TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/3 G303 2212007-1

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Veröffentlicht am 03.05.2019
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Entscheidungsdatum

03.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
VwGVG §8a

Spruch

G303 2212007-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 19.11.2018, IFA-Zl. XXXX,

I. zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf ein Jahr herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. beschlossen:

Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8a VwGVG die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr bewilligt.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 19.11.2018 in Wien einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Am selben Tag wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er seit 15. oder 16.08.2017 zwecks Arbeit nach Österreich eingereist sei und bei der Caritas in Wien wohne, da er sich eine Wohnung nicht leisten könne. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. An Barmitteln habe er EUR 10,60 und bestreite er seinen Lebensunterhalt durch Arbeiten und durch Unterstützung der Caritas. Auf die Frage, ob er derzeit einer Beschäftigung in Österreich nachgehe, gab er an, dass er heute im 14. Bezirk als Vertretung eines Freundes Salz streuen wollte. In Österreich habe er keine Angehörige, in seinem Heimatland würden noch seine vier Schwestern leben.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 beim BF nicht vorlägen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG zulässig sei. Es bestehe weder ein Familien- noch ein Privatleben in Österreich. Der BF verfüge über keine finanziellen Mittel, um seinen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren. Er habe den sichtvermerkfreien Zeitraum überschritten, sei in Österreich untergetaucht und nach eigenen Angaben immer wieder einer illegalen Beschäftigung nachgegangen. Das Untertauchen und der unrechtmäßige Aufenthalt des BF würden eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellen. Die Erlassung des Einreiseverbotes wurde darauf gestützt, dass der BF den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte. Die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina sei zulässig, da keine entgegensprechenden Gründe vorgebracht oder sonst aus den Feststellungen zur Lage im Zielland ersichtlich seien. Die sofortige Ausreise des BF sei aufgrund der gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

3. Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheids richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang des Spruchpunktes IV. ersatzlos zu beheben und in eventu das Einreiseverbot auf eine angemessene Dauer herabzusetzen. Des Weiteren wurde der Antrag gestellt, dem BF die Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabegebühr gemäß § 8a VwGVG zu bewilligen.

Der BF begründet durch seine bevollmächtigte Vertretung die Beschwerde zusammengefasst damit, dass der belangten Behörde es nicht gelungen sei, ausreichend klar darzulegen, inwiefern das Verhalten des BF tatsächlich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstelle. Der Begründung der belangten Behörde, der BF gehe in Österreich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nach und könne nur durch illegale Beschäftigung an Geld kommen, könne kein Begründungswert zugesprochen werden, da Schwarzarbeit nach § 53 Abs. 2 Z 7 FPG explizit die Betretung bei einer solchen Beschäftigung voraussetze. Da der BF keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung erhebe und bereits nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben worden sei, bestehe die Gefahr, dass aus einer Mittellosigkeit eine illegale Mittelbeschaffung resultiere, nicht. Allein die Tatsache eines rechtswidrigen Aufenthaltes rechtfertige nicht die Verhängung eines Einreiseverbotes. Gerade der Umstand, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handle, wäre von der Erlassung eines Einreiseverbotes abzusehen gewesen. Der BF sei unbescholten und könne aus dem Verhalten des BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden.

Auch stelle sich die Bemessung des Einreiseverbotes mit drei Jahren als unverhältnismäßig dar.

Zum Verfahrenshilfeantrag wurde ausgeführt, dass der BF völlig vermögenslos sei und auch kein regelmäßiges Einkommen beziehe. Er sei daher nicht in der Lage, die Kosten für die Führung dieses Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der BF wurde am 21.11.2018 auf dem Luftweg nach Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) abgeschoben.

5. Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 03.01.2019 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF wurde am XXXXXXXX in Bosnien und Herzegowina geboren, ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina und spricht bosnisch. Der BF ist ledig und kinderlos.

Er verfügt über einen gültigen bosnischen Reisepass, reiste im August 2017 in das österreichische Bundesgebiet ein und verblieb ununterbrochen seit diesem Zeitpunkt hier. Der BF nahm ohne Wohnsitzmeldung Unterkunft bei der Caritas in Wien. Abgesehen von der Wohnsitzmeldung aufgrund der Schubhaft im PAZ Hernalser Gürtel, Wien, war der BF im Bundesgebiet nie meldeamtlich erfasst.

