TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 I415 2139363-1

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Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §69 Abs1 Z2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §32
VwGVG §32 Abs1 Z2
VwGVG §32 Abs2

Spruch

I415 2139363-1/18E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, StA Nigeria, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2017, Zl. I415 2139363-1/7E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.01.2017, Zl. I415 2139363-1/7E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Wiederaufnahmewerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 29.08.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er, auf das Wesentlichste zusammengefasst damit, in seinem Heimatdorf viele Feinde gehabt zu haben und durch eine Gruppe von Banden bedroht gewesen zu sein. Zudem habe er im Jahr 2010 Probleme mit der Polizei gehabt, die ihn der Homosexualität beschuldigt habe, ohne tatsächlich homosexuell zu sein. Es gebe einen Haftbefehl gegen den Wiederaufnahmewerber und er müsse, wenn er festgenommen werde, für 14 Jahre ins Gefängnis gehen.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2016, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Wiederaufnahmewerbers negativ entschieden. Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass die vom Wiederaufnahmewerber angegebenen Fluchtgründe nicht glaubhaft seien.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 11.10.2016 stellte ihm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, als Rechtsberatung amtswegig zur Seite.

4. Gegen den Bescheid des BFA erhob der Antragsteller durch seine rechtsfreundliche Vertretung mittels Schreiben vom 27.10.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass das BFA seinen Ausführungen zu Unrecht die Glaubhaftigkeit abgesprochen habe.

5. Am 16.01.2017 fand am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung statt, an welcher der Wiederaufnahmewerber und seine Rechtsberatung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde eingangs durch den Richter auf die Bedeutung der mündlichen Verhandlung hingewiesen und ermahnt, nur die Wahrheit anzugeben, nichts zu verschweigen sowie alle verfügbaren Beweismittel vorzulegen. Nach Schluss der Verhandlung wurde dem Wiederaufnahmewerber die Verhandlungsniederschrift rückübersetzt und seiner Rechtsberatung zur Durchsicht vorgelegt. Der Wiederaufnahmewerber und seine Rechtsberatung erhoben gegen die Niederschrift keine Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit und bestätigten dies mit ihrer Unterschrift.

6. Mit Erkenntnis vom 18.01.2017, Zl. I415 2139363-1/7E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet ab. Zudem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig ist. Dieses Erkenntnis begründete das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft machen konnte. Die Entscheidung erwuchs am 23.01.2017 in Rechtskraft.

7. Mit Schreiben vom 06.03.2017 stellte der Wiederaufnahmewerber unterstützt von der Caritas Wien - ohne allerdings eine Vertretungsvollmacht derselben beizubringen - den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt: Der Wiederaufnahmewerber habe lediglich zwei Mal Kontakt zu seiner Rechtsberatung gehabt und ihm seien die Entscheidungsgründe, als die Beschwerde für ihn ausgeführt worden sei, nicht dargelegt worden. Er habe sich bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an seine Schwester gewandt und um Übermittlung des Haftbefehles gebeten, doch dies sei der Schwester zu jenem Zeitpunkt einerseits aus finanziellen Gründen, andererseits, weil sie gerade ein Kind zur Welt gebracht habe, nicht möglich gewesen. Die den Wiederaufnahmewerber im Rahmen der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vertretende Rechtsberaterin habe diesen vor der Verhandlung lediglich danach gefragt, ob er in Besitz neuer Dokumente sei, nicht aber, ob er welche besorgen könne. Auch vom Richter sei er lediglich dazu angehalten worden, "alle verfügbaren Beweismittel" vorzulegen. Aufgrund von mangelnder Manuduktion und des Umstandes, dass ihn auch seine ihm zur Seite gestellte Rechtsberatung nicht angehalten habe, Beweismittel vorzulegen, sei es dem Antragsteller erst nach abgeschlossenem Verfahren möglich gewesen, an das nun beigebrachte Beweismittel zu gelangen. Erst am 27.02.2017 habe der Beschwerdeführer den gegen ihn aufliegenden Haftbefehl von seiner Schwester per E-Mail übermittelt bekommen. Besagter Haftbefehl würde die Angaben des Wiederaufnahmewerbers stützen und sei im Verfahren vor dem BFA sowie dem BVwG als Beweismittel noch nicht zur Verfügung gestanden, sodass sich die zum Nachteil des Wiederaufnahmewerbers ausgefallene Beweiswürdigung nunmehr wesentlich ändern würde. Der betreffende Haftbefehl mitsamt E-Mail wurde dem Wiederaufnahmeantrag beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Bereits im Rahmen der am 04.10.2016 stattgefundenen niederschriftlichen Einvernahme zu seinem Asylantrag vom 29.08.2015 hatte der Beschwerdeführer gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärt, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorliege (AS 129).

Nach negativer Entscheidung seines Antrages auf internationalen Schutz stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Wiederaufnahmewerber mit Verfahrensanordnung vom 11.10.2016 den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien als Rechtsberatung für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig zur Seite. Der Wiederaufnahmewerber war im gesamten Beschwerdeverfahren durch den Verein Menschenrechte Österreich rechtsfreundlich vertreten (AS 217).

Mit Erkenntnis 18.01.2017, Zl. I415 2139363-1/7E, wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsberatung - die Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom 06.03.2017 beantragte dieser die Wiederaufnahme des Verfahrens. Vorgelegt wurde ein E-Mail vom 27.02.2017, das dem Wiederaufnahmewerber laut eigener Angabe von seiner Schwester übermittelt worden sei, mitsamt Scan eines mit dem 26.05.2010 datierten "Warrant of Arrest" (Haftbefehl) der XXXX gegen seine Person.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und den vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, einschließlich des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 18.01.2017 sowie in den Antrag vom 06.03.2017.

