Entscheidungsdatum
08.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I414 1417032-3/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (vormals XXXX), geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Mag. Ingeborg HALLER, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg (BAS) vom XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste im Mai 2010 ins Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Beschwerdezurückweisung durch den Asylgerichtshof am 12.11.2013 rechtskräftig negativ entschieden wurde.
Der Beschwerdeführer bemühte sich sodann um einen rechtmäßigen Aufenthalt. Der rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gestaltete sich wie folgt:
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Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG, erteilt durch BFA am 23.05.2014
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Rot-Weiß-Rot -Karte plus, ausgestellt durch Magistrat der Stadt XXXX, gültig bis 22.04.2016
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Verlängerung der Rot-Weiß-Rot -Karte plus durch Magistrat der Stadt XXXX, gültig bis 22.04.2017
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Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", ausgestellt durch BH XXXX, gültig bis 13.10.2019
Der Beschwerdeführer lernte im Jahr 2012 seine nunmehrige Ehefrau kennen; seit dem 25.10.2012 leben sie im gemeinsamen Haushalt.
Das erste gemeinsame Kind wurde am XXXX geboren. Dieses Kind leidet an Trisomie 21 und einem Herzfehler und ist im Besitz eines Behindertenpasses nach dem BBG. Für das behinderte Kind besteht erhöhter Förder-, Betreuungs- und Therapieaufwand.
Am 10.08.2013 folgte die Heirat mit der österreichischen Staatsangehörigen. Aus der Ehe gingen drei weitere gemeinsame Kinder hervor, geboren am XXXX, XXXX und XXXX. Bis zur Inhaftierung des Beschwerdeführers lebte er mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt. Die Familie hat sich um eine günstigere Wohnung bemüht und im Februar 2019 den Zuschlag einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft erhalten. Die Kaution wurde bereits bezahlt, die Familie wird demnächst übersiedeln.
Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Inhaftierung erwerbstätig. Er wurde bereits zweimal von einem inländischen Strafgericht rechtskräftig verurteilt. Am 30.07.2016 wurde er zu einer bedingten Freiheitsstrafe von Monaten wegen Körperverletzung und versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt. Derzeit verbüßt er eine 2 1/2-jährige Haftstrafe nach Verurteilung am 14.12.2018 wegen Suchtgifthandels. Der Beschwerdeführer ist als Freigänger bei einer Firma beschäftigt und verfügt über eine Einstellungszusage bei dieser Firma nach Verbüßung seiner Haftstrafe.
Aufgrund Kenntnis der letzten Verurteilung wurde von der belangten Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde von der beabsichtigten Vorgehensweise mit Schreiben vom 17.01.2019 informiert. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm er Gebrauch und beantwortete die Fragen der belangten Behörde. Unterlagen zum Beleg des Familienverbandes und der Integration wurden mitübermittelt.
Für den 12.02.2019 wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin geladen. In Ergänzung ihrer Angaben vor der belangten Behörde übermittelte sie ein Schreiben und fasste darin die familiäre Situation und die Bindung der Kinder an den Beschwerdeführer nochmals zusammen. Dem Schreiben wurden weitere Unterlagen und Fotos, die den Beschwerdeführer mit den Kindern oder bei Freizeitaktivitäten in einem kulturellen Verein zeigen, beigelegt.
Ohne den Beschwerdeführer persönlich einvernommen zu haben, erließ die belangte Behörde mit Bescheid vom 08.03.2019, Zl. XXXX, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag in der Haft zugestellt, die am 04.04.2019 eingelangte Beschwerde ist rechtzeitig. Moniert wurde im Wesentlichen eine einseitige Würdigung der Beweise bzw. dass die für den Beschwerdeführer sprechenden Beweise nicht oder nicht entsprechend berücksichtigt worden seien. Eine Prüfung eines schützenswerten Familienlebens wäre unabdingbar gewesen und hätte anher eine Interessenabwägung stattfinden müssen. Der Beschwerde wurden weitere Beweismittel angefügt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich als Freigänger bei einer Firma beschäftigt sei.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.04.2019 in der Gerichtsabteilung I414 ein. Am 18.04.2019 wurde mit Beschluss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. wiedergegebene Verfahrensgang wird festgestellt.
