TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/16 G314 2222270-1

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Veröffentlicht am 16.09.2019
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Entscheidungsdatum

16.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G314 2222270-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2019, Zl.:XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), die keinen österreichischen Aufenthaltstitel besitzt, stellte am 06.06.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 2 AsylG, nachdem sie am Tag zuvor in das Bundesgebiet eingereist war. Sie begründete diesen Antrag im Wesentlichen mit der Pflegebedürftigkeit ihres in Österreich lebenden Ehemanns, eines österreichischen Staatsbürgers. Auch einer ihrer Söhne lebe im Bundesgebiet. Am 03.07.2019 wurde sie vor dem BFA zu ihrem Antrag vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen die BF gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, der BF die beantragte Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, die Rückkehrentscheidung zu beheben und für auf Dauer unzulässig zu erklären sowie festzustellen, dass die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina nicht zulässig sei. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 12.08.2019 einlangte.

In der Folge informierte das BFA das BVwG über die freiwillige Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat und legte eine entsprechende Ausreisebestätigung vor.

Mit Eingabe vom 10.09.2019 legte die BF dem BVwG auftragsgemäß diverse Unterlagen vor.

Feststellungen:

Die BF kehrte am XXXX08.2019 freiwillig in ihren Herkunftsstaat zurück und hält sich aktuell nicht mehr im Bundesgebiet auf.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Ausreise der BF wird durch die vom BFA vorgelegte Ausreisebestätigung belegt. Die BF ist laut dem Zentralen Melderegister derzeit nicht im Bundesgebiet gemeldet. Auch aus ihrer Eingabe vom 10.09.2019 ergibt sich zweifelsfrei, dass sie in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt ist und sich aktuell nicht mehr in Österreich aufhält.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Die BF ist als Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Das BVwG hat grundsätzlich die Sach- und Rechtslage in seinem Entscheidungszeitpunkt anzuwenden (zuletzt VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012). § 52 Abs 8 zweiter Satz FPG sieht dies auch für den Fall einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vor, wenn sich der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält; auch dann ist nämlich § 28 Abs 2 VwGVG anzuwenden, was nur im Sinn der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt verstanden werden kann (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234; ähnlich Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, § 52 FPG K27 und E 13 unter Hinweis auf VwGH 10.12.2014, Ra 2014/20/0013). Das BVwG hat daher die Ausreise der BF während des Beschwerdeverfahrens, nach der Erlassung des angefochtenen Bescheids, bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Da sich die BF derzeit nicht mehr im Bundesgebiet aufhält, kommt schon nach dem Gesetzeswortlaut die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht (siehe VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0250). Da die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung den Aufenthalt der BF im Inland voraussetzt, hat das Verlassen des Bundegebiets zur Konsequenz, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden kann. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG ist schon aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 58 Abs 13 AsylG begründet ein Antrag gemäß § 55 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und steht der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Eine entsprechende Regelung für das Beschwerdeverfahren findet sich in § 16 Abs 5 BFA-VG. Damit die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht durch eine Abschiebung während des darüber anhängigen Verfahrens unterlaufen werden können, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin während des Verfahrens zur Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht abgeschoben werden darf (siehe Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, § 55 AsylG K7; zur früheren Rechtslage VwGH 22.10.2009, 2009/21/0293).

Da die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung nicht erfüllt sind, ist gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Die Abweisung des Antrags gemäß § 55 AsylG führt aufgrund des gebotenen inhaltlichen Gleichklangs bei der Beurteilung dazu, dass gegen die BF eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Da die Rückkehrentscheidung gemäß § 12a Abs 6 AsylG 18 Monate ab der Ausreise aufrecht bleibt, geht sie nicht von vornherein ins Leere, obwohl sich die BF nicht mehr im Inland aufhält (vgl. VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung der BF nach Bosnien und Herzegowina zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände der BF, die bis Anfang Juni 2019 in ihrem Herkunftsstaat lebte, keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden, zumal es sich bei dem Zielstaat der Abschiebung gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 1 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt. Da die BF einen Unterhaltsanspruch gegen ihren in Österreich lebenden Ehemann und in ihrer Heimat auch Zugang zu den dort vorhandenen (allenfalls bescheidenen) öffentlichen Leistungen hat, ist nicht konkret zu befürchten, dass sie in ihrer Heimat in eine existenzbedrohende Notlage geraten wird. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell in Bosnien und Herzegowina - auch unter Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage - jedenfalls nicht vor. In Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, ist es nicht Aufgabe des BFA oder des BVwG, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044).

Gemäß § 55 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Diese beträgt - abgesehen von Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, die hier aber nicht behauptet wurden - 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher nicht korrekturbedürftig; die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt und der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte, entfällt eine (ohnedies nicht beantragte) Beschwerdeverhandlung.

Zu Spruchteil B):

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist zuzulassen, weil - soweit ersichtlich - eine Judikatur des VwGH zu den Auswirkungen einer Ausreise der Antragstellerin während des Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG fehlt.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Ausreise, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Resozialisierung, Revision zulässig,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2222270.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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