Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §42 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des JK in H, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 7A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. Februar 1997, Zl. 511.712/01-I5/97, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Z GesmbH & Co KG in H, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach und Dr. Eckart Söllner, Rechtsanwälte in Innsbruck, Schmerlingstraße 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über das Ansuchen der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) um Erteilung der wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Bewilligung der Beschneiungsanlage H. fand am 21. Dezember 1994 eine mündliche Verhandlung statt, zu der der Beschwerdeführer nicht geladen wurde. Die Verhandlungskundmachung war vom 18. November 1994 bis 21. Dezember 1994 an der Amtstafel der Gemeinde T. angeschlagen.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 brachte der Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Vorhaben vor und beantragte, gestützt auf ein bestehendes Wasserbenutzungsrecht für den Betrieb eines E-Werkes am Oberlauf des T-Baches und als Grundeigentümer eines an den T-Bach angrenzenden Grundstückes, die Zuerkennung der Parteistellung. In inhaltlicher Hinsicht wurde vorgebracht, daß durch die Errichtung des geplanten Speicherbeckens erhebliche Geröllmassen bewegt und der derzeitige Bachverlauf teilweise geändert würde. Für die ufernahen Grundstücke käme es zu einer Verschärfung der Gefahr einer Auflandung des Bachbettes und zu größeren Schäden. Zudem seien negative Auswirkungen auf die Abflußverhältnisse bei starken Niederschlägen durch einen großflächigen Pistenausbau, die Pistenpräparierung und die zusätzlich geplante künstliche Beschneiung zu erwarten. Als Mitglied der Agrargemeinschaft H.K. verwies der Beschwerdeführer darauf, daß eine verbindliche Einräumung von Bestandsrechten für das verfahrensgegenständliche Projekt nicht ersichtlich sei.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. Jänner 1995 wurde der mP unter anderem die beantragte wasserrechtliche Bewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen befristet bis 31. März 2005 erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nicht zugestellt, es würde ihm jedoch eine gutachtliche Äußerung der Sachverständigen zu seinem Vorbringen mit Schreiben vom 1. Februar 1995 zur Kenntnis übermittelt.
Mit gesondertem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 18. Juli 1995 wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 1. die Parteistellung nicht zuerkannt und unter Spruchpunkt 2. der mittlerweile mit Schreiben vom 10. Juli 1995 gestellte Wiederaufnahmeantrag abgewiesen. Begründet wurde die Entscheidung gemäß Spruchpunkt 1. damit, daß aufgrund der Sachverständigengutachten klargestellt sei, daß das Grundstück des Beschwerdeführers durch die Beschneiungsanlage nicht berührt werde. Die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer nicht antragslegitimiert sei.
In der gegen den letztgenannten Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer darauf, daß er auch Wasserbenutzungsberechtigter am Oberlauf des T-Baches (Betrieb eines E-Werkes) sei und das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Hochwassersituation am T-Bach und dessen Auswirkungen auf die Unterlieger, insbesondere auf Rechte des Beschwerdeführers, mangelhaft geblieben sei. Es werde daher die Anerkennung der Parteistellung sowie die Stattgebung des Wiederaufnahmeantrages, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde erster Instanz beantragt.
Von der Berufungsbehörde wurde ein Gutachten eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen zur Frage einer möglichen Berührung des E-Werkes am Oberlauf des T-Baches eingeholt, in welchem zusammenfassend festgestellt wurde, daß durch das Speicherbecken und die Beschneiungsanlage für das Kraftwerk und das Grundstück des Beschwerdeführers am T-Bach "keine mehr als geringfügigen Auswirkungen" verursacht würden. Dieses Gutachten wurde in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis übermittelt, und der Beschwerdeführer hat dazu ein Privatgutachten samt zusammenfassender Stellungnahme mit Schriftsatz vom 2. Februar 1996 vorgelegt. Zu dem Privatgutachten wurde wiederum eine Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen eingeholt.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zuerkannt und im übrigen "das Begehren abgewiesen". In der Zusammenfassung der Begründung wird, im wesentlichen gestützt auf die von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, unter anderem ausgeführt, daß das eingereichte Projekt des Speicherbeckens und der Beschneiungsanlage für das Kraftwerk und das Grundstück des Beschwerdeführers am T.-Bach "keine mehr als geringfügigen Auswirkungen" verursache. Aus diesen Stellungnahmen gehe auch hervor, daß eine mögliche Beeinflussung von vornherein nicht gänzlich auszuschließen sei. Insbesondere sei die mögliche Beeinträchtigung des Kraftwerkes (des Beschwerdeführers) durch Lawinen- und Felssturz im Hinblick auf den Speicherteich I.-See ausschlaggebend. Dazu sei aber festzuhalten, daß laut den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen "keine Gefahr mehr" gegeben sei, weil entsprechende Auflagen vorgeschrieben worden seien.
