TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/11 W273 2161764-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W273 2161764-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11 / Top 15, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am gleichen Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass es in Afghanistan Krieg, Selbstmordattentäter und Bombenanschläge gebe.

3. Am XXXX fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "Bundesamt" oder "BFA") statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er während seiner Schulzeit ein paschtunisches Mädchen namens Soraya kennengelernt habe, mit der er über Jahre eine heimliche Beziehung geführt habe. Ihr Vater sei pensionierter General der Sicherheitsorgane gewesen. Eines Tages sei der Beschwerdeführer bei dem Mädchen zu Hause gewesen, dabei habe ihr Bruder, der als Sicherheitsorgan tätig gewesen sei, sie entdeckt und auf den Beschwerdeführer geschossen. Er sei daraufhin davongelaufen. Der Beschwerdeführer habe die Frau seines Onkels gebeten, bei der Familie des Mädchens um ihre Hand anzuhalten. Der Heiratsantrag des Beschwerdeführers sei jedoch von der Familie des Mädchens abgelehnt worden, weil der Beschwerdeführer Hazara sei. Der Bruder des Mädchens habe dem Beschwerdeführer darauf mit der Ermordung gedroht, weil der Beschwerdeführer den Ruf der Familie geschädigt hätte. Zwei bis drei Mal sei es zwischen ihm und dem Bruder des Mädchens zu Auseinandersetzungen gekommen. Bei einer Rückkehr in das Heimatland befürchte der Beschwerdeführer inhaftiert oder vom Bruder des Mädchens erschossen zu werden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Maidan Wardak) bzw. am Wohnort des Beschwerdeführers (Kabul) volatil sei. Weiters drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Beziehung zu dem paschtunischen Mädchen eine Verfolgung durch Privatpersonen in Afghanistan.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch und vernahm den Dienstgeber des Beschwerdeführers als Zeugen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Unterlagen (Konvolut Auszüge ZMR, GVS, Strafregister, Schengener Informationssystem, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.6.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019; UNHCR - Richtlinien zur Beurteilung internationaler Schutzbedürftigkeit von AsylwerberInnen aus Afghanistan (Entwicklungen in Afghanistan; Sicherheitslage;

Auswirkungen des Konflikts auf ZivilistInnen; Menschenrechtslage;

humanitäre Lage; Risikoprofile; interne Fluchtalternative;

Ausschlussgründe; etc.) vom 30.08.2018; Leitfaden zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan, UNHCR Österreich, November 2018 (im Folgenden "UNHCR RL 2018"); EASO-Leitlinien zu Afghanistan (EASO Country Guidance: Afghanistan Guidance Note and Common Analysis) vom Juni 2019 (nur auf Englisch verfügbar, im Folgenden "EASO Leitlinien 2019"); EASO COI Report: Afghanistan key socio-economic indicators Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, April 2019 (nur auf Englisch verfügbar, im Folgenden "EASO Bericht Sozio-Ökonomie 2019"); Bericht, EASO, Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan; Lage in Herat-Stadt und Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre, 13.09.2018; Accord Anfragebeantwortung zu

Afghanistan: Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e

Sharif: Landflucht als Folge der Dürre; Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Versorgungmit Wasser und Lebensmitteln, auf die Wohnraumbeschaffung und die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler (insbesondere von RückkehrerInnen) [a-10737] vom 12.10.2018).

Außerdem wurde Beweis erhoben durch die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen: Rechnung VHS Salzburg für Kosten Integrationsprüfung ÖIF B1, ÖSD-Zertifikat A2 vom XXXX , Jahreszeugnis Schuljahr 2018/2019 der Landesberufsschule XXXX , Empfehlungsschreiben von XXXX , Unterstützungserklärung von Frau XXXX , Lehrvertrag mit XXXX vom 26. Juni 2018, Empfehlungsschreiben XXXX vom 09.12.2018, Lohn/Gehaltsabrechnung von April 2018 bis November 2018; Lohnzettel und Beitragsgrundlagen-Nachweis vom 27.03.2018 bis 30.04.2018; Sprachbesuchsbestätigungen Caritas Akademie für den Zeitraum Februar bis Dezember 2017; Bestätigung LPD Steiermark Grundlagenstraßenverkehrsordnung für Radfahrer;

Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 30.12.2017;

Schulbesuchsbestätigung Landesberufsschule XXXX vom 17.12.2018;

sowie durch Einvernahme des Zeugen XXXX und der Zeugin XXXX .

