TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/17 G307 2197196-1

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Veröffentlicht am 17.09.2019
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Entscheidungsdatum

17.09.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G307 2197204-1/15E

G307 2197196-1/14E

G307 2197199-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des XXXX, geb. XXXX, 2. der XXXX, geb. am XXXX sowie 3. des XXXX, geb. am XXXX, alle StA.: Serbien, letzterer gesetzlich vertreten durch die Eltern, alle rechtlich vertreten durch Verein Menschenrechte in 1090 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2018, Zahlen XXXX, XXXX und XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV., V., VI. und VIII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgeben, dass es zu lauten hat:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Die Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 01.09.2020 vorübergehend unzulässig."

III. Den Beschwerden der zweit- und drittbeschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VII. der angefochtenen Bescheide wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass es jeweils zu lauten hat:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Die Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 01.09.2020 vorübergehend unzulässig."

IV. Die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden BF1) stellte am 12.08.2014, die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden BF2) sowie der Drittbeschwerdeführer (im Folgenden BF3), Letztgenannter gesetzlich vertreten von BF1 und BF2, jeweils am 30.09.2014, die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Am 12.08.2014 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF1, am 02.10.2014 jene der BF2 statt.

3. Am 20.02.2018 wurden BF1 und BF2 im Asylverfahren niederschriftlich durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.

4. Mit den oben im Spruch genannten Bescheiden des BFA, den Beschwerdeführern (im Folgenden: BF) jeweils zugestellt am 24.04.2018, wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgesetzt (Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide der BF2 und des BF3 und Spruchpunkt VIII. des BF1).

Zudem wurde festgestellt, dass BF1 gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem XXXX.2016 verloren habe (Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides des BF1).

5. Mit per Telefax am 30.05.2018 beim BFA eingebrachtem gemeinsamen Schriftsatz erhoben die BF durch ihre Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen die oben genannten Bescheide an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, jeweils in eventu die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 oder § 57 AsylG, die Behebung der Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung nach Serbien, sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die zugehörigen Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und langten am 04.06.2018 beim BVwG ein.

5. Am 27.11.2018 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung statt, an welcher BF2 sowie deren RV persönlich teilnahmen. BF1 war aufgrund akuter gesundheitlichen Beschwerden, BF3 aus Ausbildungsgründen an einer Teilnahme verhindert und diesbezüglich entschuldigt.

Die belangte Behörde wurde ebenfalls geladen, verzichtete jedoch an einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führen die im Spruch angegebenen Identitäten (Namen und Geburtsdatum) und sind serbische Staatsbürger. Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Roma und bekennen sich zum orthodoxen Glauben.

1.2. BF1 und BF2 leben in Lebensgemeinschaft und sind traditionell miteinander verheiratet sowie leibliche Eltern des BF3. Die Muttersprache der BF ist Romanes, sie sprechen auch Serbokroatisch. Alle BF leben in Österreich im gemeinsamen Haushalt.

1.3. BF1 reiste zuletzt im April 2014, die BF2 und der BF3 im September 2014 ins Bundesgebiet ein, wo sie sich seither durchgehend aufhalten.

1.4. BF1 stellte am 12.08.2014, BF2 und BF3 stellten jeweils am 30.09.2014 die gegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes.

1.5. Ab Ende 2010/Anfang 2011 reisten die BF wiederholt unter Einhaltung der sichtvermerksfreien Einreisebestimmungen ins Bundesgebiet ein und wurden dabei von ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen finanziell unterstützt. Der Lebensmittelpunkt der BF lag jedoch bis zuletzt in Serbien.

1.6. BF2 lebte bis zu ihrem 19. Lebensjahr in Österreich, wo sie auch die Schule besuchte, und kehrte danach nach Serbien zurück, wo sie sich bis zu ihrer letzten Einreise nach Österreich überwiegend aufhielt.

