Entscheidungsdatum
26.06.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2001918-2/6.E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX aliasXXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass der erste Satz des Spruchpunktes II zu lauten hat: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste 2014 illegal ein und stellte am 08.01.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit wirtschaftlichen Motiven, einer privaten Verfolgung und Terrorismus begründete. Diesen wies das BFA ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, was dieses Gericht nach Verhandlung vom 01.12.2015 am 04.12.2015 zur Gänze bestätigte.
Der Beschwerdeführer verblieb indes im Inland und wurde 2017 zu einer Identitätsprüfung geladen, um ein Heimreisezertifikat zu erwirken. Der Ladungsbescheid wurde am 24.05.2017 durch Hinterlegung zugestellt, worauf der Beschwerdeführer am 30.05.2017 einen Folgeantrag stellte, zu dem er angab, der Biafra-Bewegung anzugehören und im November 2015 deshalb an einer Kundgebung teilgenommen zu haben, wo von Angehörigen der Botschaft des Herkunftsstaats Videoaufnahmen gemacht worden seien
Einvernommen ergänzte er, dass er seit etwa Oktober 2015 Mitglied der Biafra-Bewegung in Österreich sei und auch an einer Kundgebung im Februar 2017 teilgenommen habe. Fotos und Videos seien jeweils 2015 und 2017 angefertigt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I), erteilte keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" erließ wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 31.07.2017, die im Wesentlichen das Vorbringen der Teilnahme an Kundgebungen und die angefertigten Fotos und Videos wiederholt. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt habe sich entgegen der Ansicht des BFA geändert, weshalb dieses nicht zurückweisen dürfen hätte. Beantragt werde Aufhebung und Zurückverweisung, eventualiter Gewährung internationalen Schutzes.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der einkommens- und vermögenslose Beschwerdeführer ist volljährig, kinderlos, nicht verheiratet, gesund, erwerbsfähig und Christ. Er spricht Englisch, seine Muttersprache ist Ibo. Seine Identität steht nicht fest. Im Herkunftsstaat hat er zwölf Jahre die Schule besucht und seinen Lebensunterhalt als Autowäscher verdient. Dort leben zumindest seine Mutter und seine Schwester.
Dort leben seine Mutter und seine Schwester. Zu ihnen hat er derzeit keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer übte in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus, konnte keine eigenen Existenzmittel nachweisen und ist hier nicht selbsterhaltungsfähig. Nach eigenen Angaben ist in Niederösterreich ehrenamtlich für das Rote Kreuz tätig und verteilt dabei Nahrung an Bedürftige, nimmt aber auch an den Gottesdiensten einer Pfingstgemeinde in Innsbruck teil, wo er nach deren Angaben wohnt, und verkauft in Tirol eine Straßenzeitung. Der Beschwerdeführer spricht ein wenig Deutsch, hat aber keine positiv abgelegte Sprachprüfung nachgewiesen.
Er hat keine familiären Bindungen und seit 24.07.2017 keinen gemeldeten Wohnsitz in Österreich. Er lebte 2016/17 etwa neun Monate mit einer Österreicherin in einer Wohngemeinschaft, führte aber keine Beziehung mit ihr. Seit 28.08.2017 verfügt er über eine Obdachlosenadresse in Wien. Ein über die Zugehörigkeit zur Kirche und die sich durch die alltäglichen Verrichtungen ergebenden Kontakte hinausgehendes Privatleben des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und außer in der Kirche in keiner Organisation Mitglied. zwei Empfehlungsschreiben
1.2 Zum Herkunftsstaat:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zu den Feststellungen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
Rückkehr
Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung i. S. v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 10.12.2018). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation" (ÖB 10.2018). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 10.12.2018).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 10.12.2018). Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2018). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 10.12.2018) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2018) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 10.12.2018; vgl. ÖB 10.2018). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2018).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 10.12.2018). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2018).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z. B. eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 10.12.2018).
