TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/31 I408 2208774-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
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Entscheidungsdatum

31.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §2
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I408 2208774-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter im Verfahren über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, Sta. Nigeria, vertreten durch Eward W. Daigneault, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 28.09.2018, Zl. 647766205/14777005, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., und II. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkt III., IV., V. und VI. stattgegeben und diese Spruchpunkte behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 24.09.2013 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass er sich in Nigeria in ein Mädchen verliebt habe und die Heirat geplant gewesen sei. Er sei jedoch Christ und seine Freundin wäre Muslimin. Aus diesem Grund sei die Familie seiner Freundin gegen diese Beziehung gewesen und sei die geplante Heirat verboten worden. Seine Freundin sei von ihrer Familie weggelaufen, zu ihm gekommen und schwanger geworden. Seine Freundin sei von ihrer Familie wieder zurückgeholt und gefoltert worden. Die Freundin habe das Baby verloren. Danach sei die Freundin in einen Brunnen geworfen worden, wo sie ertrunken sei. Später sei das Haus seiner Eltern in Brand gesetzt worden. Dabei seien seine Eltern und zwei seiner Brüder ums Leben gekommen. Er sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen und habe flüchten können. Auch er sollte getötet werden.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.01.2014 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2014 als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

2. Am 09.07.2014 brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass er homosexuell sei. Bei seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz habe er diesen Umstand verschwiegen, da er geglaubt habe, dass dies eine Schande sei.

3. Am 29.09.2016 heiratete der Beschwerdeführer eine tschechische Staatsangehörige.

4. Am 25.09.2018 wurde der Beschwerdeführer und seine Ehefrau von der belangten Behörde einvernommen.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.09.2018 wurde wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.). Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde des Weiteren ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt VI.).

6. Diese Entscheidung wurde mit fristgerecht am 17.10.2018 eingelangter Beschwerde in allen Punkten bekämpft und ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürger. Erhält sich nach illegaler Einreise zumindest seit September 2013 in Österreich auf, verkauft fallweise die Eibisch-Zuckerl-Zeitung, geht aber sonst keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Strafrechtlich ist er unbescholten.

Am 29.09.2016 ehelichte er eine tschechische Staatsangehörige.

Diese hält sich in Ausübung ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts in Österreich auf und war von 02.05.2018 bis 31.05.2018 und von 20.08.2018 bis 30.09.2018 in Österreich selbständig erwerbstätig. Seit 11.09.2018 ist sie als Kellnerin beschäftigt und verdient monatlich € 1.466,39.

Seit 20.08.2018 sind beide an derselben Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet. Davor hatte seine Ehefrau beim Beschwerdeführer nur fallweise einen Nebenwohnsitz, und zwar vom 30.03.2016 bis 05.10.2016, 25.09.2017 bis 18.12.2017 und 30.04.2018 bis 18.06.2018.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die neuen Fluchtgründe, die der Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren geltend machte, bestanden schon bei seiner Ausreise aus Nigeria, also vor dem Zeitpunkt, in dem das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2014 in Rechtskraft erwuchs. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte und im Verfahrensgang dargelegte Sachverhaltsänderung erweist sich zudem als völlig unglaubwürdig.

Auch in Bezug auf die Situation in Nigeria war zwischen dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2014 und der Erlassung des gegenständlichen Bescheides am 28.09.2018 ist keine wesentliche Änderung, welche den Beschwerdeführer konkret betreffen würde, eingetreten. Ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor. Es wird daher festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt. Im Wesentlichen waren dies folgende Feststellungen:

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten.

Auch die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben, vor der belangten Behörde, die auch durch die Heiratsurkunde bestätigt werden.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt bestätigt durch eine Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem.

Dass der Beschwerdeführer mit einer tschechischen Staatsangehörigen verheiratet ist, ergibt sich aus der von dem Beschwerdeführer vorgelegten Heiratsurkunde und der Einvernahme beider Ehepartner am 25.09.2018.

Die Feststellung hinsichtlich der Ausübung unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts durch die Ehefrau des Beschwerdeführers resultiert aus ihrer Erwerbstätigkeit in Österreich, dokumentiert durch einen Auszug aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 05.11.2018, der vorgelegten Gehaltsbestätigung und der eingeholten ZMR-Abfrage und werden auch in der Einvernahme beider Ehepartner vor der belangten Behörde bestätigt. Da im gegenständlichen Fall die aufenthaltsberechtigte Unionsbürgerin über ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis verfügt und auch in Österreich aufhältig ist, bedarf es bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallprüfung (vgl. VwGH 10.04.2014, 2013/22/0034).