1.7. BF1 besuchte im Herkunftsstaat 8 Jahre, BF2 3 Jahre lang die Grundschule und war BF1 20 Jahre lang als Spengler und Brunnenbauer, BF2 bis zuletzt als Hausfrau und Tagelöhnerin in der Landwirtschaft tätig.

1.8. BF3 besuchte die Schule in Österreich und ist aktuell auf der Suche nach einer Lehrstelle.

BF1 und BF2 gehen keiner geregelten Erwerbstätigkeit in Österreich nach, sondern leben überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

1.9. BF 1 leidet an folgenden Erkrankungen:

* Hyperkapnisches Lungenversagen bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) Stadium IV nach GOLD/ D mit respiratorischer Insuffizienz

* Influenza A

* Panazinäres Emphysem, nächtliche NIV und LTOT

* Z.n. Benzodiazepinabusus

* Pulmonale Tuberkulose 12/2015 (SMZ OWS/Pulmologie)

* Ossäre Tuberkulose mit BWK V Verplattung

* Z.n. Paraparese der unteren Extremität

* Laminektomie 12/2015

* Z.n. Wirbelsäulenstabilisierung TH3 bis TH7

* Arterielle Hypertonie

* Hypothyreose/Substitution

* Hepatitis C

BF1 wurde wiederholt stationär in Österreich behandelt, ist an den Rollstuhl gebunden und überwiegend auf Pflege und Unterstützung, welche von der BF2 und dem BF 3 übernommen wurden, angewiesen. BF1 wird in häuslicher Pflege betreut, steht unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und wird medikamentös behandelt.

In Serbien wurde BF1 bereits wegen Bronchialasthma behandelt und ist aktuell arbeitsunfähig.

Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass BF1 aktuell an einer sich im Endstadium befindlichen tödlichen Erkrankung leidet.

BF2 wurde von 17.10.2018 bis 25.10.2018 wegen Pulmonalembolie peripher beidseits, chronischen Nikotinabuses und Thrombose v. Saphena Parva links stationär behandelt. Die Entlassung erfolgte bei gutem Allgemeinzustand. Eine aktuelle Behandlungsnotwendigkeit konnte nicht festgestellt werden.

1.11. BF3 ist gesund und konnte nicht festgestellt werden, dass BF2 oder BF3 arbeitsunfähig sind.

1.12. BF2 und BF3 sind der deutschen Sprache mächtig. Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus konnten jedoch nicht festgestellt werden.

1.13. Die BF verfügen über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich, weisen jedoch mit diesen Verwandten weder einen gemeinsamen Haushalt auf noch besteht zu diesen ein besonders Naheverhältnis.

1.14. Familiäre Anknüpfungspunkte in Serbien bestehen keine mehr.

1.15. In strafrechtlicher Hinsicht erweisen sich BF2 und BF3 als unbescholten.

1.16. BF1 weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen im Bundesgebiet auf:

* LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2014 (RK XXXX.2014), wegen §§ 127, 130 1. Fall StGB: Geldstrafe im Ausmaß von 34 Tagsätzen zu je €

4,00. Zeitpunkt der letzten Tat: 11.07.1992

* BG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2015 (RK XXXX.2015), wegen § 127 STGB und § 223 Abs. 2 StGB: Geldstrafe im Ausmaß von 50 Tagsätzen zu je €

4,00 Zeitpunkt der letzten Tat: 19.11.2014.

1.17. Die Republik Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

1.18. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung ausgesetzt wären oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

1.14. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Serbien:

