zu machen. Zudem bringe ich Ihnen die angeschlossene Vereinbarung gern § 9 VStG zur
Kenntnis.“
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Die im hier gegenständlichen Verfahren wesentlichen Normen der Gewerbeordnung (GewO) lauten – auszugsweise – wie folgt:
§ 43 GewO lautet wie folgt:
„(1) Das Fortbetriebsrecht des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners und der Kinder, Wahlkinder sowie Kinder der Wahlkinder des Gewerbeinhabers entsteht mit dem Zeitpunkt, in dem das Fortbetriebsrecht der Verlassenschaft gemäß § 42 Abs. 2 endet. Der Fortbetrieb durch den Ehegatten oder eingetragenen Partner ist von diesem, der Fortbetrieb durch die Kinder, Wahlkinder und Kinder der Wahlkinder von ihrem gesetzlichen Vertreter, falls sie aber eigenberechtigt sind, von ihnen selbst ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1).
(2) Hinterläßt der Gewerbeinhaber sowohl einen fortbetriebsberechtigten Ehegatten oder eingetragenen Partner als auch fortbetriebsberechtigte Kinder, Wahlkinder und Kinder der Wahlkinder, so steht ihnen das Fortbetriebsrecht gemeinsam zu.
(3) Der fortbetriebsberechtigte Ehegatte oder eingetragene Partner und die fortbetriebsberechtigten Kinder, Wahlkinder und Kinder der Wahlkinder können spätestens einen Monat nach der Entstehung ihres Fortbetriebsrechtes auf dieses mit der Wirkung verzichten, daß das Fortbetriebsrecht für ihre Person als überhaupt nicht entstanden gilt. Diese Verzichtserklärung, die bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten ist, ist nach dem Zeitpunkt ihres Einlangens oder ihrer Abgabe bei dieser Behörde unwiderruflich. Ist der Fortbetriebsberechtigte nicht eigenberechtigt, so kann für ihn nur sein gesetzlicher Vertreter mit Zustimmung des Gerichtes rechtswirksam verzichten.“
§ 44 GewO lautet wie folgt:
„Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gewerbeinhabers. Der Insolvenzverwalter hat jedoch den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1). Er kann auch nach Maßgabe des § 43 Abs. 3 auf das Fortbetriebsrecht verzichten. Das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse endet mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens."
§ 345 GewO lautet wie folgt:
„(1) Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 5 gelten für die nach diesem Bundesgesetz zu erstattenden Anzeigen, die bewirken, dass die Behörde Daten in das GISA neu einzutragen oder eingetragene Daten zu ändern hat.
(2) Die Anzeigen sind zu erstatten
1.
gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 und § 47 Abs. 3 bei der für die weitere Betriebsstätte zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde und
2.
gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 und 3 bei der für den neuen Standort zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde.
Sonstige Anzeigen sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.
(3) Für die Art der Einbringung der Anzeigen gilt § 339 Abs. 4. Den Anzeigen sind die zum Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen für die Maßnahme oder Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, erforderlichen Belege anzuschließen. Betrifft die Anzeige die Tätigkeit einer natürlichen Person, so sind jedenfalls die Belege gemäß § 339 Abs. 3 Z 1 anzuschließen. Betrifft eine solche Anzeige die Tätigkeit als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer, so sind überdies die Belege gemäß § 339 Abs. 3 Z 2 anzuschließen. Für die Anzeige gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 erster Fall und für die Anzeigen gemäß § 46 Abs. 2 Z 2 und 3 gelten die Vorschriften des § 339 Abs. 2 sinngemäß. Der Erstatter einer Anzeige ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 339 Abs. 4 Z 1 oder 2 von der Vorlage der Belege entbunden.
(4) Wenn die jeweils geforderten Voraussetzungen gegeben sind und in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, hat die Behörde die sich aus der Anzeige ergebende Eintragung in das GISA vorzunehmen und den Erstatter der Anzeige von der Eintragung zu verständigen.
(5) Wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, hat die Behörde, bei der die Anzeige erstattet worden ist - unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff – dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.
(6) Die Behörde hat Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 binnen zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, wenn die geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Der Bescheid bildet einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, hat die Behörde innerhalb von zwei Monaten nach Erstattung der Anzeige einen Bescheid im Sinne des Abs. 5 zu erlassen. Für die den Anzeigen gemäß § 81 Abs. 3 anzuschließenden Belege gilt § 353. Mit dem Betrieb der geänderten Betriebsanlage darf erst nach Erlassung des Bescheides im Sinne des ersten Satzes begonnen werden.“
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt und Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin in der Beschwerde.
