TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/14 W261 2189068-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2019
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Entscheidungsdatum

14.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W261 2189068-1/35E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom 16.02.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 05.09.2018 und am 02.04.2019 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 14.08.2020 erteilt.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Gang des Verfahrens:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 07.12.2015 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling irregulär in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 08.12.2105 erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit einer Dolmetscherin in der Sprache Dari. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Moslem zu sein, und der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Seinen Fluchtgrund betreffend führte er aus, dass er einmal von den Taliban entführt worden sei. Sie hätten den BF schlecht behandelt, mit heißem Wasser verbrüht und mit Zigaretten verbrannt. Sie hätten gewollt, dass er als Selbstmordattentäter für die Taliban tätig werde, was der BF nicht gewollt habe. Er habe die Möglichkeit gefunden, zu fliehen, woraufhin sein Vater ihm die Flucht ermöglicht habe.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 05.08.2016 wurde dem Kinder- und Jugendhilfeträger des Magistrates der Stadt Wien die Obsorge für den mj. BF übertragen.

Die Volksanwaltschaft ersuchte mit Eingabe vom 01.06.2017 den Bundesminister für Inneres mitzuteilen, welche Gründe einer Erledigung des Antrages des mj. BF entgegenstehen würden.

Am 12.07.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien (in der Folge BFA oder belangte Behörde), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson des BF. Er leide an Schlafstörungen und habe kürzlich eine Augenoperation gehabt. Er werde in Kürze wieder eine Operation wegen der Augen haben. Dabei gab er an, seine Familie stamme aus der Provinz Laghman. Er schilderte sein Fluchtvorbringen in etwa so, wie er es bei der Erstbefragung ausgeführt hatte. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

Die belangte Behörde wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan im Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit. (Spruchpunkt III.), erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, bzw. diese im Falle seiner Rückkehr zu befürchten habe. Der BF leide an einer genetisch bedingten Hornhaut-Dystrophie. Der BF sei jung und nach seinen eigenen Angaben arbeitswillig und arbeitsfähig. Im Falle einer Rückkehr nach Kabul sei es ihm daher zuzumuten, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben liege nicht vor.

Mit Eingabe vom 09.03.2018 erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Darin brachte er vor, dass das Vorbringen des BF glaubhaft sei, er habe Monate der Folter durch die Taliban erleiden müssen und laufe im Falle seiner Rückkehr Gefahr, von diesen getötet zu werden. Die Taliban seien in der Lage, den BF in ganz Afghanistan zu finden. Der BF stehe auf der schwarzen Liste der Taliban. Eine Abschiebung in die Herkunftsprovinz des BF, Laghman, sei aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht möglich. In Kabul würde dem BF das unterstützende, familiäre Netzwerk, welches er benötigen würde, nicht zur Verfügung. Eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative stehe dem BF nicht zur Verfügung, weswegen ihm internationaler Schutz zu gewähren gewesen wäre. Der BF leide an einer Hornhautnarbe, habe ein Problem mit der Prostata und leide an Schlaflosigkeit. Die Gesundheitsversorgung sei in Afghanistan nicht ausreichend, ihm hätte jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeräumt werden müssen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 09.03.2018 dem BVwG vor, wo dieser am 13.03.2018 einlangte.

Mit Faxnachricht vom 27.08.2018 teilte der Verein Menschenrechte Österreich mit, dass die Vollmacht für niedergelegt worden sei.

Am 05.09.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter der ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, erschien. Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben vom 27.03.2018 auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Aufgrund von Zweifeln an der Einvernahmefähigkeit des BF unterbrach die erkennende Richterin die mündliche Beschwerdeverhandlung, um ein Sachverständigengutachten zum psychischen Zustand des BF und seiner Einvernahmefähigkeit einzuholen. Zudem wurde die Einholung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Situation von Menschen mit einer Sehbehinderung in Aussicht gestellt. Die Beschwerdeverhandlung selbst wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Das BVwG erstellte am 06.09.2018 eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Situation von Menschen mit einer schweren Sehbehinderung in Afghanistan.

