TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/10 LVwG-2017/36/2441-1

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Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §53d

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir über die Beschwerde des AA, geb **.**.****, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.09.2017, Zl ***, mit dem der Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges abgewiesen wurde,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.05.2016, Zl ***, wurde aufgrund einer Verwaltungsübertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gegenüber AA (in der Folge: Beschwerdeführer) eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,- verhängt sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden festgelegt.

Wie im Schreiben der Bezirkshauptmannschaft X vom 02.08.2017 ua auch ausgeführt, verlief eine durchgeführte Fahrnis- und Forderungsexekution erfolglos.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2017, Zl ***, erfolgte an den nunmehrigen Beschwerdeführer die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe.

Mit Eingabe vom 16.08.2017 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer mit näherer Begründung den Strafvollzug zum Zwecke der Erbringung von gemeinnütziger Leistung aufzuschieben, in eventu den Strafvollzug zum Zwecke des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes aufzuschieben, in evetu den Strafvollzug wegen der akuten Gefährdung der Erwerbsmöglichkeiten für 12 Monate aufzuschieben.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.09.2017, Zl ***, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16.08.2017 auf Aufschub des Strafvollzuges abgewiesen. Die Entscheidung begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich aus der klaren Diktion des § 53 Abs 1 VStG ergibt, dass die sinngemäße Anwendung des Strafvollzugsgesetzes auf den Vollzug von Verwaltungsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten, nicht jedoch auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in Hafträumen von Behörden, in diesem Fall der Landespolizeidirektion Innsbruck, bezieht. Auch wenn es aktuell entsprechende rechtspolitische Überlegungen gibt, ist nach geltender Rechtslage somit die Tilgung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistung oder elektronisch überwachten Hausarrest nicht möglich. Somit verbleibt die Frage, ob durch den sofortigen Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe die Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde. Diesbezüglich führt der Bestrafte lediglich aus „dass die antragstellende Partei beim Vollzug in ihrer Erwerbsmöglichkeit gefährdet ist ergibt sich daraus, dass sie ihre Position als GF (wohl Geschäftsführer gemeint) verlieren würde, sofern man sie inhaftierte". Warum der Beschwerdeführer seine Position als Geschäftsführer bei Verbüßen der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 33 Stunden verlieren würde, und dies bei – im zeitlich nicht näher definierten – weiterem Aufschub nicht der Fall wäre, wird nicht näher ausgeführt. Mangels Konkretisierung ist nicht von der Gefährdung der Erwerbsmöglichkeit auszugehen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde vom 11.10.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub des Strafvollzugs stattzugeben gewesen sei. Das VStG sehe vor, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) über den Vollzug von Freiheitsstrafen sinngemäß anzuwenden seien. Es sei daher im Verwaltungsstrafverfahren auch die Erbringung von gemeinnütziger Leistung statt Haft oder aber auch der elektronisch überwachte Hausarrest zulässig. Dies sei zwar nicht explizit im VStG geregelt, ergebe sich jedoch bei korrekter Interpretation sowie auch aus dem Willen des Gesetzgebers. Sollte das LVwG auf dem Standpunkt verweilen, dass es im hier anzuwendenden VStG keine Regelungen zur gemeinnützigen Leistung bzw zum elektronisch überwachten Hausarrest gibt, so sei dem zu entgegnen, das die Verweigerung der Möglichkeit im Verwaltungsstrafverfahren statt der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistung zu erbringen und/oder statt der Ersatzfreiheitsstrafe den elektronisch überwachten Hausarrest zu wählen einen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darstellen würde. Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten sei davon auszugehen, dass § 53d VStG nur insoweit besondere Bestimmungen zu §§ 3 und 3a StVG enthalte, als hier unter anderem auch aber nicht nur bzw ausschließlich, der Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten geregelt sei. Die Annahme einer gänzlichen Verdrängung der §§ 3 und 3a StVG einschließlich der hier maßgeblichen Regelungen über die Möglichkeit der Abwendung der Strafverbüßung durch § 53d VStG rein aufgrund der Frage, ob nun die Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus/Strafvollzugsanstalt oder im Haftraum der Behörde vollzogen wird, würde nämlich zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch zwischen dem Vollzug von Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren einerseits und im gerichtlichen Strafverfahren andererseits führen. Die antragstellende Partei verkenne nicht, dass zwischen gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Strafverfahren wesentliche Unterschiede bestehen, die - etwa aus Gründen der Verwaltungsökonomie - grundsätzlich verschiedenartige Regelungen einer Frage (auch auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich zu rechtfertigen vermögen. Es sei jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, das VStG insbesondere § 53d so zu verstehen, dass diejenigen, deren Strafe zufälligerweise in einem Gefangenenhaus vollzogen wird (Anm: viele Behörden in Österreich besitzen keinen eigenen Haftraum), in den Genuss der Möglichkeit der Erbringung von zB gemeinnütziger Leistung kommen können und andere, deren Strafe wieder zufallsabhängig im Haftraum vollzogen wird, dieses Privileg nicht genießen könnten. Eine solche Auslegung würde eine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare unsachliche Schlechterstellung eines im verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Strafverfahren Verurteilten bedeuten. Ja mehr noch käme es rein aufgrund der örtlichen Situation (Gefangenenhaus oder Haftraum) innerhalb des VStG zu einer unzumutbaren Ungleichbehandlung. Denn der Gesetzgeber stufe in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallende Vergehen von vornherein - schon wegen der vergleichsweise geringeren Höhe des Strafbetrages - als weniger schwerwiegend ein als gerichtliche Delikte und sehe für erstere deshalb eine geringere Strafdrohung vor. Schließlich spreche die Bedachtnahme auf die Intention des Gesetzgebers, mit der Schaffung des § 3a StVG der Sozialschädlichkeit von kurzen Freiheitsstrafen begegnen zu können, ebenfalls für die dargelegte - gleichheitskonforme - Auslegung. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die antragstellende Partei ein Recht darauf habe, die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistung zu tilgen. Gleiches gelte sinngemäß für den Hausarrest (elektronisch überwacht). Dies ergebe sich aus den §§ 54a und 53d VStG unter analoger Anwendung der §§ 3a und 156b StVG.

Es wurde daher abschließend beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Strafvollzug zum Zweck der Erbringung von gemeinnütziger Leistung, in eventu zum Zweck des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests aufgeschoben wird.

II.      Beweiswürdigung:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten Strafakt der Bezirkshauptmannschaft Y.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Aktenlage fest. Die Akten lassen bereits erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden. Es konnte daher nach von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

III.    Rechtslage:

Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:

Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, idF :

Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten

§ 53d

(1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der §§ 31 Abs. 2, 32, 45 Abs. 1, 54 Abs. 3, 115, 127, 128, 132 Abs. 4 und 149 Abs. 1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlaß und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht. Die Entscheidungen des Vollzugsgerichtes stehen dem Einzelrichter zu.

(2) Soweit Häftlinge eine Arbeitsvergütung zu erhalten haben, ist ihnen diese nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages (§ 32 Abs. 2 erster Fall und Abs. 3 StVG) zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben.

(3) Wird eine Freiheitsstrafe nach § 53 Abs. 2 in einer Strafvollzugsanstalt vollzogen, so bleiben die im Strafvollzug gewährten Vergünstigungen und Lockerungen auch für den Vollzug der durch eine Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe aufrecht.

Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges

§ 54a

(1) Auf Antrag des Bestraften kann aus wichtigem Grund der Strafvollzug aufgeschoben werden, insbesondere wenn

1.

durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe die Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde oder

2.

dringende Angelegenheiten, die Angehörige (§ 36a AVG) betreffen, zu ordnen sind.

(…)

Vollstreckung von Geldstrafen

§ 54b

(…)

(2) Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

(…)“

IV.      Erwägungen:

1.       Grundsätzlich ist zunächst auszuführen, dass mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 10.05.2016, Zl ***, aufgrund einer Verwaltungsübertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gegenüber AA eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,- verhängt sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden im Falle der Uneinbringlichkeit festgelegt wurde.

Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist nach
§ 54b Abs 2 VStG die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen.

Im Schreiben der Bezirkshauptmannschaft X vom 02.08.2017 wird ua auch ausgeführt, dass eine durchgeführte Fahrnis- und Forderungsexekution erfolglos verlief.

Im Weiteren wurde der nunmehrige Beschwerdeführer dann mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 08.08.2017, Zl ***, zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert.

Wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt, kann während der Dauer der Vollstreckung eine Verjährung nicht mehr eintreten (vgl VwGH 15.01.1983, 81/05/0046; VwGH 10.09.1986, 84/03/0043; ua).

2.       Soweit der Beschwerdeführer zusammengefasst vorbringt, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) über den Vollzug von Freiheitsstrafen sinngemäß anzuwenden seien und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren die Erbringung von gemeinnütziger Leistung statt Haft oder der elektronisch überwachte Hausarrest bei korrekter Interpretation und nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig sei, ist dem Folgendes entgegen zu halten:

Gemäß § 3 Abs 1 Strafvollzugsgesetz (StVG) hat der Vollzug einer Ersatzfreiheitsstrafe zu unterbleiben, soweit der Verurteilte die ausständige Geldstrafe erlegt, durch eine öffentliche Urkunde nachweist, dass sie gezahlt ist, oder gemeinnützige Leistungen (§ 3a) erbringt.

Nach § 156b Abs 1 Strafvollzugsgesetz (StVG) bedeutet der Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests, dass der Strafgefangene sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, einer geeigneten Beschäftigung (insbesondere einer Erwerbstätigkeit, einer Ausbildung, der Kinderbetreuung, gemeinnütziger Arbeit oder einer vergleichbaren der Wiedereingliederung dienenden Tätigkeit) nachzugehen und sich angemessenen Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt (Abs 2) zu unterwerfen hat. Dem Strafgefangenen ist es untersagt, die Unterkunft außer zur Ausübung seiner Beschäftigung, zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs, zur Inanspruchnahme notwendiger medizinischer Hilfe oder aus sonstigen in den Bedingungen genannten Gründen zu verlassen. Er ist durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht zu überwachen und soweit zu betreuen, als dies zur Erreichung des erzieherischen Strafzwecks erforderlich ist.

Nach § 156c Abs 1 Z 1 StVG ist der Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests auf Antrag des Strafgefangenen oder auf Grund eines schon vor Strafantritt zulässigen Antrags des Verurteilten zu bewilligen, wenn die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs 2 voraussichtlich nicht übersteigen wird.

Nach § 156d Abs 1 StVG stehen die Entscheidungen über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest und den Widerruf dem Leiter der Justizanstalt zu, in der die Freiheitsstrafe im Zeitpunkt der Antragstellung vollzogen wird oder in der sie zu vollziehen wäre, wenn die Unterkunft des Strafgefangenen oder Verurteilten im Sprengel desjenigen Landesgerichtes gelegen ist, in dem auch die Justizanstalt liegt, und diese über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügt (§ 156b Abs 2). Wird der Strafgefangene in einer anderen Anstalt angehalten, kommt die Entscheidung über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest der Vollzugsdirektion zu, die im Falle der Genehmigung des Antrages zugleich die erforderliche Strafvollzugsortsänderung zu verfügen hat. § 135 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz und zweiter Satz sowie Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden.

Nach § 53d VStG 1991 sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der
§§ 31 Abs 2, 32, 45 Abs 1, 54 Abs 3, 115, 127, 128, 132 Abs 4 und 149 Abs 1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlass und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht. Die Entscheidungen des Vollzugsgerichtes stehen dem Einzelrichter zu.

3.       Bei der Interpretation von gesetzlichen Bestimmungen ist auch im öffentlichen Recht nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im AGBG für den Bereich der Privatrechtsordnungen normiert sind.

§ 6 ABGB verweist zunächst auf die Bedeutung des Wortlautes in seinem Zusammenhang. Nach dieser Bestimmung darf einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet.

Dabei ist grundsätzlich zu fragen, welche Bedeutung einem Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers zukommt. Dafür müssen die objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses statt des subjektiven Verständnishorizonts der einzelnen Beteiligen im Vordergrund stehen (vgl Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 ABGB - Stand 1.7.2015, rdb.at – mwN).

Wie auch der VwGH in ständiger Judikatur ausführt, ist bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen in erster Linie von der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung auszugehen. Wenn sich aus der Wortinterpretation keine Anhaltspunkte ergeben, also der Wortlaut des Gesetzes unklar bleibt, kann zur Auslegung der gesetzlichen Bestimmung auf die Materialien zurückgegriffen werden (vgl VwGH 23.02. 2001, 98/06/0240; VwGH 21.09.2005, 2003/16/0142; ua).

4.       Mit der Frage, ob die Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen
iSd § 3a StVG auch im Rahmen des Verwaltungsstrafrechts offen steht oder nicht haben sich die Höchstgerichte bereits mehrfach auseinandergesetzt.

Im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich daraus zusammengefasst, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich freisteht, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind. Daher widersprechen unterschiedliche Sanktionensysteme in verschiedenen Verfahrensbereichen - mögen diese auch miteinander eine gewisse Verwandtschaft aufweisen - für sich allein in der Regel noch nicht dem Gleichheitsgrundsatz.

Da zwischen dem gerichtlichen Strafverfahren einerseits sowie dem Verwaltungsstrafrecht bzw dem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafrecht andererseits von vornherein wesentliche Unterschiede bestehen, sind - nicht zuletzt angesichts der notorisch hohen Zahl von allgemeinen Verwaltungsstrafverfahren auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie - differenzierende Regelungen zB auch auf dem Gebiet des Strafvollzuges sachlich gerechtfertigt.

Es liegt somit im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die im StVG eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten.

Von diesem Spielraum hat der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG (Erbringung gemeinnütziger Leistungen) im Verwaltungsstrafverfahren ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt hat. Es haben sich dagegen auch für den VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken ergeben (vgl VfGH 12.12.2013, B 628/2013-14; VwGH 19.03.2014, Zl 2014/09/0009; VwGH 24.04.2014,
Ro 2014/02/0022; VwGH 12.09.2017, Ra 2016/02/0232; ua).

Zusammengefasst ergibt sich sohin, dass vom Verfassungsgerichtshof gegen die den Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe regelnden Bestimmungen des VStG, die einen Strafaufschub zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht vorsehen, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen und sah sich auch der VwGH nicht veranlasst, die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG durch die analoge Anwendung im Verwaltungsstrafrecht zur Geltung zu bringen.

5.       Selbiges ergibt sich auch hinsichtlich des elektronisch überwachten Hausarrests.

Für den Verfassungsgerichtshof ergaben sich - ebenfalls vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers - auch hinsichtlich der Nichtanwendung der Bestimmungen der §§ 156b ff StVG über den elektronisch überwachten Hausarrest in Verfahren nach dem VStG keine verfassungsgerichtlichen Bedenken (vgl VfGH 23.02.2017, E 2842/2016-14).

Wie der VwGH in seiner Entscheidung vom 12.09.2017, Ra 2016/02/0232-8, ausführte, bleibt weiters auch für eine analoge Anwendung der Bestimmungen über den Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest im Verwaltungsstrafrecht kein Raum, da auch diesbezüglich keine echte (planwidrige) Rechtslücke gegeben ist.

Zusammengefasst ergibt sohin im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass der gegenständlichen Beschwerde keine Berechtigung zukommen konnte und die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bestehen.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Dazu ist insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen.

Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war sohin wie im Spruch zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Gstir

(Richterin)

Schlagworte

Fußfessel; gemeinnützige Leistungen; keine Anwendung der Bestimmungen im Verwaltungsstrafrecht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2017.36.2441.1

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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