Entscheidungsdatum
12.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I416 1254697-3/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. LIBERIA, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die noch offenen Spruchpunkte I. bis III. und VI. des Bescheids des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 21.05.2019, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.07.2019 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich der noch offenen Spruchpunkte I. bis III. und VI. Folge gegeben und "XXXX gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus " für die Dauer von zwölf Monaten erteilt."
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wird korrespondierend dazu gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 BFA-VG idgF für auf Dauer unzulässig erklärt und das Einreiseverbot behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 17.10.2004 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 02.11.2004, Zl. XXXX, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers (im Folgenden BF) ab (Spruchpunkt I.). Weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist (spruchpunkt II.). Zudem wurde festgestellt, dass der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wird (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkennnis des Asylgerichtshofes vom 12.05.2010, Zl. A6 254.697-0/2008/24E, hinsichtlich § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 50 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia zulässig ist und wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 122/2009 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Liberia ausgewiesen.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.06.2005, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten, unter Setzung einer dreijährigen Probezeit rechtskräftig verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 26.06.2006, Zl. XXXXwurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, rechtskräftig verurteilt und die Probezeit seiner ersten Verurteilung auf 5 Jahre verlängert.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 17.04.2007, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, rechtskräftig verurteilt und die bedingte Entlassung aus der vorherigen Verurteilung widerrufen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 03.08.2007, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 Z 1 iVm § 63 Abs. 1 FPG 2005 ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 10.08.2004, Zl. SD 973/04, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.06.2009, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen teils vollendeter und teils versuchter Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr rechtskräftig verurteilt und die Probezeit hinsichtlich seiner bedingten Entlassung aus seiner zweiten Verurteilung auf 5 Jahre verlängert.
Am 23.03.2012 wurde der BF im Rahmen eines Dublin Verfahrens von der Schweiz rücküberstellt und stellte am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.04.2012, AZ XXXX gemäß 3 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Gegenständlicher Bescheid wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da der Aufenthaltsort des BF nicht feststellbar gewesen ist und erwuchs mit 28.04.2012 in Rechtskraft.
Mit Bescheid der BH Baden vom 31.05.2012, Zl. XXXX, wurde gemäß § 76 Abs. 1 FPG gegen den BF die Schubhaft verhängt und wurde der BF ins Polizeianhaltezentrum XXXX eingeliefert und am 26.06.2012 aus der Schubhaft entlassen, da kein HRZ erwirkt werden konnte.
Am 30.03.2016 stellte der BF einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG und legte diesem Antrag ein Zeugnis über eine abgelegte A2 Prüfung vom Mai 2013, einen Auszug aus dem Geburtenbuch hinsichtlich seiner Vaterschaft betreffend den mj. XXXX vom 22.07.2015, sowie eine Kopie des Reisepasses und der Aufenthaltsberechtigung seiner Lebensgefährtin und des Kindes und Auszüge aus dem ZMR zum Nachweis des gemeinsamen Wohnsitzes vor. Mit Verfahrensanordnung vom 11.04.2016 wurde dem BF mitgeteilt, dass ein Identitätsnachweis zur Behandlung seines Antrages notwendig sei und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen drei Wochen einen entsprechenden Nachweis vorzulegen. Am 29.04.2016 wurde seitens der Lebensgefährtin die Kopie einer Geburtsurkunde und eine Einstellungszusage der XXXX vorgelegt, sowie seitens der Lebensgefährtin vorgebracht, dass ihre Beziehung zum BF und das gemeinsame Kind bei dem gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden soll und dass dies der Rechtsvertretung des BF mitgeteilt werden solle.
Nach niederschriftlicher Einvernahme des BF und der Lebensgefährtin, in deren Verlauf diese den eingebrachten Antrag zurückzog, sowie einer Kontaktaufnahme mit der Botschaft von Liberia hinsichtlich der Ausstellung eines HRZ, wo mitgeteilt wurde, dass dies ohne entsprechendes Interview nicht möglich sei, wurde der Behörde nach Aufforderung die Geburtsurkunde im Original übermittelt.