Mit Beschluss des BVwG vom 07.09.2018 wurde eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie als nichtamtliche Sachverständige bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des BF beauftragt.

Die in Auftrag gegebene Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Lage von blinden Personen vom 17.09.2018 kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass u.a. Menschen mit schweren Sehbehinderungen Diskriminierungen durch die Gesellschaft, wie auch durch die eigene Familie ausgesetzt seien. Insbesondere seien Menschen mit angeborenen Behinderungen von sozialer Ausgrenzung betroffen, da die Ursache für die Behinderung oftmals mit "Schicksal", "Willen Gottes" oder "bösen Geistern" in Verbindung gebracht werde. Blindheit werde unter Umständen als eine "Strafe Gottes" für Fehlverhalten der Person verstanden. Familiäre Netzwerke seien für Menschen mit Behinderung besonders wichtig, da der Wohlfahrtsstaat in Afghanistan nur rudimentär ausgeprägt sei. Menschen mit schweren Sehbehinderungen seien am Arbeitsmarkt benachteiligt. Es würden zwar Gesetze bestehen, welche die Integration von Menschen mit Behinderung in das Berufsleben und Ausbildungswesen vorsehen, jedoch würden diese nicht umgesetzt. Selbst blinde Personen mit einem Universitätsabschluss hätten Schwierigkeiten bei der Stellensuche.

In deren medizinischen Sachverständigengutachten vom 07.12.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 08.10.2018, kommt die medizinische Sachverständige zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der BF an einer Befindlichkeitsstörung leide, eine krankheitswertige psychische Störung lasse sich beim BF nicht feststellen. Die Schlafstörungen würden medikamentös behandelt werden können. Der BF sei grundsätzlich in der Lage, das Erlebte wiederzugeben. Der BF sei einvernahmefähig. Der BF sei aus psychiatrischer Hinsicht in der Lage, auch in Afghanistan den Geschäften des täglichen Lebens nachzugehen.

Mit Eingabe vom 20.12.2018 teilte die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH mit, dass die Vollmacht zurückgelegt werde.

Mit Eingabe vom 29.03.2019 gab der Verein Menschenrechte Österreich bekannt, dass er vom BF mit der Vertretung beauftragt worden sei und legte eine Reihe von Unterlagen vor.

Das BVwG setzte die mündliche Beschwerdeverhandlung am 02.04.2019 fort. Das BVwG übermittelte den Parteien des Verfahrens gleichzeitig mit der Ladung das genannte medizinische Sachverständigengutachten vom 07.12.2018, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.09.2018, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 und Auszüge aus den EASO Leitlinien vom Juni 2018. Der BF nahm an dieser Verhandlung gemeinsam mit seinem rechtsfreundlichen Vertreter in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari teil. Der BF führte in dieser mündlichen Beschwerdeverhandlung zu seinen persönlichen Verhältnissen aus. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, was er bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA ausgesagt hatte, berichtigte jedoch einige Passagen seiner Aussage vor der belangten Behörde.

Das erkennende Gericht legte dem BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 01.03.2019, den Landinfo Report der Taliban, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation "Rekrutierung von Tadschiken durch die Taliban, Verfolgung durch Taliban in Kabul", vom 08.06.2017 und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan "Taliban Zwangsrekrutierung von Kindern" vom 09.08.2017 vor. Dem BF wurde die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass auf Grund dieser Berichte die Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Dem BF und der belangten Behörde wurde eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Mit Beschluss des BVwG vom 30.04.2019 wurde eine Fachärztin für Augenkrankheiten und Optometrie als nichtamtliche Sachverständige bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des BF beauftragt.

