Entscheidungsdatum
23.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W158 1433923-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Mit Spruchpunkt III. wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.
I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2014 zu W143 1433923-1/5E hinsichtlich Spruchpunkt I. abgewiesen wurde. Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde der Beschwerde stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Begründend wurde - soweit verfahrenswesentlich - ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan unvorhersehbar bleibe und die Zivilbevölkerung die Hauptlast des Konflikts trage. In Kabul habe zwar eine partielle Stabilisierung der Sicherheitslage erreicht werden können, es fänden jedoch nach wie vor Anschläge statt. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Der BF sei zwar ein arbeitsfähiger junger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, er sei jedoch im Iran geboren und habe keine Kenntnisse über Afghanistan. Für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sei die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln nur unzureichend. Staatliche Unterstützung sei sehr unwahrscheinlich. Er wäre nicht in der Lage, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder aufgrund eines bestehenden Familienanschlusses an einem hinreichend sicheren Ort, ein sicheres Rückzugsgebiet vor allem für die Nacht zu schaffen. Mangels familiären Netzwerks könne nicht ausgeschlossen werden, dass der BF - auch infolge von Kriminalität - in eine hoffnungslose Lage gerate. Dies umso mehr, als der BF durch seine lange Abwesenheit als besonders vulnerabel erscheine.
I.3. Die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde nach entsprechenden Anträgen bescheidmäßig verlängert, zuletzt mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) bis zum XXXX .
I.4. Am XXXX wurde dem BFA mitgeteilt, dass gegen den BF eine Anzeige wegen des Vergehens des Diebstahls erstattet worden sei. Am XXXX wurde dem BFA mitgeteilt, dass das gegen den BF geführte Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.
I.5. Am XXXX wurde dem BFA ein Bericht einer Landespolizeidirektion übermittelt, wonach der BF die öffentliche Ordnung gestört und eine gefährliche Drohung begangen habe.
I.6. Am XXXX wurde dem BFA ein Abtretungsbericht hinsichtlich eines vom BF angeblich begangenen Suchtmitteldelikts übermittelt. Am XXXX wurde dem BFA mitgeteilt, dass von der Verfolgung vorläufig zurückgetreten worden sei und die Probezeit ein Jahr betrage.
I.7. Am XXXX langte beim BFA ein Abschlussbericht hinsichtlich des Verdachts einer vom BF verübten gefährlichen Drohung ein. Am XXXX wurde das BFA davon verständigt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.
I.8. Am XXXX stellte der BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
I.9. Ebenfalls am XXXX wurde dem BFA eine Strafverfügung wegen der Störung der öffentlichen Ordnung übermittelt.
I.10. Am XXXX wurden mehrere Strafverfügungen einer Landespolizeidirektion wegen mehrerer Übertretungen nach dem SPG und dem Salzburger Landessicherheitsgesetz übermittelt.
I.11. Am XXXX wurden weitere Anzeigen wegen der Störung der öffentlichen Ordnung übermittelt.
I.12. Nachdem der BF zuvor mit Schreiben vom XXXX davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass gegen ihn ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet worden sei, langte am XXXX eine Stellungnahme des BF ein. Darin führt er im Wesentlichen aus, dass die Sicherheits- und Versorgungslage eine Rückkehr nach wie vor nicht zulasse und der BF in Österreich gut integriert und berufstätig sei.
I.13. Am XXXX wurde der BF von einer Organwalterin des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen und zu seiner Situation in Österreich und zu einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan befragt. Der BF führte dazu aus, dass ihm eine Rückkehr nicht möglich sei, da er sich der afghanischen Gesellschaft nicht zugehörig fühle und er in Afghanistan über kein soziales oder familiäres Netz verfüge.
I.14. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX durch Hinterlegung zugestellt, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt VIII.).
Begründend führte das BFA aus, der BF sei nunmehr selbsterhaltungsfähig, wie er durch sein Verhalten im Bundesgebiet gezeigt habe. Es sei hm daher eine Rückkehr insbesondere in die Hauptstädte der Provinzen Herat und Balkh zuzumuten.
I.15. Mit Verfahrensordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.16. Am XXXX erhob der BF durch seinen im Spruch genannten Vertreter Beschwerde und beantragte, den Bescheid ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass dem BF weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukomme sowie die Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte zu verlängern, in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, jedenfalls aber die Rückkehrentscheidung zu beheben und die "Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan für unzulässig [zu] erklären", in eventu den Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Es sei aus dem Bescheid nicht ersichtlich, dass sich das BFA mit der Gefährdungslage im Herkunftsort des BF auseinandergesetzt habe. Es sei eine genaue Überprüfung der Lage anhand umfassender Länderinformationen in Zusammenhang mit der konkreten Situation des BF durchzuführen. Beim BF handle es sich um einen alleinstehenden Mann, der nach längerer Zeit in seine Heimat zurückkehren solle. Er würde daher bei einer Rückkehr in Ermangelung eines Familienanschlusses und des Umstandes, dass er im Iran geboren und aufgewachsen sei, in eine auswegslose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten. Es habe sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten weder in Bezug auf die persönliche Situation noch in Bezug auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage entscheidungsmaßgebliches geändert.
I.17. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
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Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
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Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und in die vom BF vorgelegten Unterlagen;
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Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.
II.1. Sachverhaltsfeststellungen:
II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:
Der BF ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.
Der BF ist im Iran aufgewachsen und hat dort mit seiner Familie gelebt. Seine Eltern stammen aus der Provinz Parwan. Er besuchte fünf Jahre die Schule im Iran und war nicht berufstätig.
Wo sich seine Familie aufhält, weiß der BF seit seiner Einreise in die Europäische Union nicht.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2014 zu W143 1433923-1/5E wurde dem BF als damals jungem Erwachsenen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da der BF im Zusammenhang mit der allgemeinen Sicherheitslage nicht nach Afghanistan zurückkehren könne.
Der BF befindet sich seit seiner Einreise, bis auf einen kurzen Urlaub im Iran, durchgehend im Bundesgebiet. Er besuchte etwa drei Monate einen Deutschkurs und kann sich im Alltag auf Deutsch verständigen. Er hat keine Deutschprüfungen abgelegt. Von XXXX bis XXXX besuchte der BF im Rahmen des Startpakets Deutsch & Integration einen Deutschkurs auf dem Niveau "Alpha" im Ausmaß von insgesamt 180 Unterrichtseinheiten, wobei er 10 Unterrichtseinheiten entschuldigt und 50,50 unentschuldigt fehlte. Der BF war kein Mitglied in einem Verein und betätigte sich nicht ehrenamtlich.
Der BF lebt mit zwei Afghanen in einer Wohngemeinschaft. Bereits zuvor lebte der BF mehrere Jahre mit Afghanen zusammen. Mit diesen unterhielt und unterhält er sich auf Dari und feiert traditionelle afghanische Feste, etwa das afghanische Neujahr, mit ihnen zusammen. Der BF verbringt die meiste Freizeit mit seinen Mitbewohnern. Er ist mit den afghanischen kulturellen und traditionellen Gepflogenheiten vertraut.
Seit XXXX ist der BF bei der XXXX angestellt und bezieht einen monatlichen Brutto-Monatslohn von XXXX Euro zuzüglich allfälliger Zuschläge. Davor war von XXXX bei der XXXX am XXXX bei der XXXX, von XXXX bei der XXXX bei der XXXX, von XXXX bei XXXX, von XXXX bei der XXXX und von XXXX bei XXXX beschäftigt.
Von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX und von XXXX bis XXXX bezog der BF Arbeitslosengeld. Von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX , am XXXX , am XXXX , am XXXX , von XXXX bis XXXX , von XXXX bis XXXX und von XXXX bis XXXX bezog der BF Notstandshilfe, Überbrückungshilfe.
Es kann zum heutigen Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden, dass der an Lebens- und Berufserfahrung gewonnene, nach wie vor junge, gesunde und arbeitsfähige BF im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.
Ein gegen den BF wegen des Verdachts des versuchten Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren wurde ebenso wie ein gegen ihn geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung eingestellt. Unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr wurde von der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung eines Vergehens nach § 27 Abs. 2 SMG vorläufig zurückgetreten.
Der BF hat am XXXX an zwei verschiedenen Tatorten zu verschiedenen Tatzeitpunkten durch lautstarkes Herumschreien im alkoholisierten Zustand, Anschreien und Belästigen von Passanten sowie durch Anläuten an verschiedenen Wohnungen die öffentliche Ordnung gestört. Für dieses Verhalten wurde über den BF mit Strafverfügung vom XXXX , Zl. XXXX , wegen zweier Verstöße gegen § 81 Abs. 1 SPG, eine Strafe von insgesamt 200,-- Euro verhängt.
