TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/24 W208 2181160-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2019
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Entscheidungsdatum

24.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W208 2181160-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion Wien vom 30.11.2017, Zl. 1096096009-151832821, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG) gestellt.

2. Am 22.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Befragung statt, bei der er in der Sprache Dari zum Fluchtweg und Fluchtgrund (Angabe des BF: Bedrohung durch die Taliban) befragt wurde. Verständigungsprobleme lagen nicht vor.

Aufgrund eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 27.02.2016 (Begutachtung am 16.02.2016) wurde eine Bandbreite des möglichen Alters des BF zum Zeitpunkt der Untersuchung von 19 - 25 festgestellt sowie ein spätmöglichstes fiktives Geburtsdatum von XXXX (Alter daher 19 Jahre) angenommen.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.04.2016 wurde vom BFA festgestellt, dass es sich beim BF um eine volljährige Person handle und das Geburtsdatum mit 15.02.1997 festgestellt.

3. Bei der Einvernahme am 29.11.2017 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass die bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprächen und machte nähere Ausführungen zu Herkunft und zu den Gründen seiner Flucht. Im Wesentlichen führte er aus, dass seine Schwester mit einem Talibankämpfer verlobt gewesen sei, wogegen sein Vater gewesen sei und dieser dann die Familie - insbesondere ihn als ältesten Sohn - bedroht habe.

4. Das BFA hat mit dem im Spruch angeführten Bescheid den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status Asylberechtigter gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.), dass einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VI.), sowie dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.).

5. Gegen den am 19.12.2017 zugestellten Bescheid wurde von der gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG dem BF zur Seite gestellten und im Spruch genannten Rechtsberatungsorganisation (Vollmacht und Zustellvollmacht vom 21.12.2017) am 22.12.2017 beim BFA Beschwerde eingebracht.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 27.12.2017 vom BFA vorgelegt und der Gerichtsabteilung W269 zugewiesen.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.01.2018, W269 2181160-1/3E, wurde der Beschwerde gegen den Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

8. Am 07.05.2019 wurde das Verfahren wegen einer Karenzierung der zuständigen Richterin umprotokolliert und der Gerichtsabteilung W208 neu zugewiesen.

9. Mit Ladungen vom 15.05.2019 wurde vom BVwG eine Verhandlung in der Sache anberaumt und der BF darauf hingewiesen, welche aktuellen Länderinformationen in das Verfahren eingebracht und falls nicht bekannt, angefordert werden oder Akteneinsicht genommen und eine Stellungnahme abgegeben werden kann.

10. Mit Schreiben vom 25.06.2019 übermittelte die bevollmächtigte Rechtsvertretung des BF ein Konvolut an Unterlagen, darunter:

? Urkunde über die Teilnahme am Männer Gesundheitskurs vom 08.10.2018,

? Stundenliste Volontariat bei XXXX ,

? Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit bei der Lebensmittelausgabestelle der Caritas XXXX , vom 03.01.2019 und 01.02.2019 sowie ein Unterstützungsschreiben dieser Einrichtung vom 30.05.2019,

? Bestätigung der Beratung durch die Wiener Bildungsdrehscheibe vom 18.06.2019,

? Teilnahmebestätigungen von " XXXX " vom 29.05.2019 und vom 06.06.2019.

11. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 08.07.2019 eine öffentliche Verhandlung durch, an der ein Vertreter des BFA sowie der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari/Paschtu und seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm und ausführlich zu den Fluchtgründen und zur Person befragt wurde, sowie Stellung nehmen konnte.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden folgende weitere Unterlagen vorgelegt bzw. eingebracht:

? Bestätigung über ehrenamtliche Tätigkeit vom 04.07.2019, wonach der BF je vier Stunden pro Monat an einer Lebensmittelausgabestelle der Caritas tätig ist. Es wird ihm großes Engagement und Zuverlässigkeit bescheinigt (Beilage ./2 zur VHS).

? Sozialbericht des Samariterbundes vom 29.06.2019, wo der BF untergebracht ist. Er sei dort als hilfsbereit und engagiert bekannt, nehme die Angebote an und habe mehrere Deutschkurse besucht. In seiner Freizeit spiele er Fußball, koche und schwimme. Er sei in Wien gut orientiert und bewege sich selbstständig. Es gebe Phasen, wo er psychisch in keinem guten Zustand sei, an körperlichen Schmerzen unterschiedlichster Art leide und zu selbstverletzendem Verhalten neige. Bis dato sei es nicht möglich gewesen, ihn zu einer psychologischen bzw. ärztlichen Betreuung zu vermitteln. Das Haus XXXX befürworte einen gesicherten Aufenthalt (Beilage ./3).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1. Zur Person und ihrem Netzwerk

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz LAGHMAN geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan; weiters Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari (BFA, 5), außerdem spricht er noch Paschtu, Englisch und verfügt über Deutschkenntnisse.