Am 14.03.2017 stellte der BF seinen verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005. Begründend führte er zusammengefasst aus, dass er seit nunmehr 12 Jahren durchgehend in Österreich aufhältig sei und Deutsch auf dem Niveau A2 sprechen würde. Er habe einen großen Freundeskreis, sei krankenversichert und habe eine Arbeitsplatzzusage einer Firma. Er stehe zudem in einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit Frau XXXX, die in Österreich aufenthaltsberechtigt sei und habe er mit ihr zusammen einen Sohn. Dem Antrag angeschlossen waren die Kopien der Reisepässe seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes, ZMR Auszüge zum Nachweis der gemeinsamen Meldeadresse, die Kopie seiner Geburtsurkunde, ein A2 Zeugnis vom Mai 2013, ein Schreiben seiner Lebensgefährtin, zwei Empfehlungsschreiben, ein Arbeitsvorvertrag, die Kopie der Geburtsurkunde seines Sohnes und die Kopie des Mietvertrages zwischen seiner Lebensgefährtin und der Stadt XXXX.
Nach Erteilung eines Verbesserungsauftrages durch die belangte Behörde vom 14.03.2017, wurde mit Schreiben vom 30.03.2017, durch den Rechtsvertreter des BF der Antrag auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses gestellt. Beigelegt war ein E- mail Verkehr mit der Botschaft von Liberia in Brüssel.
Am 22.05.2017 wurde eine Bestätigung der Kindergartenleitung darüber vorgelegt, dass der BF seinen Sohn regelmäßig in den Kindergarten bringt und auch wieder abholt. Mit Schreiben vom 11. Juli 2017 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Lebensgefährtin wieder ein Kind vom BF erwartet und wurde der Mutter Kind Pass in Kopie vorgelegt.
Mit Ladungsbescheid vom 27.10.2017 wurde der BF für den 10.11.2017 zur Regionaldirektion Wien zur Klärung seiner Identität vorgeladen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Beschwerdeführer hat der Ladung nicht Folge geleistet.
Mit Schreiben vom 09.11.2017, bezeichnet als "Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme", wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 14 Tagen, zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bezüglich der Beweisaufnahme in der Angelegenheit "Abweisung ihres Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK verbunden mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung", verbunden mit der Beantwortung eines umfassenden Fragenkataloges, gewährt.
Mit Schriftsatz vom 09.11.2017 wurde gegen den Ladungsbescheid Beschwerde erhoben, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2017, Zl I414 1254697-2/3E als unbegründet abgewiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 29.11.2017 wurde seitens des Rechtsvertreters eine Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme eingebracht und wurde ua. beantragt, eine gutachterliche Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie im Interesse des Kindes einzuholen. Beigelegt waren ein Gehaltszettel der Lebensgefährtin für Oktober 2017, ein Schreiben der Lebensgefährtin, sowie drei Empfehlungsschreiben eine Arbeitszusage der XXXX vom 12.11.2017 und eine Bestätigung seiner Mitgliedschaft in der "XXXX" in XXXX.
Mit Schriftsatz vom 14.05.2018 erfolgte eine Vollmachtsbekanntgabe und mit Schriftsatz vom 05.06.2018 wurde zu den im Schreiben der belangten Behörde vom 09.11.2017 gestellten Fragen, Stellung genommen.
Am 15.02.2019 wurde der BF von der belangten Behörde in Anwesenheit seines Rechtvertreters zu seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er seit 2014 traditionell verheiratet sei und mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern zusammenleben würde. Beschäftigung würde er derzeit keiner nachgehen. In Liberia würde noch seine Mutter leben, diese habe er zuletzt 1998 gesehen, der letzte Kontakt sei 2014 gewesen.
Mit Schreiben vom 15.02.2019, bezeichnet als "Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme", wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 14 Tagen, zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme bezüglich der Beweisaufnahme in der Angelegenheit "Abweisung ihres Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK verbunden mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot", verbunden mit der Beantwortung eines umfassenden Fragenkataloges, gewährt.