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist ledig. Seine Muttersprache ist Dari. Zudem spricht er Farsi, Paschtu, Englisch und Urdu.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Wardak, in der Stadt XXXX geboren. Er hat die Grundschule in Kabul bis zur zehnten Schulstufe besucht und dort bis zu seiner Ausreise im Haus seines Onkels im Bezirk " XXXX " gelebt. Während der Schulzeit hat der Beschwerdeführer halbtags als Friseur sowie als Modephotograph in Kabul gearbeitet und war aufgrund dieser Tätigkeit früh finanziell unabhängig. Der Beschwerdeführer hatte in Kabul Freunde und Bekannte.

Die Eltern des Beschwerdeführers, dessen Geschwister und sein Onkel leben und arbeiten im Iran. Sie haben Afghanistan im Sommer XXXX verlassen. Ihre finanzielle Lage im Iran ist gut.

Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer wurde nach der afghanischen Kultur sozialisiert und ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

1.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Antragstellung am XXXX aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Lehrvertrag für den Lehrberuf Restaurantfachmann ab XXXX bis XXXX und erhält hierfür von seinem Ausbildungsbetrieb eine Lehrlingsentschädigung in Höhe von ca. EUR XXXX netto monatlich. Der Beschwerdeführer ist seit XXXX von der Grundversorgung abgemeldet. Unterkunft und Verpflegung werden während der Lehre vom Ausbildungsbetrieb des Beschwerdeführers bereitgestellt. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage seines Ausbildungsbetriebes als Kellner für die Zeit nach Beendigung seiner Lehre.

Der Beschwerdeführer besuchte neben seiner Ausbildung die Landesberufsschule XXXX in zwei Unterrichtsteilblöcken ab 15. November 2018 bis 20. Dezember 2018 und vom 21. März 2019 bis 12. April 2019. Der Beschwerdeführer schloss das Schuljahr 2018/2019 nicht positiv ab und plant, dieses ab Herbst 2019 zu wiederholen.

Er absolvierte im Jahr 2017 drei Deutschkurse der Caritas Akademie und nahm Ende 2017 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrations Fonds teil. Weiters besuchte er im Februar 2017 einen Erste-Hilfe-Kurs des Roten Kreuzes und absolvierte das Training der Landespolizeidirektion Steiermark "Grundlagen der Straßenverkehrsordnung für Radfahrer/Innen". Im Juli 2019 erwarb der Beschwerdeführer das ÖSD Zertifikat für Deutsch auf A2 Niveau.

Der Beschwerdeführer kann sich im Alltag auf Deutsch gut verständigen und eine Unterhaltung führen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten.

Der Beschwerdeführer pflegt freundschaftlichen Kontakte zu zahlreichen Österreichern, wie Arbeitskollegen, Mitschülern und freiwilligen Flüchtlingshelfern. Der Beschwerdeführer hat zu seinem Dienstgeber und dessen Ehefrau eine enge freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Der Beschwerdeführer hat ehrenamtlich als Friseur in einer Flüchtlingsunterkunft gearbeitet. Der Beschwerdeführer unternimmt mit seinen Freunden in Österreich und mit freiwilligen Flüchtlingshelfern Ausflüge und andere Freizeitaktivitäten.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten (Strafregisterauszug vom XXXX).

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer hatte in Afghanistan keine außereheliche Beziehung bzw. ein Verhältnis zu einem Mädchen. Der vom Beschwerdeführer vorgebracht Vorfall, wonach er vom Bruder seiner Freundin mit dieser gemeinsam erwischt worden sei und der Bruder des Mädchens auf ihn geschossen habe, hat sich nicht ereignet. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht bei anderen Gelegenheiten vom Bruder des Mädchens bedroht. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie waren in Afghanistan Bedrohungen oder psychischer bzw. physischer Gewalt ausgesetzt. Dem Beschwerdeführer droht individuell und konkret im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Familienangehörige des Mädchens oder durch andere Personen.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, weder vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, noch aus Gründen seiner politischen Gesinnung oder aus anderen Gründen. Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität, noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten und/oder zur Volksgruppe der Hazara keine konkret und individuell gegen ihn gerichtete physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan sind nicht allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist nicht aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Rückkehrer aus Europa sind aufgrund dieser Tatsache in Afghanistan nicht generell der Gefahr der physischen oder psychischen Gewalt ausgesetzt.

1.4. Zu einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

1.4.1 Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Wardak aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

1.4.2. Der Beschwerdeführer kann die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

1.4.3. Die Wohnraum- und Versorgungslage in Kabul, Mazar- e Sharif und Herat ist angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen, sich eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten auf Basis seiner beruflichen Vorerfahrungen sichern. Zudem kann der Beschwerdeführer zumindest vorübergehend Unterstützung durch seinen im Iran lebenden Onkel väterlicherseits bzw. seine Kernfamilie vom Iran aus erhalten. Der Beschwerdeführer kann sich in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat niederlassen und sich eine Existenz aufbauen, die mit jener andere vor Ort ansässiger Personen vergleichbar ist. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

1.4.4. Der Beschwerdeführer verfügt in Kabul über gute Ortskenntnisse und kann in der Vergangenheit bestandene Freund- und Bekanntschaften in Kabul zur Unterstützung bei einer Wiederansiedelung wiederaufnehmen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Aktuelle politische Ereignisse:

Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden. Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u. a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit integrierter Kurzinformation vom 04.06.2019 - im Folgenden "LIB 04.06.2019", S. 12).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden.

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht. Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient".

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten (LIB 04.06.2019, S. 22).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S. 22f.).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 04.06.2019, S. 22).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist.

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde. Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (LIB 04.06.2019, S. 13).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (LIB 04.06.2019, S. 14).

Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an:

Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u. a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für

1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opferwurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (LIB 04.06.2019, S. 25f.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten. Ungefähr 24% der zivilen Opfer, werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen (LIB 04.06.2019, S. 26).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu (LIB 04.06.2019, S. 68).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren. Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant. Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (LIB 04.06.2019, S. 68).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden (LIB 04.06.2019, S. 76f.).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 04.06.2019, S. 78f.).

Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (LIB 04.06.2019, S. 79).

Wardak / Maidan Wardak:

(Maidan) Wardak ist eine der zentralen Provinzen Afghanistans (Pajhwok o.D.). Maidan Shahr ist die Provinzhauptstadt. Distrikte der Provinz Wardak sind: Sayed Abad, Jaghto, Chak, Daimirdad, Jalrez, central Bihsud/Behsood und Hisa-i-Awal Bihsud. Kabul und Logar liegen im Osten der Provinz (Maidan) Wardak, Bamyan im Westen und Nordwesten, Ghazni im Süden und Südwesten, sowie die Provinz Parwan im Norden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 615.992 geschätzt. In der Provinz leben hauptsächlich ethnische Paschtunen, Tadschiken und Hazara; auch Kuchis sind in der Vergangenheit insbesondere in den Distrikt Behsood gezogen (LIB 04.06.2019, S. 248f.).

Die Hauptautobahn (Ring Road) Kabul-Kandahar führt durch die Provinz Maidan Wardak, von wo aus sie die südlichen, aber auch südöstlichen Provinzen des Landes mit der Hauptstadt Kabul verbindet. Polizisten arbeiten hart daran, die Autobahn von Minen zu befreien, da der südliche Abschnitt der Kabul-Kandahar Autobahn neun Provinzen mit der Hauptstadt Kabul verbindet.