1.3 Zum Fluchtvorbringen:
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in seinem nunmehrigen Folgeverfahren und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung und auch keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
Er wird insbesondere auch nicht wegen einer Unterstützung der Biafra-Organisationen verfolgt werden, wobei auch deren Unterstützung durch den Beschwerdeführer nicht festgestellt werden kann.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem offenbar vollständigen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts, einschließlich jenes des ersten Beschwerdeverfahrens zu I406 2001918-1. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der vorliegenden Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Mangels vorgelegter Dokumente war seine Identität nicht feststellbar.
Die Feststellung betreffend die strafgerichtliche Unbescholtenheit beruht auf dem Strafregisterauszug, jene zur Gesundheit auf dem insoweit keinerseits bezweifelten Bescheidinhalt (S. 41, AS 157). Daraus und aus dem Alter folgte die gegebene Arbeitsfähigkeit. Außerdem gibt der Beschwerdeführer selbst an, als Autowäscher gearbeitet zu haben und ist aktuell für das Rote Kreuz tätig zu sein. Betreffend die angeführten Tätigkeiten waren keine weiteren Feststellungen möglich, weil die regelmäßige Überwindung der Entfernungen zwischen Niederösterreich oder Wien einer- und Innsbruck andererseits nicht plausibel gemacht wurde. Gegen eine Unterkunft in Tirol spricht auch die Meldung einer Obdachlosenadresse in Wien.
Darüber hinaus konnten die Feststellungen dieses Gerichts im ersten Beschwerdeverfahren herangezogen werden, um die nunmehrigen Feststellungen zur Person zu vervollständigen.
2.3. Zu den Fluchtgründen:
Im Kern stützt der Beschwerdeführer den vorliegenden Folgeantrag - neben den im vorigen Verfahren behaupteten und bereits abgehandelten Vorgängen - auf die Behauptung, er sei nun aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der separatistischen Biafra-Bewegung in Gefahr, bei einer Rückkehr staatlicher Verfolgung ausgesetzt zu sein. Dies deshalb, weil er in Österreich an Demonstrationen teilgenommen habe, wovon Foto- und Videomaterial angefertigt worden sei. Ihm drohe bei seiner Rückkehr Verfolgung von staatlicher Seite.
Das Gericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass dieses Vorbringen nicht glaubhaft ist (S. 10 des Bescheids, AS 130). Die Behauptung des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme am 30.06.2017, er habe im Erstverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht sagen müssen, was er bisher vorgebracht habe, verfängt nicht, zumal der Beschwerdeführer nun erklärte, warum er nach dem Ladungsbescheid zur Identitätsprüfung den Folgeantrag stellte: "Die österreichische Regierung schickte mir einen Brief. Ich weiß nicht was darin stand, weil ich kein Deutsch verstehe, ich habe den Brief meinem Anwalt gegeben. Dieser Brief ist der Grund, warum ich einen neuen Antrag stelle." (AS 94)
Schuldig bleibt er Beschwerdeführer auch eine konsistente Erklärung, welche Rolle er bei der Biafra-Bewegung in Österreich einnehme. In Gesamtschau ist dem BFA daher beizupflichten, dass das Vorbringen sich als nicht glaubhaft qualifizierte.
Das Gericht gelangt daher wie die belangte Behörde zur Überzeugung, dass die im Folgeverfahren erstmals vorgebrachten Fluchtgründe nicht festgestellt werden können, weshalb kein wesentlich geänderter entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliegt (S. 10, 41 ff des Bescheids, AS 130, 157 ff).
Unabhängig davon ist aber bereits hier festzuhalten, dass die behauptete Mitgliedschaft dem Vorbringen nach bereits vor dem Abschluss des vorigen Asylverfahrens bestanden hätte, sodass der Beschwerdeführer sie in der Verhandlung am 01.12.2015 hätte vorbringen können.
Demgemäß war festzustellen, dass für den Beschwerdeführer im Rückkehrfall keine Verfolgung aus den genannten Gründen oder sonstige existentielle Bedrohung zu befürchten ist, der im Speziellen keine Verfolgung wegen Verbindungen zur Biafra-Bewegung zu erwarten hat.
