TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/3 I421 2220658-1

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Veröffentlicht am 03.07.2019
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Entscheidungsdatum

03.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I421 2220658-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (erster Satz des Spruchpunktes I. des bekämpften Bescheides) wird als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird der Beschwerde Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid hinsichtlich des zweiten Satzes des Spruchpunktes I. und die Spruchpunkte II., III. und IV. ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) ist bereits (zumindest) einmal illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat dieses im Dezember 2017 freiwillig in Richtung Slowakei verlassen.

Im Mai 2019 wurde festgestellt, dass der BF wieder illegal in das Bundesgebiet eingereist ist. Der BF wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.5.2019, Zl 1176230303-1905542735, in Schubhaft genommen, wobei der Beschwerde gegen diesen Bescheid stattgegeben wurde und das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 5.6.2019, zu W279 2219511-1, ausgesprochen hat, dass der bekämpfte Bescheid aufgehoben wird und die Anhaltung in Schubhaft seit 28.5.2019 für rechtswidrig erklärte, zudem wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Mit hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.5.2019, zugestellt am 29.5.2019, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteil (erster Satz Spruchpunkt I.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Ziff. 1 FPG erlassen (zweiter Satz Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und ein Einreiseverbot befristet mit 3 Jahren gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 25.6.2019, die inhaltlich den ganzen Bescheid, ausgenommen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, bekämpft, auch wenn in den Anträgen die ersatzlose Behebung aller vier Spruchpunkte begehrt wird. Die Beschwerde samt Akt langte in der zuständigen Gerichtsabteilung am 2.7.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der zu Punkt I geschilderte Verfahrensgang wird zu Feststellungen erhoben, dieser ist unstrittig und ergibt sich aus dem vorliegenden Behördenakt.

Die Feststellungen zur Person des BF, zu seinem Aufenthalt in Österreich, zu seinem Privat- und Familienleben sowie zur Lage im Herkunftsstaat bzw. Zielstaat des BF können aus dem bekämpften Bescheid als unbestritten übernommen werden, da sich diese aus dem Behördenakt ergeben und auch in der Beschwerde nicht bestritten werden. Vielmehr wird bestätig, dass der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsbürger ist, einen Aufenthaltstitel der Slowakei hat und dort zu wohnen. Der BF war mit einer slowakischen Staatsbürgerin verheiratet und lebt seine Tochter in der Slowakei (Beschwerde S 2).

Der BF verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz und ist strafgerichtlich unbescholten (aktuelle ZMR-Abfrage und Strafregisterabfrage vom 2.7.2019).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Behördenakt, den Feststellungen im Bescheid, die auf Sachverhaltsebene in der Beschwerde unbekämpft blieben und den bei den Feststellungen angeführten Beweismitteln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zum Aufenthaltstitel:

Da sich aus dem Sachverhalt keinerlei Hinweis ergeben hat, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG vorliegen und die Nichterteilung in der Beschwerde auch inhaltlich nicht bekämpft wird, war die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Zur Rückkehrentscheidung und den Spruchpunkten II., III. und IV. des Bescheides:

Der BF ist nigerianischer Staatsbürger und verfügt über einen Aufenthaltstitel, der ihn zum Aufenthalt in der Slowakei berechtigt. Er ist sohin Drittstaatsangehöriger, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, aber im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates ist. Gem. § 52 Abs. 6 FPG hat sich der BF daher unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates, also der Slowakei zu begeben. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen ist. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer "Verpflichtung" des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben (VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). Die Frage der "Unverzüglichkeit" stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der "Verpflichtung" ergangen ist. Wird ihr "unverzüglich" entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen (Ra 2017/21/0234).

Eine Rückkehrentscheidung ist gemäß dieser genannten gesetzlichen Bestimmung nur dann zu erlassen, wenn der Drittstaatangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Diese Voraussetzungen wurden aber nicht festgestellt und können auch gar nicht festgestellt werden, befand sich der BF doch, wenn auch rechtswidrig, in Schubhaft, konnte daher gar nicht unverzüglich freiwillig ausreisen. Da der BF unbescholten ist und keine Tatsachen hervorgekommen sind, die dessen sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich machen, liegen insgesamt die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht vor. Es war daher die Rückkehrentscheidung im bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

Sollte der BF seiner gesetzlichen Ausreiseverpflichtung im Weiteren in nachkommen, würde dies aber zu einer Änderung des Sachverhalts führen.

Da die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung laut Spruchpunkt II des Bescheides am Bestand der Rückkehrentscheidung hängt (§ 52 Abs. 9 FPG), war auch Spruchpunkt II des Bescheides schon aus diesem Grund ersatzlos zu beheben, welches Schicksal auch die Spruchpunkte III, nicht Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, und Spruchpunkt IV, Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes, teilen, da auch diese an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung hängen und daher gemeinsam mit dieser untergehen. Es war daher auch Spruchpunkt III und IV des bekämpften Bescheides ersatzlos zu beheben.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Da der Sachverhalt, soweit entscheidungswesentlich, geklärt ist und nur Rechtsfragen zu prüfen waren, konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung
der Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot,
ersatzlose Behebung, freiwillige Ausreise, Frist, Kassation,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2220658.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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