Mit am 26.02.2018 eingelangtem Schreiben wurde seitens des Rechtsvertreters eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt und wurde zu den bereits vorgelegten Unterlagen folgende neue Unterlagen vorgelegt: ZMR Auszüge des BF, seiner Frau und der beiden Kinder, Mietvertrag lautend auf XXXX vom 12.12.2018, Energieliefervertrag und Wärmelieferungs-Einzelvertrag lautend auf XXXX, Versicherungsdatenauszug des BF vom 17.12,2018, Geburtsurkunden der gemeinsamen Kinder, Bestätigungen der Caritas über den GVS Leistungsbezug des BF für die Zeiträume (01.11.2017 bis 30.06.2018 und 01.09.2018 bis 28.02.2019), eine Bestätigung über Beitragszahlungen für den mj. XXXX hinsichtlich des Betriebskindergartens XXXX und eine Mitteilung über den Leistungsanspruch nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz vom 14.08.2018.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.05.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 14.03.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Liberia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Zuletzt erließ die belangte Behörde "gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).
Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 21.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin inhaltliche Fehler, Verfahrensmängel und falsche rechtliche Beurteilung. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF seit 15 Jahren in Österreich leben und Deutsch auf dem Niveau A2 sprechen würde und dass seine Frau und seine zwei Kinder in Österreich leben würden. Zudem liegen die Verurteilungen des BF bereits 10 Jahre zurück und sei aus der Begründung der Entscheidung nicht ersichtlich, weshalb vom BF aufgrund seiner Mittellosigkeit gegenwärtig und hinkünftig eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bestehen sollte. Es werde daher beantragt dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG zu erteilen; den gegenständlichen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung und Abschiebung gem. § 52 FPG für dauerhaft unzulässig erklärt wird; in eventu den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen; Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos beheben; in eventu die Dauer des verhängten Einreiseverbots verringern; die aufschiebende Wirkung zuerkennen; eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 17.06.2019 vorgelegt.
Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2019, Zl. I416 1254697-3/6Z, wurde der Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und der Beschwerde damit aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Am 10.07.2019 fand in Anwesenheit der Parteien eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Liberia und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer hat am 17.10.2004 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF befand sich bis 2010 in einem laufenden Asylverfahren. Der BF wurde nach Ausreise aus dem Bundesgebiet im Jahr 2010, im Jahr 2012 von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Der BF befindet sich seitdem ununterbrochen im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer war zwischen November 2012 und Jänner 2014 obdachlos gemeldet und zwischen Jänner 2014 und 12.1.2016 ohne aufrechte Meldeadresse.
Der Beschwerdeführer führt in Österreich ein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 2012 in einer Beziehung mit seiner Lebensgefährtin, einer nigerianischen Staatsbürgerin, die seit ihrem 7. Lebensjahr in Österreich lebt und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügt. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin leben seit 2013 zusammen, ohne jedoch melderechtlich an derselben Adresse gemeldet zu sein. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin sind seit 2014 traditionell verheiratet. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Lebensgefährtin zwei Kinder, die beide in Österreich geboren und nigerianische Staatsangehörige sind, sowie über Aufenthaltstitel für Österreich verfügen. Der Sohn ist vier Jahre alt und geht in den Kindergarten, die Tochter ist zwei Jahre alt.
Der Beschwerdeführer ist seit 12.01.2016 an derselben Wohnsitzadresse wie seine Lebensgefährtin und die beiden Kinder gemeldet. Die Obsorge über die beiden Kinder teilen sich der Vater und die Mutter. Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist berufstätig und nimmt der Beschwerdeführer während der beruflichen Abwesenheit der Mutter die Aufgaben der Kinderbetreuung wahr. Der Beschwerdeführer trägt im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten zum gemeinsamen Lebensunterhalt bei. Die Mutter der Lebensgefährtin ist in Österreich aufhältig, kommt jedoch nur gelegentlich auf Besuch, eine Unterstützung bei der Kinderbetreuung erfolgt nicht.
Der Beschwerdeführer hat ein Deutschzertifikat A2 und konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch den erkennenden Richter festgestellt werden, dass seine Deutschkenntnisse dem Niveau A2 entsprechen und er sich auf Deutsch verständigen kann.
Der Beschwerdeführer verfügt über soziale Kontakte, ist Mitglied in der XXXX Community und wird von dieser finanziell unterstützt.
Der Beschwerdeführer ist zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Bundesgebiet einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Nicht festgestellt werden konnte, ob der Beschwerdeführer gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt hat. Der Beschwerdeführer bezieht derzeit Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat noch Kontakt zu seiner Mutter, die in Nigeria lebt und wieder geheiratet hat und zu seinem Cousin in Liberia. Auch die Lebensgefährtin hat regelmäßigen Kontakt zur Mutter des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet 4-mal, zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 24.06.2009, strafrechtlich wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt.
Der Beschwerdeführer hat sich nach Verbüßung seiner letzten Haftstrafe in Österreich seit nunmehr fast 9 Jahren Wohlverhalten. Es wird festgestellt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.
2.1. Zum Sachverhalt und zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Identität, Herkunft und seiner Staatsangehörigkeit gründen sich einerseits auf seine Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Die Feststellungen betreffend der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und zur Arbeitsfähigkeit ergeben sich aus den Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und seit 2016 wieder Leistungen aus der Grundversorgung bezieht ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage aus dem AJ-WEB und einen Auszug aus dem GVS.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zwischen 2012 und 2016 finanziell von seiner Lebensgefährtin abhängig war und zudem Unterstützung durch die "XXXXCommunity" erhalten hat, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin vor dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen (AS 127).
Die Feststellungen zu seinen Asylverfahren und seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus dem unbestritten gebliebenen Akt und seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zu seinem Familienleben in Österreich ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sowie aus den dem Akt inneliegenden Unterlagen. Daraus ergibt sich für den erkennenden Richter in einer Gesamtschau und aufgrund des persönlichen Eindruckes, dass entgegen der Auffassung der belangten Behörde ein im Sinne des Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich besteht. Dies vor allem aus folgenden Erwägungen:
Im Rahmen der Einvernahme der Lebensgefährtin konnte diese glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, dass sich der Beschwerdeführer, aufgrund ihrer beruflich bedingten und belegten Abwesenheit, zum überwiegenden Teil des Tages um die Kinder kümmert und diese versorgt und somit seinen väterlichen Pflichten nachkommt, wie dies auch den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist und haben der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin die gemeinsame Obsorge für die beiden Kinder. Zudem wurde nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer auch im Rahmen seiner Möglichkeiten einen finanziellen Beitrag zu den Lebenserhaltungskosten beiträgt, wie aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist. Darüberhinaus konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern verschaffen und besteht auch dahingehend kein Zweifel am Bestehen eines schützenswerten Familienlebens im Sinne des Art. 8
EMRK.
Die Feststellungen zu seinem Privatleben, seinen sozialen Kontakten und damit verbunden seiner Teilnahme am sozialen Leben, seinen Deutschkenntnissen und seiner Arbeitsfähigkeit gründen sich auf seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Unterlagen. Es wird dabei auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer mittlerweile die Deutsche Sprache beherrscht und sich auch mit seinen Kindern und seiner Lebensgefährtin auf Deutsch unterhält.
Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers leiten sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 17.06.2019 ab. Die Feststellung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft ergibt sich einerseits daraus, dass der Beschwerdeführer seit nunmehr 10 Jahren nicht mehr straffällig geworden ist, er seien Taten, wie aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlich ist bereut und auch im Hinblick auf den errechneten Tilgungszeitpunkt mit 14.09.2010 eine positive Gefährdungsprognose gestellt werden kann.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.2.1. Zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wäre gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 1 leg. cit. zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Zu prüfen ist im gegenständlichen Fall, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, oder ob eine Trennung bzw. Fortführung des Familienlebens außerhalb Österreichs, respektive im Heimatstaat des Beschwerdeführers oder in Nigeria zumutbar ist, respektive ob eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einen zulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt (Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK).
Zu seinem Familienleben ist grundsätzlich auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).
Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung auch nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.).
In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1).
Unbestritten besteht zwischen jedem Elternteil und seinem Kind ein unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls schützenswertes familiäres Band, also grundsätzlich auch zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn und seiner Tochter. Wie der EGMR in seinem Urteil vom 12.07.2001, Rs 25702/94 in Rz 150 ausführt, bedarf es aber auch hier einer Beurteilung faktischer Umstände ("..the existence or non-existence of "family life" is essentially a question of fact depending upon the real existence in practice of close personal ties"). Im gegenständlichen Fall ist somit grundsätzlich festzustellen, dass ein Familienleben in Österreich vorliegt.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt.
