TE Bvwg Beschluss 2019/7/31 W150 2163635-1

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Veröffentlicht am 31.07.2019
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Entscheidungsdatum

31.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W 150 2163635-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter in Vertretung des verhinderten Richters Mag. KLEIN über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2017, Zl. 1093016908 - 151665356-BFA_KNT_RD, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 31.10.2015, vertreten durch ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin, den Antrag, ihr internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet), ebenso ihre Mutter XXXX . (Das Verfahren über den Asylantrag der Mutter wurde beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [in der Folge:

Bundesamt] zur Zahl 1093010109 - 151665330-BFA_KNT_RD und wird beim Bundesverwaltungsgericht zur Zahl 2163631-1 geführt.) Begründend gab ihre Mutter dazu bei ihrer Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeianhaltezentrum St. Pölten) am nächsten Tag an, sie stamme aus Aleppo in Syrien und habe dieses Land wegen des Bürgerkrieges verlassen. Ihr Mann - der Vater der Beschwerdeführerin - sei dabei erschossen und ihr Haus bombardiert worden. Es habe keine Sicherheit für sie und ihre Familie gegeben, sie habe große Angst gehabt, dass auch ihr und ihren Kindern etwas geschehe oder dass sie sogar getötet würden. Bei einer Rückkehr fürchte sie um ihr Leben und um das ihrer Kinder.

Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt (Regionaldirektion Kärnten in Villach) am 25.4.2017 legte die Mutter der Beschwerdeführerin einen syrischen Personalausweis und einen nationalen Führerschein sowie Unterlagen zur Integration vor (Prüfungszeugnis A1 und Schulbesuchsbestätigungen und Schulnachrichten betreffend ihre Kinder). Sie machte Angaben, die in dem sie betreffenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wie folgt wiedergegeben werden:

Sie gab an, ihr Ehemann sei Ende 2013 in Aleppo erschossen worden, als er essen holen gegangen sei. Sie habe einen Bruder und eine Schwester in Österreich; das Bundesamt merkte in der Niederschrift an, dass die beiden asylberechtigt seien. Die Beschwerdeführerin schilderte ihre Lebensumstände in Aleppo, sie habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und in Aleppo in einer Apotheke gearbeitet. Ihre Eltern und zwei Brüder lebten noch in Aleppo, es gehe ihnen gut. Sie selbst habe Syrien verlassen, weil ihr Ehemann umgebracht worden sei. Wer ihn getötet habe, wisse sie nicht. Auch sie selbst sei mit dem Umbringen bedroht worden. Das Leben in Aleppo sei nicht mehr möglich gewesen. Damit habe sie alle Fluchtgründe genannt. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe. Syrien habe sie vermutlich im Oktober 2015 verlassen, und zwar von Aleppo aus über mehrere Dörfer bis in die Türkei.

Wer sie in Syrien mit dem Umbringen bedroht habe, wisse sie nicht. Sie habe Mitteilungen auf ihr Mobiltelefon erhalten. Auf "der" Mitteilung (es bleibt offen, ob in einer oder in allen) sei gestanden, dass "sie" sie und ihre Kinder genauso wie ihren Mann umbringen würden. Wann sie die erste Mitteilung bekommen habe, daran könne sie sich nicht erinnern. Sie sei damals bei ihrem Vater in seinem Dorf außerhalb Aleppos gewesen. Insgesamt habe sie drei Mitteilungen dieser Art bekommen. Nach der dritten habe ihr Vater gemeint, dass sie gemeinsam mit ihren Kindern das Land verlassen müsse. Persönlich habe sie niemand kontaktiert; sie sei im Dorf immer zu Hause geblieben und habe Angst gehabt, hinauszugehen. Das Dorf sei etwa zehn Autominuten entfernt von Aleppo gewesen.