Der BF hat eine zumindest grundlegende Schuldbildung in Afghanistan erhalten und hat in Österreich lesen und schreiben auf Deutsch und Englisch sowie rechnen gelernt (VHS, 5).

Der BF ist arbeitsfähig und hat ab dem Alter von ca. 14 Jahren seinem Vater am Bau bei diversen Hilfsarbeiten (zB Mauern) geholfen (BFA, 4-5; VHS, 6).

Der BF hat folgende Angehörige im IRAN:

Die Familie des BF (Vater, Mutter, zwei Brüder und drei Schwestern) ist nach der Ausreise des BF von deren Heimatdorf in den IRAN gezogen (BFA, 4; VHS, 6). Diese bestreiten ihren Lebensunterhalt dort durch die Arbeit des Vaters am Bau und wohnen in einem Mietshaus in Teheran (VHS, 7). Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie und ein gutes Verhältnis zu seinem Vater, der ihn alle 3 - 4 Monate von einem Internet Café aus anruft (VHS, 7 und 9).

Der BF hat einen Onkel in Afghanistan, der mit seiner Frau in LAGHMAN lebt und seinen Lebensunterhalt als Maler auf Baustellen bestreitet (VHS, 7).

Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er keine weiteren Angehörigen, Bekannte oder Freunde mehr in AFGHANISTAN oder im IRAN hat.

Er kann auf das soziale Netzwerk seines Clans vor Ort zurückgreifen und auf die Unterstützung der Großfamilie (Onkel vs in der Heimatprovinz sowie seine Kernfamilie im IRAN), die ihn aufgrund der modernen Kommunikationsmittel und des Bankwesens finanziell und mit ihren Kontakten auch aus der Ferne unterstützen können.

Der BF ist gesund und hat in der Verhandlung einen wachen und orientierten Eindruck gemacht. Er hatte in Österreich eine Blinddarmoperation, die gut verlaufen ist (BFA, 2). Er steht nicht in regelmäßiger ärztlicher Behandlung, sondern gibt an, nur manchmal wegen Magenschmerzen zum Arzt zu gehen. Deshalb hat er Medikamente bekommen und nimmt davon in der Früh eine Tablette zum Frühstück (VHS, 4).

Er ist in Afghanistan nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert, war kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, hat sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Heimatland.

1.2. Zu den Fluchtgründen

Der BF war vor dem Verlassen Afghanistans und wäre auch bei seiner Rückkehr keiner konkreten individuellen Verfolgung durch Taliban, Daesh oder sonstige kriminelle Personen, aufgrund der politischen Gesinnung, des Geschlechts, der sexuellen oder religiösen Orientierung, sowie der Zugehörigkeit zu seiner Familie ausgesetzt.

Der BF war und ist auch sonst keiner individuellen Verfolgung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF in sein Herkunftsland

Der BF wäre im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keinem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung des Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch einen konkreten Akteur ausgesetzt.

Dem BF droht aufgrund der Tatsache, dass er mehrere Jahre in Europa aufhältig war sowie in Österreich teilweise eine "westliche Werthaltung" angenommen hat, keine psychische oder physische Gewalt.

Der BF wäre im Falle einer allfälligen Rückkehr nach HERAT oder MAZAR-E SHARIF - Städte die er sicher erreichen kann - im Stande, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und wäre er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht der Gefahr ausgesetzt in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Der BF wurde über die vorhandenen Möglichkeiten von Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Am angeordneten Gespräch zur Rückkehrberatung hat er nicht teilgenommen (VHS, 18).

Zudem ist es möglich, dass die Familie des BF ihn sowohl finanziell aus dem IRAN als auch von seiner Heimatprovinz aus bei einer Rückkehr nach Afghanistan und beim Aufbau einer Existenzgrundlage unterstützt.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut.

1.4. Zum Privatleben und zur Integration in Österreich

Der BF hält sich seit 22.11.2015 in Österreich auf und lebt in einer Asylwerberunterkunft in WIEN.