1. Festgestellt wird, dass über das Vermögen der A. Ges.m.b.H. mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 1.7.2019, AZ: …, das Sanierungsverfahren eröffnet wurde. Masseverwalter ist Herr Dr. B..
Die Feststellungen betreffend die Eröffnung des Sanierungsverfahrens ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt und sind unstrittig.
2. Weiters wird festgestellt, dass mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 15.7.2019 (eingebracht bei der belangen Behörde via Fax am 16.7.2019), bekanntgegeben wurde, dass das Unternehmen der A. Ges.m.b.H. bis auf weiteres fortbetrieben wird. Die Anzeige des Fortbetriebes umfasst laut diesem Schriftsatz jeden Unternehmensbereich mit Ausnahme des Unternehmensbereichs "Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen". Diese Fortbetriebsabsicht wurde mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 17.7.2019 bekräftigt.
Diese Feststellung gründet auf den klaren Wortlaut der obangeführten Erklärung, mit welcher ausdrücklich eine an die Behörde gerichtete Anzeige des Fortbetriebs bestimmter Unternehmensteile i.S.d. § 44 GewO erfolgt ist. Im Übrigen wurde diese Fortbetriebserklärung bzw. diese Mitteilung der Beabsichtigung des Fortbetriebs der in dieser Erklärung angeführten Unternehmensteile im oa Schreiben des Masseverwalters der Beschwerdeführerin vom 17.7.2019 bekräftigt
3) Weiters steht bei Zugrundelegung des klaren Wortlauts des oa Schriftsatzes vom 17.7.2019 fest, dass die Beschwerdeführerin mit diesem Schriftsatz auch eine Fortbetriebsanzeige i.S.d. § 44 GewO im Hinblick auf den Unternehmensbereich "Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen" erstattet hat.
4. Festgestellt wird, dass mit dem oa Schreiben der Beschwerdeführerin vom 15.7.2019 keine Verzichtserklärung hinsichtlich der Fortführung des Unternehmensbereichs "Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen" erfolgt ist.
Diese Feststellung hatte schon aufgrund des klaren Wortlauts des der Behörde übermittelten Schriftsatzes vom 15.7.2019 zu erfolgen.
In diesem Schriftsatz gab der Masseverwalter ausdrücklich kund, dass das Unternehmen im Hinblick auf bestimmte Unternehmensteile (unverzüglich) fortgeführt werde. Diese ausdrückliche Fortführung umfasse alle Unternehmensbereiche exklusive jenen der "Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen".
Mit dieser Erklärung erfolgte keinerlei Aussage, wie der Masseverwalter in Hinkunft mit dem Unternehmensbereich „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ umzugehen gedenkt. Lediglich ist aus dieser Erklärung zu erschließen, dass der Masseverwalter nicht entschieden hat, dass der Unternehmensbereich „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ unverzüglich weitergeführt werden soll. Da nun aber der Masseverwalter, von diesem gegenüber der Behörde sogar ausdrücklich durch das Schreiben vom 15.7.2019 klargestellt, entschieden hatte, dass dieser Unternehmensbereich nicht unverzüglich fortgeführt werden soll, bestand im Hinblick auf die Weiterführung dieses Unternehmensbereichs auch keine gesetzliche Verpflichtung zur Tätigung einer Anzeige i.S.d. § 44 GewO. Insofern korrekt hat der Masseverwalter im Hinblick auf diesen Unternehmensbereich im oa Schreiben vom 15.7.2019 keine Fortführungsanzeige i.S.d. § 44 GewO bei der Behörde eingebracht.
Seitens der belangten Behörde wird aus dem Umstand, dass nicht auch der Fortbetrieb des Unternehmensbereichs gemäß § 44 GewO angezeigt worden ist, gefolgert, dass mit dem oa Schreiben vom 15.7.2019 zugleich auch im Hinblick auf diesen Unternehmensbereich eine Verzichtserklärung i.S.d. § 44 Abs. 3 GewO abgegeben worden ist.
Zu diesem Standpunkt der Behörde ist als Erstes auszuführen, dass mit der oa Erklärung vom 15.7.2019 offenkundig nicht ausdrücklich eine Verzichtserklärung abgegeben worden ist. Weder wird nämlich in diesem Schriftsatz das Wort „Verzicht“, noch wird ein Synonym für das Wort „Verzicht“ verwendet.
Wenn überhaupt, so kann aus diesem Schreiben nur aus dem Gesamtkontext der Erklärung eine konkludente Verzichtserklärung gefolgert werden.
