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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art11 Abs1 Z7Leitsatz
Zurückweisung des Antrags auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Land Oberösterreich und dem Bund betreffend Zuständigkeit zur Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach dem UVP-G; kein Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes infolge rechtmäßiger Inanspruchnahme der Kompetenz durch die Oberösterreichische Landesregierung und den Umweltsenat als BerufungsbehördeSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die A.S.A. AG stellte am 20. Dezember 1993 gemäß §29 Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. 325/1990, idgF, (AWG), den Antrag an den Landeshauptmann von Oberösterreich als Abfallwirtschaftsbehörde auf Genehmigung zur Errichtung einer Anlage zur Verbrennung gefährlicher Abfälle mit Standort Neukirchen an der Enknach. Am 12. Oktober 1994 wurde ein "technisches Detailprojekt" vorgelegt, das die bisherigen Antragsunterlagen ergänzen sollte. Der darauf folgende Schriftverkehr zwischen der antragstellenden Gesellschaft und der Behörde bezog sich im wesentlichen auf die Frage, ob durch die ergänzenden Antragsunterlagen eine wesentliche Änderung des Projektsinhaltes vorliegt.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1995, UR-303704/219-1995, stellte die Oberösterreichische Landesregierung gemäß §3 Abs6 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, BGBl. 697/1993, (UVP-G), fest, daß von einem Antragszeitpunkt nach dem 31. Dezember 1994 auszugehen ist und für diese Anlage eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G durchzuführen ist.
Der Umweltsenat hat in der Folge mit Bescheid vom 13. November 1995, US-01/1995/2, als im Instanzenzug übergeordnete Behörde der Berufung der A.S.A. AG gegen den Feststellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung unter Annahme eines vor dem 31. Dezember 1994 liegenden Antragszeitpunktes Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos behoben.
2. In ihrer Sitzung vom 8. Jänner 1996 beschloß die Oberösterreichische Landesregierung an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, er "möge gemäß §51 V(er)fGG entscheiden, die o.ö. Landesregierung sei zuständig, ein Feststellungsverfahren gemäß §3 Abs6. UVP-G betreffend das mit Antrag der .A.S.A. AG. vom 31.03.1995 eingebrachte Vorhaben durchzuführen und den dieser Entscheidung entgegenstehenden Bescheid des Umweltsenates vom 13.11.1995, GZ. US 01/1995/2, aufheben". Begründend führt sie aus, daß es "(b)ei dem
gegenständlichen Sachverhalt ... geradezu auf der Hand (liege),
daß eine Behörde des Landes ... und eine Behörde des Bundes
(nämlich der Umweltsenat) ihr Entscheidungsrecht in der selben Verwaltungsangelegenheit beansprucht haben". Die Wirkung des Bescheides des Umweltsenates, mit dem der Feststellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 1995 wegen Nichtanwendbarkeit des UVP-G behoben wurde, sei dieselbe, als wäre ausgesprochen worden, für das Vorhaben sei grundsätzlich keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Es sei der Oberösterreichischen Landesregierung nämlich auf Grund der Wirkung des angesprochenen Bescheides nicht möglich, ein von Gesetzes wegen erforderliches Verfahren nach dem UVP-G durchzuführen.
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liege darin, daß der Umweltsenat als Berufungsbehörde entgegen dem durchgängigen System des Verwaltungsverfahrens in Österreich funktionell nicht derselben Gebietskörperschaft zuzuordnen ist wie die erstinstanzliche Behörde. Während nämlich die Landesregierung sowohl organisatorisch als auch funktionell zweifellos als Landesbehörde zu qualifizieren sei, stelle sich der Umweltsenat gemäß der Konzeption des Art11 Abs7 B-VG nicht nur in organisatorischer, sondern auch in funktioneller Hinsicht als Organ des Bundes dar. Auf Grund dieser Besonderheit greife jede rechtswidrige Entscheidung des Umweltsenates als Berufungsbehörde in die Zuständigkeit des Landes als Träger der Vollzugskompetenz im Bereich des Art11 Abs1 Z7 B-VG ein.
Es sei Wesensbestandteil der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, daß Bund und Länder Eingriffe in ihre Zuständigkeiten - welcher Art diese auch immer sein mögen - vor dem Verfassungsgerichtshof bringen können. Zwar treffe die Bundesverfassung im Bereich der Angelegenheit des Art11 Abs1 Z7 B-VG einige sehr spezielle Regelungen, doch müsse eine verfassungs-, insbesondere eine bundesstaatskonforme Interpretation "geradezu zwangsläufig zu einer Anwendbarkeit des Art138 B-VG in einer solchen Konstellation wie der gegenständlichen" führen.
Zur Rechtzeitigkeit ihres Antrages verweist die Oberösterreichische Landesregierung auf VfSlg. 3368/1958, wonach als Zeitpunkt der amtlichen Kenntnisnahme der Zeitpunkt anzusehen sei, zu dem ihr der Antrag des Amtes vorgelegt wurde, in der betreffenden Sache den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Dieser Zeitpunkt sei der 8. Jänner 1996 gewesen, sodaß die vier-Wochen-Frist des §47 Abs2 VerfGG nicht abgelaufen sei.
3. Die Bundesregierung und der Umweltsenat haben im wesentlichen identische Äußerungen erstattet, in denen sie die Zurückweisung des Antrags begehren.
Darin vertreten sie die Ansicht, daß der Antrag verspätet sei. Der Bescheid des Umweltsenates sei dem Amt der Landesregierung am 16. November 1995 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Oberösterreichische Landesregierung auch "amtliche Kenntnis" erlangt. Bei der von der Oberösterreichischen Landesregierung durchgeführten Interpretation stünde es im Belieben der Landesregierung, die ihr gesetzte Frist von vier Wochen durch Bestimmung des Termines der entsprechenden Regierungssitzung grenzenlos zu verlängern. Sinn der Frist sei es aber, den Zustand der Rechtsunsicherheit möglichst rasch zu beheben.
Weiters lägen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes nicht vor, da einerseits das Entstehen eines Kompetenzkonfliktes zwischen Behörden, die sich im Instanzenzug über- bzw. untergeordnet sind, nicht möglich sei. Es sei ausgeschlossen, daß eine der beiden Behörden ihre Kompetenz zu Unrecht in Anspruch nehme.
Selbst wenn der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelangen sollte, daß ein Kompetenzkonflikt vorliege, so handle es sich um keinen Kompetenzkonflikt zwischen einem Land und dem Bund. Die Landesregierung entscheide in erster Instanz als oberstes Organ der Landesvollziehung. Bei einer funktionellen Betrachtungsweise sei davon auszugehen, daß auch der Umweltsenat als Landesbehörde tätig werde. Zwar sei der Umweltsenat organisatorisch als Bundesorgan eingerichtet, doch werde er funktionell je nach den von ihm im konkreten Fall vollzogenen Rechtsvorschriften für das Land oder den Bund tätig, im vorliegenden Fall, da die Feststellung nach §3 Abs6 UVP-G Landesvollziehung sei, funktionell als Landesorgan.
II. 1. Nach Art138 Abs1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen den Ländern untereinander sowie zwischen einem Land und dem Bund. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes liegt ein Kompetenzkonflikt nur dann vor, wenn zwei oder mehrere Behörden ihre Zuständigkeit zur Entscheidung in derselben Sache in Anspruch nehmen und eine der beteiligten Behörden ihre Kompetenz zu Unrecht in Anspruch nimmt (VfSlg. 3368/1958, 9060/1981, 9415/1982).
Gemäß Art11 Abs1 Z7 B-VG, in der Fassung der B-VG-Novelle 1993, BGBl. 508, ist der Bund zur Gesetzgebung und sind die Länder zur Vollziehung in Angelegenheiten der "Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist" zuständig. Nach Art11 Abs7 B-VG steht in den "Angelegenheiten des Abs1 Z7 ... nach Erschöpfung des Instanzenzuges im Bereich der Vollziehung jedes Landes die Entscheidung dem unabhängigen Umweltsenat zu".
§39 Abs1 UVP-G legt fest, daß das "Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, einschließlich des Feststellungsverfahrens nach §3 Abs6 ... von der Landesregierung durchzuführen" ist.
Gemäß §40 UVP-G und §5 des Bundesgesetzes über den Umweltsenat, BGBl. 698/1993, (USG), entscheidet der Umweltsenat als Berufungsbehörde in allen Angelegenheiten des zweiten Abschnittes des UVP-G, zu denen auch die Erlassung von Feststellungsbescheiden nach §3 Abs6 UVP-G zählt.
2. "Sache" im Sinne des Art138 Abs1 litc B-VG ist im vorliegenden Fall die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Frage, ob für ein bestimmtes Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G durchzuführen ist (§3 Abs6 UVP-G). Aus der dargestellten Rechtslage folgt, daß sowohl die Landesregierung zuständig war, gemäß §3 Abs6 UVP-G festzustellen, ob für das gegenständliche Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist oder nicht, als auch der Umweltsenat zuständig war, über die Berufung gegen diesen Feststellungsbescheid zu entscheiden. Die Oberösterreichische Landesregierung verkennt, daß es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist, im Kompetenzfeststellungsverfahren gemäß Art138 Abs1 litc B-VG über die Anwendung des zweiten Abschnittes des UVP-G auf das Vorhaben und den Antrag der A.S.A. zu entscheiden.
Beide Behörden haben vielmehr ihre Kompetenz zu Recht in Anspruch genommen. Das Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes nach Art138 Abs1 litc B-VG ist demnach schon begrifflich ausgeschlossen.
Der Antrag war daher schon aus diesem Grund wegen offenkundiger Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen. Das etwaige Fehlen weiterer Antragsvoraussetzungen war bei diesem Ergebnis nicht mehr zu prüfen.
3. Dieser Beschluß konnte ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden (§19 Abs3 Z2 lita VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Umweltschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung, Kompetenz Bund - Länder UmweltschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:KI1.1996Dokumentnummer
JFT_10039076_96K00I01_00