TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/23 I412 2202619-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2019
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Entscheidungsdatum

23.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §21 Abs3 Satz 2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2202619-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. KONGO, vertreten durch Mag. Brigitte BALDAUF, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 23.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid soweit er die Spruchpunkte I. - VI. betrifft, behoben.

2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.05.2016 sowie bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 21.03.2018 an, dass es während der Präsidentschaftswahl um den 20.03.2016 im Kongo zu Unruhen gekommen sei. Die Bevölkerung der Provinz Pointe Noire, wo auch er herkomme, sei gegen den amtierenden Präsidenten und mit dem Wahlausgang zu dessen Gunsten folglich auch nicht zufrieden gewesen, zumal der amtierende Präsident lediglich aufgrund einer Verfassungsänderung neuerlich kandidieren können habe. Deswegen habe man in Pointe Noir den Oppositionskandidaten General Jean Marie Michel Mokoko unterstützt. Nach dem Wahlverlust habe der General die Bevölkerung zu einer Massendemonstration am 29.03.2016 aufgerufen, welche er und zwei weitere Personen mitorganisiert hätten, indem sie unter anderem T-Shirts mit dem Bild des Generals an die Bevölkerung verteilt hätten. Die zwei Personen, die ihm bei der Organisation geholfen hätten, seien am 28. und am 29. März vom Militär erschossen und als "Ninja" (Milizen) beschuldigt worden. Er selbst habe in Erfahrung bringen können, dass das Militär ein Bild von ihm besitze und ihn folglich ausforschen könne und sei deswegen geflohen. Bei einer Rückkehr würde er getötet werden. Er ergänzte sein Vorbringen vor der belangten Behörde, dass General Jean Marie Michel Mokoko am 24.03.2016 im Radio zu einer Demonstration am 29.03.2016 aufgerufen habe, bei welcher man sich im Zentrum von Pointe Noir treffen hätte sollen. Auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Bakongo habe er Probleme gehabt und sei deswegen als "Ninja" bezeichnet worden. Die Bakongo hätten nach einer anderen Regierung verlangt und auch er habe sich Veränderungen gewünscht, weswegen sein Leben in Gefahr sei. Er sei aber weder politisch tätig noch Mitglied einer politischen Partei gewesen und habe niemals politische Aktivitäten gesetzt.

3. Mit Schreiben vom 27.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer aktuelle Informationen zum Kongo.

Das BFA gab eine Anfrage zu "Demonstration in Pointe Noir" in Auftrag. Mit Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 15.05.2018 wurde festgestellt, dass im Zuge der Präsidentschaftswahl 2016 die Bevölkerung von den vier Oppositionskandidaten aufgefordert worden sei, die Wiederwahl von Präsident Denis Sassou Nguesso mit "friedlichen" Rechtsmitteln, nämlich mit einem stillen Protest, einer "ville morte" (in etwa: Generalstreik), anzufechten. So sei die Bevölkerung gebeten worden, am 29.03.2016 nicht zur Arbeit zu gehen, eine Art Generalstreik. Im Zuge dieser Aufforderung sei es jedoch zu Gewaltanwendungen gekommen und seien etwa 50 Regimegegner, vorwiegend Mitglieder des oppositionellen Wahlkampfteams von Jean Marie Michel Mokoko, in Untersuchungshaft genommen worden. Am 04.04.2016, dem Tag der Verkündung des Wahlergebnisses, sei es zu einer Reihe von Angriffen in der Hauptstadt Brazzaville gekommen, Regierungs-, Polizei-und Militärgebäude seien von der Opposition in Brand gesetzt worden. Daraufhin habe die Regierung große Operationen gegen weitere Oppositionelle, wie Pasteur Ntumi, den Anführer der sogenannten "Ninja-Rebellen", gesetzt. Die Folge seien Angriffe der Regierung auf die Zivilbevölkerung in Gebieten, in welchen angenommen worden sei, es würden sich "Ninjas" verstecken, gewesen.