Er besuchte Deutschkurse und hat sich bereits ansatzweise Deutschkenntnisse angeeignet. Er hat die Prüfung eines Deutschkurses Niveau A2 abgelegt und noch kein Ergebnis (VHS, 10).

Er leistete und leistet gemeinnützige Hilfstätigkeiten für eine Lebensmittelausgabestelle der Caritas (Beilage ./2 zur VHS) und hat ein Volontariat absolviert.

Er ist kein Mitglied von Vereinen und politischen Parteien und war bisher auch sonst politisch nicht aktiv.

Der BF war bisher - abgesehen von den angeführten geringfügigen gemeinnützigen Tätigkeiten - nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellungszusage.

Referenzschreiben belegen das persönliche Verhalten und Engagement in der Gesellschaft (Beilagen ./2 und ./3 zur VHS).

Der BF ist bereit die gesellschaftlichen Regeln und österreichischen Gesetze zu akzeptieren und einzuhalten.

Der BF ist in Österreich nicht verheiratet, nicht verlobt, lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder. Er hat keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet. Er lebt auch sonst mit keiner nahestehenden Person zusammen.

Er pflegt private Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Er verbringt die Freizeit mit afghanischen Freunden und spielt manchmal Fußball mit ihnen oder kocht. Er verbringt auch Zeit mit einer österreichischen Dame, namens Julia, die er besucht und mit der er spazieren und ihre Mutter und ihren Bruder besuchen geht und die ihm auch Deutsch beibringt. Er hat jedoch keine Liebesbeziehung mit ihr (VHS, 10). Außerdem hat er guten Kontakt zu zwei Betreuerinnen aus der Asylwerberunterkunft, die ihn zur Verhandlung begleitet haben (VHS, 12.) Neben Freundschaften konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens festgestellt werden.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat

Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.5.1. Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt 04.06.2019):

Die Kurzinformation vom 04.06.2019 handelt vom politischen Ringen um einen Friedensvertrag mit den Taliban, spricht trotz landesweitem Rückgang der zivilen Opferzahlen im ersten Quartal um 23 %, immer noch von 1773 Toten und Verletzten darunter 582 Kinder. Ursache waren Luftangriffe, Kampfhandlungen, Sprengstoffanschläge und Kampfmittelrückstände. Auch in KABUL-Stadt kam es wieder zu Anschlägen auf Sicherheitskräfte, Mitarbeiter von Ministerien, Ausländer und schiitischen Studenten unter anderem durch den IS. Die IOM gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM.

Die Kurzinformation vom 26.03.2019 spricht von einem Anschlag des IS in KABUL während des persischen Neujahrsfestes (Nowruz) in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Die Bomben waren in einer Moschee, hinter einem Krankenhaus und in einem Stromzähler plaziert. Ein weitere Angriff des IS mit Mörsergranaten erfolgte ebenfalls auf einen mehrheitlich von Hazara bewohnten Stadtteil auf eine Gedenkveranstaltung für einen Hazara-Führer. Berichtet wird auch von Überflutungen die der Dürre in den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, HERAT, Kapisa, Parwan, Zabul und KABUL. Diese haben eine weitere Landflucht in die urbanen Zentren ausgelöst und befinden sich insbesondere in Herat-Stadt rund 95.000 Personen in Notunterkünften die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Ebenfalls erwähnt werden Friedensgespräche mit den Taliban und die neuerliche Verschiebung der Präsidentenwahl auf 28.09.2019.

Der Kurzinformation vom 01.03.2019 ist zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor labil bleibt. Die meisten regierungsfeindlichen Angriffe fanden in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandarhar, Uruzgan und Herat statt. Zivile Opfer durch Kämpfe und Anschläge gab es auch in den Provinzen Kunar, Nangarhar, Kunduz und Kabul sowie entlang verschiedener Hauptstraßen in diesen Provinzen. Alle Provinzzentren sind jedoch unter Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung.

Den Kurzinformationen vom 22.01.2019 und 31.01.2019 sind einerseits die Aufnahme von Friedensgesprächen der USA mit den Taliban zu entnehmen andererseits aber auch wieder tödliche Anschläge auf einen Stützpunkt des afghanischen Geheimdienstes in der Provinz WARDAK am 21.01.2019, am Vortag auf einen Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz LOGAR und vor der gesicherten Green Zone in KABUL, wo viele internationale Organisationen und NGO angesiedelt sind.

Im Herbst und Winter 2018 kam es zu mehreren Anschlägen in KABUL auf Ministerien, auf Islamgelehrte, Demonstrationen der Hazaras und Gefängnismitarbeitern bei denen es zivile Opfer gab. Brandvorrichtung/Sprengfallen, Selbstmordanschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen und Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen.