Dazu werden ergänzend folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Seine Ehegattin und die vier gemeinsamen Kinder sind österreichische Staatsangehörige. Er bekennt sich zum christlichen Glauben, spricht Englisch und Deutsch und ist gesund und arbeitsfähig. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer ist Mitglied in der Trommelgruppe "XXXX" und tritt bei Kulturveranstaltungen auf. Er spielt Fußball in einem Team und wirkte bei der Veranstaltung "Integrationsfußball" mit. Außerdem hat er sich einer "XXXX" angeschlossen.
Der Beschwerdeführer hat ein inniges Verhältnis zu seinen Kindern, insbesondere ist für die behinderte Tochter ein ständiger Kontakt zu ihrem Vater von großer Bedeutung. Der Beschwerdeführer trägt wesentlich zum Wohl seiner vier Kinder bei und sorgte mit seinem Einkommen aus Erwerbstätigkeit für den finanziellen Unterhalt der Familie. Die Familie bezieht derzeit Leistungen aus der Mindestsicherung.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Einreise, zum Asylverfahren und zum weiteren Aufenthalt in Österreich ergibt sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde. Seine Identität konnte bereits im Asylverfahren verifiziert werden. Zudem legte er ein Reisedokument (AS 179) und einen gültigen österreichischen Führerschein vor (AS 89 und 593). Das Asylverfahren wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofs zur Zl. A11 417.032-1/2011/14E rechtskräftig abgeschlossen. Dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig war, ergibt sich aus dem zentralen Fremdenregister. Derzeit hält sich der Beschwerdeführer aufgrund des Titels "Familienangehöriger", gültig bis 13.10.2019, in Österreich auf.
Die Feststellungen zum Familienleben mit seiner Ehegattin ergeben sich aus den Angaben von Frau XXXX vor der belangten Behörde und der vorgelegten Heiratsurkunde (AS 83). Aus dem zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau seit dem 25.10.2012 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Die vorgelegten Geburtsurkunden belegen, dass es sich um die vier gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau handelt. Die Behinderung des Erstgeborenen Kindes ergibt sich aus dem medizinischen Sachverständigengutachten und den Behindertenpass. Bereits in diesem Gutachten ist festgehalten, dass für das behinderte Kind ein erhöhter Förder-, Therapie- und Betreuungsaufwand besteht. Dies wird auch in einem Schreiben der Lebenshilfe XXXX, Frühförderung und Familienbegleitung, vom 17.3.2019 bestätigt. Außerdem wird auf die Abhängigkeit der Kinder vom Vater hingewiesen. Besonders das behinderte Kind leidet an der Abwesenheit des Beschwerdeführers. Im Falle der Abschiebung des Beschwerdeführers werden massive negative Konsequenzen für das bisher intakte Familiensystem befürchtet. Dass ein sehr inniges Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und seinen vier Kindern besteht, ergibt sich zudem aus den im Verwaltungsakt befindlichen Fotos, die dem Beschwerdeführer bei diversen Aktivitäten mit seinen Kindern zeigen. Aus der Besucherliste ist abzulesen, dass der Beschwerdeführer in regelmäßigen Abständen von seiner Ehegattin und wöchentlich auch von allen seinen Kindern in der Strafhaft besucht wird.
Die belangte Behörde führte auf Bescheidseite 49 aus:
"Offensichtlich haben Sie kein Interesse daran, eine Bereicherung für die österreichische Gesellschaft bzw. für den Arbeitsmarkt zu sein. Es muss davon ausgegangen werden, dass Ihre einzige Motivation an einem Verbleib in Österreich die wesentliche Verbesserung Ihrer wirtschaftlichen Situation, zum einen durch das Ausnützen Ihrer Ehefrau und zum anderen durch die Begehung von Straftaten, ist" (AS 381). Wie die belangte Behörde zu derartigen Erkenntnissen gelangt, bleibt völlig offen. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde ergibt sich aus dem Auszug aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nämlich eindeutig, dass der Beschwerdeführer bis zu seiner Inhaftierung erwerbstätig war und zum Familieneinkommen wesentlich beigetragen hat. Er hatte sich nach Abschluss seines Asylverfahrens um einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gekümmert und somit freien Zugang zum Arbeitsmarkt erwirkt. Der Beschwerdeführer ist auch in der Strafhaft bemüht, einer Beschäftigung nachzugehen. Dies bestätigt die Justizanstalt mit Schreiben vom 01.04.2019. Es wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer als Freigänger seit dem 25.03.2019 einer Beschäftigung nachgeht und eine fixe Anstellung für die Zeit im elektronisch überwachten Hausarrest bzw. für die Zeit nach der Haft erhält (AS 537). Zur sonstigen Integration leistet der Beschwerdeführer einen Beitrag zum gesellschaftlichen Miteinander, indem er mit seiner Trommelgruppe bei Kulturveranstaltungen auftritt, in einem Verein Fußball spielt und bei einem kulturellen Fußballevent mitgewirkt hat. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem beigebrachten Lichtbildaufnahmen, die den Beschwerdeführer bei diversen Aktivitäten zeigen und befinden sich unter den Fotos auch Ablichtungen von Zeitungsartikeln und Facebook-Einträgen von unterschiedlichen Veranstaltungen (Fotos sind als Konvolut unter AS 318 eingelegt).