In deren augenärztlichen Gutachten vom 27.05.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung vom selben Tag, kommt die medizinische Sachverständige zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass der BF an einer vererbbaren Hornhauterkrankung (Hornhautdystrophie) leide. Sein Sehvermögen sei bereits seit der Kindheit schlecht gewesen. Diese Erkrankung sei aus augenärztlich gutachterlicher Sicht nicht behandelbar. Es komme auch zu Blendungsphänomenen. Es seien für den BF nur Tätigkeiten möglich, für welche ein deutlich herabgesetztes Sehvermögen ausreiche. Die Geschäfte des täglichen Lebens könne der BF, trotz seiner Sehbehinderung, ausüben.

Das BVwG übermittelte das medizinische Sachverständigengutachten den Parteien des Verfahrens mit Schreiben vom 12.06.2019 im Rahmen des Parteiengehörs.

Weder der BF noch die belangte Behörde gaben eine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 01.07.2019 eine Auskunft im Strafregister durch, wonach für den BF im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung aufscheint.

Das BVwG führte am selben Tag eine Abfrage im Betreuungsinformationssystem durch, wonach der BF seit seiner Ankunft in Österreich Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF trägt den Namen XXXX , geboren am XXXX in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX und im Dorf XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Der BF ist volljährig, ledig und kinderlos. Der BF ist Zivilist.

Die Muttersprache des BF ist Dari. Er spricht auch Paschtu, Urdu und etwas Deutsch.

Der BF wuchs in seinem Heimatdorf auf. Er besuchte keine Schule und war in Afghanistan Analphabet.

Die Familie des BF besteht aus seinem Vater XXXX , welcher Ende 2018 verstarb, und seiner Mutter XXXX , welche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nach wie vor im Heimatdorf des BF lebt. Sein Vater war Landwirt, seine Mutter war Hausfrau. Der BF hat einen jüngeren Bruder, Nahed, der ca. 13 Jahre alt ist. Dieser lebt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei seiner Mutter.

Die Familie lebte im eigenen Haus und besaß einige Grundstücke. Der BF half seinem Vater in der familieneigenen Landwirtschaft. Die finanzielle Lage der Familie war normal.

Der BF hat einen Onkel mütterlicherseits in Afghanistan, zu welchem er keinen Kontakt hat.

Der BF litt bereits vor seiner Ausreise aus Afghanistan an einer vererbbaren Hornhauterkrankung, genauer einer Hornhautdystrophie. Der BF hat ein herabgesetztes Sehvermögen. Er leidet unter Blendungsphänomenen, weswegen er sich, trotz Sonnenbrille, nicht lange in der Sonne aufhalten kann. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der BF im weiteren Krankheitsverlauf erblinden wird.

Der BF leidet an einer Befindlichkeitsstörung und Schlafstörungen, er leidet jedoch an keiner psychischen Krankheit.

Der BF reiste ca. im September 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 07.12.2015 irregulär einreiste und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, von den Taliban zu Selbstmordanschlägen gezwungen und getötet zu werden, ist nicht glaubhaft.

Der BF war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner aus politischen, ethnischen, religiösen oder sonstigen Gründe konkret gegen ihn als Person gerichteten psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt, und es droht ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine solche Verfolgung.

Der BF hat im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Afghanistan keine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung von staatlicher oder privater Seite zu befürchten.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Dezember 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF besuchte Deutschkurse, derzeit auf Niveau A2, und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besuchte im Jahr 2018 das schulanaloge Bildungsprojekt " XXXX Jugendcollege". Er ist nahm in der Zeit vom 14.01.2019 bis 11.07.2019 an einem Basisbildungskurs im Rahmen des Bildungsprojektes XXXX des XXXX teil. Der BF ist Mitglied in einem Fitnessclub. In seiner Freizeit spielt der BF Fußball und trifft sich mit Freunden. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.