In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:
• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),
• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),
• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),
• die Bindungen zum Heimatstaat,
• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie
• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567;
21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99;
23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).
Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).
Wendet man die vom Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien an, so muss für die Abwägungsentscheidung jede Art von Abhängigkeit, die Kinder von Elternteilen haben, eine Rolle spielen. Zutreffend hat der Verfassungsgerichtshof es etwa für unzumutbar erachtet, dass ein neugeborenes Baby nur mit dem Vater und ohne (drittstaatsangehörige) Mutter in der Union verbleibt (VfGH 11. 6. 2012, U 128/12). Danach sind nicht nur wirtschaftliche, sondern auch biologische Bedürfnisse in die Beurteilung miteinzubeziehen.
Im genannten Erkenntnis führt der Verfassungsgerichtshof u.a. folgendes aus: "Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Kind kurz nach der Geburt ohne Bedenken allein beim Vater verbleiben kann. Insbesondere umfasst der für ein neugeborenes Kind zu leistende Unterhalt auch - aber nicht nur - die Befriedigung biologischer Bedürfnisse wie jenem nach Nahrung, weshalb schon aus diesem Grund jedenfalls in den ersten Lebensphasen des Kindes ein ständiger Kontakt des Kindes mit der Mutter nicht nur wünschenswert sondern notwendig sein kann. Der Asylgerichtshof hätte in dieser Hinsicht ermitteln und bei seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigen müssen, welche konkreten Auswirkungen die Ausweisung der Beschwerdeführerin auf das Kindeswohl hat, insbesondere, ob nicht in der konkreten Situation die Ausweisung der Mutter faktisch auch das Kind zum Verlassen des Bundesgebietes zwingt (dieser Wertung folgt im Übrigen auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 8.3.2011, Rs. C-34/09, Gerardo Ruiz Zambrano, Rz 43, wenn er festhält, dass einer einem Drittstaat angehörenden Person in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes ihrer minderjährigen Kinder, die diesem Mitgliedstaat angehören und denen sie Unterhalt gewährt, der Aufenthalt und eine Arbeitserlaubnis nicht verweigert werden dürfen)."
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigen das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban / BRD; 07.10.2004, Dragan / BRD; 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyazi / GB).
Eine langjährige Integration ist zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zur Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes ist immer auf die besonderen Umstände des Einzelfalls im Detail abzustellen. Eine Ausweisung hat daher immer dann zu unterbleiben, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im gegenständlichen Fall ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer, wenn auch mit zweijähriger Unterbrechung von zwei Jahren, in denen sich der Beschwerdeführer in der Schweiz aufgehalten hat, seit 2004 im Bundesgebiet aufhält. Zudem hat bereits das erste Verfahren des Beschwerdeführers 6 Jahre bis zur rechtskräftigen Erledigung gedauert und war die belangte Behörde auch 2012 nicht in der Lage ein HRZ für den Beschwerdeführer zu erlangen und wurden bis 2016 keine weiteren Schritte mehr seitens der Behörde zur Effektuierung der Ausreiseentscheidung gesetzt.
Dass er sich zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Familienlebens seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, tritt angesichts des dargelegten Ausmaßes des tatsächlichen Bestehens des Familienlebens sowie des Umstandes, dass die Verfahrensdauer primär von Behörden und nicht vom Beschwerdeführer selbst zu verantworten ist, in den Hintergrund (vgl. VfGH 13.03.2008, B1032/07; VfGH 15.12.2011, U760-764, vgl. VfGH 7.10.2010, B 950/10 u.a., wonach es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführer die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre - 7 Jahre verstreichen). Im gegenständlichen Fall ist die insgesamt sechsjährige Verfahrensdauer bis zur ersten Entscheidung über internationalen Schutz nicht dem Beschwerdeführer anzulasten.