Offenkundig geht die Behörde davon aus, dass solch eine konkludente Verzichtserklärung mit dem Hinweis, dass lediglich der Fortbetrieb aller Unternehmensbereiche außer dem Unternehmensbereich „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ angezeigt werde, erfolgt sei.
Bezugnehmend auf diese Auslegung des Schriftsatzes vom 15.7.2019 ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur für die Auslegung von in einem Verwaltungsverfahren getätigten Parteienklärungen die Auslegungsregeln der §§ 914 bis 916 ABGB sinngemäß heranzuziehen sind (vgl. etwa VwGH 21.4.2004, 2001/08/0077)..
Gemäß § 914 ABGB ist eine Erklärung in erster Linie nach der Absicht des Erklärenden auszulegen. Aus § 915 ABGB wiederum ist zu folgern, dass bei bloß einseitig bindenden Erklärungen im Zweifel davon auszugehen ist, dass sich der Erklärende eher zu weniger als zu mehr verpflichten wollte.
Bei der gegenständlichen Erklärung vom 15.7.2019 wurde abgesehen von der Beschwerdeführerin nicht auch die Behörde oder eine andere Person gebunden. Diese Erklärung ist daher als eine einseitig bindende Erklärung i.S.d. § 915 ABGB einzustufen. Damit ist aber schon aufgrund der Auslegungsregel des § 915 ABGB zu folgern, dass diese Erklärung im Zweifel in der Weise auszulegen ist, dass sich die Beschwerdeführerin dadurch am wenigsten zu etwas verpflichtet bzw. auf etwas verzichtet hat.
Sofern es daher mit der Bestimmung des § 44 i.V.m. § 43 GewO vereinbar ist, wurde sohin mit der gegenständlichen Erklärung vom 15.7.2019 im Zweifel zusätzlich zur Anzeigeerklärung nicht auch eine Verzichtserklärung abgegeben.
Dieses Auslegungsergebnis käme natürlich dann nicht zur Anwendung, wenn im Sinne des Auslegungsgrundsatzes des § 914 ABGB es sich erweisen sollte, dass nach dem Willen der erklärenden Beschwerdeführerin mit der gegenständlichen Erklärung vom 15.7.2019 auch eine Verzichtserklärung i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO abgegeben werden sollte.
Wie zuvor schon ausgeführt, lässt sich für solch eine Absicht aus dem Wortlaut der Erklärung kein Hinweis entnehmen; wird doch in diesem Schriftsatz das Wort „Verzicht“ nicht einmal verwendet.
Dazu kommt aber weiters, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17.7.2019 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass diese mit dem Schreiben vom 15.7.2019 keinen Verzicht i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO im Hinblick auf den Unternehmensbereich „Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen“ aussprechen wollte, und eine alle gegenteilige Lesart des Schreibens vom 15.7.2019 nicht gewollt worden sei.
Damit steht aber fest, dass mit der gegenständlichen Erklärung lediglich eine Anzeige i.S.d. § 44 GewO und nicht auch eine Verzichtserklärung gemäß § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO erfolgen sollte.
Folglich bleibt nur noch zu klären, ob § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO es gebietet, dass mit der Anzeige i.S.d. § 44 GewO auf Fortbetrieb eines Teils des bisherigen Unternehmensbereichs kraft unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung auch ein Verzicht i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO im Hinblick auf den von der Fortbetriebsanzeige nicht umfassten Unternehmensbereich ausgesprochen worden ist.
Wie schon aus dem klaren Gesetzestext zu ersehen, gibt es eine solche unwiderlegliche gesetzliche Vermutung nicht. Gegen eine solche Auslegung spricht auch schon der klare Gesetzeswortlaut; wenn bereits mit der Fortbetriebsanzeige auch zwingend ein Verzicht zum Ausdruck gebracht wird, bedürfte es der eigenständigen Verzichtsbestimmung im § 44 GewO zusätzlich zur Fortbetriebsanzeigenregelung nicht.
Da es nun aber gerade zwei eigenständige gesetzliche Bestimmungen zu zwei unterschiedlichen Erklärungsarten gibt, ist davon auszugehen, dass mit einer nach einer bestimmten Bestimmung erfolgten Erklärung nicht zugleich auch eine Erklärung nach der anderen Bestimmung abgegeben wird.
Der Gesetzgeber differenziert daher zwischen der Anzeige des Fortbetriebs von Unternehmensteilen und der Erklärung des Verzicht auf den Fortbetrieb von Unternehmensteilen, und knüpft an jede der Erklärungen völlig unterschiedliche Rechtsfolgen. Mit der Fortbetriebsanzeige i.S.d. § 44 GewO erlangt der Masseverwalter die Befugnis zur Weiterführung der gewerblichen Tätigkeit mit gleichzeitiger neuerlicher Unterwerfung des Unternehmens unter alle diese Gewerbeausübung zum Gegenstand habenden Rechtsvorschriften. Dagegen wird mit einer Verzichtserklärung i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO ein Unternehmen dauerhaft aus dem gesetzlichen Verpflichtungskreis im Hinblick auf den verzichteten Unternehmensbereich herausgelöst; bei gleichzeitiger Konsequenz, diesen Unternehmensteil künftig auch nicht mehr (ohne neuerliche Erlangung einer Gewerbeberechtigung) gewerblich ausüben zu dürfen.
Sohin entspricht es geradezu der Intention des Gesetzgebers und den bei einer teleologischen Gesetzesinterpretation zu berücksichtigenden allgemeinen Wirtschaftsinteressen, dass ein Masseverwalter ein Unternehmen vorerst nur zu Teilen fortbetreibt, wobei sich der Masseverwalter offenlässt, in Hinkunft auch von seinem Fortbetriebsrecht im Hinblick weiterer Unternehmensteile Gebrauch zu machen.
Genau diese sinnvolle und vom Gesetzgeber offenkundig Wirtschaftspraxis wäre nun aber gesetzlich unterbunden, wenn mit der Erklärung, (vorerst) nur Teile des Unternehmens fortzubetreiben, zugleich auch das Fortbetriebsrecht im Hinblick auf die übrigen Unternehmensteile verwirkt wäre, wenn daher im Hinblick auf diese übrigen Unternehmensteile von der Abgabe eines Verzichts i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO auszugehen wäre.
Damit ist aber auch aufgezeigt, dass mit der Anzeige, nur bestimmte Unternehmensteile fortzubetreiben, nicht auch die gesetzliche Konsequenz des Verlusts des Fortbetriebsrechts im Hinblick auf die übrigen Unternehmensbereiche verbunden ist; diesfalls daher auch nicht von einer Verzichtserklärung i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO im Hinblick auf die in der Fortbetriebserklärungen nicht vom Fortbetriebsumfang erfassten Unternehmensteile auszugehen ist.
Folglich war festzustellen, dass durch die gegenständliche Anzeige vom 15.7.2019 ausschließlich eine Fortbetriebsanzeige i.S.d. § 44 GewO eingebracht worden ist, und sohin nicht auch eine Verzichtserklärung i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO getätigt worden ist.
Auf Basis dieser Sachlage ist sodann der gegenständliche, auf § 345 Abs. 5 GewO gegründete Bescheid zu prüfen:
Gegenstand des gegenständlich bekämpften Bescheids ist offenkundig die Fortbetriebsanzeige der belangten Behörde vom 17.7.2019 im Hinblick auf den Unternehmensbereich "Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen".
Aufgrund der Annahme, dass im Hinblick auf diesen Unternehmensbereich mit dem Schriftsatz vom 15.7.2019 eine Verzichtserklärung i.S.d. § 44 i.V.m. § 43 Abs. 3 GewO abgegeben worden ist, gelangte die Behörde zum Ergebnis, dass im Hinblick auf diesen Unternehmensbereich das Fortbetriebsrecht der Insolvenzmasse i.S.d. § 44 GewO untergegangen war, sodass gemäß § 345 Abs. 5 GewO die Untersagung der Gewerbeausübung im Umfang dieses Tätigkeitsbereichs ausgesprochen worden war.
Wie nun aber festgestellt, ist solch ein Verzicht niemals abgegeben worden.
Zudem ist nicht ersichtlich, aus welchem sonstigen Grund die gegenständliche unternehmerische Tätigkeit im Bereich „"Elektrotechnik, ausgenommen die Errichtung von Alarmanlagen" mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren sein könne.
Es ist daher davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher zum Ausspruch einer Untersagung i.S.d. § 345 Abs. 5 GewO im Hinblick auf diesen gewerblichen Tätigkeitsbereich berechtigen würde.
Es hätte daher kein auf § 345 Abs. 5 GewO gestützter Untersagungsbescheid erlassen werden dürfe.
Folglich war spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte – ungeachtet des Parteiantrages – von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, weil der angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anzeige des Fortbetriebs bestimmter Unternehmensteile; Verzicht; einseitig bindende ErklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.101.042.11890.2019Zuletzt aktualisiert am
25.02.2020