TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/21 LVwG-1-19/2020-R15

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.02.2020

Norm

ZustG §7
ZustG §13 Abs4

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Reinhold Köpfle über die Beschwerde des K M, D, vertreten durch die S Rechtsanwalt GmbH, B,

I.  gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 28.11.2019, mit welchem der Antrag vom 27.11.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 07.10.2019 betreffend eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), den Beschluss gefasst:

Gemäß § 50 iVm §§ 31 und 7 Abs 4 VwGVG wird die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis und gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

Zur Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

1.   Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs 1 Z 1 iVm Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) abgewiesen.

2.   Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, die fälschlich geäußerte Behauptung des Postboten, wonach die Kanzleiangestellte in der Kanzlei des Beschwerdevertreters das Straferkenntnis in Form eines RSa-Briefes nicht entgegennehmen dürfe und die anschließende persönliche Empfangnahme durch den Vertreter des Beschwerdeführers bei der Postdienststelle B stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Zumal diese falsche Behauptung des Postboten dazu geführt habe, dass die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels falsch berechnet worden sei. Gemäß § 13 Abs 4 Zustellgesetz dürfe, wenn der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person sei, ein Dokument an jeden dort anwesenden Angestellten zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt habe. Daher hätte der Postbote am besagten Tag die Strafverfügung an die Kanzleiangestellte aushändigen müssen und somit sei die Hinterlegung unzulässig gewesen und stelle einen Zustellmangel gemäß § 7 Zustellgesetz dar. Ein solcher Zustellmangel heile, wenn der auf der Zustellverfügung angeführte Empfänger das Schriftstück tatsächlich erhalte. Dies sei mit der persönlichen in Empfangnahme durch den Vertreter des Beschwerdeführers am 17.10.2019 geschehen. Aus diesem Grund habe die Rechtsmittelfrist mit diesem Datum zu laufen begonnen und am 14.11.2019 geendet. Daher sei die Information, die im Zuge eines Telefonates mit der BH B am 13.11.2019 mitgeteilt worden sei, wonach die Frist bereits abgelaufen sei, falsch. Diese ganzen Umstände würden zweifelsohne ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis darstellen, durch das verhindert worden sei, dass die Rechtsmittelfrist durch die Kanzleiangestellte richtig berechnet werden habe können. Weiters sei anzumerken, dass aufgrund der obig angeführten Gründe kein Verschulden der Kanzleiangestellten vorliege, weil das Verhalten des Postboten ausschlaggebend für den Fehler gewesen sei. Sollte dennoch ein Verschulden der Kanzleiangestellten angenommen werden, sei festzuhalten, dass es sich bei dieser um eine geeignete, verlässliche und ordentliche Angestellte handle, der ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen sei. Sie arbeite stets sehr gewissenhaft. Bei dieser Angestellten handle es sich um eine äußert gewissenhafte Mitarbeiterin, welche über eine AHS-Matura sowie Berufserfahrung verfüge. Ein derartiger Fehler sei dieser Mitarbeiterin bis dato nicht unterlaufen.

3.   Folgender Sachverhalt steht fest:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft D vom 07.10.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 4 Abs 5 StVO bestraft.

Am 09.10.2019 wollte ein Postbote der Post AG das Straferkenntnis dem Vertreter des Beschwerdeführers an dessen Sitz, A-W-Gasse, B, in Form eines RSa-Briefes zustellen. Der Postbote war der Ansicht, dass die anwesende Kanzleiangestellte diesen nicht entgegennehmen dürfe, weil der RSa-Brief persönlich von Rechtsanwalt Mag. S entgegenzunehmen sei. Der Postbote verweigerte die Zustellung an die Kanzleiangestellte und hinterlegte das RSa-Schriftstück bei der Postdienststelle B. Am 17.10.2019 nahm Rechtsanwalt Mag. S den RSa-Brief persönlich bei der Postdienstelle B in Empfang. In der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers wurde dieser Brief am 17.10.2019 mit einem Eingangsstempel versehen. Die Frist zur Einbringung der Beschwerde wurde ab diesem Datum berechnet und mit 14.11.2019 kalendiert. Im Zuge eines Telefonates mit der Bezirkshauptmannschaft am 13.11.2019 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass die Frist für die Einbringung der Beschwerde bereits abgelaufen sei.

Mit Eingabe vom 27.11.2019 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Bezirkshauptmannschaft D eingebracht. Im selben Schriftsatz wurde auch Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 07.10.2019 erhoben.

4.   Dieser Sachverhalt wird auf Grund der Aktenlage und der Angaben des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag sowie in der Beschwerde als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ist unstrittig.

5.1. Nach § 13 Abs 4 Zustellgesetz (ZustG) ist, wenn der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ist, das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden; durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Angestellte nicht oder nur an bestimmte Angestellte zugestellt werden, wenn der Parteienvertreter dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

Die in § 13 Abs 4 ZustG genannten „Angestellten des Parteienvertreters“ sind keine Ersatzempfänger. An sie dürfen daher auch solche Sendungen zugestellt werden, bezüglich deren eigenhändige Zustellung angeordnet ist (VwGH 21.10.1986, 86/07/0135).

Wie in der Beschwerde und zuvor schon im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht wurde, hat der Postbote die Zustellung des Straferkenntnisses in Form eines RSa-Briefes an die anwesende Kanzleiangestellte verweigert. Nach § 13 Abs 4 ZustG und der zuvor angeführten Rechtsprechung verweigerte der Postbote die Zustellung an die Kanzleiangestellte zu Unrecht. Der Postbote hätte die Strafverfügung der anwesenden Kanzleiangestellten aushändigen müssen. Die vom Postboten an Stelle der Zustellung vorgenommene Hinterlegung des Straferkenntnisses war somit unzulässig und stellt einen Zustellmangel gemäß § 7 ZustG.