Der BF wird von seinen Vertrauenspersonen als wacher Geist mit ausgeprägtem Wissensdurst, fleißig, motiviert, zuverlässig, höflich, kollegial, hilfsbereit, lächelnd-freundlich, respektvoll, emphatisch, freundlich-ruhig, zuvorkommend, um das Wohl der anderen Menschen bemüht, aufgeschlossen, interessiert, aufgeweckte Frohnatur, extrovertiert, mit ausgeprägter Reflexionsfähigkeit, pünktlich, fürsorglich, gewissenhaft, bescheiden, verantwortungsbewusst, ausdauernd, geduldig, eifrig, vorbildlich, reflektiert, wissbegierig, humorvoll, offen, umgänglich, Mensch mit festen Grundsätzen, verständnisvoll, verlässlich, optimistisch, selbstständig, stark und zielbewusst beschrieben.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem BF ist eine Rückkehr und (Wieder-)Ansiedlung in seine Herkunftsprovinz Laghman aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht möglich.

Eine Neuansiedlung des BF in eine andere Provinz Afghanistans ist ihm aufgrund seiner individuellen Umstände nicht zumutbar. Der BF verfügt in Afghanistan über kein ausreichendes familiäres oder soziales Netzwerk, mit dessen Unterstützung er - trotz seiner Augenerkrankung - eine Existenzgrundlage aufbauen könnte. Durch dieses Augenleiden ist er nur beschränkt arbeitsfähig. Er läuft Gefahr, aufgrund dieser Krankheit in Afghanistan diskriminiert zu werden, weswegen es für ihn - mangels sozialen und familiären Netzwerkes in Herat oder Mazar-e Sharif - ungleich schwieriger im Vergleich zur übrigen dort lebenden Bevölkerung sein wird, eine Wohnung und einen Arbeitsplatz zu finden, und sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

Die beim BF vorgenommene Einzelfallprüfung ergibt, dass aufgrund der oben dargelegten individuellen Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, dass es ihm möglich ist, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Afghanistan, insbesondere auch bei einer Neuansiedlung in einer der beiden sicheren Städte Herat oder Mazar-e Sharif, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Bei einer dortigen Ansiedlung liefe der BF vielmehr Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 01.03.2019 (LIB), in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 (UNHCR), den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 (EASO 2018), in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 (Landinfo), in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation AFGHANISTAN: Lage für blinde Personen vom 17.09.2018 (Staatendokumentation Blinde), in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation AFGHANISTAN: Rekrutierung von Tadschiken durch Taliban, Verfolgung durch Taliban in Kabul vom 08.06.2017 (Staatendokumentation Tadschiken Taliban) und in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation AFGHANISTAN: Taliban Zwangsrekrutierung von Kindern vom 09.08.2017 (Staatendokumentation Taliban Zwangsrekrutierung Kinder) enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. (LIB)

1.5.1.1 Herkunftsprovinz Laghman

Die Provinz Laghman liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. Sie besteht aus folgenden Distrikten: Alishing/Alishang. Alingar. Dawlat Shah/Dawlatshah. Qargayi/Qarghayi und Mehtar Lam/Bad Pash. Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar im Süden. Kunar im Osten. Nuristan und Panjshir im Norden und Kapisa und Kabul im Westen. Mehtar Lam/Mehtarlam ist die Provinzhauptstad. In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen, gefolgt von Tadschiken, Nuristani und Paschai. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 460.352 geschätzt.

2017 stieg die Opium-Produktion in der Provinz Laghman um 64% im Vergleich zu 2016. Alle Distrikte der Provinz, in denen Mohn angebaut wird, waren davon betroffen. Im Laufe des Jahres 2017 wurden 23 Hektar Mohnfelder umgewidmet.

Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu. Im Juli 2017 waren die Distrikte Alingar, Alishing und Dawlatshah von Sicherheitsproblemen betroffen, während sich die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt und ihren Vororten verbesserte.

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbasis (Forward Operating Base Gamberi).

Im Jahr 2017 wurden aufgrund von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen u.a. in der Provinz Laghman vorübergehend Gesundheitseinrichtungen geschlossen.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Laghman 354 zivile Opfer (84 getötete Zivilisten und 270 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 14% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Luftangriffe werden durchgeführt. Dabei werden Aufständische, auch Talibananführer getötet. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräfte finden statt.