Zum Antrag auf Wiederaufnahme werde in Übereinstimmung mit der Behörde erster Instanz festgestellt, daß der Beschwerdeführer kein Recht habe, "in rechtlich wirksamer Weise für die Agrarbehörde zu sprechen". Der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid sei bereits in Rechtskraft erwachsen und es sei eine allfällig fehlende Zustimmung des Grundeigentümers nach den Bewilligungstatbeständen der §§ 9 und 32 WRG 1959 kein Nichtigkeitsgrund. Die Berufungsbehörde sehe keine Veranlassung, den erstinstanzlichen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid (nach § 68 AVG) zu beheben.
In der Folge stellte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Jänner 1997 den Antrag auf Zustellung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 3. Jänner 1995 bei der Behörde erster Instanz. Hierauf verfügte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz (Landeshauptmann von Tirol) die Zustellung des Bescheides vom 3. Jänner 1995 an den Beschwerdeführer.
Mit Schreiben vom 27. Jänner 1997 brachte der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung gegen den am 13. Jänner 1997 zugestellten Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. Jänner 1995 ein und erstattete umfangreiche Einwendungen, wobei ausdrücklich das Vorbringen vom 19. Dezember 1994 zum integrierten Bestandteil erklärt wurde. Im Berufungsvorbringen wurde insbesondere auf eine relevante Veränderung und Verschlechterung in der Geschieberückhaltung im Hochwasserfall unter Hinweis auf das im Verfahren bereits vorgelegte Privatgutachten mit Auswirkungen für die Unterlieger u. a. am T-Bach verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 1997 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Gestützt auf die Bestimmungen des § 107 Abs. 2 WRG 1959 begründete die belangte Behörde die Entscheidung damit, daß der angefochtene Bescheid bereits gegenüber allen dem Verfahren beigezogenen Parteien in Rechtskraft erwachsen und damit unanfechtbar sei. Der Beschwerdeführer sei daher mit seinen Einwendungen präkludiert und es sei der belangten Behörde verwehrt, sich inhaltlich mit dem Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen. Es werde auf die mögliche Geltendmachung von Schadenersatz gemäß § 26 Abs. 3 WRG 1959 hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf inhaltliche Sachentscheidung, in seinem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und in seinem Recht auf richtige Würdigung des Sachverhaltes sowie in seinem Recht auf Versagung der wasserrechtlichen Bewilligung wegen Fehlens der wasserrechtlichen Voraussetzungen und wegen nicht erfolgter Erfüllung der wasserrechtlichen Bescheidauflagen verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verwies in ihrem Vorlageschreiben darauf, daß über die mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 vorgebrachten Einwendungen bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1996 entschieden worden sei.
Die mP erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, daß Gegenstand des mit Bescheid vom 4. November 1996 beendeten Verfahrens die Frage der Parteistellung des Beschwerdeführers im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren betreffend die Beschneiungsanlage der mP und die allfällige Wiederaufnahme dieses wasserrechtlichen Verfahrens war. Nicht wurde hingegen bereits materiell über die Frage der allfälligen rechtlichen Relevanz der vom Beschwerdeführer etwa mit seinem Schreiben vom 19. Dezember 1994 vorgebrachten Einwendungen gegen das wasserrechtliche Projekt der mP entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt jedoch nicht, daß diesbezügliche fachkundige Äußerungen in die Begründung dieses Bescheides aufgenommen wurden. Eine Entscheidung über diese Einwendungen war jedoch erst im Zuge des Verwaltungsverfahrens über eine Berufung des Beschwerdeführers gegen die im erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Jänner 1995 erteilte wasserrechtliche Bewilligung des Beschneiungsanlagenprojektes der mP zu treffen gewesen.