Gemäß § 7 ZustG gilt die Zustellung, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Der Vertreter des Beschwerdeführers hat den RSa-Brief am 17.10.2019 persönlich bei der Postdienststelle in B abgeholt, wodurch der zuvor angeführte Zustellmangel geheilt wurde.

Die Zustellung des Straferkenntnisses ist somit am 17.10.2019 erfolgt.

5.2. Gemäß § 71 Abs 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, welche durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die First einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Zu den Ereignissen iSd § 71 Abs 1 Z 1 AVG, die zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen können, zählt die Rsp des VwGH auch „innere (psychologische) Vorgänge“, wie zB – Vergessen, Versehen (vgl VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020), auch das Versehen der Kanzleiangestellten eines Vertreters, insb Rechtsanwalts (VwSlg 9024 A/1976 verst Sen).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht (von dieser Partei) nicht erwartet werden konnte (vgl VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214). Ob ein Ereignis als „unvorhergesehen“ einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem „objektiven Durchschnittsablauf“ (VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).

Wie im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie in der Beschwerde vorgebracht wurde, hat die Kanzleiangestellte den Posteingang am 17.10.2019 mit einem Eingangsstempel dokumentiert und die vierwöchige Rechtsmittelfrist, ausgehend von diesem Datum, berechnet und mit 14.11.2019 kalendiert. Nachdem die Zustellung des Straferkenntnisses am 17.10.2019 erfolgte, hat die Kanzleiangestellte die Beschwerdefrist richtiger Weise mit 14.11.2019 kalendiert. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist ihr bei der Berechnung der Beschwerdefrist kein Fehler unterlaufen. Es liegt daher kein Versehen der Kanzleiangestellten vor. Dass die Kanzleiangestellte die Beschwerdefrist richtig berechnet und kalendiert hat, stellt kein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dar.

5.3. Zum Beschwerdevorbringen, wonach im Zuge eines Telefonates mit der Bezirkshauptmannschaft am 13.11.2019 mitgeteilt worden sei, dass die Frist für die Einbringung der Beschwerde bereits abgelaufen sei, ist Folgendes auszuführen:

Der Umstand, dass im gegenständlichen Fall zunächst ein Zustellmangel vorlag, der in der Folge jedoch am 17.10.2019 durch persönliche Übernahme des Schriftstücks durch den Vertreter des Beschwerdeführers geheilt wurde, war zwar dem Vertreter des Beschwerdeführers bekannt, nicht jedoch der Behörde. Die Behörde konnte lediglich anhand des Rückscheines im Verwaltungsstrafakt, auf welchem die Hinterlegung des Straferkenntnisses sowie der Beginn der Abholfrist mit 11.10.2019 angeführt ist, eine Auskunft über die sich daraus ergebende Rechtsmittelfrist erteilen. Auf Grundlage der der Behörde zur Verfügung stehenden Informationen war die erteilte Auskunft, dass die Rechtsmittelfrist am 13.11.2019 bereits abgelaufen war, richtig. Dem Vertreter des Beschwerdeführers musste jedoch klar sein, dass sich diese Auskunft nur auf die der Behörde bekannten Tatsachen beziehen konnte, weil nur ihm – nicht jedoch der Behörde – bekannt war, dass die Zustellung nicht bereits am 11.10.2019, sondern erst am 17.10.2019 bewirkt wurde. Somit stellt auch die von der Behörde erteilte Auskunft kein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis dar.

Der Vertreter des Beschwerdeführers hätte die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist, somit spätestens am 14.11.2019, einbringen können. In der Beschwerde hätte er den Zustellmangel und dessen Heilung am 17.10.2019 darlegen und so die Rechtzeitigkeit der Beschwerde der Behörde gegenüber nachweisen können. Er war nicht durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis daran gehindert, die Beschwerde rechtzeitig einzubringen.

Der Beschwerde über die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher keine Folge zu geben.

Zur Zurückweisung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis:

6.   Nach § 7 Abs 4 VwGVG ist die Beschwerde binnen vier Wochen einzubringen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Bescheidverkündung ab dieser. Einen entsprechenden Hinweis enthält auch die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Straferkenntnisses.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des § 4 Abs 5 StVO bestraft. Das Straferkenntnis wurde nach einem Zustellversuch hinterlegt und ab dem 11.10.2019 zur Abholung bereitgehalten. Wie oben unter Punkt 5.1. dargelegt, war die Hinterlegung jedoch unrechtmäßig und hat daher keine Zustellwirkungen entfaltet.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Der Vertreter des Beschwerdeführers hat die Strafverfügung am 17.10.2019 persönlich in Empfang genommen, wodurch sie ihm an diesem Tag tatsächlich zugekommen ist. Die Rechtsmittelfrist hat daher am 17.10.2019 begonnen und ist am 14.11.2019 abgelaufen. Die Beschwerde wurde jedoch erst am 27.11.2019 eingebracht.

Die Beschwerde muss daher ohne Eingehen auf die Beschwerdeausführungen als verspätet zurückgewiesen werden.

7.   Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich, da eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs 4 VwGVG nicht erwarten hätte lassen. Der EGMR hat im Übrigen in Hinblick auf Art 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn – wie hier – keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann.

8.   Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde. Im vorliegenden Fall durfte eine Geldstrafe von bis zu 726 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Auch wurde im Straferkenntnis nur eine Geldstrafe von 150 Euro ausgesprochen. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist daher nicht zulässig.

Schlagworte

Zustellrecht, Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.1.19.2020.R15

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten