Entscheidungsdatum
30.01.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §4 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag. Walter Oberascher über die Beschwerde des AB AA, AD 5/5, 5020 Salzburg, vertreten durch Rechtsanwalt AE, AH, AF AG, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg (belangte Behörde) vom 14.05.2019, Zahl xxx, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
z u R e c h t e r k a n n t :
I. Gemäß §§ 38 und 50 VwGVG wird
- der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, dieser Spruchpunkt behoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
- die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen und der Spruch des Straferkenntnisses mit der Maßgabe bestätigt, dass nach den Worten "Betroffenes Fahrzeug" der Klammerausdruck "(beschädigtes Fahrzeug)" und nach den Worten "Sie sind" die Wortfolge "als Lenker des Personenkraftwagens mit dem Kennzeichen yy (A)" eingefügt werden.
II. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses in Höhe von € 50 zu leisten. Für das Beschwerdeverfahren zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses fallen gemäß § 52 Abs 8 VwGVG für den Beschwerdeführer keine Kosten an.
III. Gemäß § 52 Abs 3 VwGVG iVm § 76 AVG hat der Beschuldigte die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwachsenen Barauslagen (Gebühren für den allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Dipl.-Ing. AU AT für die Erstellung des vom Beschwerdeführer beantragten Gutachtens und die Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 08.01.2020) in Höhe von € 744 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen (Kontodaten siehe Seite 5 unter Hinweise).
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG
- in Bezug auf Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig;
- in Bezug auf Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Salzburg wurden dem Beschuldigten zwei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO zur Last gelegt, weil er am 10.01.2019 um 11:35 Uhr in 5020 Salzburg, Steingasse 47 (unbenannte Gasse zwischen Imbergstraße und Steingasse) als Lenker des Personenkraftwagens mit dem Kennzeichen yy (A) mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten hat (Spruchpunkt 1) sowie nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt hat, obwohl er und die Person(en), in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben (Spruchpunkt 2.). Dadurch habe er die Rechtsvorschriften gemäß § 4 Abs 1 lit a und Abs 5 StVO verletzt und wurden wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn gemäß § 99 Abs 2 lit a bzw § 99 Abs 3 lit b leg cit Geldstrafen in Höhe von € 300 und € 250 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 16 Stunden bzw 4 Tage 19 Stunden) verhängt.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde bestritt der Beschuldigte, dass es zu einer Berührung des von ihm gelenkten Fahrzeuges mit dem geparkten Fahrzeug und somit zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen sei.
Gemäß § 4 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,
b) wenn als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,
c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Nach Abs 5 dieser Bestimmung haben die im Abs 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Die Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (vgl zB VwGH vom 15.11.2000, 2000/03/0264).
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist es ohne Zweifel als erwiesen anzusehen, dass es im Zuge des Hängenbleibens und des Rutschens des vom Beschuldigten gelenkten PKW auf der winterlichen Fahrbahn der unbenannten Gasse zwischen Imbergstraße und Steingasse, die eine Steigung aufweist, zu einer Kollision mit dem abgestellten PKW mit dem Kennzeichen zz (A) gekommen und dabei ein Sachschaden entstanden ist. Diese Feststellungen stützen sich insbesondere auf die Angaben des sehr glaubwürdigen Zeugen AM AL, auf die der Anzeige der Polizeiinspektion Rathaus beiliegenden Lichtbilder und auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. AU AT, der schlüssig und nachvollziehbar darlegte, dass der Sachschaden am geparkten PKW mit dem gegenständlichen Ereignis in Einklang zu bringen ist.
Mit seinem Vorbringen, er habe vom Verkehrsunfall nichts bemerkt, kann der Beschuldigte nichts für seine Position gewinnen, zumal nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung der im § 4 Abs 1, 2 und 5 StVO genannten Pflichten nicht nur das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt – weil der Anwendungsbereich des § 4 in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätten erkennen können (vgl zB VwGH vom 11.09.1979, 1153/79). Der Tatbestand ist auch dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines (mit seinem vorangehenden Verhalten ursächlichen) Verkehrsunfalls mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl zB VwGH vom 27.02.1979, 1677/78; 16.12.1976, 1418/75; 22.03.2000, 99/03/0469). Demnach hat der Lenker eines Fahrzeuges den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Wenn besondere Umstände wie etwa beengte Verhältnisse vorliegen oder ein riskantes Fahrmanöver ausgeführt wird, hat der Fahrzeuglenker eine erhöhte Aufmerksamkeit walten zu lassen (vgl VwGH vom 17.01.1985, 85/02/0034; 19.01.1990, 89/18/0199; 22.05.1991, 90/03/0099). Im gegenständlichen Fall lagen manifeste objektive Umstände für einen Verkehrsunfall mit Sachschaden vor und hätte der Beschuldigte schon aufgrund des besonderen Fahrmanövers wie dem gegenständlichen, bei dem es nach den eigenen Angaben des Beschuldigten sehr knapp herging, davon ausgehen müssen. An Verschulden war dem Beschuldigten daher jedenfalls sehr grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen.
Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob auch das vom Beschuldigten gelenkte Fahrzeug durch die Kollision beschädigt worden ist oder nicht oder ob der entstandene Schaden am verschmutzten Fahrzeug mit freiem Auge erkennbar gewesen ist.
Unbestritten hat der Beschuldigte die nächste Polizeidienststelle nicht vom Verkehrsunfall verständigt, die Bestrafung durch die belangte Behörde erfolgte somit zu Recht und war die Beschwerde gegen den Schuldspruch 2. des Straferkenntnisses daher keine Folge zu geben und der Spruch mit den zulässigen Korrekturen bzw Ergänzungen zu bestätigen.
Hingegen konnte aufgrund des Beweisergebnisses nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen angesehen werden, dass der Beschuldigte nicht angehalten hat. Der Zeuge AL gab diesbezüglich an, dass er nicht gesehen habe, ob der Lenker nach dem beobachteten Vorfall aus dem Fahrzeug ausgestiegen ist oder nicht. Aufgrund der Angaben des Beschuldigten und des Zeugen AZ kann dieser Tatvorwurf daher nicht mit Sicherheit als erweisen angesehen werden, weshalb der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Strafbescheides Folge zu geben und das diesbezüglich Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass § 99 Abs 3 lit b StVO für eine Übertretung der Bestimmung des § 4 Abs 5 StVO eine Geldstrafe bis zu € 726 bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen vorsieht. Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe liegt somit im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens.
Der Zweck der Bestimmung des § 4 StVO ist es nicht, an Ort und Stelle festzustellen,
ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben des am Unfall Beteiligten stimmen oder überhaupt das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinander zu setzen haben wird (vgl zB VwGH vom 19.12.1975, 2085/74; 25.01.2002, 2001/02/0240). Diesem Zweck der gesetzlichen Bestimmung hat die Beschuldigte gravierend zuwidergehandelt, der Unrechtsgehalt der zu beurteilenden Tat ist daher erheblich.
Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit liegt nicht vor, sonstige strafmildernde Umstände oder besondere Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen machte der Beschuldigte keine Angaben, es war daher von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen.
Unter Berücksichtigung der angeführten Kriterien entspricht die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe den Strafbemessungskriterien des § 19 VStG. Sie erscheint aus spezialpräventiven Gründen jedenfalls erforderlich, um dem Beschuldigten das Unrecht der Tat vor Augen zu führen und ihn in Zukunft von ähnlichen Übertretungen abzuhalten. Die Strafhöhe ist auch aus generalpräventiven Gründen notwendig, um künftig derartige Verwaltungsübertretungen wirksam zurückzudrängen.
Die Vorschreibung der Kosten und des Ersatzes der Barauslagen erfolgte aufgrund der zitierten Bestimmung. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG war als Beitrag des Bestraften zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses ein Betrag in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe auszusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Verkehrsrecht, StVO; Verkehrsunfall, Sachschaden, FahrerfluchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2020:405.4.2700.1.21.2020Zuletzt aktualisiert am
02.03.2020