Bei der ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 12.06.2018 erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht wisse, ob es am 29.03.2016 tatsächlich zu einer Demonstration gekommen sei, zumal er bereits vorher das Land verlassen habe und sich dann nicht mehr darüber informiert habe. Auf Vorhalt seitens des BFA, dass laut Recherchen am 29.03.2016 zu einer "ville morte", also zu einem stillen Protest aufgerufen worden sei, meinte der Beschwerdeführer lediglich, dass das nicht stimme und das Motto für den 29.03.2016 ziviler Ungehorsam gewesen sei. Des Weiteren erklärte er seitens des BFA zu den "Ninjas" befragt, dass es sich dabei um eine Miliz handle, deren Anführer Bissamoumou Frederick Ntoumi sei, er aber nichts mit dieser Miliz zu tun gehabt habe und auch niemanden kenne, der dieser Miliz angehöre. Im Kongo sei der Begriff "Ninja" so etwas wie ein Schimpfwort, welches verwendet werde, wenn man jemanden beleidigen möchte.

4. Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA, RD Oberösterreich, vom 04.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.05.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kongo gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kongo zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt VI.). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe wurden als nicht glaubhaft befunden und wurde keine besondere Rückkehrgefährdung für den Beschwerdeführer festgestellt. Ebenso wenig wurde ein besonders schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich festgestellt.

Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht am 30.07.2018 Beschwerde erhoben.

5. Die Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.08.2018, GZ I420 2202619-1/3E, als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass Spruchpunkt VI der Entscheidung ersatzlos behoben wurde.

6. Der Beschwerdeführer stellte am 30.10.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, bei dem er angab, dass die Gründe seines Asylantrages vom ersten Mal aufrecht seien. Am 25.10.2018 habe er einen Anruf von seinem Cousin aus dem Kongo bekommen, dass die Polizei in Zivil seine Eltern und seine Frau angehalten hätten und nach ihm gefragt hätten. Nachdem sein Vater angegeben habe, dass er schon lange nicht mehr im Kongo sei, habe die Polizei seine Eltern und seine Frau an einen unbekannten Ort verschleppt. Sein Cousin habe überall nachgefragt und keiner habe etwas von deren Aufenthaltsort gewusst. Letzten Montag habe ihn sein Cousin wieder angerufen, dass man seinen Vater vor einem Spital tot aufgefunden habe. Seine Mutter und seine Frau seien bis dato nicht auffindbar. Er sei einer der Mitorganisatoren von Demos gegen die herrschende Regierung gewesen, deshalb werde er gesucht. Auch zwei seiner Freunde, die ebenfalls engagiert gewesen seien, seien ermordet worden und deshalb habe er damals auch das Land verlassen.

7. In einer Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.11.2018 führte der Beschwerdeführer erneut aus, er habe nochmals um Asyl angesucht, weil sein Cousin angerufen habe und wiederholte im Wesentlichen sein bei der Ersteinvernahme geäußertes Vorbringen.

8. Mit dem hier bekämpften Bescheid vom 23.11.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Kongo gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Kongo gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde zudem ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VI.).

Mit Spruchpunkt VII. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs 1 AsylG 2005 aufgetragen, ab 13.11.2018 im Quartier BS Schwechat AIBE Stichstraße West 5 Unterkunft zu nehmen.

9. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am 26.11.2018 Beschwerde erhoben, dieser zur Gänze angefochten und unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Begründend wird u.a. ausgeführt, eine Begründung, warum im Vorbringen des Beschwerdeführers kein glaubhafter Kern enthalten sei, sei dem Bescheid kaum zu entnehmen. Zudem sei zur gegenwärtigen Situation im Kongo festzuhalten, dass aus den Länderberichten hervorgehe, dass gravierende Veränderungen seit der Entscheidung des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers vorlägen. Die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung sei keiner adäquaten Beurteilung unterzogen worden, und entbehre die Wohnsitzauflage jeglicher Grundlage.

10. Das gegenständliche Verfahren wurde am 07.12.2018 der zuständigen Gerichtsabteilung I412 vorgelegt.

11. Am 11.12.2018 und 13.12.2018 langten Ergänzungen zum Beschwerdeschriftsatz ein, weiters wurde ein Vollmachtswechsel mit Schreiben vom 14.12.2018 mitgeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatbürger der Republik Kongo, stellte am 15.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der abschließend mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.08.2018, GZ I420 2202619-1/3E, als unbegründet abgewiesen wurde, wobei die Ansicht der belangten Behörde, wonach das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei, bestätigt wurde.