Berichtet wurde, dass nun zum ersten Mal Zusammenstöße zwischen Aufständischen der Taliban und des IS von Nangarhar auf die Provinz Laghman übergeschwappt sind - beide Seiten haben hohe Verluste bei diesen Zusammenstößen zu verzeichnen. Die Provinz Laghman grenzt an die Provinz Nangarhar, in der sowohl Anhänger der Taliban als auch Anhänger des IS in abgelegenen Distrikten aktiv sind. Lokale Beamte berichten von Luftangriffen auf die Taliban und den IS in manchen Distrikten der Provinz Laghman. Regierungsfeindliche Gruppierungen, inklusive Anhänger der Taliban und des IS, haben versucht, in abgelegenen Teilen der Provinz ihre Aktivitäten auszuweiten. In der Provinz Laghman kam es zu Zusammenstößen zwischen Taliban- und IS-Kämpfern. (LIB)

Bei der Provinz Laghman handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt ein derart hohes Ausmaß erreicht, dass im Einzelfall nur minimale Teilvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um berechtigten Grund für die Annahme zu liefern, dass Zivilisten, welche in die betreffende Provinz rückgebracht würden, eine reelle Gefahr, ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen, zu gewärtigen hätten (wie beispielsweise schwerwiegende oder individuelle Bedrohung des Lebens einer Zivilperson bzw. einer konkreten Person). (EASO)

1.5.2 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant. (LIB)

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. (LIB)

In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keine Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden. (EASO 2018)

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau. Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Im Jahr 2017 stieg in der Provinz die Opiumproduktion. (LIB, EASO 2018)

1.5.3 Medizinische Versorgung und Situation von Menschen mit einer Sehbehinderung

1.5.3.1 Medizinische Versorgung allgemein

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif oder Herat sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. (LIB)

1.5.3.2 Situation von Menschen mit einer Sehbehinderung

Behinderte, u.a. Personen mit einer schweren Sehbehinderung bzw. blinde Menschen, sind Diskriminierungen durch die Gesellschaft, wie auch durch ihre eigene Familie ausgesetzt. In der afghanischen Gesellschaft wird zwischen Mayub, Menschen mit einer angeborenen Behinderung, und Malul, Personen, deren Behinderung auf Kriegsverletzungen bzw. Arbeitsunfälle zurückzuführen ist, unterschieden. Insbesondere Personen mit einer angeborenen Behinderung, wie sie der BF hat, sind von sozialer Ausgrenzung betroffen, da die Ursache ihrer Behinderung oftmals mit dem "Schicksal", "Willen Gottes" oder "bösen Geistern" in Verbindung gebracht werden. Dies gilt vor allem für Personen mit einer geistigen Behinderung. Die betroffenen Personen oder deren Eltern werden häufig selbst für die Behinderung verantwortlich gemacht und somit ist oftmals auch die Familie mit Stigmatisierung konfrontiert. So können Angehörige von Personen mit Behinderungen aus sozialen Netzwerken ausgeschlossen werden oder als ungeeignet für eine Heirat gelten. Blindheit wird somit unter Umständen als eine "Strafe Gottes" für Fehlverhalten der betroffenen Person verstanden.

Auch bei der Gesundheitsversorgung werden Menschen mit Behinderungen unter Umständen diskriminiert, da das medizinische Personal gegenüber diesen Personen eventuell kritisch eingestellt ist.

Personen mit Behinderungen sollten in Afghanistan durch die Verfassung vor Diskriminierung geschützt sein. Ihre Inklusion ins Berufsleben, wie auch bei der Ausbildung und eine finanzielle Absicherung wären durch Gesetze gewährleistet. Tatsächlich berichten mehrere Quellen, dass diese Gesetze bislang nicht umgesetzt wurden.

Blinde haben nicht automatisch Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch den Staat. Sie erhalten eine jährliche Zahlung von 900 US-Dollar nur, wenn ihre Blindheit von einer Kriegsverletzung herrührt. Aufgrund der weit verbreiteten Korruption in der afghanischen Verwaltung kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die Zahlungen auch an Unberechtigte erfolgen und von den zuständigen Beamten zur Bereicherung verwendet werden.

Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Schulen ist insbesondere in ländlichen Gebieten schwierig oder nicht vorhanden.

Die schlechte Sicherheitslage ist ein wesentliches Problem bei der Versorgung von Personen mit Behinderungen im ländlichen Raum. Öffentliche Krankenhäuser sind für Personen mit Behinderungen, welche in abgelegenen Dörfern leben, aufgrund der Gefahren bei der Anreise nur schwer erreichbar. Familiäre Netzwerke sind für Hilfsbedürftige in Afghanistan sehr wichtig. Der Wohlfahrtsstaat ist in Afghanistan nur rudimentär oder gar nicht vorhanden, Personen mit Beeinträchtigungen können vor allem innerhalb ihrer Familie auf Unterstützung hoffen. Dies trifft in besonderem Ausmaß auf die ländlichen Gebiete zu, da der Staat dort teilweise gar nicht präsent ist.

Menschen mit Behinderungen, darunter Personen mit schwerer Sehbehinderung bzw. blinde Menschen, werden in Afghanistan am Arbeitsmarkt benachteiligt. Während die Arbeitslosenrate bei nicht behinderten Männern über 15 Jahren 25 Prozent beträgt, sind es bei Männern mit Behinderung 53 Prozent. Zudem haben 73 Prozent der über sechs Jahre alten Personen mit Behinderung keine Ausbildung, bei jenen ohne Behinderung sind es nur 51 Prozent. Zwar existieren Gesetze, welche die Integration von Personen mit Behinderung in das Berufsleben und Ausbildungswesen vorsehen, jedoch werden diese nicht umgesetzt.

Einige Nachrichtenbeiträge berichten von Einzelfällen, bei denen selbst blinde Personen mit universitärer Ausbildung große Schwierigkeiten bei der Stellensuche hatten. Sie sind mit Diskriminierungen konfrontiert und werden oftmals nicht als vollwertige Arbeitskräfte wahrgenommen. (Staatendokumentation Blinde)

1.5.4 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte; und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan. Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:

In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert. (LIB)

1.5.5 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist. (LIB)

1.5.6 Rückkehrer/innen

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden. (LIB)

1.5.7 Terroristische und aufständische Gruppierungen - Zwangsrekrutierung

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. (LIB)

Die Taliban werben in Afghanistan Kommandanten gegnerischer Truppen ebenso wie Kämpfer, welche der Volksgruppe der Tadschiken angehören, an- bzw. ab.

Es werden dabei eine Vielzahl von Mechanismen zur Rekrutierung, einschließlich von Rekrutierungsmechanismen, welche auf Zwangsmaßnahmen beruhen eingesetzt. Während einzelne Quellen berichten, dass eine Verwendung von Gewalt bei der Rekrutierung ungewöhnlich sei und meist freiwillig erfolge, gibt es auch Berichte darüber, dass Personen und deren Familienangehörige, welche sich einer Rekrutierung widersetzen, gefährdet sind, mit schwerwiegenden Körperstrafen bestraft oder getötet zu werden. (Staatendokumentation Tadschiken Taliban)

Berichten zufolge nutzen regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Einige Familien erhalten Geldzahlungen oder Schutz im Austausch dazu, dass sie ihre Kinder in von Taliban-geführten Schulen schicken.

Einer weiteren Quelle ist zu entnehmen, dass die Taliban eher Zuflucht zu traditionellen Systemen nehmen, wo über ein Lossystem oder per Quote rekrutiert wird. Des Weiteren gibt es auch Fälle von Familien, die sozusagen traditionell bei den Taliban sind.