1. Politische Lage

Die Volksvertretung in der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna skupština, 250 Abgeordnete). Seit den Parlamentswahlen vom 24.4.2016 sind neben pro-europäischen auch antieuropäische und pro-russische Parteien im Parlament vertreten (AA 9.11.2017). Stärkste Kraft ist erneut die Liste der pro europäischen Serbischen Fortschrittspartei SNS (sie spaltete sich 2008 von der Serbischen Radikalen Partei SRS ab); gefolgt von der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS, 22 Mandate). Die oppositionelle pro-europäische Demokratische Partei (DS, 15 Mandate) ist seit der Abspaltung einer Gruppe um den ehemaligen Staatspräsidenten Boris Tadic 2014 deutlich geschwächt. Insgesamt wurden im April 2016 Angehörige von 16 Parteien bzw. Parteilisten ins Parlament gewählt sowie drei unabhängige Kandidaten. Am 2.4.2017 wurde Ministerpräsident Aleksandar Vucic zum Präsidenten gewählt. Nachfolgerin im Amt des Ministerpräsidenten ist seit 29.6.2017 die parteilose Ana Brnabic. Das im August 2016 unter Ministerpräsident Vucic gebildete Kabinett ist im Wesentlichen das Alte geblieben; drei neue Minister sind hinzugekommen. Derzeit verfügt das Regierungsbündnis im Parlament über eine Mehrheit von 159 der insgesamt 250 Sitze (AA 5.2018a).

Die OSZE-Wahlbeobachter bescheinigten dem Wahltag am 2.4.2017 selbst einen weitgehend ordnungsgemäßen Verlauf; kritisierten jedoch die völlige Mediendominanz des damaligen Premiers und Präsidentschaftskandidaten Vucic im Wahlkampf und mahnten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen an. Dringend geboten ist die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse, die völlig veraltet sind. Mitunter setzten Parteien Wähler unter Druck (AA 9.11.2017).

Serbien nähert sich weiter an die Europäische Union an: die EU öffnete am 25.6.2018 neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen. Mit Belgrad werden die Kapitel 33 (Finanz- und Haushaltsbestimmungen) sowie Kapitel 13 (Fischerei) in Angriff genommen, wie die serbische Nachrichtenagentur Tanjug berichtete. Damit wurden 14 der insgesamt 35 sogenannten Verhandlungskapitel mit Serbien eröffnet - zwei davon wurden mittlerweile abgeschlossen. Das schwierigste Beitrittskapitel für das Westbalkanland ist jedoch Nummer 35, das die Normalisierung der Beziehung mit dem Kosovo betrifft. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz nicht an. Derzeit laufen auf Druck der EU Verhandlungen zwischen den beiden Ländern, die eigentlich Ende 2019 erfolgreich mit einem rechtlich bindenden Abkommen zum Abschluss gebracht werden sollten. Dabei kommt es immer wieder zu gegenseitigen Provokationen (derStandard 25.6.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.2018a): Serbien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/innen/207554, Zugriff 16.10.2018

-

AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

-

derStandard (25.6.2018): International, EU, EU eröffnet neue Beitrittskapitel mit Serbien und Montenegro, https://derstandard.at/2000082222423/EU-eroeffnet-neue-Beitrittskapitel-mitSerbien-und-Montenegro, Zugriff 31.10.2018

2. Sicherheitslage

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat die kosovarischen Behörden beschuldigt, bei einem ersten Besuch des Präsidenten Hashim Thaci in dem mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo sowohl die UN-Resolution 1244 vom Juni 1999 als auch das im Normalisierungsdialog 2013 erzielte Brüsseler Abkommen verletzt zu haben. Die Vorwürfe Vucics bezogen sich auf den Einsatz der Sonderpolizeieinheit "Rosu" zur Sicherung des Besuches von Thaci. Nach Angaben von Vucic sei vor Jahren mit der Nato vereinbart worden, dass die "Rosu" im Nord-Kosovo nur mit Zustimmung der Nato und lokaler serbischer Behörden zum Einsatz kommen dürfe. Dies war am Samstag nicht der Fall. In seiner TV-Ansprache forderte Vucic am Samstagabend die KosovoSerben zur Zurückhaltung auf. Der Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Prishtina müsse fortgesetzt werden, meinte er weiters. Bei der letzten Runde des Normalisierungsdialogs in Brüssel hatte sich Vucic Anfang September allerdings geweigert, seinen kosovarischen Amtskollegen auch zu treffen. Eine neue Runde wurde von EU-Vermittlerin Federica Mogherini noch nicht einberufen. Unterdessen war es in der Vorwoche seitens einiger serbischer Minister zu hören, dass in den EUinitiierten Normalisierungsdialog, der mit einem rechtlich bindenden Abkommen abgeschlossen werden soll, künftig auch die USA, Russland und China eingebunden werden sollten (derStandard 30.9.2018).