Der Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 4. November 1996 läßt in seiner Undeutlichkeit es nicht zu, der Behörde zu unterstellen, sie hätte in rechtswidriger Weise schon seinerzeit die Einwendungen des Beschwerdeführers in der Sache selbst miterledigen wollen.
Es trifft daher nicht zu, daß über die vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 19. Dezember 1994 vorgebrachten Einwendungen gegen das vorgenannte Wasserrechtsprojekt bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. November 1996 entschieden wurde.
§ 107 Abs. 1 WRG 1959 teilt die Parteien eines wasserrechtlichen Verfahrens in zwei Gruppen ein und bestimmt, daß eine Gruppe persönlich zur mündlichen Verhandlung zu laden ist, während die andere durch Anschlag in den Gemeinden, in denen das Vorhaben ausgeführt werden soll, zu laden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1996, Zl. 95/07/0042, m.w.N.).
Persönlich zur mündlichen Verhandlung sind nach § 107 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 der Antragsteller und die Eigentümer jener Grundstücke, die durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte (§ 60) in Anspruch genommen werden sollen; dies gilt auch für jene im Wasserbuch eingetragenen Wasserberechtigten und Fischereiberechtigten, in deren Rechte durch das Vorhaben eingegriffen werden soll.
Der Beschwerdeführer vertritt in der Beschwerde die Auffassung, er wäre zur mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 1994 persönlich zu laden gewesen. Diese Ladung sei aber nicht erfolgt und auch aufgrund seines Vorbringens vom 19. Dezember 1994 sei er dem Verfahren nicht kurzfristig beigezogen worden. Er habe daher ohne sein Verschulden die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 1994 versäumt.
Wenngleich projektsgemäß eine Inanspruchnahme von Grundstücken durch die geplanten Anlagen oder durch Zwangsrechte nicht vorgesehen ist, war aufgrund des mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens nicht ausgeschlossen - wie auch aus der Begründung des vorzitierten Bescheides der belangten Behörde vom 6. November 1996 zu ersehen ist -, daß durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei in das nach Behauptung des Beschwerdeführers im Wasserbuch eingetragene Wasserbenutzungsrecht (Betrieb eines E-Werkes am Oberlauf des T.-Baches) eingegriffen werden soll. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer im Beschwerdefall zur mündlichen Verhandlung am 21. Dezember 1994 persönlich zu laden gewesen wäre, weil eine Präklusion - wie sie von der belangten Behörde angenommen wurde - auch aus anderen Gründen im Beschwerdefall nicht vorlag.
Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies nach § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. September 1994, Zl. 94/07/0011).
Wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, übersieht die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer mit seiner Eingabe vom 19. Dezember 1994, bei der Wasserrechtsbehörde erster Instanz am selben Tag und sohin noch zeitgerecht im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG eingelangt, im Lichte der von ihm behaupteten Verletzungen seines Eigentums an einem näher genannten Grundstück und der möglichen Beeinträchtigung seines im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes für ein Kraftwerk am Oberlauf des T.-Baches rechtlich relevante Einwendungen gegen das wasserrechtliche Projekt der mP eingebracht hat. Im Rahmen dieser Einwendungen für die im Dezember 1994 geltend gemachten wasserrechtlich geschützten Rechte war der Beschwerdeführer auch berechtigt, weiteres ergänzendes Vorbringen zu erstatten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 1994, Zl. 93/07/0066).
Da die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannte und es infolge der irrigen Annahme des Vorliegens einer "Präklusion nach § 107 Abs. 2 WRG 1959" unterließ, auf die Einwendungen des Beschwerdeführers (im Zusammenhang mit den im Schreiben vom 19. Dezember 1994 geltend gemachten wasserrechtlich geschützten Rechten) näher einzugehen, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997070053.X00Im RIS seit
12.11.2001