Aus der KI vom 11.9.2018, geht hervor, dass Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in KABUL, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan stattgefunden haben. Es handelte sich dabei um Selbstmordanschläge auf eine Demonstration, eine Mädchenschule, einen Festumzug und einen Wrestling-Club.

Der KI vom 22.08.2018, sind Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zu entnehmen. Dies waren Entführungen auf der Takhar-Kunduz-Autobahn, ein IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul sowie vor dem Flughafen Kabul und auf eine schiitische Moschee in Gadrez-Stadt in Paktia, sowie Kämpfe zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab.

Das LIB der Staatendokumentation führt zur SICHERHEITSLAGE im Punkt 3 im Wesentlichen aus:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist sehr instabil. Es ist mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Die afghanische Regierung bzw deren Sicherheitskräfte behalten auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen.

Die Aufständischen üben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren aus. Sie greifen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige an; es gibt Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS. Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt. Es haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden.

Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen.

Die Taliban kontrollieren zwischen 10% und 14 % der afghanischen Distrikte Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017).

Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Zur Heimatprovinz des BF wird im LIB ausgeführt:

"3.20. LAGHMAN

Die Provinz Laghman liegt inmitten des Hindukush-Gebirges. Sie besteht aus folgenden Distrikten: Alishing/Alishang, Alingar, Dawlat Shah/Dawlatshah, Qargayi/Qarghayi und Mehtar Lam/Bad Pash (Pajhwok o. D.f). Laghman grenzt an die Provinzen Nangarhar im Süden, Kunar im Osten, Nuristan und Panjshir im Norden und Kapisa und Kabul im Westen. Mehtar Lam/Mehtarlam ist die Provinzhauptstadt (NPS o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014, Pajhwok o.D.b). In der Provinz leben mehrheitlich Paschtunen, gefolgt von Tadschiken, Nuristani, Paschai (Pajhwok o.D.a; vgl. NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 460.352 geschätzt (CSO 4.2017).

Zahlreiche Projekte werden in der Provinz Laghman implementiert (Pajhwok 21.8.2017; vgl. Tolonews 15.10.2017): der Bau eines Flughafens, der die vier östlichen Provinzen verbinden soll, Dämme, ein Solarenergieplan, Parks, Straßen, ein Wasserversorgungssystem, der Campus der Universität Laghman sowie die Errichtung eines Kricket-Stadiums usw. (MENAFN 28.1.2018). Ein Abschnitt der Kabul-Jalalabad Autobahn geht durch die Provinz Laghman (Pajhwok 29.3.2018; vgl. Pajhwok 3.3.2017). Auch wurde Ende 2013 eine 14 km lange Straße gebaut, welche die Provinzhauptstadt Mehtarlam mit dem Distrikt Qarghayi verbindet (Pajhwok 7.11.2013). Mitte April 2017 wurde in Mehtarlam der Bau einer Tangente in der Provinz Laghman angekündigt (Khaama Press 17.4.2017).

2017 stieg die Opium-Produktion in der Provinz Laghman um 64% im Vergleich zu 2016. Alle Distrikte der Provinz, in denen Mohn angebaut wird, waren davon betroffen. Im Laufe des Jahres 2017 wurden 23 Hektar Mohnfelder umgewidmet (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Laghman zählte seit dem Fall der Taliban im Jahr 2001 zu den relativ friedlichen Provinzen; Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen nahmen jedoch in den letzten Jahren zu (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Khaama Press 19.2.2018, ToI 6.1.2018, Khaama Press 19.12.2017, Khaama Press 11.4.2017). Im Juli 2017 waren die Distrikte Alingar, Alishing und Dawlatshah von Sicherheitsproblemen betroffen, während sich die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt und ihren Vororten verbesserte (Tolonews 18.7.2017).

In Laghman befindet sich eine internationale Militärbasis (Forward Operating Base Gamberi) (U.S. DoD 21.3.2018; vgl. U.S. DoD 22.3.2018, Reuters 10.2.2017).

Im Jahr 2017 wurden aufgrund von Bedrohungen durch regierungsfeindliche Gruppierungen u.a. in der Provinz Laghman vorübergehend Gesundheitseinrichtungen geschlossen (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 147 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, [...].