Am XXXX hat sich der BF trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahrnahm, aggressiv verhalten, indem er die eingesetzten Beamten lautstark angeschrien, eine Flasche "Alkopop" auf den Boden geworfen und die Beamten provoziert hat, indem er sich mehrfach bedrohlich vor ihnen aufgebaut und unmittelbar vor den Füßen provokant auf den Boden gespuckt hat. Durch das Spucken auf den Boden hat der BF den öffentlichen Anstand an einem allgemein zugänglichen Ort verletzt und es wurden die anwesenden Personen in ihrer Integrität gestört. Zudem hat er dadurch den öffentlichen Anstand an einem allgemein zugänglichen Ort verletzt, dass er die Schimpfwörter "Scheiß Polizei, scheiß Österreich, ich scheiß auf euch" vor mehreren Personen gebrauchte, die diese Schimpfwörter wahrnehmen konnten. Es wurde für dieses Verhalten über den BF mit Strafverfügung vom XXXX , Zl. XXXX , wegen eines Verstoßes gegen § 82 Abs. 1 SPG und zweier Verstöße gegen § 27 Salzburger Landessicherheitsgesetz, eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 600,-- Euro verhängt.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er ist strafrechtlich unbescholten.
II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:
KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).
Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl
Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).
Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).
Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).
Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).
Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).
Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).
Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).
Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).
Anschläge in Kabul-Stadt
Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).
Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).
Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).
Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).
Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).
Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)
US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).
Rückkehr
Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).
Quellen:
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1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul,
http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019
-
AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,
https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/.
Zugriff 22.5.2019
-
AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centre-kabul-190530082719388.html.
Zugriff 3.6.2019
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019):
Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019):
Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019):
Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail
-
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf
-
Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?, https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-4422023.html, Zugriff 3.6.2019
-
IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):
Press Declaration 24/2/1398,
https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R, Zugriff 4.6.2019
-
IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,
http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2. Zugriff 4.6.2019
-
LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombsbus-security-personnel-in-western-kabul.php. Zugriff 3.6.2019
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Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters Threaten Borders of Former Soviet Union, https://www.newsweek.com/russia-spychief-warns-5000-isis-foreign-fighters-threaten-borders-former-1431576. Zugriff 4.6.2019
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Tolonews (3.6.2019): Five Killed As Explosion Targets Govt Employees Bus In Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/explosion-targets-govt-bus-kabul. Zugriff 3.6.2019
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Tolonews (31.5.2019a): Taliban Wants An ,Inclusive Post-Peace Govt',
https://www.tolonews.com/afghanistan/taliban-wants-inclusive-post-peace-govt. Zugriff 3.6.2019
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Tolonews (31.5.2019b): Concerns Mount Over Sharp Increase In Attacks In Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/concerns-mount-over-sharp-increase-attacks-%C2%A0kabul, Zugriff 3.6.2019
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Tolonews (31.5.2019c): Heavy Explosion Rocks Kabul; 4 Civilians Killed,
https://www.tolonews.com/afghanistan/heavv-explosion-rocks-kabul. Zugriff 3.6.2019
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Tolonews (27.5.2019a): Seven Members Of One Family Murdered in Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/seven-members-one-family-murdered-kabul. Zugriff 3.6.2019
-
Tolonews (27.5.2019b): 10 Wounded As Blast Targets Govt Employees Bus In Kabul,
https://www.tolonews.com/afghanistan/10-wounded-blast-targets-govt-employees-bus-kabul, Zugriff 3.6.2019
-
TW - The Week (2.6.2019): Afghan officials: 3 bomb blasts in capital, 1 killed, https://
www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1-killed.html, Zugriff 3.6.2019
-
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_-_first_quarter_report_2019_english_.pdf.
Zugriff 3.4.2019
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VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growingbigger-more-dangerous/4927406.html. Zugriff 4.6.2019
KI vom 26.03.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (Abschnitt 1; relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
Quellen:
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AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6- year-festival-190321064823472.html. Zugriff 26.3.2019
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AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html. Zugriff 26.3.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019):
Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf
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IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,
https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods
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NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html. Zugriff 26.3.2019
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Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019
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Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghancapital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL. Zugriff 26.3.2019
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Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,
https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1 QZ2OU. Zugriff 26.3.2019
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Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,
https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/i5568633/. Zugriff 26.3.2019
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TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistankabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019
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UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019
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VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,
https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidentialelection/4840141.html, Zugriff 26.3.2019
- WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out
of U.S.- Taliban peace talks, running short on options,
https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128