Entscheidungsdatum
16.09.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W197 1435520-2/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2016, Zl. 830112010-1611555, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2019 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.g.F. der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird unter einem festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 26.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde noch am selben Tag vor der LPD XXXX zu seinen Fluchtgründen befragt. Der BF gab an Tadschike, sunnitischen Bekenntnisses, ledige, kinderlos und ohne Schulbildung zu sein. Er habe seine Heimat verlassen, da ihn der Vater seiner damaligen Freundin mit einem Messer hätte umbringen wollen. Ein Freund des Angreifers habe versucht, den Asylwerber festzuhalten; dennoch sei es dem Rechtsmittelwerber gerade noch rechtzeitig gelungen sich loszureißen. Daraufhin hätte der Vater des Mädchens anstelle des Antragstellers vielmehr seinen Komplizen mit der Stichwaffe in die Brust getroffen und dadurch tödlich verwundet. Vor der Polizei wäre dann aber der Genannte des Mordes bezichtigt worden und müsse dieser im Falle seiner Rückkehr um sein Leben fürchten.
1.2. In der Folge wurde der BF am 15.05.2013 vor der Behörde nochmals niederschriftlich zu seinen fluchtauslösenden Gründen einvernommen. Dabei wiederholte er sinngemäß seine bisherigen Angaben. Konkret stamme er aus Kabul, verfüge weder über Eltern noch Geschwister oder sonstige Verwandte in seinem Herkunftsland und hätte er bislang seinen Lebensunterhalt als selbstständiger Schneider verdient. Eines Tages sei eine Kundin mit ihrer Tochter in seinem Geschäft erschienen und wäre dies der Anfang einer intimen Beziehung zwischen ihm und der 19-jährigen gewesen. Nach den ersten gemeinsamen sexuellen Erlebnissen habe der Genannte unter Mitwirkung eines Nachbarn um die Hand des Mädchens angehalten. Mehrere Wochen später hätte ihm seine Angebetete dann jedoch mitgeteilt, wonach sie nach dem Wunsch ihrer Eltern nicht den Asylwerber, sondern einen Cousin ehelichen solle. Mangels Jungfräulichkeit könne sie aber diesem Ansinnen keinesfalls entsprechen. Um mit dem Mädchen gemeinsam fliehen zu können, habe der Rechtsmittelwerber sein Haus an seinen Untermieter veräußert, wobei er den Kaufpreis erst zwei Monate nach Vertragsabschluss erhalten hätte. Gleichzeitig sei seine Auserwählte überzeugt gewesen, bereits im vierten Monat schwanger zu sein - ein Verdacht, welchen sie auch ihrer Mutter gegenüber geäußert habe. Danach wäre der Kontakt zwischen dem Paar abgerissen. Zuletzt hätte ihn die junge Frau noch einmal angerufen, um ihn zu warnen. Am Heimweg von seiner Schneiderei mit dem Fahrrad wäre er dann von einem Auto überholt worden, aus welchen in weiterer Folge der Bruder des Mädchens sowie ein zweiter Mann ausgestiegen seien. Unter dem Vorwand, lediglich mit ihm sprechen zu wollen, habe man ihn auf eine als Fußballplatz genutzte Wiese gebracht und dort verprügelt. Anschließend hätte der Bruder seiner Angebeteten ein Messer gezogen, während dessen Begleiter den Beschwerdeführer an beiden Händen festgehalten habe. Während des Zustechens sei es dem Rechtsmittelwerber unerwartet gelungen, sich soweit loszureißen, als dass der Angriff sein Ziel verfehlt und stattdessen den Mittäter in der Brust tödlich getroffen hätte. Die daraus resultierende Verwirrung wäre seinerseits erfolgreich zur Flucht genutzt worden. Um weiteren Komplikationen zu entgehen, sei der Asylwerber nicht mehr nach Hause, sondern vielmehr zu einem Freund geeilt, von wo aus er letztendlich auch seine illegale Ausreise bis ins Bundesgebiet organisiert habe. Von seinem ehemaligen Untermieter, welcher sein Haus um $ 10.000.- käuflich erworben hätte, wäre ihm dann auch verraten worden, wonach die Behörden nunmehr gegen den Antragsteller wegen Mordverdachts ermitteln würden. Im Falle seiner Rückkehr befürchte der genannte von der Familie seiner ehemaligen Freundin ermordet zu werden. Verwandte oder andere persönliche Kontakte pflege er im Bundesgebiet keine und beschränke sich sein Interesse auf den Wunsch hinkünftig in Österreich arbeiten zu können.