1.2. Am 30.10.2018 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er am 25.10.2018 einen Anruf von seinem Cousin aus dem Kongo bekommen habe, dass die Polizei in Zivil seine Eltern und seine Frau angehalten hätten und nach ihm gefragt hätten. Nachdem sein Vater angegeben habe, dass er schon lange nicht mehr im Kongo sei, habe die Polizei seine Eltern und seine Frau an einen unbekannten Ort verschleppt. Sein Cousin habe überall nachgefragt und keiner habe etwas von deren Aufenthaltsort gewusst. Letzten Montag habe ihn sein Cousin wieder angerufen, dass man seinen Vater vor einem Spital tot aufgefunden habe. Seine Mutter und seine Frau seien bis dato nicht auffindbar. Er sei einer der Mitorganisatoren von Demos gegen die herrschende Regierung gewesen, deshalb werde er gesucht. Auch zwei seiner Freunde, die ebenfalls engagiert gewesen seien, seien ermordet worden und deshalb habe er damals auch das Land verlassen.

1.3. In der hier bekämpften Entscheidung stellte die belangte Behörde fest, dass "der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens entstanden sei."

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die "substanzlos erstmalig völlig in den Raum gestellten Angabe des Beschwerdeführers unter Beachtung der persönlichen Glaubwürdigkeit im Vorverfahren, lediglich einen Nebenaspekt der ursprünglichen Verfolgungsbehauptung darstellen würde". Es sei "bemerkenswert, wie der Beschwerdeführer von diesem, sich im Oktober 2018 zugetragenen Vorfall erfahren habe wolle, da er seit Juli mit niemandem aus seinem Heimatland mehr Kontakt gehabt habe". Auf Vorhalt dieses Widerspruchs habe der Beschwerdeführer angegeben, dies falsch verstanden zu haben.

In der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde erneut aus, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung "bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten und sich seither kein entscheidungsrelevant geänderter Sachverhalt im Sinne der Ausführungen zu § 68 AVG ergeben habe."

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen wurden dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde entnommen und sind soweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A) Aufhebung des bekämpften Bescheides:

3.1.1. § 21 -BFA-VG lautet auszugsweise wie folgt:

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21. (1) Zu Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesamt zu laden; diesem kommt das Recht zu, Anträge und Fragen zu stellen.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt über Beschwerden gegen Entscheidungen, mit denen ein Antrag im Zulassungsverfahren zurückgewiesen wurde, binnen acht Wochen, soweit der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde.

...

(3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

...

3.1.2. Nach § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 ist der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Zulassungsverfahren - wozu auch die vorliegende Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz nach § 68 AVG gehört - vom Bundesverwaltungsgericht stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025.

Es handelt sich dabei um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG 2014 abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen einen im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG 2014 genannten Voraussetzungen geknüpft ist (vgl. VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0017).

3.1.3. Mit der bekämpften Entscheidung hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 AVG hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und der subsidiäre Schutzberechtigten zurückgewiesen.

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht war in Bezug auf Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahrens keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen hg. Rechtsprechung, dass die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen hat, dem Asylrelevanz zukommt (vgl. zB VwGH vom 21. März 2006, 2006/01/0028 sowie vom 18. Juni 2014, Ra 2014/01/0029, mwN).

In Bezug auf die Zurückweisung des Folgeantrags nach § 68 Abs. 1 AVG hat das BFA in seiner Entscheidung festgestellt, dass der Beschwerdeführer keinen "Sachverhalt vorgebracht habe, der nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens entstanden ist".

In der Beweiswürdigung beruft sich die belangte Behörde im Wesentlichen darauf, dass die neu behaupteten Verfolgungshandlungen "lediglich einen Nebenaspekt der ursprünglichen Verfolgungsbehauptung" darstellen würde.

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge (zB. das bereits zitierte Erkenntnis Ra 2014/18/0025 vom 13.11.2014), sind die behaupteten Geschehnisse, die sich nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, daraufhin zu überprüfen, ob sie einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.

Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2018 zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. VwGH vom 22. November 2005, 2005/01/0626, mwN).

Die belangte Behörde hat die somit erforderliche Prüfung nicht - bzw. nur äußerst unzureichend, soweit von einem Widerspruch im Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beweiswürdigung die Rede ist, vorgenommen. Dieser mangelhafte Sachverhalt kann vom Bundesverwaltungsgericht nicht einfach dadurch behoben werden, dass es dem neuen Fluchtvorbringen nun erstmals den "glaubhaften Kern" abspricht (siehe ebenfalls VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.1.4. Nur der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass sich auch in der rechtlichen Beurteilung des bekämpften Bescheides keine hinreichende Begründung für die Zurückweisung des Folgeantrages findet, da auch hier lediglich ausgeführt wird, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe für die neuerliche Antragstellung bereits zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten. Zudem werden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zitiert, die keinen Bezug zum Beschwerdeführer aufweisen.