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Die beiden völlig konträren Fluchtgeschichten und der rechtskräftige Abspruch in Bezug auf das erste Verfahren sind durch die genannten Entscheidungen zweifelsfrei dokumentiert und werden auch nicht in Abrede gestellt.

Der belangten Behörde hat umfassend dargelegt, warum kein neuer Sachverhalt vorliegt bzw. warum diesem auch kein "wahrer Kern" zuerkannt wurde. Bei zwei derart divergierenden Fluchtvorbringen im Zusammenhang mit einer seit 29.09.2016 bestehende Ehe ist die diesbezügliche Begründung der belangten Behörde nicht zu beanstanden.

Die dazu getroffenen Feststellungen beruhen somit auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem im Bescheid der belangten Behörde dargelegten aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde gegen die Zurückweisung wegen entschiedener Sache: (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. So weist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubwürdigen Kern auf und kann daher von keiner Änderung des Sachverhalts ausgegangen werden.

Wie bereits oben festgehalten, richtet sich ein Antrag auf internationalen Schutz aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH vom 19.2.2009, Zl 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist jedoch nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich keine Sachverhaltsänderungen; insbesondere halten sich die Brüder des Beschwerdeführers, mit welchen er in Kontakt steht, nach wie vor in Nigeria auf.

Bereits der rechtskräftigen abweisenden Entscheidung im Erstverfahren wurden umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage in Nigeria zugrunde gelegt, welche nunmehr von der belangten Behörde aktualisiert wurden. Eine maßgebliche Änderung der Lage in Nigeria ist nicht eingetreten.

Es sind darüber hinaus auch keine wesentlichen, in der Person des Beschwerdeführers liegenden, neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden (wie beispielsweise eine schwere Krankheit), die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Es liegen daher nach wie vor keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, bei einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen zu Nigeria auch keine Gründe, um davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass kein Rückführungshindernis im Lichte der Art 2 und 3 EMRK feststellbar ist. Aufgrund der Länderberichte ergibt sich, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. abzuweisen ist.

3.2. Zur Behebung der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. bis VI. des angefochtenen Bescheides)

Die belangte Behörde hat bei Ihre Rückkehrentscheidung nicht die Stellung des Beschwerdeführers als begünstigter Drittstaatsangehöriger berücksichtigt.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist als Staatsangehörige der Tschechischen Republik EWR-Bürgerin. Sie hält sich in Ausübung ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts im Bundesgebiet auf, bezieht ein regelmäßiges Einkommen und lebt mit dem Beschwerdeführer in einer gemeinsamen Wohnung.

Durch die Eheschließung des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau am 29.09.2016 ist der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger iSv. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. VwGH vom 31.08.2017, Ra 2017/21/0133). Das ordnet das Gesetz zwar ausdrücklich nur für die Konstellation des § 52 Abs. 2 FPG (letzter Absatz) an, die generelle Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ergibt sich aber schon daraus, dass die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden ist (vgl VwGH RS 1 vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0014, mit Verweis auf VwGH vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0179).

Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Diese und die mit ihr im Zusammenhang stehenden Aussprüche müssen daher gegebenenfalls ex lege erlöschen, was der im § 60 Abs. 3 FrPolG 2005 normierten Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung gleichkommt. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts muss daher - gleich den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts - eine derartige Gegenstandslosigkeit herbeiführen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers gemäß § 52 FPG erweist sich daher aufgrund seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger mit unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht als unzulässig.

Mangels Rechtsmäßigkeit der Rückkehrentscheidung, auf welche sich der Ausspruch der Zulässigkeit der Ausweisung nach Nigeria sowie die Nichtgewährung einer Frist zur freiwilligen Ausreise beziehen, waren somit die Spruchpunkte III. und VI. des angefochtenen Bescheides z

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, begünstigte Drittstaatsangehörige,
Behebung der Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe,
entschiedene Sache, Fluchtgründe, Folgeantrag, freiwillige Ausreise,
Frist, Identität der Sache, Kassation, real risk, reale Gefahr, res
iudicata, Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung, subsidiärer
Schutz, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2208774.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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