1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Genannten gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idgF ebenso abgewiesen (Spruchpunkt I.) wie jener auf Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 leg. cit. (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
1.4. Der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.04.2014, Zl. W228 1435520-1/8E, gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
1.5. In weiterer Folge wurde der Rechtsmittelwerber am 24.02.2015 neuerlich vor der belangten Behörde zu seinen Fluchtmotiven befragt, wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Als Analphabet falle es ihm aber schwer, konkrete Daten zu präsentieren. Obwohl sein Nachbar und dessen Frau insgesamt dreimal in seinem Namen um die Hand des Mädchens angehalten hätten, sei dieses Ansinnens seitens deren Eltern abgelehnt worden. Über die Motive für diese Entscheidung könne der Asylwerber bloß Vermutungen anstellen. Offiziell wäre die Ablehnung mit dem Verweis auf die diesbezügliche Zusage gegenüber einem Cousin begründet worden. Das Mädchen selbst sei anfangs immer zusammen mit ihrer Mutter - in einer Burka gekleidet - in seiner Schneiderei vorstellig geworden. Im Verlauf der Zeit hätte sie dann ihre Verhüllung abgelegt und später sogar ihre Telefonnummer dem Antragsteller hinterlassen. Nach drei Monaten rein fernmündlichen Kontakts, wäre sie junge Frau dann schließlich ohne Begleitung im Geschäft des Genannten aufgetaucht. Nachdem der Beschwerdeführer offiziell um ihre Hand angehalten habe, hätten sich die Treffen aber massiv reduziert. Unmittelbar nach der offiziellen Verkündung der Entscheidung der Eltern, sei das Paar übereingekommen, gemeinsam zu flüchten, sobald der Rechtsmittelwerber sein Haus verkauft habe. In der Annahme, schwanger zu sein, wäre die Auserwählte aber schließlich zu ihrer Mutter gegangen um dieser von ihrer Befürchtung zu erzählen. Noch am selben Tag hätten ihn deren Bruder sowie dessen Begleiter am Nachhauseweg abgefangen mit den bereits in früheren Einvernahmen geschilderten Konsequenzen. Da es sich nach afghanischer Sicht somit um eine "Ehrensache (Seite 493 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)" handle, welche traditionell niemals von seinen Landsleuten verziehen werde, müsse er auch in Hinkunft im Falle seiner Rückkehr mit tödlichen Racheakten seitens der Familie des Mädchens rechnen. An die Sicherheitsbehörden habe sich der Beschwerdeführer nicht gewandt, zumal der Angreifer und Bruder seiner Angebeteten selbst im Polizeidienst tätig gewesen sei.
1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den bekämpften Bescheid mit dem es den Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten Asyl gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Status des subsidiären Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i. V. m.§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abwies (Spruchpunkt II.), ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilte, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asyl i. V. m. § 9 BFA VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erließ, gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festsetzte (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die Erstinstanz im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu Spruchpunkt I. zunächst aus, wonach sich die vom Asylwerber als fluchtauslösend dargebotene Verfolgungssituation im Ergebnis als zur Gänze völlig unglaubwürdig, zumal absolut unschlüssig, unplausibel, realitätsfremd sowie massiv widersprüchlich erweise.
Zusammenfassend gehe die Erstinstanz somit davon aus, dass die seitens des Antragstellers vorgebrachten Fluchtgründe keineswegs auf tatsächlichen Geschehnissen fußen würden.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde primär darauf verwiesen, wonach weder aus dem unglaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den vorliegenden aktuellen Länderberichten der Schluss gezogen werden könne, demzufolge im Falle seiner Rückführung in sein Heimatland eine potentielle Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte realistisch zu befürchten wären. Das Fehlen existentieller Grundlagen sei von diesem auch nie behauptet worden und wären allfällige Hinweise in diese Richtung während des Verfahrens auch nicht hervorgetreten. Angesichts des jungen Alters in Kombination mit dem nicht behandlungswürdigen Gesundheitsstatus sei es dem Genannten objektiv durchaus möglich wie auch zumutbar, seine Lebensgrundlage durch die regelmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Daraus resultierend wäre daher auch der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzes zwingend abzuweisen gewesen.
Zu Spruchpunkt III. verwies das Bundesamt zunächst auf die fehlenden familiären Anknüpfungspunkte des Asylwerbers in Österreich. Vor dem Hintergrund der erst sehr kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet könne keine dermaßen tiefe Verwurzelung in die heimischen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse erkannt werden, welche ein schutzwürdiges Vertrauen auf ein dauerhaftes Bleiberecht rechtfertigen oder eine Rückkehr ins Herkunftsland als unzulässig erscheinen lassen würde. Aus einer Gesamtschau der rechtlich relevanten Faktoren sei somit eine Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan als zulässig zu qualifizieren.
1.7. Gegen diese Entscheidung erhob der rechtsfreundlich vertretene Antragsteller fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde.
1.8. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.08.2019, zu der ein Vertreter der belangten Behörde entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Genannten im Beisein einer Dolmetscherin, dessen rechtsfreundliche Vertretung, sowie durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Erstinstanz, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde vom Rechtsmittelwerber abermals seine große Furcht vor seiner Rückkehr nach Afghanistan ins Treffen geführt. Demnach würden ihn die Angehörigen seiner ehemaligen Freundin nach dem Leben trachten - eine Situation, welche durch die aktive Mitgliedschaft des Bruders der Frau bei der Polizei in Kombination mit der früheren Dschihadisten - Eigenschaft des Vaters besonders verschlimmert werde.
Seine Eltern wären zwischenzeitlich nicht mehr am Leben; über weitere Familienangehörige habe er nie verfügt. Vielmehr sei er bei einem Nachbarn aufgewachsen, der sich seiner als Waisenkind angenommen hätte.
Ursprünglich als Schneider fünfzehn Autofahrtminuten von seiner Wohnung in KABUL tätig, hätte er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit auch eine ungefähr 19-jährige Frau kennengelernt mit der sich in den folgenden Monaten ein sexuelles Verhältnis entwickelt habe. Nach mehreren Aufträgen und Besuchen in seinem Geschäft hätte die regelmäßig in Begleitung ihrer Mutter erschienene Frau einfach heimlich und unbemerkt ihre Mobilnummer hinterlassen - ein Zeichen, welches er richtig zu interpretieren gewusst habe. Nach der anschließenden fernmündlichen Kontaktaufnahme durch den Asylwerber wäre gemeinsam vereinbart worden, dass ihn das Mädchen auch ohne Begleitung in seiner Schneiderei besuchen kommen würde. Aus den darauffolgenden Besuchen und Telefonaten sei schließlich Liebe entstanden. An allfällig aus der Beziehung potentiell resultierende Probleme habe das Paar nicht gedacht, zumal man ohnehin einander heiraten hätte wollen. Trotz der unterschiedlichen ethnischen Zugehörigkeit der beiden, sei der tadschikische Antragsteller dennoch von einer Einwilligung der paschtunischen Eltern seiner Geliebten ausgegangen.
Der daraufhin vom Genannten als Hochzeitswerber eingesetzte Nachbar wäre wie in solchen Fällen nach afghanischer Tradition üblich an die Eltern der Auserwählten herangetreten und habe dann im Namen des Beschwerdeführers um deren Hand angehalten. Diese hätten aber nicht sofort geantwortet, sondern sich vielmehr für ihre Entscheidung etwas Bedenkzeit ausbedungen. Ungefähr acht Tage später sei dann der Nachbar abermals bei den Eltern der jungen Frau vorstellig geworden und habe dann eine negative Antwort erhalten. Ein weiterer Versuch sei ebenfalls fruchtlos verlaufen. Danach hätte das Paar nur mehr telephonisch miteinander kommuniziert. Zwei Monate nach der ablehnenden Entscheidung der Eltern der Umworbenen habe diese ihrer Mutter eröffnet, nicht mehr Jungfrau zu sein - eine Vorgangsweise, welche vermutlich angesichts der beabsichtigten Eheschließung mit einem Cousin unumgänglich gewesen wäre. Aus Angst um seine Sicherheit habe der Rechtsmittelwerber daraufhin den Kontakt zu der jungen Frau zur Gänze abgebrochen und sei ihm über deren weiteres Schicksal nichts bekannt. Zur Arbeit wäre er dann aus Furcht vor Racheakten auch nicht mehr gegangen.
An jenem Abend, an dem der Antragsteller von seiner Geliebten erfahren hätte, dass diese ihren Eltern das konkrete Ausmaß ihrer gemeinsamen Beziehung geschildert habe, wäre er auf seinem Nachhauseweg von deren Bruder und einem von dessen Freunden überfallen worden. Nach anfänglichen Schlägen sei der männliche Geschwisterteil dazu übergegangen sein Messer zu ziehen, während zur selben Zeit sein Komplize den Genannten von hinten festgehalten hätte. Durch die panischen Abwehrbewegungen des Beschwerdeführers habe dann der Angreifer nicht nur sein Ziel verfehlt, sondern stattdessen seinen Freund tödlich verwundet.
In der daraus resultierenden chaotischen Situation wäre dann der Rechtsmittelwerber erfolgreich davongelaufen und hätte sich dann bei einem Freund versteckt. Über Dritte habe er wenig später erfahren, wonach die Polizei nach ihm wegen Mordverdachts suchen würde. Knapp drei Wochen später sei es dann seinem Nachbarn gelungen, den Kaufpreis für das Haus des Asylwerbers wie ursprünglich zuvor bereits vereinbart, aufzubringen und hätte dieser mit dem Erlös dann seine Flucht ins Bundesgebiet finanziert.
Die in früheren Einvernahmen angeblich entstandenen Widersprüchlichkeiten wären allesamt auf die Missverständlichkeit in der Kommunikation mit der iranischen Dolmetscherin zurückzuführen.
Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan müsse der Asylwerber massiv um sein Leben fürchten.
Unter einem präsentierte der Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerdeverhandlung ein Konvolut an Beweismittel, aus denen seine Bemühungen hinsichtlich einer erfolgreichen Integration zweifelsfrei hervorgehen sollen.
2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
2.1. Feststellungen
2.1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Partei ist Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist sunnitischer Religionszugehörigkeit sowie ledig und kinderlos. Seine Identität steht fest.
Die faktische Existenz von Anknüpfungspunkten verwandtschaftlicher Art in Afghanistan ist nach dem Tod beider Eltern und dem gänzlichen Fehlen weiterer Angehöriger nicht gegeben.
Eine Schulbildung des Antragstellers ist nicht vorhanden, vielmehr handelt es sich bei ihm um einen Analphabeten. Auf eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Genannte zwar nicht im formellen Sinn zurückgreifen, jedoch verfügt er über eine mehrjährige Berufspraxis als selbstständiger Damen- und Herrenschneider. Nach seinen eigenen Angaben ist er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, hatte ansonsten keine Probleme mit Behörden und war politisch auch nicht aktiv.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer persönlich glaubwürdig ist.
Der Beschwerdeführer hatte ein Verhältnis mit einer jungen Frau, die er kennengelernt hat, als sie als Kundin in die Schneiderei des Beschwerdeführers kam, um sich Kleider schneidern zu lassen. Der Beschwerdeführer und die junge Frau hatten zunächst telefonischen Kontakt, nachdem die junge Frau heimlich ihre Telefonnummer in der Schneiderei hinterlassen hatte; später kam es auch zu persönlichen Treffen und einer sexuellen Beziehung. Eines Abends rief die junge Frau, die von ihren Eltern mit ihrem Cousin verheiratet hätte werden sollen, den Beschwerdeführer an und teilte ihm mit, dass ihre Eltern von dieser Beziehung erfahren haben. Am selben Abend wurde der Beschwerdeführer vom Bruder der jungen Frau, der bei der Polizei arbeitet, sowie einem Freund von diesem auf der Straße angehalten und zunächst geschlagen. Als der Bruder der jungen Frau den Beschwerdeführer mit einem Messer erstechen wollte, wehrte sich der Beschwerdeführer, woraufhin der Bruder der jungen Frau versehentlich seinen Freund erstach. Aus Angst um sein Leben flüchtete der Beschwerdeführer aus Afghanistan.
2.1.3. Zur maßgeblichen Situation in der Islamischen Republik Afghanistan:
Dazu wird an dieser Stelle auf die dem rechtsfreundlich vertretenen Asylwerber wie auch der belangten Behörde präsentierten aktuellen Länderberichte verwiesen, deren inhaltliche Richtigkeit von keiner Seite bestritten wurde. Zudem ergibt sich aus den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, denen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ist (siehe VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN), ein Risiko für in Blutfehden verwickelte Personen:
Gemäß althergebrachter Verhaltens- und Ehrvorstellungen töten bei einer Blutfehde die Mitglieder einer Familie als Vergeltungsakte die Mitglieder einer anderen Familie. In Afghanistan sind Blutfehden in erster Linie eine Tradition der Paschtunen und im paschtunischen Gewohnheitsrechtssystem Paschtunwali verwurzelt, kommen jedoch Berichten zufolge auch unter anderen ethnischen Gruppen vor. Blutfehden können durch Morde ausgelöst werden, aber auch durch andere Taten wie die Zufügung dauerhafter, ernsthafter Verletzungen, Entführung oder Vergewaltigung verheirateter Frauen oder ungelöster Streitigkeiten um Land, Zugang zu Wasser oder Eigentum. Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Paschtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Berichten zufolge Racheakte nicht an Frauen und Kindern verübt, doch soll der Brauch baad, eine stammesübliche Form der Streitbeilegung, in der die Familie des Täters der Familie, der Unrecht geschah, ein Mädchen zur Heirat anbietet, vor allem im ländlichen Raum praktiziert werden, um eine Blutfehde beizulegen. Wenn die Familie, der Unrecht geschah, nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann, wie aus Berichten hervorgeht, die Blutfehde erliegen, bis die Familie des Opfers sich für fähig hält, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters im Rahmen des formalen Rechtssystems schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus. Sofern die Blutfehde nicht durch eine Einigung mit Hilfe traditioneller Streitbeilegungsmechanismen beendet wurde, kann Berichten zufolge davon ausgegangen werden, dass die Familie des Opfers auch dann noch Rache gegen den Täter verüben wird, wenn dieser seine offizielle Strafe bereits verbüßt hat.
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Herkunft der beschwerdeführenden Partei stützen sich auf deren glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
2.2.2. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf die der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegten und anlässlich der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlungen dargetanen und anschließend zur schriftlichen Stellungnahme vorgehaltenen Länderdokumente. Da die Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Situationsdarstellungen zu zweifeln. Hinzu kommt, dass den Auskünften in der Regel Recherchen von vor Ort tätigen Personen oder Organisationen zu Grunde liegen, welche wohl auf Grund der Ortsanwesenheit am besten zur Einschätzung der Lage fähig sind. Auch seitens der Partei wurden hinsichtlich der herangezogenen Quellen keine Einwände erhoben. Den Richtlinien von UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken (siehe VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN).
2.2.3. Die weiteren Feststellungen resultieren aus der Befragung des Antragstellers in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht. In seinen persönlichen Einvernahmen vor dem erkennenden Richter hinterließ der Asylwerber durch sein Auftreten und die Spontanität seiner Antworten einen in jeder Hinsicht glaubwürdigen Eindruck. So sah er sich im Ergebnis zur Gänze dazu in der Lage, sämtliche seitens der Erstinstanz ins Treffen geführte Ungereimtheiten respektive Unplausibilitäten schlüssig und nachvollziehbar aufzuklären, schilderte auf Nachfrage selbst Nebenaspekte widerspruchsfrei bis ins kleinste Detail und konnte keinerlei Ansatzpunkt für eine wahrheitswidrige Darstellung seiner präsentierten Bedrohungssituation vom erkennenden Richter festgestellt werden. Vermeintliche Widersprüche vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren nachvollziehbar aufzuklären. So legte der Beschwerdeführer etwa bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Vorhalt, dass der Ablauf des Messerangriffes auf den Beschwerdeführer, wie vom Beschwerdeführer geschildert und vor dem seinerzeitigen Bundesasylamt im Rahmen einer Nachstellung rekonstruierten, in dieser Form fast nicht möglich sei, dar, dass Bruder der Frau, welcher ihn mit einem Messer angegriffen hat, Linkshänder ist; die dahingehende Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht nachvollziehbar. Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erwähnten Widersprüche hinsichtlich der Häufigkeit der Treffen sind in einer Gesamtschau nicht geeignet, das insgesamt schlüssige Vorbringen des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen. Schließlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass eine Frau, die Burka trägt, in Kabul ohne Begleitung in der Öffentlichkeit unterwegs ist. Der Rechtsmittelwerber hat somit nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine asylrechtlich relevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohen würde.