Dass der Beschwerdeführer auch Deutsch spricht, ergibt sich aus dem vorgelegten Zeugnis A2, das er bereits im Jahr 2014 (AS 85 und 575) erreicht hat. Zudem hat der Beschwerdeführer in Österreich am 02.12.2013 einen Hauptschulabschluss gemacht und er wurde im Gegenstand "Deutsch" positiv beurteilt (AS 87 und 567). Wie oben angeführt, war der Beschwerdeführer erwerbstätig und lässt sich in Gesamtschau daraus schließen, dass er zumindest solche Deutschkenntnisse besitzt, um sich im alltäglichen Leben zu verständigen.
In einer Gesamtbetrachtung konnte daher ein fortgeschrittener Grad an Integration festgestellt werden.
Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Gesundheitliche Probleme wurden aber seitens der Ehegattin vorgebracht. Ein operativer Eingriff bei der Ehegattin ist im Juni 2019 geplant (AS 565) und es wurde auch ein Arztbrief vom 18.03.2019 beigebracht. Bereits in ihrem ausführlichen Schreiben (AS 303-305) wies die Ehegattin auf einen OP-Termin und den damit verbundenen Schwierigkeiten hinsichtlich der Kinderbetreuung hin. Der Beschwerdeführer befindet sich zwar gegenwärtig in Strafhaft, doch konnte nachvollziehbar aufgezeigt werden, welche tragende Rolle der Beschwerdeführer im Falle einer gänzlichen Abwesenheit der Mutter bei der Versorgung der vier Kinder spielt.
Die Verurteilungen des Beschwerdeführers und die derzeitige Verbüßung der Strafhaft ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich und der im Akt befindlichen Urteilsausfertigung zu XXXX. Ergänzend dazu wurde seitens des erkennenden Gerichtes die Protokollabschrift zur Hauptverhandlung eingeholt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen eine Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, mit Bescheid in die Rückkehrentscheidung verlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1), nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumsfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist (Z 1a), ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 und 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seine Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubte unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist (Z 2), ihm einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist (Z 3), der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht (Z 4) oder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde (Z 5). Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in eine oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in denen der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus von Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
Der mit "Verbote Abschiebung" betitelte § 50 FPG lautet:
"§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."
Gemäß § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Z. 1 FPG kann das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren verbinden, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitstrafe von mehr als sechs Monaten oder mindestens mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet auszugsweise:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
[...]
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als begründet:
Der Beschwerdeführer konnte, wie in den Feststellungen angeführt, nachweisen, dass er seit Mai 2010 ununterbrochen in Österreich rechtmäßig niedergelassen ist. Nach dem abgeschlossenen Asylverfahren verfügte er erstmals ab 23.5.2014 über einen Aufenthaltstitel, er ist seit seiner Einreise im Bundesgebiet Hauptwohnsitz gemeldet und ging ab 23.06.2014 einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Derzeit verfügt der Beschwerdeführer über einen gültigen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" und ist sein Aufenthalt daher rechtmäßig.
Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1).
§ 11 Abs 1 NAG normiert als absolute Versagungsgründe, unter welchen Voraussetzungen einem fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden dürfen. Diese Voraussetzungen sind einer Prüfung gemäß Art. 8 EMRK nicht zugänglich. Dabei stellen die Versagungsgründe in § 11 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG fremdenpolizeiliche Maßnahmen ab, die rechtskräftig erlassen worden sind (vgl. EB zu BGBl. I Nr. 100/2005). Nachdem die gegenständliche Rückkehrentscheidung i.V.m. dem gegen den Beschwerdeführer erlassenen Einreiseverbot nicht rechtskräftig erlassen wurde, liegen diese Versagungsgründe des § 11 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG gegenständlich nicht vor. Für ein Vorliegen der übrigen Versagungsgründe des § 11 Abs 1 NAG finden sich keinerlei Anhaltspunkte.