Kinder aus verarmten und ländlichen Gegenden, vor allem unter Talibankontrolle, sind besonders anfällig für Rekrutierungen. Diese Kinder werden durch die Taliban indoktriniert und erhalten eine militärische Ausbildung, wie u.a. das Verwenden von kleinen Waffen sowie das Herstellen und Einsetzen von Sprengkörpern. Zwar seien Kindersoldaten im Verhaltenskodex der Taliban ausdrücklich verboten, jedoch ende ihre Definition eines Kindes, sobald jemand die Pubertät erreiche oder in der Lage sei, sich einen Bart wachsen zu lassen. (Staatendokumentation Taliban Zwangsrekrutierung Kinder)

Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können. (Landinfo)

Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen. (Landinfo)

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

Die Feststellungen zu seiner Augenerkrankung beruht auf dem schlüssigen und nachvollziehbaren medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie vom 27.05.2019. Die Feststellung, dass der BF psychisch weitgehend gesund ist, beruht auf dem in sich schlüssigen und nachvollziehbaren medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 07.12.2018. Beide medizinischen Sachverständigengutachten sind den Parteien des Verfahrens im Rahmen des Parteiengehörs vom BVwG übermittelt worden und sind unwidersprochen geblieben.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Das Asylverfahren bietet, wie der VwGH erst jüngst in seinem Erkenntnis vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0143-8, wieder betonte, nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Diesen Beweisschwierigkeiten trägt das österreichische Asylrecht in der Weise Rechnung, dass es lediglich die Glaubhaftmachung der Verfolgungsgefahr verlangt. Um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, muss die Verfolgung nur mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedoch nicht. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Mit der Glaubhaftmachung ist demnach die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: Das Vorbringen des Asylwerbers muss - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Der BF gibt als Fluchtgrund im Wesentlich an, dass er von den Taliban auf offener Straße entführt worden sei, von diesen über Monate festgehalten und gefoltert worden sei, es ihm gelungen sei, zu entkommen, weil er zugestimmt habe, für diese tätig zu werden, sich aber ausbedungen habe, noch einmal zu seiner Familie zurückkehren zu können, was ihm bewilligt worden sei. Er habe diese Gelegenheit genutzt, um nach Europa zu fliehen. Die Taliban hätten ihn zwangsrekrutieren und als Selbstmordattentäter einsetzen wollen (vgl. AS 23, AS 101 ff, S 10ff der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 02.04.2019).

Dieses Vorbringen des BF, dass er persönlich von den Taliban bedroht werden, ist aus folgenden Gründen nicht glaubhaft:

Der BF schildert sein, durchaus dramatisches Fluchtvorbringen, vage und oberflächlich, beschränkt sich auf Gemeinplätze, und ist nicht in der Lage, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

Dies beginnt bei der vorgeblichen Entführung, zu welcher der BF angibt, dass er sich auf dem Heimweg befunden habe, ihn dann jemand gerufen hätte, als er sich umgedreht habe, er wisse nicht was passiert sei, hätte er das Bewusstsein verloren (vgl. AS 101, S 10 der der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 02.04.2019). Er hätte direkt ins Gesicht einen Schlag bekommen, als er sich umgedreht hätte, das sei alles (vgl. As 105).

Es widerspricht jeglicher Lebensrealität, dass jemand, der eine Entführung erlebt, nicht genau weiß, was passierte, als er entführt wurde. Es ist auch nicht realistisch, dass ein junger Bursche bei einem Schlag ins Gesicht, wie er ihn bekommen haben will, gleich in Ohnmacht verfällt, und nicht mehr genau weiß, was danach passierte, und er erst in einem Haus aufgewacht sein will.

Auch die Situation im Haus der Taliban beschreibt der BF oberflächlich, vage und unsubstantiiert. Er will nicht genau wissen, wie lange er dort angehalten worden sei, er spricht von Monaten ("... ich weiß nicht wie viele Monate ich dort war", vgl. AS 101) in denen er dort gewesen sein soll. Der BF ist nicht in der Lage, genau zu schildern, was ihm in diesen Monaten dort genau passiert sein soll. Wie die belangte Behörde in deren Beweiswürdigung (vgl. AS 257) richtig ausführte, war der BF auch nicht in der Lage, die Örtlichkeiten, in welchen er festgehalten worden sein soll, zu beschreiben.