Ihr Mann sei im Dezember 2013 erschossen worden. Es sei nicht festgestellt worden, wer ihn erschossen habe. In der Erstbefragung habe sie "davon" (gemeint ist möglicherweise nicht der Tod ihres Mannes, von dem sie in der Befragung berichtet hatte, sondern die Drohungen gegen sie selbst) nichts gesagt, weil sie damals sehr müde und psychisch nicht in der Lage gewesen sei, alle Fragen richtig zu beantworten. Auf die Frage, ob sie in Syrien bedroht oder verfolgt worden sei, weil sie eine Frau sei, gab sie an, sie sei nach dem Tod ihres Mannes "schlecht angesehen" worden. Es sei ihr gesagt worden, dass sie einen anderen Mann heiraten müsse. Sie sei aber nicht verletzt, entführt oder in anderer Weise geschädigt worden. Auf die Frage, wann sie die erste Mitteilung erhalten habe, gab sie an, sie glaube, dass dies Ende 2014 gewesen sei. Sie habe nicht versucht, herauszufinden, von wem diese Mitteilungen stammten, weil es schwierig gewesen sei und es andere Probleme gegeben habe. Zwischen den Mitteilungen seien etwa zwei bis vier Wochen gelegen. Auf die Frage, ob es außer diesen Schwierigkeiten Probleme mit den Behörden gegeben habe, erzählte die Beschwerdeführerin, es habe, als sie die Pässe beantragt habe, ein Problem wegen des Führungszeugnisses gegeben. Sie habe denselben Namen wie eine Irakerin gehabt, die in Syrien Probleme gehabt habe. Schlussendlich habe sie beweisen können, dass sie zur Zeit, da diese Irakerin diese Probleme gehabt habe, im Krankenhaus gewesen sei, um ihre Tochter zur Welt zu bringen.

2.1. Mit dem Bescheid, dessen Spruchpunkt I angefochten ist (in der Folge der Einfachheit halber als angefochtener Bescheid bezeichnet), wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 erkannte es der Beschwerdeführerin den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II), gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilte es ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 5.6.2018 (Spruchpunkt III).

Im angefochtenen Bescheid werden zunächst die Niederschriften der Befragung und der Einvernahme der Mutter der Beschwerdeführerin wiedergegeben. Das Bundesamt stellt fest, die Mutter der Beschwerdeführerin habe angegeben, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe habe. Rechtlich folgert es, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Es kommt jedoch zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin auf Grund des Familienverfahrens subsidiärer Schutz zu gewähren sei, da er auch ihrer Mutter gewährt worden sei. Abschließend begründet es seine Entscheidung über die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 19.6.2018 zu Handen ihrer Mutter als ihrer gesetzlichen Vertreterin zugestellt.

2.2. Der Antrag auf internationalen Schutz, den die Mutter der Beschwerdeführerin gestellt hatte, wurde vom Bundesamt in der gleichen Weise wie ihr eigener Antrag erledigt. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung in jenem Bescheid werden in dem Erkenntnis, das über die Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin ergeht, wie folgt wiedergegeben:

Das Bundesamt stellt fest, die Beschwerdeführerin habe Syrien wegen des Bürgerkrieges und der Sorge um ihre Kinder verlassen. Es sei nicht glaubhaft, dass sie wegen ihres verstorbenen Ehegatten einer individuellen und konkreten Bedrohung oder Verfolgung in Syrien ausgesetzt gewesen sei. Sie sei in Syrien auch auf Grund ihrer Stellung als Frau weder bedroht noch verfolgt worden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass sie "staatlicherseits" oder auf Grund ihrer Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit bedroht oder verfolgt werde. [...] Beweiswürdigend heißt es ua., die Beschwerdeführerin habe bei ihrer Einvernahme am 25.4.2017 ihr Vorbringen vom 1.11.2015 wiederholt, habe jeodch ihr Fluchtvorbringen "gesteigert", indem sie angegeben habe, dass sie auch Drohmitteilungen auf ihr Mobiltelefon erhalten habe. Dies sei nicht glaubhaft. Wäre dies der Fall gewesen und hätte sie deswegen ihr Land verlassen, dann wäre doch davon auszugehen, dass sie dies bereits in der Erstbefragung angegeben hätte. Auf die Frage, warum sie dies nicht getan habe, habe sie entgegnet, dass sie damals schon sehr müde gewesen sei. Für das Bundesamt sei es nachvollziehbar, dass man nach einer langen und beschwerlichen Flucht einerseits erleichtert und andererseits sehr müde gewesen sein müsse. Nicht nachvollziehbar sei aber, warum die Beschwerdeführerin eine auf sie konkret und individuell ausgerichtete Bedrohung oder Verfolgung nicht angegeben habe. Es sei nicht nachvollziehbar bzw. die Beschwerdeführerin habe nicht plausibel darstellen können, warum man sie mittels Mitteilungen auf ihr Mobiltelefon ein Jahr nach dem Ableben ihres Mannes hätte bedrohen sollen. Es wäre doch anzunehmen, so das Bundesamt, dass derjenige, der ihren Mann umgebracht habe, die Beschwerdeführerin, wenn er etwas gegen sie gehabt hätte, unmittelbar danach und nicht ein Jahr später bedroht hätte. Eine darüber hinausgehende persönliche Bedrohung oder Verfolgung habe die Beschwerdeführerin jedoch selbst ausgeschlossen, indem sie angegeben habe, dass sie sich während dieser Zeit immer bei ihrem Vater in dessen Heimatdorf aufgehalten habe. Das Bundesamt deute diese Aussage dahin, dass sie sich somit in ihrem Elternhaus bei ihrem Vater in Sicherheit befunden habe. Nicht nachvollziehbar sei es daher, dass ein "rationell" (gemeint: rational) denkender Mensch gerade dieses sichere Umfeld verlassen hätte, um nach Aleppo zu fahren, um sich Reisepässe ausstellen zu lassen. Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich mit dem Umbringen bedroht worden, dann wäre, so das Bundesamt, wohl eher anzunehmen, dass sie unmittelbar vom Elternhaus aus die Flucht ergriffen hätte und nicht die "waghalsige" Fahrt nach Aleppo unternommen hätte, um in den Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu gelangen. - Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass sie die erste Mitteilung Ende 2014 und "ca. alle 2 - 4 Wochen die nächsten beiden Mitteilungen" erhalten habe, weiters, dass sie erst im Oktober 2015 ihr Land verlassen habe. Somit ergebe sich zwischen dem Erhalt der letzten Mitteilung bis zum Verlassen ihres Heimatlandes ein Zeitraum von etwa neun bis zehn Monaten. Gerade dieser lange Zeitraum sei wiederum ein Indiz dafür, dass die Beschwerdeführerin entweder keiner individuellen und konkreten Bedrohung ausgesetzt gewesen sei oder dass sie selbst die erwähnten Drohmitteilungen nicht ernst genommen habe. Wäre sie tatsächlich individuell und konkret bedroht oder verfolgt worden, dann wäre doch anzunehmen, dass sie schon früher ihr Heimatland verlassen und nicht noch neun bis zehn Monate zugewartet hätte.

3. Gegen Spruchpunkt I des Bescheides, der über den Antrag der Beschwerdeführerin ergangen ist, richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 3.7.2017.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge: BFA-VG; Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012) idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

1.2. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

2. Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG), idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, unberührt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG 2005 und des BFA-VG anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Zu A)

1. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 definiert als "Familienangehörigen" ua.: "wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; ...".

§ 34 AsylG 2005 steht unter der Überschrift "Familienverfahren im Inland" und lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7)

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;"

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

2.1. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter gehören der "Kernfamilie" (iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 - wenngleich dieses Wort dort nicht verwendet wird) der jeweils anderen an, jede hat einen Asylantrag gestellt, keiner wurde bisher Asyl, beiden jedoch subsidiärer Schutz gewährt. § 34 Abs. 2 AsylG 2005 kommt daher von vornherein nicht in Betracht, ebenso auch nicht Abs. 3 dieser Bestimmung, da bereits allen Beteiligten subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Daher ist jedenfalls nur § 34 Abs. 4 AsylG 2005 anzuwenden.

Der Beschwerdeführerin ist somit derselbe Schutzumfang zu gewähren wie ihrer Mutter. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass - ähnlich wie bei der Zulassung eines Verfahrens (vgl. VwGH 18.10.2005, 2005/01/0402; 17.4.2007, 2006/19/0437, jeweils zum Asylgesetz 1997 BGBl. I 76) - auch im Hinblick auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG das Schicksal aller Beschwerden im Familienverfahren das gleiche zu sein hat: Entscheidet das Verwaltungsgericht bei auch nur einem der Familienangehörigen in der Sache selbst, so muss dies für alle gelten; übt es das Ermessen, das ihm § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG einräumt, bei auch nur einem Familienangehörigen dahin, dass es die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Verwaltungsbehörde zurückverweist, so muss auch dies für alle gelten. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass das Bundesverwaltungsgericht dann nicht nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgehen dürfte, wenn es über die Beschwerde der Mutter in der Sache selbst entschiede.

2.2. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Mutter der Beschwerdeführerin in der gleichen Weise wie ihren eigenen Antrag erledigt; sie hat gegen diesen Bescheid (im Asylpunkt) Beschwerde erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht ist im Verfahren der Mutter zum Ergebnis gekommen, dass der dort angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen ist. Auch aus ihrem Verfahren ergibt sich somit nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde der Beschwerdeführerin in der Sache selbst zu entscheiden hätte.

2.3. Die Entscheidung im Verfahren über die Beschwerde der Mutter der Beschwerdeführerin wird in dem sie betreffenden Erkenntnis wie folgt begründet:

1.2. Das Bundesamt hat seine Feststellungen auf eine Beweiswürdigung gestützt, die nicht haltbar ist.

In der Tat gab die Beschwerdeführerin bei der Befragung am 1.11.2015 an, in ihrem Heimatland herrsche Bürgerkrieg, ihr Mann sei dabei erschossen und ihr Haus sei bombardiert worden. Sie habe große Angst gehabt, dass auch ihr und ihren Kindern etwas geschehe oder dass sie sogar getötet würden. Daraus lässt sich allerdings nicht schließen, dass die späteren Angaben der Beschwerdeführerin dahin, sie habe Drohnachrichten auf ihrem Mobiltelefon erhalten, eine Steigerung wären, welche die Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens indizierten. Soll sich die Befragung nicht auf die näheren Fluchtgründe beziehen (§ 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005), so lässt sich die Angabe, die Beschwerdeführerin habe große Angst um ihr und ihrer Kinder Leben gehabt, nicht darauf beschränken, dass die allgemeine Sicherheitslage der einzige Grund dafür gewesen wäre.

Die beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes, es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin erst ein Jahr nach dem Ableben ihres Mannes bedroht worden sein sollte, da doch anzunehmen sei, dass solche Drohungen unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes ausgestoßen würden, sind rein spekulativ. Es lassen sich genügend Konstellationen vorstellen, in denen erst nach einem längeren Zeitraum Drohungen gegen den Angehörigen einen Ermordeten ausgestoßen werden. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet, die Urheber der Drohung seien die Mörder ihres Mannes gewesen, wie dies das Bundesamt unterstellt. Die Drohung, ihr werde dasselbe wie ihrem Mann geschehen, lässt diesen Schluss nicht zu; vielmehr kann eine andere Person auf diese Weise gedroht haben, die dazu nur wissen musste, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin ermordet worden war. Bekam die Beschwerdeführerin die Drohungen auf ihr Mobiltelefon aber, wie sie angab, als sie sich bei ihrem Vater außerhalb Aleppos aufhielt, so war sie dort nicht (mehr) sicher. Die Schlussfolgerung der Behörde, sie sei bei ihrem Vater in Sicherheit gewesen, ist daher nicht zwingend.

Das Bundesverwaltungsgericht weist auch darauf hin, dass die Beschwerdeführerin zwar in der Tat am 25.4.2017 angegeben hat, sie habe die erste Drohmittilung Ende 2014 erhalten, genauer, sie glaube, dass es Ende 2014 gewesen sei (S 6 der Niederschrift). Zuvor hatte sie jedoch angegeben, sie könne sich nicht daran erinnern, wann sie die erste Mitteilung erhalten habe (S 5 der Niederschrift). Dies könnte geeignet sein, die Zeitangabe zu relativieren.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin auf die Frage, in welchen Abständen sie diese Mitteilungen erhalten habe, wörtlich geantwortet: "Es lagen ca. 2 - 4 Wochen dazwischen." Das Bundesamt versteht dies dahin, dass zwischen der ersten und der zweiten ebenso wie zwischen der zweiten und der dritten Mitteilung jeweils zwei bis vier Wochen gelegen seien. Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch so nicht angegeben. Es ist denkbar, dass sie sich damit nur auf den Abstand etwa zwischen der ersten und der zweiten Mitteilung bezogen hat; nachgefragt hat das Bundesamt nicht. Jedenfalls soll ihr Vater nach der dritten Mitteilung gemeint haben, sie müsse das Land verlassen.

Da die Beweiswürdigung nicht überzeugen kann, ist es somit beim derzeitigen Verfahrensstand nicht ausgeschlossen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin über die Drohmitteilungen zutreffen. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass diese Drohungen ihren Grund in einem Konventionsgrund haben. [...]

2.2. Im Beschwerdefall liegen die Voraussetzungen dafür vor, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen:

Das Bundesamt hat sich beim zentralen Vorbringen der Beschwerdeführerin auf eine bloß spekulative Beweiswürdigung zurückgezogen. Es hat daher in einem entscheidenden Punkt nur völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W150.2163635.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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