§ 11 Abs 2 NAG normiert hingegen relative Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel. Diese müssen, neben dem Fehlen von absoluten Versagungsgrund nach Abs. 1 leg cit. erfüllt sein, um einem Fremden einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Sämtliche Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. stehen unter dem Vorbehalt einer möglichen Prüfung nach Art. 8 EMRK. Es kann daher trotz Vorliegens eines oder mehrerer dieser Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn es zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens verfassungsgesetzlich geboten ist (vgl. Peyerl/Czech in Abermann, Czech, Kind, Peyerl (Hrsg.), NAG - Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (2016) § 11 Rz 16).
Gemäß § 11 Abs 2 Z 1 i.V.m. Abs 4 NAG darf die Behörde keinen Aufenthaltstitel erteilen, wenn der Aufenthalt eines Fremden öffentlichen Interessen widerstreiten würde. Dieses gemäß Abs. 4 leg cit. dann der Fall, wenn dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde oder er ein Naheverhältnis zu einer terroristischen oder extremistischen Gruppierung hat.
Bei Auslegung des § 11 Abs 2 Z 1 NAG, also der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Fremden, ist eine das Gesamtverhalten des Fremden zu berücksichtigende Prognose zu erstellen. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (vgl. VwGH vom 15.04.2010, 2008/22/0005; vom 28.02.2008, 2006/21/0218). Die bloße Auflistung der entsprechenden Verurteilungen ist daher für die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht ausreichend (vgl. VwGH vom 3.4.2009, 2007/21/0153).
Für das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist es nicht erforderlich, dass eine strafrechtliche Verurteilung des Fehlverhaltens vorliegt. Die Behörde muss vielmehr selbst die Art und Schwere des Fehlverhaltens beurteilen (vgl. VwGH vom 19.2.2014, 2011/22/0009).
Wenn die Versagung eines Aufenthaltstitels einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK begründen würde, muss der Aufenthaltstitel erteilt werden. Entgegen dem Gesetzeswortlaut besteht kein Raum für Ermessen der Behörde (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 35).
Zur Beurteilung, ob die Versagung eines Aufenthaltstitels einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben darstellt, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und unter Bedachtnahme auf die in § 11 Abs 3 NAG genannten Kriterien eine (§ 9 BFA-VG entsprechende) gewichtende Gegenüberstellung des Interesses des Fremden an der Erteilung eines Aufenthaltstitels und dem öffentlichen Interesse an der Versagung vorzunehmen (vgl. VwGH vom 20.10.2011, 2009/21/0182; vom 18.6.2009, 208/22/0387).
Der Begriff des Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und hauptsächliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] dran 20.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK valenten Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38).
Der Begriff des Familienlebens in Art. 8 EMRK umfasst jedenfalls die Beziehung von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten und schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).
Das Bestehen eines Familienlebens liegt jedenfalls vor. Der Beschwerdeführer lebt seit 2012 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner damals noch Lebensgefährtin. Das erste gemeinsame Kind wurde im April 2013 geboren und einige Monate später heiratete der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin. Aus dieser Ehe gingen drei weitere Kinder hervor. Bis zur Inhaftierung des Beschwerdeführers lebte die Familie im gemeinsamen Haushalt. Daher ist das Kindeswohl jedenfalls in Betracht zu ziehen. Das Familienleben zwischen Eltern und Kindern entsteht grundsätzlich mit der Geburt der Kinder und ist unabhängig von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eltern; daher reichen regelmäßige Wochenendbesuche aus (VfGH 11.03.2014, U37-39/2013-13). Das Familienleben wird durch regelmäßige Besuche in der Justizanstalt aufrechterhalten.
