TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/2 97/06/0246

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Veröffentlicht am 02.07.1998
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
L82256 Garagen Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3 idF 1985/012;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art15 Abs1;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs1;
GaragenO Stmk 1979 §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Marktgemeinde Spielberg, vertreten durch D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Oktober 1997, Zl. 03-12.10 S 38-97/5, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: I in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 30. November 1994 bei der beschwerdeführenden Gemeinde eingelangten Ansuchen beantragte W. P. die Erteilung der Baubewilligung für Zu- und Umbauarbeiten im Keller und Erdgeschoß des bestehenden Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 334/3 der KG Spielberg, sowie die Herstellung einer Schallschutzmauer. Antragsgegenständlich war die Errichtung einer Tanzbar. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung am 30. Mai 1995 durchgeführt, in der sich Anrainer, unter ihnen die mitbeteiligte Partei, wegen befürchteter Lärmimmissionen gegen das Bauvorhaben wandten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 30. Mai 1996 wurde das Baugesuch abgewiesen. Die Einwendungen der Anrainer wurden teils ab-, teils zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid haben sowohl die Bauwerberin als auch einige Nachbarn, unter ihnen die mitbeteiligte Partei, berufen.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens und der Einschränkung des Bauvorhabens durch W. P. hat der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheid vom 7. April 1997 unter I die Berufungen der Nachbarn, unter ihnen jene des Mitbeteiligten, abgewiesen. Der Berufung der Bauwerberin wurde unter II Folge gegeben und die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Zubaues und die Vornahme von Umbauarbeiten im Kellergeschoß und Erdgeschoß sowie die Herstellung einer Schallschutzmauer unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Vorstellung, in der er im wesentlichen ausführte, daß die Vereinbarkeit eines derartigen Betriebes mit der Ausweisung als allgemeines Wohngebiet im Flächenwidmungsplan nicht gegeben sei. Weiters wurde ausgeführt, daß es nicht möglich sei, Vorkehrungen zum Schutz der Nachbarschaft zu treffen, um unzumutbare Lärmbelästigungen durch den zu- und abfahrenden Verkehr während der Nacht- und Morgenstunden hintanzuhalten.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 1997 hat die belangte Behörde der Vorstellung des Mitbeteiligten Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, da das Bauansuchen vor Inkrafttreten des Steiermärkischen Baugesetzes am 1. September 1995 bei der Baubehörde eingebracht wurde, sei das Verfahren nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968 abzuwickeln. Das zu bebauende Grundstück sei im Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Marktgemeinde als "Sanierungsgebiet" der Kategorie "allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen. Gemäß § 23 Abs. 5 lit. b ROG idgF seien Wohngebiete Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienten, soweit sie keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachten, errichtet werden könnten. Für das gegenständliche Bauverfahren sei auch die Bestimmung des § 4a Stmk. BO von Relevanz, wonach bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Vorhabens alle im Projekt vorgesehenen, im Interesse des Nachbarschaftsschutzes gelegenen Maßnahmen zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der Lärmemission aus der Tanzbar habe die Bauwerberin im Rahmen des Berufungsverfahrens eine Projektsmodifikation in der Weise vorgenommen, als nunmehr die Musikanlage im Erdgeschoß mit einem passiven Schallpegelbegrenzer ausgestattet werde, der gewährleiste, daß im Bereich der Tanzflächenmitte in Ohrhöhe ein LA, eq von 75 dB nicht überschritten werde. Diese Änderung des Projektes werde auch dem medizinischen Gutachten gerecht, in dem zur Vermeidung der Belästigung der Anrainer die Einhaltung eines Schallpegels von 75 dB, gemessen in der Raummitte des Barraumes, gefordert worden sei. Die Tanzbar an sich könne daher unter Berücksichtigung des im Sinne des § 4a BO vorgesehenen Einbaues eines Limiters als im allgemeinen Wohngebiet zulässig erachtet werden. Anders stelle sich die Situation jedoch hinsichtlich der auf dem Parkplatz verursachten Immissionen dar. Der lärmtechnische Sachverständige habe nämlich seine Beurteilung der Lärmsituation des Parkplatzes lediglich durch Messungen im Bereich der südlich angrenzenden Nachbargrundstücke dokumentiert. Eine Beurteilung der Auswirkungen des Parkplatzes, der unter anderem entlang der nördlichen Grundgrenze geplant sei, für das im nördlichen Bereich situierte Grundstück des Mitbeteiligten könne auf Grundlage des lärmtechnischen Gutachtens jedoch nicht in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise vorgenommen werden. Hinzu komme, daß es der medizinische Sachverständige zur Verhinderung einer Belästigung der Anrainer für erforderlich erachtet habe, daß effiziente Schallschutzwände den Parkplatz auch gegenüber den nördlichen Nachbarn abgrenzen müßten. Das genehmigte Projekt sehe allerdings nur im südwestlichen Bereich eine Schallschutzeinrichtung vor. Als taugliche Entscheidungsgrundlage müßten daher die beigezogenen Sachverständigen (technischer und medizinischer Sachverständiger) nachvollziehbar zum Schluß gelangen, daß für das Projekt einschließlich der vorgesehenen Abstellflächen keine dem Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursacht würden. Da das Ermittlungsverfahren somit hinsichtlich der Beurteilung der Lärmsituation im Bereich des Grundstückes des Mitbeteiligten ergänzungsbedürftig geblieben sei und eine Genehmigung des Projektes auf Grundlage der vorliegenden Gutachten geeignet sei, Rechte des Mitbeteiligten zu verletzen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Marktgemeinde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie der Mitbeteiligte, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge gelangte die belangte Behörde zu dem Schluß, daß die Tanzbar selbst mit der Widmung "allgemeines Wohngebiet" vereinbar sei. Anders stelle sich die Situation jedoch hinsichtlich des Parkplatzes dar. Die Aufhebung wurde ausschließlich mit Verfahrensmängeln begründet, die sich auf den Lärm bezogen, der vom Parkplatz ausgeht. Es ist unbestritten und durch den vorgelegten Verwaltungsakt dokumentiert, daß es sich bei der gegenständlichen Tanzbar um eine gewerbliche Betriebsanlage handelt, für die von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Betriebsanlagengenehmigung erteilt wurde.