Am 19.11.2018 wurde der BF im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle wegen seines unrechtsmäßigen Aufenthaltes festgenommen. In weiterer Folge wurde am selben Tag zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Der BF verfügt über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel, der auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen würde. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF verfügt nicht über ausreichend Barmittel um seinen Unterhalt in Österreich zu finanzieren. Er lebte in Österreich von Einkünften aus diversen illegalen Erwerbstätigkeiten, da er ohne Anmeldung zur Sozialversicherung und ohne Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) arbeitete, sowie von der Unterstützung der Caritas.

Der BF verfügt über keine nennenswerten familiären oder sonstigen sozialen Bindungen in Österreich. Sein Lebensmittelpunkt lag bisher in Bosnien und Herzegowina, wo auch seine vier Schwestern leben.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Der BF wurde am 21.11.2018 auf dem Luftweg nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Pkt. I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des BF und die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen und zum Familienstand ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, sowie aus den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde und in der Beschwerde.

Die Feststellung zur Einreise des BF in das Bundesgebiet ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des BF bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.11.2018.

Im Anhalteprotokoll und in der Anzeige der LPD Wien wurde vermerkt, dass der BF im Besitz eines bosnischen Reisepasses ist, der bis 02.06.2026 Gültigkeit besitzt. Die diesbezüglich getroffenen Feststellungen basieren darauf.

Der BF gab selbst gegenüber der belangten Behörde am 19.11.2018 an, dass er bei der Caritas wohnt. Die festgestellte fehlende Wohnsitzmeldung beruht auf einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zur Festnahme und zur Schubhaft beruhen auf dem Bericht der Fremdenpolizei sowie den Mandatsbescheid der belangten Behörde, jeweils vom 19.11.2018.

Das Fehlen eines Aufenthaltstitels konnte festgestellt werden, zumal im Fremdenregister kein Aufenthaltstitel aufscheint. Es gibt auch keine aktenkundigen Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung.

Die festgestellte strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsichtnahme in das Strafregister).

Es gibt keine Hinweise auf Erkrankungen oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF, zumal nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde.

Die Feststellung zu seinen finanziellen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des BF in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 19.11.2018 sowie auf den Angaben in der Beschwerde und im beigelegten Vermögenverzeichnis.

Dass der BF seinen Lebensunterhalt durch diverse Arbeiten und durch die Unterstützung der Caritas bestreitet, basiert auf seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde am 19.11.2018.

Es gibt keine Anhaltspunkte für eine legale Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Eine Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat keinen Eintrag einer Erwerbstätigkeit ergeben.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich bekannt, zumal sich sein Lebensmittelpunkt bislang in seinem Herkunftsstaat befand, wo seine vier Schwestern nach seinen Angaben leben.

Die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina ergibt sich aus dem Abschiebeauftrag vom 20.10.2018, der Flugticketrechnung vom 21.11.2018 sowie den Angaben in der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil I. A)

Zu dem Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Die Spruchpunkte I. bis III. sowie V. des angefochtenen Bescheids (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) werden ausdrücklich nicht bekämpft. Die Beschwerde richtet sich nur gegen das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids.

Gemäß § 27 VwGVG beschränkt sich die Prüfung der vorliegenden Beschwerde somit auf Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG) oder wenn er bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In solchen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde. Es soll bestimmte, mit dem Aufenthalt des betroffenen Fremden potentiell verbundene Gefährdungen öffentlicher Interessen hintanhalten. Dabei ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, inwiefern private und familiäre Interessen des Fremden der Verhängung des Einreiseverbots in der konkreten Dauer allenfalls entgegenstehen. Ein Einreiseverbot ist dann zu verhängen, wenn die Gefährdungsprognose eine zukünftige Gefährdung relevanter öffentlicher Interessen ergibt und eine Interessenabwägung nach Art 8 EMRK zu Lasten des betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgeht (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10 ff).

Bei der Entscheidung über die Verhängung und die Dauer eines Einreiseverbots ist darauf abzustellen, wie lange die von dem betroffenen Drittstaatsangehörigen ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist; außerdem ist auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Bosnische Staatsangehörige, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind gemäß Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs 4 Z 20 FPG) in der aktuellen Fassung von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Der BF verfügt laut Anhalteprotokoll und Anzeige der Fremdenpolizei vom 19.11.2018 zwar über einen gültigen Reisepass, er reiste jedoch bereits Mitte August 2017 in das Bundesgebiet ein und hielt sich seitdem ununterbrochen hier auf. Somit hat der BF die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts bereits deutlich überschritten. Da er die Befristungen für den visumfreien Aufenthalt nicht einhielt, hielt er sich nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1 Z1 FPG im Bundesgebiet auf.

Der BF kann unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 SDÜ frei bewegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass er Dokumente vorzeigen kann, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Art 6 Abs 1 lit c Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit c SDÜ). Außerdem darf er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein (Art 6 Abs 1 lit e Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs 1 lit e

SDÜ).

Gemäß Art 6 Abs. 4 Schengener Grenzkodex werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Im Zusammenhang mit der Prüfung ausreichender Unterhaltsmittel muss der Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (VwGH 29.04.2010, Zl. 2007/21/0262). Der Fremde hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 13.09.2012, Zl. 2011/23/0156; 22.01.2013, Zl. 2012/18/0191).

Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot explizit auf § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gestützt, und mit dem Umstand begründet, dass der BF über keinerlei finanziellen Mittel, um seinen Aufenthalt in Österreich zu finanzieren bzw. um das Bundesgebiet aus eigenem zu verlassen, verfüge. Des Weiteren wurde in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgehalten, dass keine Aussicht bestehe, dass der BF auf legalem Wege zu finanziellen Mitteln gelangen könne.

Der BF hat nicht nachgewiesen, dass er über ausreichende Unterhaltsmittel für die Dauer seines Aufenthalts sowie für die Rückreise nach Bosnien und Herzegowina verfügt. Er hat auch keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorgelegt. Darüber hinaus hat der BF selbst im vorgelegten Vermögensbekenntnis angegeben über keinerlei Geldmittel und Einkommen zu verfügen. Auch gab er gegenüber der Behörde an, seinen Aufenthalt bisher überwiegend durch die Verrichtung von einzelnen Arbeiten sowie durch Unterstützung der Caritas finanziert zu haben. Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen.

Dem BF sind darüber hinaus die Überschreitung der visumfreien Aufenthaltsdauer, der Verstoß gegen das Meldegesetz und die Ausübung von illegalen Beschäftigungen, für welche weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Anmeldung zur Sozialversicherung vorlagen, anzulasten, auch wenn er bei der Ausübung der illegalen Beschäftigung - wie in der Beschwerde vorgebracht - nicht betreten wurde.

Gerade weil der BF im Bundesgebiet nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts verfügte und während eines Zeitraumes von über einem Jahr immer wieder einer illegalen Beschäftigung nachging, ihm mangels Vorliegens einer Bewilligung die Aufnahme einer legalen Beschäftigung verwehrt ist, erscheint die Prognose einer erheblichen Wiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet.

Dem Beschwerdevorbringen, dass diese Gefahr aufgrund der bereits erfolgten Abschiebung des BF nicht mehr gegeben sei, kann nicht gefolgt werden, zumal der BF auch das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen hat.

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Verhinderung von Schwarzarbeit und den damit in Zusammenhang stehenden Folgen wie Lohndumping sowie Hinterziehung von Steuern und Abgaben sowie Einhaltung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften), als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung fremden- und arbeitsmarktrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse überwiegt in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten, zumal sein Lebensmittelpunkt in Bosnien und Herzegowina liegt und er keine schützenswerten Bindungen in Österreich oder in anderen vom Einreiseverbot umfassten Staaten hat. Seine Schwestern leben in Bosnien und Herzegowina, wo er mit Sprache und Gepflogenheiten vertraut ist.

Angesichts der strafgerichtlichen Unbescholtenheit im Bundesgebiet, ist das von belangten Behörde erlassene dreijährige Einreiseverbot unverhältnismäßig. Die Dauer des Einreiseverbots ist daher auf ein Jahr herabzusetzen, weil dies dem Fehlverhalten und den sonstigen persönlichen Umständen des BF angemessen ist. Insoweit ist der Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids in teilweiser Stattgebung der Beschwerde abzuändern.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung kann gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Können die in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstände zu keinem anderen Ergebnis, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung, führen, so fehlt die Relevanz, sodass diesbezüglich kein entscheidungswesentlicher klärungsbedürftiger Sachverhalt vorliegt (VwGH 30.06.2016, 2016/21/0179).

Auch gegenständlich wurden in der Beschwerde keine Umstände vorgebracht, die zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil I. B) Unzulässigkeit der Revision:

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Zu Spruchteil II.) Bewilligung der Verfahrenshilfe:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs. 1 EMRK oder des Art 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe sind gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen.

Da sich aus dem vorgelegten Vermögensbekenntnis im Einklang mit dem übrigen Akteninhalt ergibt, dass der BF über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, beeinträchtigt sogar die geringe Eingabegebühr seinen notwendigen Unterhalt, sodass ihm die Verfahrenshilfe antragsgemäß zu bewilligen ist.

Schlagworte

Eingabengebühr, Einreiseverbot, Herabsetzung, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2212007.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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