2.4. Zur Lage im Herkunftsland:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. des UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit geboten, zum Länderinformationsblatt zu Nigeria Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit nahm er nicht wahr, sondern beschränke sich auf Auskünfte zu seiner Integration. Soweit oben zitiert, entsprechen die Länderfeststellungen auch nahezu wörtlich jenen des vorangegangenen Erkenntnisses dieses Gerichts (S. 61 ff), sodass an deren Zutreffen kein Zweifel aufkam.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Das schon im vorangegangenen Verfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits 2017 abschließend beurteilt und im seinerzeitigen Erkenntnis berücksichtigt worden. Insofern geht es im aktuellen Folgeverfahren um die Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen und im Beschwerdeverfahren um den Inhalt des nun bekämpften Bescheids.
Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.
3.1. Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids):
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.
Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.
Das - gesteigerte - Vorbringen zum Fluchtgrund des vorangegangenen Verfahrens, wonach er zusätzlich Verfolgung wegen seiner Mitgliedschaft bei Biafra zu erwarten habe, beinhaltet weder einen neuen noch einen neu hervorgekommenen Sachverhalt. Es erwies sich auch nicht als glaubhaft.
Im Folgeantragsverfahren können gemäß ständiger Rechtsprechung - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben. Demnach sind behauptete Tatsachen, die bereits zur Zeit des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die der Asylwerber jedoch nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, von der Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung erfasst. (VwGH 03.04.2019, Ra 2019/20/0104 mwN)
Für das BFA lag somit kein Anlass für eine Überprüfung der seinerzeitigen Erledigung vor. Da es demnach den Folgeantrag des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I.
3.2 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II):
3.2.1 Im ersten Satz von Spruchpunkt II sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war der Begründung nach (S. 47, AS 163) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem wird durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung getragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen in Betracht kommt. Die Beschwerde war daher - von der Richtigstellung abgesehen - auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.
3.2.2 Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch jener des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 auch die Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung nach einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).
Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen. Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in dessen Privatleben durch eine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer hat unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens über die alltäglichen Besorgungen, den Zeitungsverkauf und die angegebene Essensausgabe hinaus nur beim Kirchenbesuch ausgegangen werden, gegen dessen Fortsetzung im Herkunftsstaat nichts spricht.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des - volljährigen und arbeitsfähigen - Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise gut fünfeinhalb Jahre gedauert hat, allerdings nun seit bald zwei Jahren ohne festen Wohnsitz. Von einer "Aufenthaltsverfestigung" kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Außerdem fußte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, der unbegründet und im Anschluss an eine illegale Einreise gestellt worden war, und seit Dezember 2017 auf der Nichtbefolgung der Ausreisepflicht.
Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der Beschwerdeführer übte in Österreich keine erlaubte Beschäftigung außer dem Verkauf der Straßenzeitung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte keine eigenen Existenzmittel nachweisen und lebte bis Juli 2017 von der Grundversorgung in Wien. Auch hat er in mehr als fünfeinhalb Jahren keine Deutschprüfung erfolgreich abgelegt.
Zudem hat der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat, wo er aufgewachsen ist und den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, mindestens 30 von 36 Jahren, sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie Ortskenntnisse und die Möglichkeit, alte oder neue soziale Kontakte zu pflegen, zu knüpfen oder aufzufrischen. Daher wird er im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Arbeit, selbst wenn es sich um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können, auch wenn eine Unterstützung durch die Mutter und die Schwester ausbleiben sollte.
Dem Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihm das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf ihr Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch die faktische Einreise sowie unbegründete Asylanträge erzwungen hat und zudem entgegen der Ausreiseverpflichtung fortsetzte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
3.2.3 Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung für unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Er ist ausreichend gesund und erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Nigeria zumindest notdürftig leben zu können. Er spricht neben Englisch eine weitere Landessprache, hat dort zwölf Jahre die Schule besucht und auch gearbeitet.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht festgestellt worden.
Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.
Diese war daher auch betreffend den Spruchpunkt II abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu gesteigerten Fluchtvorbringen und Neuerungen in der Beschwerde oder im Folgeantrag und zu den Voraussetzungen der Zurückweisung nach § 68 Abs. 1 AVG.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Ersteres ist wie dargetan der Fall. Darüber hinaus legt § 21 Abs. 6a BFA-VG fest, dass das BVwG über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Verhandlung entscheiden kann.
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besondererEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2001918.2.00Zuletzt aktualisiert am
26.02.2020