Mit Stand November 2017 ist die Provinz Wardak zumindest seit dem Jahr 2006 komplett opiumfrei - im Jahr 2005 wurden in Daimirdad noch 106 Hektar Mohnanbauflächen.

Wardak zählt seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv - speziell in den Distrikten nächst der Autobahn. Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 81 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 83 zivile Opfer (42 getötete Zivilisten und 41 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten/willkürlichen Tötungen und Luftangriffen. Dies deutet einen Rückgang von 35% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). In der Provinz Wardak werden groß angelegte militärische Operationen durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Bei diesen Operationen werden unter anderem auch Führer von regierungsfeindlichen Gruppierungen getötet. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt; bei diesen werden auch Aufständische getötet. Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden.

Regierungsfeindliche bewaffnete Aufständische sind in unterschiedlichen Distrikten aktiv. Dazu zählen u. a. die Taliban; Quellen zufolge hat das Haqqani-Netzwerk in einem Teil der Provinz Wardak eine Zentrale gehabt. Das Haqqani-Netzwerk operiert großteils in Ostafghanistan und der Hauptstadt Kabul.Für den Zeitraum 1.1.2017-31.1.2018 wurden keine IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet (LIB 04.06.2019, S. 251).

Zur Stadt Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 04.06.2019, S.90f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 04.06.2019, S. 91).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 04.06.2019, S. 92).

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 04.06.2019, S. 93).

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 04.06.2019, S. 93).

Aktuelle Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen. Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt. Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen. Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag.

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte. Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University. Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet (LIB 04.06.2019, S. 14)

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission.

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen" Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt. US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen. Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (LIB 04.06.2019, S. 15).

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca.150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (LIB 04.06.2019, S. 16).

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt. Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler. Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag. Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (LIB 04.06.2019, S. 18).

Zur allgemeinen Lage Kabul (EASO Bericht Sozio-Ökonomie 2019 zu den angegebenen Seitenzahlen):

Kabul hatte in den Jahren 2017-2018 ca. 3,5 bis 5,5 Mio. EinwohnerInnen (S. 12f.). 1/3 der Bevölkerung besteht aus Rückkehrern und intern Vertriebenen (S. 14f.). Die meisten Rückkehrer und intern Vertriebenen siedeln sich außerhalb des Stadtkern in Camps an und leben dort meist wieder mit den Leuten aus der eigenen Provinz zusammen, d.h. MigrantInnen haben meist mehr Bezug zur Herkunftsprovinz als zu Kabul.

Der Flughafen Kabul ist ca. 5 km vom Zentrum der Stadt entfernt.

Lebensmittelsicherheit: Generell besteht in den drei genannten Städten Mazar-e Sharif, Kabul und Herat keinerlei Lebensmittelknappheit. Das Hauptkriterium für einen Zugang zu Lebensmitteln ist, dass ausreichend Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, was im Falle von vertriebenen Personen ein besonderes Problem darstellen könnte. Kabul zählt nicht zu den Städten, in welchen es das größte Problem gibt, aber IDPS und Rückkehrer verschärfen zunehmend das Problem. FEWS klassifizierte Kabul im Dezember 2018 als "stressed", was bedeutet, dass trotz Hilfe zumindest einer von fünf Haushalten nur die minimale adäquate Lebensmittelaus¬stattung zur Verfügung hatte (S. 37f.).

Sichere Unterkunft: Sichere Unterkunftsmöglichkeiten sind vorhanden. Die Stadthäuser können überwiegend als "Elendsviertel" bezeichnet werden. Der Zugang zu einer adäquaten Wohnmöglichkeit stellt für die Mehrzahl der in Städten lebenden Afghanen eine echte Herausforderung dar. In Kabul gibt es ein Überangebot an hochwertigen Unterkünften, welche jedoch für die Mehrheit der Stadtbewohner von Kabul nicht leistbar sind. Die große Anzahl Vertriebener sowie der plötzliche Anstieg an Rückkehrern in der zweiten Hälfte des Jahres 2016 hat die ohnehin schon überspannte Aufnahmekapazität der Städte noch zusätzlich belastet. Vertriebene Personen finden sich letztlich zumeist in Unterkünften für Binnenflüchtlinge wieder, weshalb sie eine sichere Unterkunft als ihr vorrangigstes Bedürfnis bezeichnen. In den Städten werden als Alternative ferner auch günstige Unterkünfte in "Teehäusern" angeboten.

Der Zugang zum Gesundheitswesen ist in Kabul leichter als in anderen Städten. Frauen haben hier den besten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Der, der es sich leisten kann, fährt jedoch nach Pakistan oder Indien, um sich versorgen zu lassen. Korruption ist ein großes Problem in der Gesundheitsversorgung. Es gibt 47 Gesundheitseinrichtungen in Kabul. Eine italienische NGO betreibt eine Einrichtung, in welcher TraumapatientInnen betreut werden. Zwei staatliche Einrichtungen bieten kostenlose Behandlung für psychische Erkrankungen an. Eine von Deutschland gegründete internationale Psychosoziale Organisation (IPSO) bietet psychosoziale Betreuung für Rückkehrer aus Deutschland an, betreut aber auch Einheimische, wobei 400 bis 500 Personen täglich unterstützt werden (Selbsthilfegruppen, Training, um in Afghanistan zu leben, 1:1 Coaching und andere Arten der psychosozialen Hilfestellung) (S. 50ff.).

Hygiene: Der Zugang zu Trinkwasser stellt oft eine Herausforderung dar, insbesondere in den Elendsvierteln von Kabul und den dortigen Unterkünften für Binnenflüchtlinge. In Mazar-e Sharif und Herat haben die meisten Leute Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch besseren Sanitäreinrichtungen. Kabul wächst pro Jahr um 4,74 %. Lt. IGC leben 70 % der Einwohner Kabuls in informellen Siedlungen. Während dieses Wachstum in informellen Siedlungen die Gefahr der Obdachlosigkeit eindämmte, führte es zu massiven Problemen im Bereich der Abwasser- und Abfall-entsorgung. Es ist schwierig, in diesen informellen Siedlungen die Grundservices, wie Wasser, sanitäre Einrichtungen und Elektrizität zu erhalten, wobei der Zugang zu Trinkwasser die größte Herausforderung ist. Kabul hat kein zentrales Abwasserentsorgungssystem. Es werden individuelle Klärgruben genutzt, die sich oft in der Nähe des Brunnens oder der Quelle befinden. Kabul zählt zu den Städten, die das größte Problem mit verschmutztem Grundwasser haben. Der Grundwasserspiegel sinkt laufen, weil bedingt durch den Bevölkerungszuwachs mehr Wasser gebraucht wird. Lt. ACLS 2016-17 hatte in etwa die Hälfte der Bevölkerung Kabuls sanitäre Verhältnisse, die nicht geteilt werden mussten und wo das Abwasser sicher entfernt wurde.

32 % der Bevölkerung Kabuls hat Zugang zu Wasser aus einer Leitung, und nur 10 % haben Zugang Trinkwasser. Viele Menschen sind gezwungen, ihre eigenen Quellen zu fassen. Viele arme Einwohner sind auch öffentliche Wasserentnahmestellen, die oft weit weg von ihrer Unterkunft entfernt sind, angewiesen. Diesen Job erledigen meist Kinder, und hier meist die Mädchen. 2018 haben lt. AUWSSC 72 private Firmen illegal Wasser an tausende Familien verkauft (S. 56f.).

Zur Provinz Balkh und der Hauptstadt Mazar-e Sharif:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan. Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan] und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 04.06.2019, S. 108f.). Die Infrastruktur ist noch unzureichend, da viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, in schlechtem Zustand und in den Wintermonaten unpassierbar sind (LIB 04.06.2019, S. 109). Mazar-e Sharif ist jedoch grundsätzlich auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 04.06.2019, S. 264).