Der EGMR hatte in seinem Urteil vom 03.10.2014, J. gegen die Niederlande, Nr. 12.738/10 erklärt: "Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. In diesem Fall hatte der EGMR entschieden, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin, die seit mehr als 16 Jahren in den Niederlanden war und nie strafrechtlich verurteilt worden war, nicht rechtmäßig sei. Sie hatte in den Niederlanden drei Kinder und einen Ehemann, die alle die niederländische Staatsbürgerschaft hatten. Es war auch die Beschwerdeführerin, die sich im Alltag vorrangig um die Kinder kümmerte, sodass offensichtlich war, dass dem Wohl der Kinder am besten entsprochen werde, wenn ihre derzeitigen Lebensumstände nicht durch einen zwangsweisen Umzug der Mutter gestört würden. Auch wenn die Interessen der Kinder allein nicht entscheidend sein können, muss solchen Interessen auf jeden Fall erhebliches Gewicht beigemessen werden. Im damaligen Fall war es daher unerheblich, dass das Familienleben zu einer Zeit geschaffen worden war, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass das Fortbestehen von Familienleben im Gaststaat wegen des Einwanderungsstatus einer von ihnen von Beginn an unsicher war.
Der gegenständliche Fall hat allerdings andere Voraussetzungen; der Beschwerdeführer hält sich mittlerweile schon seit knapp neun Jahren im Bundesgebiet auf und die gesamte Dauer seines Aufenthaltes war rechtmäßig. Seine Ehegattin und die Kinder sind allesamt österreichische Staatsangehörige. Das in Österreich geführte Familienleben kann nicht ohne Weiteres auch in Nigeria fortgeführt werden, zumal eine Übersiedelung einer sechsköpfigen Familie mit vier in Österreich aufgewachsenen Kindern im Alter von sechs, fünf, vier und zwei Jahren nicht ohne erheblichen Aufwand bewerkstelligt werden kann. Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall auch, dass das älteste Kind eine Behinderung im Ausmaß von 50% hat und ein erhöhter Betreuungs-, Förder- und Therapieaufwand besteht. Miteinbezogen werden muss auch, dass es für das behinderte Mädchen besonders wichtig ist, regelmäßigen Kontakt zum Vater zu halten. Ob und wie für das Wohl der Kinder in Nigeria gesorgt werden könnte, hat die belangte Behörde nicht geprüft, wie sie es auch unterlassen hat, generelle Feststellungen zum Familienleben und dem Kindeswohl zu treffen und in die Entscheidung miteinzubeziehen. In einem Absatz wurde ausgeführt, dass es den Familienangehörigen unbenommen sei, Kontakt durch technische Einrichtungen zu halten und der Familie seien auch Besuche am zukünftigen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers möglich. Nach Ansicht des erkennenden Richters ist die Familie des Beschwerdeführers aber gerade nicht in der Lage, ihn in den Herkunftsstaat zu begleiten oder zu besuchen. Es fehlen nämlich auch die finanziellen Mittel für eine solche Übersiedelung, zumal die Ehegattin vor der belangten Behörde auch angab, kein Geld für einen Flug nach Nigeria aufbringen zu können und dass ein Umzug auch aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme und den Kleinkindern nicht möglich ist (AS 287).
Die belangte Behörde stellte dazu mehrfach auf die "desaströse finanzielle Lage" (Bescheidseite 8) ab, stellte aktenwidrig die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers fest (AS 337) und geht ohne einen nachvollziehbaren Anhaltspunkt zu nennen von künftiger Schwarzarbeit des Beschwerdeführers aus (AS 375). Im Widerspruch zu den ermittelten Geldsorgen der Familie vermeint die belangte Behörde auf Bescheidseite 7 aber, dass im Verfahren nichts zu Tage kam, "dass Sie nicht in Lage wären, sich durch Annahme einer legalen Erwerbstätigkeit, wenngleich nunmehr außerhalb des Schengenraumes, sich selbst und Ihre Familie selbstständig versorgen zu können
[...]".
Wie oben bereits festgestellt, hat der Beschwerdeführer nach seinen Möglichkeiten alles getan, um die Familie zu versorgen. Er hat sich um Zugang zum Arbeitsmarkt gekümmert und war (fast) durchgehend erwerbstätig. Durch Bewerbung um eine begünstigte Wohnung ist zudem ein Bemühen zu erkennen, die finanzielle Belastung zu reduzieren.
Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nunmehr vorwirft, in Österreich trotz legaler Erwerbstätigkeit nicht genügend finanzielle Mittel für den Familienunterhalt aufzubringen und ihm gleichzeitig unterstellt, sich und seine Angehörigen auch von außerhalb Österreichs finanzieren zu können, ohne dafür Gründe zu nennen, stehen diese Wertungen klar im Widerspruch zueinander.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnden Normen gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein besonderer Stellenwert zukommt. Diese Normen enthalten aber auch beispielsweise den § 9 BFA-VG, wonach eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.