Zudem ist widerspricht es jeder Logik und auch den notorischen Informationen, wie die Taliban Menschen dazu bewegen wollen, für sie tätig zu werden, dass diese einen jungen Mann ohne Bildung über Monate einfach nur in Gefangenschaft halten, und ihm dann auch noch erlauben, nach Hause zu seinen Eltern zu gehen, bevor er für sie tätig wird. Wie aus den zitierten Länderinformationen ersichtlich, kann es vorkommen, dass die Taliban Tadschiken als Kämpfer rekrutieren. Es kann auch vorkommen, dass sie Kinder oder Jugendliche rekrutieren, wobei zu beachten ist, dass der BF zu dem Zeitpunkt, als dieser Vorfall passiert sein soll, kein Kleinkind mehr war, sondern ein 16-jähriger Bursche. Die Taliban verwenden dabei eine Vielzahl von Mechanismen zur Rekrutierung, die Art und Weise, welche der BF schilderte, ist jedoch auch im Lichte der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen nicht nachvollziehbar.

Es ist nicht plausibel, dass die Taliban den BF mehrfach fragten, ob er bereit sei, für diese tätig zu sein, und der BF, nach seinen eigenen Angaben ein eingeschüchterter, ängstlicher Junge, der immer wieder weinte (vgl. AS 101), es wagte, die Zusammenarbeit zu verweigern. Ebenso nicht glaubhaft ist, dass der BF bei den Taliban Bedingungen aushandeln konnte, nämlich, dass er vorher noch seine Mutter sehen wolle, bevor er für die Taliban tätig werden (vgl. As 103, S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 02.04.2019). Dann soll der Chef der Taliban den BF höchstpersönlich zu seinen Eltern geführt haben (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 02.04.2019), was ebenfalls als nicht glaubhaft gewürdigt wird. Welches Interesse sollte ein Kommandant (Chef) der Taliban daran haben, einen jungen, ängstlichen, ungebildeten jungen Burschen, der eine Sehbehinderung hat, höchstpersönlich zu seiner Familie zu führen? Auffallend ist auch, dass der BF bei seinem Haus angeklopft haben will, und seine Mutter die Haustüre geöffnet haben soll (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 02.04.2019). Es ist äußert ungewöhnlich, dass Frauen, welche sich im ländlichen Raum primär im Haus aufhalten und für die Außenwelt quasi "unsichtbar" sind, die Haustüre öffnen, ohne zu wissen, wer sich davor befindet. Zudem widerspricht sich der BF in diesem Punkt mit seiner Aussage vor der belangten Behörde, wo er noch anführte, dass sein Vater ihn gesehen habe und zu ihm gekommen sei (vgl. AS 103).

Entführungen von Personen in Afghanistan finden statt, dies jedoch meist zu dem Zweck, um von (vermeintlich) reichen Personen Geld zu erpressen, oder um durch die Entführung von hochrangigen Persönlichkeiten politischen Druck ausüben zu können, wie dies in der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018 an mehreren Stellen ausgeführt ist. Es werden von den Taliban auch Personen entführt, welche vermeintlich die Regierung oder ausländische Kräfte unterstützen, in Einzelfällen gab es auch Entführungen von Kindern durch die Taliban, wie UNHCR in deren Richtlinien vom 30.08.2018 darstellt.

Dem BF ist es in seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde und auch vor dem BVwG jedoch nicht gelungen, seine eigene vorgebliche Entführung durch die Taliban glaubhaft zu machen. Er erzählte sein Fluchtvorbringen sowohl vor der belangten Behörde als auch vor dem BVwG nahezu wortident, und ohne Details, was ebenfalls dafürspricht, dass es sich hierbei um ein Konstrukt handelt, welches der BF schilderte, um damit die Voraussetzungen für internationalen Schutz zu erfüllen.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die Taliban drohen.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht. (vgl. S 13 der Niederschrift der Beschwerdeverhand

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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