In Mazar-e Sharif gibt es zudem einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 04.06.2019, S. 266). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (s. EASO Leitlinien Afghanistan vom Juni 2019 (EASO Country Guidance Afghanistan of June 2019), S. 130), die Verbindungsroute in die Stadt ist bei Tageslicht jedenfalls sicher.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 04.06.2019, S. 109). Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u. a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan (LIB 26.03.2019, S. 16).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer (LIB 04.06.2019, S. 110).

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachte Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 04.06.2019, S. 111).

Zu den aktuellen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen in der Stadt Mazar-e Sharif (EASO Bericht Sozio-Ökonomie 2019 zu den angegebenen Seitenzahlen)

In der Stadt leben Tadschiken und Paschtunen, Usbeken und Hazara und weitere Ethnien gemischt (S. 12). Der Flughafen liegt 9km außerhalb der Stadt, östlich des Zentrums. (S. 21f).

38 % der Bevölkerung - hauptsächlich ökonomische MigrantInnen - davon nur 17 % Rückkehrer aus dem Ausland (Iran und andere Länder) sind IPD und Rückkehrer (S. 14f).

Die Stadt ist ein Industriezentrum. Es bestehen Arbeitsmöglichkeiten im Bereich Handel und Handwerk. Mazar-e Sharif ist im Vergleich zu Kabul und Herat (auch wirtschaftlich) stabiler. Die größten Gruppen sind DienstleistungsmitarbeiterInnen und Handelsangestellte (23%), gefolgt von Managern/Technikern/ Angestellten (20,9 %)(S. 29).

Familiennetzwerke sind lebensnotwendig für Rückkehrer, um Arbeit und Unterkunft zu finden. UMF, Frauen und Haushalte, denen Frauen vorstehen, sind trotz familiären Netzwerkes vulnerabel (S. 29).

Lt. IOM arbeiten der Großteil der IDPs und der Rückkehrer als Gelegenheitsarbeiter. Wenige arbeiten in der Landwirtschaft oder haben eigenes Vieh. Märkte und kleine Geschäfte bieten Arbeitsmöglichkeiten, welche aber oft zeitlich begrenzt sind (S. 30).

In Bezug auf die Lebensmittelsicherheit klassifizierte FEWS Mazar-e Sharif im Dezember 2018 als "stressed", was bedeutet, dass trotz Hilfe zumindest einer von fünf Haushalten nur die minimale adäquate Lebensmittelausstattung zur Verfügung hatte (S. 37).

Der Alphabetisierungsgrad in Mazar-e Sharif war 2015 für Menschen älter als 15 Jahre 61,7 %. Die Provinz Balkh hat die höchste Rate an Mädchen, die in Afghanistan die Schule besuchen (48 % im Jahr 2014). In Mazar-e Sharif fehlt es in öffentlichen Schulen vielfach an Wasser und Strom. Mazar-e Sharif hat ca. 10-20 teils private und teils öffentliche Universitäten (S. 42).

Zum Gesundheitswesen wird berichtet, dass in Mazar-e Sharif das größte Krankenhaus das Abu Ali Sinha Regional Hospital ist, welches für die gesamte Region tätig ist. Es gibt 10 - 15 Spitäler in Mazar, der Großteil davon ist privat, und 30 bis 50 Gesundheitskliniken. Es gibt die erste private neuro-psychiatrische Krankenhaus Afghanistans in Mazar-e Sharif, das Alemi Hospital, welches am Stadtrand von Mazar-e Sahrif liegt. Zudem gibt es noch zwei Einrichtungen, die Behandlung bei psychischen Erkrankungen anbieten. Balkh zählt zu jenen Provinzen, in welchen der Zugang von Frauen zu Gesundheitsservices am höchsten ist (S. 50ff).