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht ist in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 32 VwGVG, Anm 13) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).

Zu A) Abweisung des Antrages

3.2. Rechtslage

Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, idF BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2017, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (2009 Blg NR, XXIV. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz entsprechen. Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des § 32 Abs 1-3 VwGVG mit § 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können.

3.3. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Rechtsfall

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.01.2017 rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im rechtskräftigen Erkenntnis vom 18.01.2017 die Abweisung des Asylantrages darauf gestützt, dass der Wiederaufnahmewerber keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd GFK glaubhaft machen konnte. Es wurde für nicht glaubhaft befunden, dass er in Nigeria aufgrund des Verdachtes der Homosexualität von der Polizei verfolgt werde.

Die Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG ist ausgehend von der Behauptung, dass dem Wiederaufnahmewerber die Existenz des besagten Haftbefehls vom 26.05.2010 als Beweismittel für den angeblichen Fluchtgrund erst am 27.02.2017 und somit eine Woche vor Antragsstellung bekannt wurde, zu bejahen. Da der Antrag am 06.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt ist, war er iSd § 32 Abs. 2 VwGVG rechtzeitig.

Der Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich aber als nicht berechtigt, da die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens - die Wiederaufnahmegründe sind taxativ in § 32 Abs. 1 VwGVG aufgezählt - nicht vorliegen. Im gegenständlichen Fall stützt sich der Wiederaufnahmeantrag auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG.

Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0089, mwN).

Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt u.a. die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159).

Neu entstandene Tatsachen ("nova causa superveniens"), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 ua). Im gegenständlichen Fall war die Behauptung des Wiederaufnahmewerbers, dass gegen ihn ein Haftbefehl wegen Homosexualität vorliege, bereits im Verfahren bekannt. Es liegen daher keine neu entstandenen Tatsachen vor.

In dem vorgelegten Haftbefehl vom 06.03.2017, der grob das Vorbringen des Wiederaufnahmewerbers zu seinen Fluchtgründen im Zuge seines Asylverfahrens beinhaltet, kann ein neu hervorgekommenes Beweismittel gesehen werden.

Wenn die Wiederaufnahme von einer Partei beantragt wird, muss jedoch die unterlassene Geltendmachung im wieder aufzunehmenden Verfahren "ohne ihr Verschulden" geschehen sein (vgl. VwGH 19.10.2005, 2005/09/0140; 14.11.2012, 2010/08/0165 ua) Verschulden iSd § 32 VwGVG ist nach ständiger Rsp des VwGH als Verschulden iSd § 1294 ABGB zu verstehen und bedeutet (abgesehen vom Vorsatz) die Verletzung "eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit (...), welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann."

(VwGH 07.11.1995, 93/05/0134; 10.10.2001, 98/03/0259 ua).

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch dienliche vorzubringen, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen. (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Gerade von einem juristischen Laien muss vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine solche Person über das Asylrecht in allen Einzelheiten nicht im Vorhinein informiert ist, davon ausgegangen werden, dass ein solcher Mensch im Bestreben, seine Position im Asylverfahren nicht zu gefährden, von sich aus am Verfahren mitwirkt (vgl. auch UBAS 300.443-2/3E-XVIII/58/08).

Wie umseits festgestellt und entgegen den Ausführungen im Wiederaufnahmeantrag, hatte der Wiederaufnahmewerber schon lange vor Erhalt der Kopie des angeblich gegen ihn vorliegenden Haftbefehles Kenntnis von der Existenz dieses Beweismittels, hat er doch bereits am 29.08.2015 gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärt, dass gegen ihn ein Haftbefehl vorliege (AS 129) und ist der nun vorgelegte Haftbefehl mit dem 26.05.2010 datiert. Der Beschwerdeführer hat dennoch die gesamte Zeit von der Stellung seines Asylantrages bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.01.2017 ungenützt verstreichen lassen und sich nicht rechtzeitig um Übermittlung des ihm bekannten Haftbefehles gekümmert. In diesem Zusammenhang mutet auch seltsam an, dass der rechtsberatene Antragsteller seine im Wiederaufnahmeantrag behaupteten Bestrebungen, den Haftbefehl zu beschaffen im Rahmen der am 16.01.2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht zumindest erwähnte, obwohl er vom erkennenden Richter dazu angehalten worden war, alle verfügbaren Beweismittel vorzulegen.

Vor diesem Hintergrund trifft den Beschwerdeführer ein nicht nur geringfügiges Verschulden daran, dass das neue Beweismittel im Verfahren nicht geltend gemacht werden konnte.

Eine allfällige unzureichende rechtliche Aufklärung (wie sie im Wiederaufnahmeantrag moniert wird) durch seine Rechtsvertretung muss sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zurechnen lassen.

Es lagen daher im Sinne der oben zitierten Judikatur keine Gründe vor, dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der gegenständliche Beschluss stützt sich auf die ständige oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und weicht nicht von dieser ab. Im Übrigen liegen lediglich auf den Einzelfall bezogene Rechtsfragen vor, die für sich nicht reversibel sind.

Schlagworte

Asylverfahren, Beweismittel, Eignung, Fluchtgründe,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Haftbefehl, Homosexualität,
Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung, sexuelle
Orientierung, Verschulden, Wiederaufnahmeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I415.2139363.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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