Aus den folgenden Gründen war jedoch mit der Behebung des angefochtenen Bescheides vorzugehen:
Grundsätzlich ist in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FPG das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers (VwGH vom 30.07.2014, Zl. 2013/22/0281).
Unstrittig steht fest, dass der Beschwerdeführer die in den genannten Strafurteilen zugrundeliegenden Taten zu verantworten hat. So wurde der Beschwerdeführer erstmals vom Landesgericht XXXX mit Urteil vom 26.07.2016 (rechtskräftig am 30.07.2016) wegen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 10.12.2018 (rechtskräftig am 14.12.2018) wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Der Beschwerdeführer hat gegen bedeutende öffentliche Interessen, dabei insbesondere des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität, verstoßen. Auch dem Aspekt der mehrfachen Tatbegehung kommt große Bedeutung zu.
Auch wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch das Verhalten des Beschwerdeführers per se vorliegt, so ist insgesamt bezüglich der vom Beschwerdeführer zuletzt verübten Straftat auszuführen, dass er sich aus Geldnot dazu hat hinreißen lassen. Vor der Strafrichterin gab er befragt zu Sache an: "Ich wollte es nicht machen. Ich habe es gemacht, weil ich Stress hatte. Ich habe eine Familie, vier Kinder, und ich habe einen Kredit, den ich abbezahlen muss. Außerdem möchte meine Mutter die Kinder sehen, sie ist schon alt. Und ich habe immer geschaut, dass sie zu Besuch kommen kann, aber am Ende des Jahres bleibt nichts, auch nicht für uns, damit wir hinfliegen können. Ich habe es für die Kinder getan. Außerdem hat meine älteste Tochter eine Behinderung. Ich wollte es nicht machen. Es war ein Fehler und ich bitte um Vergebung."
(Protokoll der HV am 10.12.2018, S. 6).
Der Beschwerdeführer wurde bisher zu keiner unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt, hat daher zuvor keine Freiheitsstrafe verbüßen müssen und legte ein vollumfängliches Geständnis ab. Der belangten Behörde ist insofern beizupflichten, wenn sie die Taten des Beschwerdeführers als Negativbeispiel für seine Vaterrolle wertet, doch muss ihm sein ständiges Bemühen auch für die Zeit nach seiner Haftentlassung durch Einstellungszusagen vorzusorgen in diesem Zusammenhang zu Gute gehalten werden. Zudem ist der Beschwerdeführer seit dem 25.03.2019 Freigänger und er geht als Freigänger einer Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer hat bisher auch in Strafhaft alles darangesetzt, sein Bemühen um das Wohl seiner Kinder aufzuzeigen und er hat die Möglichkeit, nunmehr durch erstmalige längere Abwesenheit von seiner Familie aus seinen Fehlern und dem verspürten Haftübel zu lernen.
Im Übrigen ist der Vorwurf der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich "im gesamten fremdenrechtlichen Verfahren - auch nur ansatzweise - für die Straftaten entschuldigt bzw. reumütig gezeigt" (Bescheid Seite 44), nicht gerechtfertigt. Der zum damaligen Zeitpunkt unvertretene Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde nicht persönlich einvernommen, obwohl er jederzeit greifbar gewesen wäre. Stattdessen wurde er zur Beantwortung von Fragen aufgefordert. Diesem Auftrag kam er auch nach. Es wurde nur seine Ehegattin als Zeugin niederschriftlich befragt. Aus dem Protokoll zur strafgerichtlichen Verhandlung ergibt sich seine Einsichtigkeit und beteuerte er mehrfach, einen Fehler begangen zu haben und sich entschuldigen zu wollen.
Darüber hinaus müssen auch die sonstigen Lebensumstände des Beschwerdeführers gegenständlich Berücksichtigung finden und ist diesbezüglich jedenfalls vom Überwiegen des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers nach Art. 8 EMRK auszugehen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in einer Vielzahl von Erkenntnissen mit der nach § 9 Abs 2 BFA-VG durchzuführenden Interessenabwägung bei einem langjährigen Inlandsaufenthalten des Fremden befasst. Aus dieser Rechtsprechung leitet der VwGH Folgendes ab (vgl VwGH vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005): Der VwGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253, mwN). Der rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers liegt mit neun Jahren nur knapp unter dieser 10-Jahres-Grenze und ist die Situation daher vergleichbar.