Demgegenüber hat es die belangte Behörde unterlassen, durch persönliche Anwesenheit und Mitwirkung am Rechtsmittelverfahren, insbesondere der nunmehr durchgeführten Verhandlung, ihre Sichtweise und Argumentation überzeugend darzulegen. Allfällige Zweifel am Realitätsgehalt des vor dem erkennenden Gericht präsentierten Fluchtvorbringens konnten im Rahmen der zuletzt durchgeführten Verhandlung an keinem stichhaltigen Indiz festgemacht werden, weshalb im Zweifel von einer realen Begebenheit auszugehen ist.
2.2.4. Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife nicht mehr erforderlich.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling i. S. d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Bei dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Asylgrund der "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der sich in weiten Bereichen mit den Gründen "Rasse, Religion und Nationalität" überschneidet, jedoch weiter gefasst ist als diese. Unter Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe wird eine - nicht sachlich gerechtfertigte - Repression verstanden, die nur Personen trifft, die sich durch ein gemeinsames soziales Merkmal auszeichnen, die also nicht verfolgt würden, wenn sie dieses Merkmal nicht hätten (VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.11.2007, 2006/19/0341, mwN).
2.2. Aus nachstehenden Gründen besteht für den Beschwerdeführer eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr:
Wie im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, ist es dem Asylwerber gelungen, glaubhaft zu machen, individuell in seinem Heimatland verfolgt zu werden. Er hat damit aus den folgenden Gründen eine maßgebliche Verfolgungswahrscheinlichkeit aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründe aufgezeigt:
So wird dem Antragsteller aufgrund dessen sexuellen Beziehung zu einer ledigen Frau nicht nur ein massiver Verstoß gegen gängige Moralvorstellungen, Sitten und Traditionen vorgeworfen, welcher in der afghanischen Gesellschaft regelmäßig mit Ehrenmorden begegnet wird, sondern verschärft sich im vorliegenden Fall seine Situation noch zusätzlich durch die ihm fälschlicherweise angelasteten Ermordung eines seiner Kontrahenten. Angesichts der Zugehörigkeit des Täters zu den lokalen Sicherheitsbehörden kann nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden, dass dem Genannten in seinem Herkunftsland die realistische Möglichkeit eines fairen Prozesses tatsächlich zur Verfügung steht.
Den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, welchen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ist (siehe VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, mit Verweis auf VwGH 22. 11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN), ist zudem zu entnehmen, dass unter anderem
- Frauen und Männer, die angeblich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen haben;
massiv in asylrelevantem Maße gefährdet sein können. In casu vereint der Antragsteller gleich mehrere dieser Eigenschaften in sich, weshalb er objektiv auch aus diesem Blickwinkel heraus auf Grund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, gesellschaftlich stigmatisiert und hinsichtlich seiner Sicherheit zusätzlich gefährdet ist.
Vor diesem Hintergrund kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Rechtsmittelwerber im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen drohen würde.
Der Rechtsmittelwerber konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat (zumindest) auf Grund seiner ihm aufgrund seines ihm durch seine Lebensweise unterstellten Verstoßes gegen die traditionellen Gesellschaftsnormen sowie eines ihm fälschlicherweise vorsätzlich unterstellten Mordes mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK drohen würde.
Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, ist dem Genannten gemäß §3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
III. Zur Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, außerehelicherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W197.1435520.2.00Zuletzt aktualisiert am
27.02.2020