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer laut übereinstimmenden Angaben seit 2013 mit seiner Lebensgefährtin eine Beziehung führt und auch seit diesem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt vorliegt, auch wenn eine gemeinsame Wohnsitzadresse erst seit Jänner 2016 besteht. Es konnte im gegenständlichen Fall auch, wenn keine maßgebliche finanzielle Unterstützung des Vaters vorliegt, glaubhaft dargelegt werden, dass eine außergewöhnliche intensive Betreuung der beiden Kinder durch den Vater vorliegt. Insbesondere stellt der Vater der beiden Kinder, der zudem seit ihrer Geburt im gemeinsamen Haushalt lebt, eine wichtige Bezugsperson in ihrer derzeit (klein-)kindlichen Entwicklung dar und und bildet damit ebenso einen wesentlichen Teil ihres Alltags.
Es kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die Ausweisung des Vaters zu einer Traumatisierung der Kinder kommen wird, bzw. würde durch eine Ausweisung ein zweifellos enges Familienband zerrissen (siehe dazu auch EGMR Urteil vom 2.4.2015, Sarközi und Mahran gegen Österreich). Im gegenständlichen Fall konnte der Beschwerdeführer in Zusammenschau mit den Angaben seiner Lebensgefährtin nämlich glaubhaft darlegen, dass er aufgrund seiner Erwerbslosigkeit seiner Obsorge und somit seinen Pflichten bei der Erziehung und Beaufsichtigung der beiden Kinder in einem entscheidungsrelevanten Ausmaß nachkommt und damit auch der Mutter die Möglichkeit eingeräumt wurde, zeitlich nahe zur Geburt des jeweiligen Kindes - laut Angaben der Mutter war sie jeweils nur für 1 Jahr in Karenz - wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren, sodass das verfahrensgegenständliche Familienleben zweifelsfrei die erforderliche Intensität im Sinne des Art 8 EMRK aufweist.
Es mag, wie die belangte Behörde anführt, richtig sein, dass die relevante Rechtsprechung zeigt, dass es besondere Fälle geben kann, in denen bereits ein Verweis auf Besuchsmöglichkeiten oder sonstige fernmündliche Kontakte (statt einer dauerhaften Übersiedlung) genügt, um eine Verletzung von Art. 8 EMRK zu vermeiden. Es darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass es der Lebensgefährtin, die seit ihrem 7. Lebensjahr in Österreich lebt - auch die Mutter ist in Österreich aufhältig ist, der Vater ist bereits gestorben - und über keine maßgeblichen sozialen Kontakte in Nigeria verfügt, nicht zugemutet werden kann, mit den beiden kleinen Kindern nach Liberia oder Nigeria zu reisen und der Beschwerdeführer zudem aufgrund des gegen ihn von der Behörde verhängten Einreiseverbotes auch bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG derzeit nicht wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren kann (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN), sodass es sich auch nicht um eine zeitlich nur untergeordnete Trennung der Familie handeln würde. Wenn die belangte Behörde vorschlägt, die Lebensgefährtin könne mit den beiden Kindern nach Liberia oder Nigeria ziehen so ist dem entgegenzuhalten, dass dabei vorrangig das Interesse und Wohl der Kinder zu berücksichtigen sein würde, insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die sich den Kindern im Heimatland des Beschwerdeführers bzw. dem Heimatland ihrer Mutter stellen würden und der sozialen kulturellen und familiären Bindungen zu Österreich in Gegenüberstellung zu den nicht vorhandenen Bindungen in Nigeria bzw. Liberia.
Es ist richtig und entspricht zweifellos der höchstgerichtlichen Judikatur und der des EGMR, dass aufgrund des Eingehens des Familienlebens trotz prekären Aufenthaltsstatus eine Verletzung von Art 8 EMRK nur mehr in außergewöhnlichen Umständen bejaht werden kann (vgl nur zuletzt EGMR, 28.06.2011, Nunez v Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz), es entspricht aber auch der Judikatur des EGMR , dass das Wohl und das Interesse der Kinder, besonders zu berücksichtigen sind und wird das Vorliegen dieser Umstände im gegenständlichen Fall unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohles zu bejahen sein (siehe auch Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31.1.2006. in dem festgestellt wurde, dass der weitere Verbleib der Bf eindeutig im Interesse der Tochter gelegen sei und dem wirtschaftlichen Wohl des Landes überwiege).