Die Gemeinde erachtet sich in ihrem aus § 94 Abs. 5 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 idgF erwachsenden Recht darauf, daß ein im eigenen Wirkungsbereich letztinstanzlich erlassener Bescheid nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich einer Rechtsverletzung des Vorstellungswerbers, durch die Aufsichtsbehörde behoben wird, verletzt. Da das Baugesuch noch im November 1994, somit vor Inkrafttreten des Steiermärkischen Baugesetzes am 1. September 1995 bei der Baubehörde eingebracht wurde, ist das gegenständliche Verfahren zufolge des § 119 Abs. 2

Stmk. Baugesetz nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968 abzuwickeln. Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die Bestimmung des § 4a Stmk. BO zu berücksichtigen ist, wonach alle im Projekt vorgesehenen, im Interesse des Nachbarschaftsschutzes gelegenen Maßnahmen bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens zu berücksichtigen sind. Diese Rechtsansicht trägt aber nicht die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates vom 7. April 1997 und entfaltet somit keine Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren.

Nach § 61 Abs. 2 Stmk. BO 1968, LGBl. Nr. 149, in der Fassung LGBl. Nr. 14/1989, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen.

Zu den Vorschriften, aus denen sich subjektive Rechte für die Nachbarn ergeben, zählt auch § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung 1979, LGBl. Nr. 27. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. Juni 1992, Zlen. 87/06/0131, 87/06/0132, sowie vom 5. Mai 1994, Zl. 91/06/0073, ausgesprochen hat, stellt § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung eine Spezialvorschrift gegenüber § 4 Abs. 3 der Stmk. BauO dar, die in ihrem Anwendungsbereich § 4 Abs. 3 der Bauordnung zur Gänze verdrängt. In einem Baubewilligungsverfahren kann § 5 Abs. 1 der Stmk. Garagenordnung nach den genannten Erkenntnissen nur dann nicht angewendet werden, wenn aufgrund der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Stmk. Garagenordnung im Hinblick darauf, daß eine gewerbliche Betriebsanlage vorliegt, die Zuständigkeit der Gewerbebehörde gegeben ist. Nur dann, wenn keine in die Zuständigkeit der Gewerbebehörde fallende Anlage vorliegt, steht einer Anwendung des § 5 der Garagenordnung im Baubewilligungsverfahren nach der Steiermärkischen Bauordnung nichts entgegen. In seinem Erkenntnis vom 7. November 1996, Zl. 95/06/0232, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß gemäß § 5 Abs. 2 Stmk. Garagenordnung, nach dem der in Abs. 1 vorgesehene Nachbarschutz sich nicht auf Abstellflächen, Garagen und Nebenanlagen bezieht, für die der Bund gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG zur Regelung der Hintanhaltung der von solchen Anlagen ausgehenden, auf die Nachbarschaft einwirkenden Beeinträchtigungen zuständig ist, im damaligen Fall, der wie hier eine betrieblich genutzte Abstellfläche betraf, zufolge der insoweit gegebenen Zuständigkeit der Gewerbebehörde nicht mit Erfolg eine Verletzung der sich aus § 4 Abs. 3 Stmk. BauO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 12/1985 ergebenden Nachbarrechte geltend gemacht werden kann. Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Da eine gewerbliche Betriebsanlage vorliegt, durfte die belangte Behörde zufolge der Ausschlußregelung in Abs. 2 des § 5 der Steiermärkischen Garagenordnung Lärmemissionen, die vom gegenständlichen Parkplatz ausgehen (der dem Regelungsbereich der Gewerbeordnung unterliegt), nicht zur Grundlage der Aufhebung eines gemeindebehördlichen Bewilligungsbescheides aufgrund einer Nachbareinwendung nehmen.

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift bezog sich die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde nicht auf Verfahrensmängel im Zusammenhang mit dem Lärm aus der Tanzbar, sondern ausschließlich auf Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Beurteilung der Lärmsituation als Auswirkung des Parkplatzes entlang der nördlichen Grundgrenze, in deren Bereich das Grundstück der mitbeteiligten Partei gelegen ist.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997060246.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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