Der VwGH hat unter anderem folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - als Anhaltspunkte dafür anerkannt, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Dazu zählen die Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. etwa VwGH vom 26.02.2015, Ra 2014/22/0025, vom 18.10.2012, 2010/22/0136, sowie vom 20.01.2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, sowie vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie vom 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. VwGH vom 23.05.2012, 2010/22/0128, sowie (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) vom 09.09.2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0129, sowie vom 31.01. 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. VwGH vom 10.12.2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. VwGH vom 16.10.2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. VwGH vom 31.01. 2013, 2011/23/0365).
Umgekehrt hat der VwGH in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, und vom 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, sowie VwGH vom 03.09.2015, Ra 2015/21/0121, und vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (wie etwa das Ausländerbeschäftigungsgesetz; siehe VwGH vom 16.10.2012, 2012/18/0062, sowie VwGH vom 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. VwGH vom 20.07.2016, Ra 2016/22/0039, sowie vom 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. VwGH vom 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253 sowie vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. VwGH vom 31.01.2013, 2012/23/0006).
Im Ergebnis bedeutet das, dass auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen ist, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als mehrjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen und vor allem rechtmäßigen Aufenthaltsdauer.
Der Beschwerdeführer lebt seit Mai 2010 ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich. Er lebt mit seiner langjährigen Ehegattin sowie seinen vier minderjährigen, noch nicht schulpflichtigen Kindern, die allesamt österreichische Staatsangehörige sind im gemeinsamen Haushalt. Alle vier Kinder sind aufgrund ihres Alters auf eine Betreuung angewiesen und besonders seine behinderte Tochter benötigt einen erhöhten Betreuungs-, Förder- und Therapieaufwand. Die Kinder sind alle in Österreich aufgewachsen und haben naturgemäß eine intensive Beziehung zu ihrem Heimatstaat.
Der Beschwerdeführer verfügt über freien Zugang zum Arbeitsmarkt, war seit Abschluss seines Asylverfahrens im Inland legal erwerbstätig, hat nachweisbar Deutschkenntnisse erlangt, den Hauptschulabschluss, einen Staplerführerschein und einen Autoführerschein in Österreich gemacht. Er ist durch zahlreiche kulturelle und sportliche Aktivitäten gesellschaftlich integriert und sind all diese Aspekte des Privat- und Familienlebens zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem er sich aufgrund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhielt. In Nigeria bestehen zwar noch familiäre Kontakte zu seiner Mutter und Geschwistern, zu einem Wiedersehen kam es mangels Reisebudgets aber nur einmal im Jahr 2016.
Nicht berücksichtigt hat die belangte Behörde zudem das Kindeswohl der vier minderjährigen Kinder, von denen das älteste zu 50% behindert ist und welche allesamt ausschließlich in Österreich aufgewachsen sind und sozialisiert wurden und zudem österreichische Staatsangehörige sind. Die Auswirkungen einer Außerlandesbringung und einer auf Jahre verwehrten Wiedereinreise auf das Familienleben wurden weder im Lichte des Fortkommens der Ehefrau mit vier Kindern als Alleinerzieherin und ohne eigenem Einkommen noch hinsichtlich der Bindung zwischen Vater und Kindern miteinbezogen.
Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit den gegenläufigen familiären und privaten Interessen hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der genannten Umstände im konkreten Einzelfall ein Überwiegen der familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet ergeben.
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG ist Voraussetzung für die Erlassung eines Einreiseverbotes die Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG erweist sich im konkreten Einzelfall als unzulässig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Abschließend wird der Beschwerdeführer jedoch eindringlich darauf hingewiesen, dass bei neuerlichem strafbarem Verhalten seinerseits jederzeit die erneute Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes trotz seines Privat- und Familienlebens möglich ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Beschwerdeführer hat zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, doch wurden bereits alle für ihn sprechenden Tatsachen der Entscheidung zugrunde gelegt und musste sich der erkennende Richter kein eigenes Bild mehr vom Beschwerdeführer machen. Sein Vorbringen wurde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Seitens der belangten Behörde wurde keine Verhandlung beantragt. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei der Interessenabwägung nach § 11 NAG bzw. § 9 BFA-VG an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und diese - soweit erforderlich - auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.
Schlagworte
Abschiebung, Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, Einvernahme,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I414.1417032.3.01Zuletzt aktualisiert am
27.02.2020