Der von der EU geleitete Dialog zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina liegt seit Anfang September auf Eis. Einen neuen Termin für die Fortsetzung der Gespräche gibt es nach wie vor nicht. Im Sommer hatten die beiden Staatschefs eine mögliche Einigung auf "Grenzkorrekturen" ins Spiel gebracht, um den jahrelangen Streit zu lösen. Serbien lehnt es nach wie vor ab, die 2008 verkündete Unabhängigkeit seiner einstigen Provinz anzuerkennen. Die Vorschläge stießen aber sowohl im Ausland als auch innerhalb der beiden Länder auf Kritik. Befürchtungen wurden laut, dass eine Grenzänderung alte Wunden in der gesamten Region wieder aufreißen könnten (derStandard 6.11.2018).

In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) hat sich die Lage beruhigt. Trotz Bemühungen sind ethnische Albaner im Justizwesen, Polizei und öffentlichen Sektor in der Region weiterhin unterrepräsentiert. Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Wojwodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. Die Verfassung von 2006 schreibt die Autonomie der Wojwodina fest. Das erstmals am 30.11.2009 verabschiedete Wojwodina-Statut wurde am 22.5.2014 in einer neuen Fassung verabschiedet. Die Lage der ethnischen Bosniaken (Muslime), die überwiegend in der südwestserbischen Region Sandžak leben, entwickelt sich im Hinblick auf Rechtslage und politische Repräsentanz positiv. Hinweise auf gezielte staatliche Repressionen gegen Bosniaken gibt es nicht (AA 9.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

-

derStandard (30.9.2018): International, Europa, Serbien, Schwere Anschuldigungen Vucics gegenüber Prishtina, https://derstandard.at/2000088359774/Schwere-Anschuldigungen-Vucicsgegenueber-Prishtina, Zugriff 16.10.2018

-

derStandard (6.11.2018): International, Kosovo, Kurz bremst bei Visa-Liberalisierung für den Kosovo, https://derstandard.at/2000090744312/Kurz-bremst-bei-Visa-Liberalisierung-fuer-denKosovo?ref=rec, Zugriff 6.11.2018

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Art. 4 der serbischen Verfassung postuliert in den Absätzen 2 und 3 ausdrücklich das Prinzip der Gewaltenteilung, in Absatz 4 die Unabhängigkeit der Justiz. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist nicht durchgängig gewährleistet. Dies liegt allerdings nicht nur an direktem oder mittelbarem Druck, sondern ebenso an dem schwach entwickelten gesellschaftlichen Bewusstsein für Rolle und Funktion einer unabhängigen Justiz. Hier konnte auch eine zum 1.1.2010 in Kraft getretene umfassende Justizreform keine Abhilfe schaffen. Im Juli 2013 wurde daraufhin eine neue Justizreformstrategie verabschiedet, an deren Umsetzung schrittweise und eher langsam gearbeitet wird (AA 9.11.2017).

Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationale Justiz in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Die neue Regierung verabschiedete eine neue Justizreformstrategie für die Jahre 2013-18. Tatsächlich hat sich die Situation der Justiz in der Regierungszeit von Aleksandar Vucic nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Die politische Einflussnahme auf die Justiz hat eher zu als abgenommen. Die Kommentierung von sensiblen Justizverfahren durch Regierungsvertreter ist zur Alltagspraxis geworden. Eine von der EU geforderte Verfassungsänderung mit dem Ziel der Abschaffung der Ernennung von Richtern und Staatsanwälten durch das Parlament lässt auf sich warten. Erst Anfang 2018 legte das serbische Justizministerium den entsprechenden Verfassungsänderungsentwurf vor. Der Entwurf wurde von Vertretern von Justizverbänden wie Zivilgesellschaft gleichermaßen als unzureichend hinsichtlich der Entpolitisierung der Justiz kritisiert (GIZ Geschichte & Staat 9.2018).

In Serbien werden Staatsanwälte von der Regierung nominiert und vom Parlament bestätigt, was bedeutet, dass ihre Wahl von der regierenden Mehrheit abhängt. Sie sind bis zu sechs Jahre im Amt und können beinahe unbegrenzt wiedergewählt werden. Dieses in der Region einzigartige System öffne der Behinderung der Justiz durch die Politik Tür und Tor, meint der Präsident des Vorstandes der serbischen Vereinigung der Staatsanwälte. Laut dem letzten GlobalCompetitiveness-Index des Weltwirtschaftsforums befindet sich Serbien, was die Unabhängigkeit der Justiz betrifft, auf Platz 118 von 137 Ländern. Der Präsident des Vorstandes der serbischen Vereinigung der Staatsanwälte glaubt, dass in Serbien die Chancen für Staatsanwälte, ihre Unabhängigkeit in nächster Zeit geltend zu machen, schlecht stünden. "Politiker hier sind unantastbar, solange sie an der Macht sind", meint er (NZZ 8.4.2018).

Im November 2017 verurteilte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien den ehemaligen Oberbefehlshaber der Armee der Republika Srpska, Ratko Mladic, wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien und Herzegowina zu lebenslanger Haft. Das Berufungsgericht in Belgrad sprach im August 2017 zehn Personen frei, die angeklagt waren, Ratko Mladic dabei geholfen zu haben, sich zu verstecken, bevor er 2011 in Serbien verhaftet wurde. Die Sonderkammer für Kriegsverbrechen am Bezirksgericht Belgrad schloss 2017 nur drei Verfahren ab; alle endeten mit Freisprüchen. Das wiederaufgenommene Verfahren gegen ehemalige Soldaten, die wegen Kriegsverbrechen im Kosovo angeklagt waren, wurde fortgeführt (AI 22.2.2018).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm (VB 3.11.2018). Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 3.11.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

-

AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1446524.html, Zugriff 16.10.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/, Zugriff 16.10.2018

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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (8.4.2018): International, Serbien, Serbiens Regierungspartei soll Geld aus geheimen Quellen erhalten, https://www.nzz.ch/international/versteckspiel-mitwahlgeldern-in-serbien-ld.1375163, Zugriff 31.10.2018

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VB des BM.I in Serbien (3.11.2018): Auskunft des VB, per E-Mail

4. Sicherheitsbehörden

Die rund 32.000 Polizisten des Landes unterstehen der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2017 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat, vor allem durch die Umsetzung der neuen Strafprozessordnung. In den ersten acht Monaten 2017 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 88 Strafanzeigen gegen 107 Personen wegen 125 Verbrechen ein; 81 waren Polizisten und 26 Zivilbeamte (USDOS 20.4.2018).

Durch eine nicht systematische Umsetzung der Reform sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u. a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei AntiTerroreinheiten, die "Special Antiterrorist Unit" und die "Counterterrorist Unit" (BICC 12.2017).

Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Über Verschleppungen oder Folter von Gefangenen durch den Staatssicherheitsdienst wurde seit dem Jahr 2000 nicht mehr berichtet. Die Reformen im Bereich der Nachrichtendienste - des zivilen Nachrichtendienstes BIA und der beiden militärischen Dienste - gehen weiter. Der Verteidigungsminister kontrolliert die beiden militärischen Nachrichtendienste (Militärischer Abwehrdienst VBA und militärischer Aufklärungsdienst VOA). Es liegen keine Anzeichen für staatliche Repressionen vor. In den albanischen Siedlungsgebieten ist eine -multi-ethnische Polizeitruppe im Aufbau. Die Polizei geht nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten (vor allem Roma und Homosexuelle) vor (AA 9.11.2017).

Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine "besonderen" Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 3.11.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

-

BICC - Bonn International Center for Conversion (12.2017):

Länderinformation Serbien,

http://ruestungsexport.info/uploads/laender/serbien.pdf, Zugriff 16.10.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017

-

Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430288.html, Zugriff 16.10.2018

-

VB des BM.I in Serbien (3.11.2018): Auskunft des VB, per E-Mail

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Über Verschleppungen oder Folter von Gefangenen durch den Staatssicherheitsdienst wurde seit dem Jahr 2000 nicht mehr berichtet. Seit 1.1.2006 ist Folter im serbischen Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Es werden weiterhin vereinzelte Fälle von Misshandlungen durch Angehörige der Polizei in Serbien bekannt. Opfer sind in diesen Fällen, anders als unter dem Miloševic-Regime, nicht politisch missliebige Personen, sondern hinsichtlich krimineller Delikte Verdächtige. In einzelnen Fällen wurden die Polizisten vom Dienst suspendiert. In mehreren Fällen wurde Folteropfern von serbischen Gerichten staatliche Entschädigung zugesprochen (AA 9.11.2017).

Obwohl die Verfassung Folter verbietet, soll diese bei Festnahmen und in Untersuchungshaft zur Erpressung von Geständnissen gelegentlich angewandt werden. Die Straflosigkeit bei Missbrauch oder Folter ist bei der Festnahme oder Erstinhaftierung weit verbreitet. Es gibt nur wenige strafrechtliche Verfolgungen und noch weniger Verurteilungen wegen Missbrauch oder Folter (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430288.html, Zugriff 16.10.2018

6. Korruption

Korruption im öffentlichen und privaten Sektor steht unter Strafe. Trotzdem ist die Meinung weit verbreitet, dass die Regierung, trotz immer wieder angekündigter Absichtserklärungen, die

Gesetze nicht systematisch anwendet und in Korruption verwickelte Personen manchmal straffrei bleiben. Trotz der öffentlich erklärten Verpflichtung der Regierung zur Korruptionsbekämpfung wiesen sowohl der Antikorruptionsrat als auch die NGO Transparency Serbia nach wie vor auf einen Mangel an staatlicher Transparenz hin. Die Staatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität (OCPO) verfolgt die Fälle von Korruption auf höchster Ebene beim Belgrader Obersten Gerichtshof für organisierte Kriminalität; andere Korruptionsfälle werden im Rahmen des regulären Gerichtssystems des Landes verfolgt. Das Innenministerium hat im Allgemeinen interne Korruptionsfälle innerhalb des Ministeriums bearbeitet und die Ergebnisse seiner Untersuchungen an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Um das Problem Korruption anzugehen, hatte die Regierung eine Finanzermittlungsstrategie 2015-16 angenommen, die die Schaffung spezialisierter Einheiten für Betrugs- und Korruptionsbekämpfung vorsieht. Das Gesetz schuf spezialisierte Antikorruptionseinheiten/Abteilungen von Staatsanwälten, Polizeiermittlern und Gerichten innerhalb der vier wichtigsten Bezirke Serbiens (USDOS 20.4.2018).

Korruption gehört zu den zentralen politischen Problemen in Serbien, mit weitreichenden, negativen Auswirkungen auf das Funktionieren von politischem System, staatlichen Institutionen und die serbische Wirtschaft. Systemische Korruption heute findet sich vor allem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Verteilung anderer staatlicher Haushaltsmittel, sowie im Gesundheits- und Bildungswesen. Korruption in der Wirtschaft findet v.a. an den Schnittstellen zu staatlichen Institutionen statt. Abgenommen hat die Korruption in den letzten Jahren bei der Polizei. Auf staatlicher Seite ist eine eigenständige Institution, die Anti-Korruptionsagentur mit dem Kampf gegen Korruption befasst; in der serbischen Zivilgesellschaft beschäftigt sich Transparency International mit dem Phänomen Korruption. Druck auf serbische Behörden zu effektiverer Bekämpfung der systemischen Korruption kommt v.a auch von der EU. Unterstützung bei der Bekämpfung der Korruption in Serbien leistet außerdem das UN Development Program (UNDP) (GIZ Geschichte & Staat 9.2018).

Serbien rangiert im Transparency Corruption Perceptions Index (2017) am 77. Platz von 180 Ländern (TI 2017).

Quellen:

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/, Zugriff 16.10.2018

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TI - Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index 2017,

https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 17.10.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017

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Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430288.html, Zugriff 16.10.2018

7. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

NGOs, die eine juristische Aufarbeitung der Vergangenheit fordern, werden von Staatspräsident Aleksandar Vucic, hochrangigen Regierungsmitgliedern, regierungsnahen Medien und in den sozialen Medien angegriffen. Im Januar hinterließen Einbrecher im Büro der Jugendinitiative für Menschenrechte (YIHR) Säcke mit gefälschten Banknoten sowie Mitteilungen, in denen die NGOMitarbeiter als "ausländische Söldner" beschimpft wurden. YIHR-Aktivisten, die im Januar gegen eine Veranstaltung der Regierungspartei protestierten, bei der Veselin Šljivancanin als Redner auftrat, der wegen Kriegsverbrechen in Kroatien verurteilt worden war, wurden tätlich angegriffen (AI 22.2.2018).

Eine Vielzahl unabhängiger nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkung, untersucht und veröffentlicht ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Während Regierungsbeamte im Allgemeinen kooperativ sind und auf ihre Fragen reagieren, werden die Gruppen von nicht staatlichen Akteuren, einschließlich der ProRegierungs-Medien, kritisiert, belästigt und bedroht, weil sie sich kritisch gegenüber der Regierung oder entgegen den nationalistischen Ansichten zum Kosovo, dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und den Kriegen der 90er Jahre äußern. Im Laufe des Jahres 2017 veröffentlichten mehrere Medien Artikel, in denen zahlreichen Journalisten, NGOAktivisten und unabhängige Einrichtungen vorgeworfen wurde, die "Verräter" des Landes zu sein, die versuchen, die Verfassungsordnung gewaltsam zu stürzen. Im August 2017 reichte eine Gruppe von Journalisten und NGO-Aktivisten eine Strafanzeige gegen die rechtsgerichtete Organisation Zavetnici, TV Pink, den Tabloid Informer und das Internetportal Pravda ein. Die Anzeige wurde damit begründet, dass diese Berichte unrechtmäßige Vorwürfe enthielten, die diese Journalisten, NGO-Aktivisten und unabhängige Einrichtungen der öffentlichen Verfolgung ausgesetzt seien. Das Verfahren war zum Jahresende noch anhängig (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1446524.html, Zugriff 16.10.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430288.html, Zugriff 16.10.2018

8. Ombudsmann

Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Zu den Aufgaben des Mitte 2007 erstmals gewählten Ombudsmannes (seit 20.7.2017 Zoran Pasalic) gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte. Seit 2003 bestehen nationale Minderheitenräte, die die Interessen ihrer Volksgruppen vertreten (AA 9.11.2017).

In drei Gemeinden mit signifikantem albanischem Bevölkerungsanteil gibt es eigene Zweigstellen der nationalen Ombudsmanninstitution. In der Provinz Wojwodina kann ein eigenständiges Ombudsmannsbüro seinen Aktivitäten unabhängig nachgehen (USDOS 25.6.2015).

Der Anteil der Beschwerden hinsichtlich Minderheitenangelegenheiten ist im Jahresbericht des Ombudsmann Büros 2017 mit 61 unter 4.060 Beschwerden mittlerweile gering und macht lediglich 1,5 % aller Beschwerden aus. An das Ombudsmann Büro wurden 2017 neben den Beschwerden auch 61 Initiativanträge gerichtet. Laut dem serbischen Ombudsmann sind die Fortschritte im Bereich der Menschen- und Bürgerrechte, aber auch in der Korruptionsbekämpfung in Serbien im Jahr 2017 weiter langsam fortgesetzt worden, jedoch wird auch festgehalten, dass in diesen wichtigen Bereichen weitere Kontrolltätigkeit dringend erforderlich ist. Auf Platz eins der Beschwerdeliste steht die Administration der lokalen Verwaltung, gefolgt von den serbischen Justizbehörden. Die Sicherheitsbehörden spielen im Beschwerdebereich eine untergeordnete Rolle (VB 3.11.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017

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Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430288.html, Zugriff 16.10.2018

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VB des BM.I in Serbien (3.11.2018): Auskunft des VB, per E-Mail

9. Allgemeine Menschenrechtslage

Die serbische Verfassung vom 8.11.2006 enthält umfangreiche Bestimmungen zu Grundfreiheiten und Menschenrechten. Die Menschenrechtslage in Serbien entspricht internationalen Standards (AA 9.11.2017). Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz.

Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 9.2018).

Im neuen Jahresbericht der US-NGO Freedom House über politische Rechte und Grundfreiheiten werden alle Westbalkanländer bis auf Serbien nur als teilweise frei ("partly free") eingestuft. Hauptprobleme sind weiterhin mangelnde Medienfreiheit, Korruption, schwache Institutionen sowie wachsender Autoritarismus. Auch der neue Bericht von Human Rights Watch (HRW) konstatiert für die Länder auf dem Balkan immer noch alte Menschenrechtsprobleme wie Diskriminierung von Minderheiten oder schlechten Flüchtlingsschutz (BN 22.1.2018).

In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 3.11.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.11.2017): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.1.2018):

Briefing Notes, per E-Mail

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Serbien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/, Zugriff 16.10.2018

-

VB des BM.I in Serbien (3.11.2018): Auskunft des VB, per E-Mail

10. Meinungs- und Pressefreiheit

Im neuen Jahresbericht der US-NGO Freedom House über politische Rechte und Grundfreiheiten werden alle Westbalkanländer bis auf Serbien nur als teilweise frei ("partly free") eingestuft. Hauptprobleme sind weiterhin mangelnde Medienfreiheit, Korruption, schwache Institutionen sowie wachsender Autoritarismus. Trotz der Einstufung als frei zeige sich in Serbien ein Abwärtstrend, verursacht durch Präsident Vucics Konsolidierung der Macht. Auch der neue Bericht von Human Rights Watch (HRW) konstatiert für die Länder auf dem Balkan immer noch alte Menschenrechtsprobleme wie Angriffe auf Journalisten (BN 22.1.2018a).

Angriffe und Drohungen gegen Journalisten gehen weiter. Die Reaktionen der Behörden waren unzureichend. Zwischen Januar und Mitte November 2017 registrierte die Independent Journalists' Association of Serbia (NUNS) 75 Vorfälle von Gewalt, Drohungen oder Einschüchterung gegen Journalisten, darunter sechs physische Angriffe. Die regierungsnahen Medien betreiben weiterhin Hetzkampagnen gegen unabhängige Stellen und Journalisten (HRW 18.1.2018).

In Bezug auf die völkerrechtlichen Verbrechen, die in der Vergangenheit verübt wurden, herrscht nach wie vor Straflosigkeit. Unabhängige Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die eine juristische Aufarbeitung der Vergangenheit fordern, werden von Regierungsvertretern und regierungsnahen Medien weiterhin verleumdet und müssen in einem feindseligen Umfeld arbeiten.

Regierungsmitglieder und regierungsnahe Medien überzogen investigative Journalisten mit Verleumdungskampagnen. Privates Sicherheitspersonal der Regierungspartei griff sechs Journalisten tätlich an, die über Demonstrationen anlässlich der Amtseinführung des Staatspräsidenten am 31. Mai 2017 berichtet hatten. Im Juli 2017 erhielten Journalisten, die für das Netzwerk zur Untersuchung von Kriminalität und Korruption (KRIK) arbeiteten, Morddrohungen, und Unbekannte brachen in die Wohnung der investigativen Journalistin Dragana Peco ein. Im Septem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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