3.2.

Der Beschwerde war daher hinsichtlich der Spruchpunkte I. - VI. stattzugeben und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid zu beheben, wodurch das Asylverfahren zugelassen ist. Diese Zulassung steht allerdings gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen (vgl. erneut VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.3. Zur Verfahrensanordnung auf Unterkunftnahme:

Im gegenständlichen Bescheid wurde unter Spruchpunkt VIII. festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 aufgetragen wurde, ab 14.09.2018 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

§ 15b AsylG 2005 lautet:

"Verfahrensanordnung der Unterkunftnahme"

"(1) Einem Asylwerber kann mittels Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) des Bundesamtes aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz aufgetragen werden, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft zur Verfügung gestellten Quartier durchgängig Unterkunft zu nehmen. Über die Verfahrensanordnung ist im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(2) Bei der Beurteilung, ob Gründe des öffentlichen Interesses oder der öffentlichen Ordnung vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob

1. Voraussetzungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 oder für eine Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 vorliegen,

2. der Antrag auf internationalen Schutz sich auf einen Staat gemäß § 19 BFA-VG bezieht oder

3. vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine Rückkehrentscheidung gegen den Drittstaatsangehörigen rechtskräftig erlassen wurde.

(3) Bei der Beurteilung, ob aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz die Unterkunftnahme anzuordnen ist, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Asylwerber seinen Mitwirkungsverpflichtungen gemäß § 15 nachgekommen ist oder ob weitere Erhebungen zur Identität erforderlich sind.

(4) Die Anordnung der Unterkunftnahme gilt bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, solange dem Asylwerber das Quartier zur Verfügung gestellt wird, es sei denn, dem Asylwerber wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt oder ein Aufenthaltstitel nach dem 7. Hauptstück erteilt. Bezieht sich die Anordnung auf eine Betreuungseinrichtung des Bundes, so tritt sie mit Zuweisung des Asylwerbers an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes außer Kraft.

(5) Dem Asylwerber sind die Anordnung gemäß Abs. 1 und die Folgen einer allfälligen Missachtung nachweislich zur Kenntnis zu bringen."

Die belangte Behörde brachte dem Beschwerdeführer die Anordnung der Unterkunftnahme am 13.11.2018 im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde zur Kenntnis. Im gegenständlichen Bescheid wurde die Verfahrensanordnung bestätigt.

Es wurde zwar im bekämpften Bescheid mehrfach unrichtig ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme, jedoch die Anordnung der Unterkunftnahme auch damit begründet, dass vor der gegenständlichen Antragstellung auf internationalen Schutz bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung aus dem Vorverfahren bestand, was unstrittig zutrifft.

Die belangte Behörde führt aus, dass daher die Verfahrensanordnung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Interesses und aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlich gewesen sei.

Im Akt aufliegend findet sich zudem eine Äußerung der Landespolizeidirektion vom 08.11.2018 betreffend einen Zustellversuch für die belangte Behörde, der zu Folge diese nicht möglich gewesen sei, da der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt habe.

Gegen den Beschwerdeführer wurde bereits im Vorverfahren eine Rückkehrentscheidung erlassen, welche rechtskräftig wurde. Eine solche Rückkehrentscheidung ist bei der Beurteilung, ob die Anordnung der Unterkunftnahme aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz notwendig ist, gemäß § 15b Abs. 2 Z 3. zu berücksichtigen.

Durch die Verfügung einer Wohnsitzauflage soll erreicht werden, dass der Asylwerber dem Bundesamt bzw. dem BVwG regelmäßig für die jeweiligen Verfahrensschritte zur Verfügung steht und keine weiteren Verzögerungen eintreten.

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte im Akt, dass die Anordnung der Unterkunftnahme nicht im Sinne des Gesetzes wäre oder die belangte Behörde diese gesetzliche Bestimmung zu Unrecht angewendet hätte und ergibt sich derartiges auch nicht aus der Beschwerde. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass diese Anordnung mit der rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf internationalen Schutz zeitlich determiniert ist.

Die Anordnung der Unterkunftnahme ist daher nicht zu beanstanden und war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Begründungsmangel, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, entschiedene Sache, Folgeantrag,
freiwillige Ausreise, Frist, Kassation, res iudicata,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung, Wohnsitzauflage,
Zurückverweisung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2202619.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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