Zu den Themen Unterkunft, Wasser und sanitäre Einrichtungen wird berichtet, dass 66,5 % der Menschen in Mazar-e Sharif im eigenen Haus leben, während 24,5 % ihre Unterkunft gemietet haben (2015). Mehr als die Hälfte der Häuser in Mazar besteht aus Lehm, Erde oder Holz, der Rest ist aus Ziegeln und Metall, Zement oder anderen Materialien errichtet.

Die meisten Menschen haben Zugang zu verbesserten Trinkwasser (76 %), das normalerweise aus Brunnen stammt. 92% der Haushalte hat eine verbesserte sanitäre Einrichtung (S. 56f).

Zur Stadt Herat:

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 04.06.2019, S. 146).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern.

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Militärische Operationen in Herat: In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat: Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (LIB 04.06.2019, S. 146-148).

Zu den aktuellen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen in der Stadt Herat (EASO Bericht Sozio-Ökonomie 2019 zu den angegebenen Seitenzahlen)

Die Provinz Herat hat im Zeitraum 2017-2018 ca. 507.000 EinwohnerInnen (EASO "Afghanistan Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City", April 2019, S.12f). Die Bevölkerung in Herat setzt sich aus Tadschiken (Hauptbevölkerung Herats), einer paschtunischen Minderheit und Hazara (ca. ein Viertel der Bevölkerung) zusammen. Viele davon sind sind aus dem Exil zurückgekehrt und leben im Stadtteil Jebrael im Westen der Stadt, wo insgesamt ca. 60.000 Menschen leben. Die Ethnien leben meist getrennt voneinander (EASO "Afghanistan Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City", April 2019, S.12f). 47 % der Bevölkerung besteht aus intern Vertriebenen und Rückkehrern, wobei es sich hauptsächlich um ökonomische MigrantInnen handelt (EASO "Afghanistan Key socio-economic indicators - Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City", April 2019, S.14f). Da Stämme in Herat weniger Rolle spielen, ist es für MigrantInnen leichter, sich dort niederzulassen. Lt. IOM ist Herat am meisten von MigrantInnen betroffen. Daher ist Herat geprägt von sozialer Instabilität, inadäquatem Zugang zu Grundservices und es besteht ein begrenzter Zugang zum Arbeitsmarkt. Aufgrund der Dürre im Herbst 2018 kamen zusätzlich ca. 60.000 Personen aus dem Umfeld in die Stadt Herat (S.14f).

Herat hat einen Flughafen, der außerhalb der Stadt, ca. 13 km nördlich des Zentrums liegt (S.21f).

Herat besteht aus einer sehr jungen Bevölkerung. Das heißt, dass die Gruppe der 15- bis 64-Jährigen sehr klein ist und eine große wirtschaftliche Last tragen muss. Die Hälfte der Beschäftigten in Herat sind Tagelöhner (Handel, Bergbau und Handwerk). Herats Industrie wächst. Die Gefahr von Entführungen von Geschäftsleuten und deren Familienangehörigen durch Kriminelle, Energiemangel und Schwierigkeiten, im Wettbewerb mit Produkten aus dem Iran und dem Ausland zu konkurrieren, sowie steigende Arbeitslosigkeit, machen einen Aufschwung der Industrie unsicher (S.28f).

Familiennetzwerke sind lebensnotwendig für Rückkehrer, um Arbeit und Unterkunft zu finden. UMF, Frauen und Haushalte, denen Frauen vorstehen, sind trotz familiären Netzwerkes vulnerabel (S.29).

Stammeskonflikte spielen in Herat weniger eine Rolle, als die Konkurrenz um Arbeitsplätze, vor allem, da der Großteil der Rückkehrer als ungelernte Hilfskräfte arbeiten. Die Probleme der IDPs/Rückkehrer sind vor allem, so viel zu verdienen, dass sie sich Nahrung leisten zu können und Arbeitslosigkeit, mangelnde Ausbildung, Fähigkeiten und Kenntnisse, um eine Arbeit zu finden. (S. 30).

Herat ist relativ sicher, was Beschäftigung und Business-Möglichkeiten anbelangt, was die Stadt für Rückkehrer attraktiv macht. H

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten