Entscheidungsdatum
13.01.2020Norm
GewO 1994 §88 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt *** vom 04. Oktober 2019, ZI. ***, betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen (Übersetzungsbüro), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt *** (im Folgenden die belangte Behörde) vom 04. Oktober 2019 wurde Herrn A (im Folgenden der Beschwerdeführer) die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen (Übersetzungsbüro) am Standort ***, ***, ***, GISA-Zahl ***, entzogen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Gewerbe seit 19. August 2016 nicht ausgeübt werde, sowie laut Rückstandsausweis der Wirtschaftskammer NÖ sich die Entrichtung der Umlage seit 2016 im Rückstand befände (Rückstandsausweis vom 22. August 2019, GZ. ***, in der Höhe von € 459,40).
Dieser Bescheid wurde am 08. Oktober 2019 rechtswirksam zugestellt.
Am 5. November 2019 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht bei der belangten Behörde Beschwerde, in der er vorbrachte, die Angaben der Wirtschaftskammer NÖ, betreffend den Rückstandsausweis über die Entrichtung der Umlagen sowie das Ruhen des oben angeführten Gewerbes seit 19. August 2016, seien unzutreffend.
Der Beschwerdeführer sei in den Jahren 2016 – 2018 beim Arbeitsmarktservice *** als arbeitssuchend gemeldet gewesen. Aus diesem Grund sei die Stilllegung des genannten Gewerbes erforderlich gewesen. Dies habe er bei seinem Umzug nach *** und der Verlegung des Gewerbes auf den neuen Meldesitz der Wirtschaftskammer NÖ in *** mitgeteilt. Daraufhin habe der Beschwerdeführer ein Nicht-/Wiederbetriebsmeldungsformular sowie eine Umlagenrechnung, welche unzutreffend gewesen sei, erhalten.
Die zwischenzeitig durch die Wirtschaftskammer NÖ beantragte Exekution betreffend die Umlagenrückstände, sei durch Beschluss eingestellt worden.
Nach dem Wohnsitzwechsel nach *** und der erfolgten Abmeldung beim Arbeitsmarktservice *** habe der Beschwerdeführer bis zu seiner Anstellung als Geschäftsführer der B Ltd & Co KG das Gewerbe ausgeübt.
Es könne allenfalls eine reduzierte Umlagenforderung der Wirtschaftskammer NÖ für das Jahr 2019 zutreffend sein.
Da der Beschwerdeführer wieder eine Festanstellung mit Gehalt und Sozialversicherung habe, komme der Entzug der ruhend gestellten Gewerbeberechtigung sowie der drohenden Entlassung, aufgrund nachweislich falscher Umlagebescheiden der Wirtschaftskammer NÖ, faktisch einem Berufsverbot gleich.
Die belangte Behörde legte am 13. November 2019 den Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.
2. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 08. Jänner 2020 eine gemeinsam öffentliche mündliche Verhandlung mit dem Verfahren zu
Zl. LVwG-AV-1268/001-2019 betreffend die Entziehung des Gewerbes Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik des Beschwerdeführers durch. Beweis wurde erhoben durch Verlesung der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde sowie der Gerichtsakten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich und die Einvernahme des Beschwerdeführers.
3. Feststellungen:
Das gegenständliche Gewerbe „Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen (Übersetzungsbüro)“, eingetragen zu GISA-Zahl ***, wurde durch den Beschwerdeführer am 19. August 2016 durch Anzeige bei der Wirtschaftskammer NÖ ruhend gestellt.
Der Beschwerdeführer war in der Zeit von 19. August 2016 bis Anfang April 2019 beim Arbeitsmarkservice als arbeitssuchend gemeldet.
Von 20. Dezember 2018 bis Mitte Jänner 2019 übte der Beschwerdeführer das genannte Gewerbe u.a. in der Form aus, dass er Kooperationspartner für spätere Übersetzungsdienstleistungen und künftige Zusammenarbeit suchte und in diesem Zusammenhang auch in *** war.
Es konnte nicht festgestellt werden, für welchen Anteil des Rückstandsausweises die Exekution durch das Bezirksgericht *** eingestellt wurde.
4. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt zu
Zl. ***, sowie auf den Beweisergebnissen der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 08. Jänner 2020.
Die Feststellung betreffend die Stilllegung des Gewerbes konnte aufgrund des Antrages der Wirtschaftskammer NÖ vom 22. August 2019 an den Magistrat der Stadt *** getroffen werden. Dies wurde vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.
Dass der Beschwerdeführer sein Gewerbe von 20. Dezember 2018 bis Mitte Jänner 2019 ausübte, ergab sich auf Grund seiner glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angabe in der Verhandlung.
Dass der Beschwerdeführer über Anteile an der B Ltd & Co KG in Österreich verfügt, gründet auf seiner glaubwürdigen Aussage in der mündlichen Verhandlung.
Die Negativfeststellung betreffend die Einstellung des Exekutionsverfahrens ergab sich daraus, dass auf dem, durch den Beschwerdeführer vorgelegten Einstellungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***, ZI. ***, nicht angeführt war, auf welchen Anteil des Umlagenrückstandes sich dieser bezog.
5. Rechtslage:
Folgende Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) kommt zur Anwendung:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. […]
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Folgende Bestimmung der Gewerbeordnung (GewO 1994) ist von Relevanz:
§ 88. (1) […]
(2) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde zu entziehen, wenn das Gewerbe während der letzten drei Jahre nicht ausgeübt worden ist und der Gewerbeinhaber mit der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft mehr als drei Jahre im Rückstand ist. Vor der Erlassung des Entziehungsbescheides ist der Gewerbeinhaber auf die Rechtsfolge der Entziehung nachweislich aufmerksam zu machen. Von der Entziehung ist abzusehen, wenn spätestens zugleich mit der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem die Entziehung verfügt worden ist, die Bezahlung des gesamten Umlagenrückstandes nachgewiesen wird.
6. Erwägungen:
Eine Gewerbeberechtigung ist dann zu entziehen, wenn das Gewerbe während der letzten drei Jahre nicht ausgeübt wird und sich der Gewerbeinhaber mit der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft mehr als drei Jahre im Rückstand befindet. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. (siehe VwGH 26.02.2014, Ro 2014/04/0031).
Eine Entziehung der Gewerbeberechtigung ist nur dann möglich, wenn das Gewerbe durch den Gewerbeinhaber tatsächlich in den letzten drei Jahren kontinuierlich nicht ausgeübt wurde. (siehe VwGH 23.12.1970, 0871/70).
Eine Ruhensanzeige des Gewerbes nach § 93 GewO 1994 hat lediglich deklarativen Charakter und daher nur Indizwirkung. (siehe VwGH 17.9.2010,2006/04/0149)
Der Beschwerdeführer stellte mit 19. August 2016 sein Gewerbe Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen (Übersetzungsbüro), GISA-Zahl ***, ruhend, übte jedoch – wie festgestellt - das Gewerbe vom 20. Dezember 2018 bis Mitte Jänner 2019 aus.
Die Voraussetzung der kontinuierlichen Nichtausübung des Gewerbes während der letzten drei Jahre des § 88 Abs. 2 GewO 1994 ist somit nicht erfüllt und war aufgrund des Kumulationsprinzips dieser Bestimmung nicht mehr auf den Umlagenrückstand einzugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
7. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil die Entscheidung nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Sprachdienstleistungen; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Gewerbeausübung; Ruhensanzeige;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.1267.001.2019Zuletzt aktualisiert am
02.03.2020