Es wird vom erkennenden Richter zudem auch nicht verkannt, dass in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden wiederholt von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich und damit von der Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung ausgegangen wird (vgl. etwa VwGH 26.08.2010, 2010/21/0009; 26.08.2010, 2010/21/0206, und darauf Bezug nehmend das Erkenntnis vom 20.01.2011, 2010/22/0158; siehe idS auch VwGH 25.09.2009, 2007/18/0538, vgl. auch die noch zum FrG 1997 ergangenen Erkenntnisse VwGH 11.11.2005, 2002/21/0124; 04.09.2003, 2003/21/0057). Es wird aber auch nicht verkannt, dass im Falle, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, ausnahmsweise Ausweisungen auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl. dazu VwGH 10.05.2011, 2011/18/0100; VwGH vom 10.02.2017, Ra 2016/18/0268; VwGH vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005; VwGH vom 22.03.2017, Ra 2017/19/0028). Im gegenständlichen Fall hat der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mit einer zweijährigen Unterbrechung 15 Jahre gedauert. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er die Zeit überhaupt nicht genutzt hat, sich zu integrieren, so spricht der Beschwerdeführer deutsch und hat neben seiner Familie auch zahlreiche soziale Kontakte im Bundesgebiet.
Die Gesamtschau der zu berücksichtigenden Faktoren ergibt daher, dass - trotz der erheblichen öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen - die Interessensabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfällt, dies vor allem angesichts der langen Dauer und der teilweisen Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, des intensiven, dauerhaften Familienlebens, der Interessen seines Kindes sowie seiner Lebensgefährtin, seiner Integration, belegt durch seine Deutschkenntnisse, Mitgliedschaft in der "XXXXVienna" und Arbeitswilligkeit.
Daher war dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen, dies insbesondere da keine Hinderungsgründe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK vorliegen. Weder stellt seine Abschiebung eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist, noch widerspricht die Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels den Beurteilungsgrundsätzen des § 9 Abs. 2 BFA-VG.
Im vorliegenden Fall ist zudem davon auszugehen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung deren Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt.
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1), einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitelt "Rot-Weiß-Rot Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Gemäß § 11 Abs. 2 Integrationsgesetz umfasst die Prüfung Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolgt ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.
Gemäß den Übergangsbestimmungen des § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.
Gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl I. Nr. 68/2017) ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 leg. cit. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt.
Der Aufenthaltstitel ""Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über ein Deutsch Zertifikat A2 des XXXX, einem anerkannten Prüfzentrum für das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD), ausgestellt am 10.05.2013, weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetz BGBl. Nr. 68/2017 erfüllt hat.
Gemäß der zitierten Übergangsbestimmung ist die mangelnde Absolvierung eines Wertekurses gemäß § 11 Abs. 2 IntG als Nachweis, dass der Beschwerdeführer mit den Werten der Republik Österreich in Kenntnis und verbunden ist, nicht maßgeblich für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 AsylG Abs. 1, soweit er die Voraussetzungen des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens erfüllt hat.
Der Beschwerdeführer erfüllt somit auch ohne Vorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich bzw. nur mittels Vorlage seines Sprachzertifikates auf dem Niveau A2 die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.
Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und der Vorlage des Zertifikats A2 gegeben sind, war dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu gewähren.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher - unter der Voraussetzung der Erfüllung der allgemeinen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 58 Abs. 11 AsylG - dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel im Sinne des § 58 Abs. 4 AsylG auszufolgen haben.
Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
3.2.2. Zur Behebung der Rückkehrentscheidung, Behebung der Abschiebung und Behebung des Einreiseverbotes (Spruchpunkte II., III. und VI. des angefochtenen Bescheides:
Dadurch, dass dem Beschwerdeführer wie oben ausgeführt ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen war, war festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers auf Dauer unzulässig ist. Angesichts des erteilten Aufenthaltstitels können die weiteren durch die belangte Behörde getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers und der Erlassung eines Einreiseverbotes keinen Bestand haben und war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Spruchpunkte IV. und V. des Bescheids betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und der Abspruch über das Nichtbestehen einer Frist zur freiwilligen Ausreise bereits mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2019 ersatzlos behoben wurde.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung plus, Aufenthaltstitel,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I416.1254697.3.00Zuletzt aktualisiert am
25.02.2020