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Laghman 354 zivile Opfer (84 getötete Zivilisten und 270 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 14% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Laghman

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Tolonews 3.3.2018; vgl. Khaama Press 26.2.2018, Pajhwok 25.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 26.2.2018, vgl. ToI 6.1.2018, Khaama Press 22.11.2016, Khaama Press 21.11.2016). Dabei werden Aufständische, auch Talibananführer getötet (Khaama Press 26.2.2018; vgl. Xinhua 9.1.2018, Tolonews 25.12.2017, Khaama Press 19.12.2017, Tolonews 25.9.2017). Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräfte finden statt (Xinhua 20.9.2017; vgl. Khaama Press 11.4.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Laghman

Berichtet wurde, dass nun zum ersten Mal Zusammenstöße zwischen Aufständischen der Taliban und des IS von Nangarhar auf die Provinz Laghman übergeschwappt sind - beide Seiten haben hohe Verluste bei diesen Zusammenstößen zu verzeichnen (Khaama Press 29.11.2017). Die Provinz Laghman grenzt an die Provinz Nangarhar, in der sowohl Anhänger der Taliban als auch Anhänger des IS in abgelegenen Distrikten aktiv sind. Lokale Beamte berichten von Luftangriffen auf die Taliban und den IS in manchen Distrikten der Provinz Laghman (Khaama Press 26.2.2018; vgl. ToI 26.2.2018). Regierungsfeindliche Gruppierungen, inklusive Anhänger der Taliban und des IS, haben versucht, in abgelegenen Teilen der Provinz ihre Aktivitäten auszuweiten (Khaama Press 19.2.2018). In der Provinz Laghman kam es zu Zusammenstößen zwischen Taliban- und IS-Kämpfern (VoA 30.11.2017; vgl. Khaama Press 29.11.2017).

Im Juli 2017 wurde in den drei Distrikten Alingar, Alishing und Dawlatshah die Aktivität von Aufständischen registriert (Tolonews 18.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle in der Provinz registriert (ACLED 23.2.2018).

Zur als innerstaatliche Fluchtalternativen herangezogenen Provinzen bzw. Städten führt das LIB aus:

"3.3. BALKH

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut.

Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...].

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

[...]

3.13. HERAT

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...]

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

[...]

Im Punkt 3.35. des LIB ist zur Erreichbarkeit der genannten Provinzen zusammengefasst angeführt, dass die Infrastruktur ein kritischer Faktor für Afghanistan bleibt, trotz der seit 2002 erreichten Infrastrukturinvestitionen und -optimierungen. Seit dem Fall der Taliban wurde das afghanische Verkehrswesen in städtischen und ländlichen Gebieten grundlegend erneuert. Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet. Investitionen in ein integriertes Verkehrsnetzwerk zählen zu den Projekten, die systematisch geplant und umgesetzt werden. Unter anderem in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif befinden sich internationale Flughäfen. Das Transportwesen in Afghanistan gilt als "verhältnismäßig gut". Es gibt einige regelmäßige Busverbindungen innerhalb Kabuls und in die wichtigsten Großstädte Afghanistans, sowie Gemeinschaftstaxis.

Im Rechts- und Justizwesen (detailliert ausgeführt in Punkt 4 des LIB) gibt es zwar Gesetze, es gilt allerdings der Vorrang der Scharia (islamisches Recht) und daneben existieren lokale Gepflogenheiten. Das Justizwesen wird von Unterfinanzierung, Unterbesetzung, inadäquater Ausbildung, Unwirksamkeit und Korruption unterminiert. Letzteres gilt auch für die Sicherheitskräfte (Punkt 5 des LIB). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2017 von Transparency International, belegt Afghanistan von 180 Ländern den

177. Platz (TI 21.2.2018). Einer Umfrage zufolge betrachten 83,7% der Afghanen die Korruption als ein Hauptproblem des Landes. Die Provinzen mit der höchsten Korruptionswahrnehmung sind Kabul mit 89,6%, Uruzgan mit 87,9%, Nangarhar mit 87,8% und Helmand mit 86,9% (Punkt 7 des LIB).

Es kommt auch zu bedeutenden Menschenrechtsverletzungen, obwohl die Menschenrechte eine klare rechtliche Grundlage haben. Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen. Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (vgl. zur Menschenrechtslage Punkt 10 des LIB).

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind gesetzlich verboten; trotzdem werden beide Praktiken weiterhin betrieben. Diese stellen in den meisten Provinzen ein Problem dar. Beobachtern zufolge werden Personen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert. Teilweise auch deshalb, weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, in angemessener Zeit einen Strafprozess abzuwickeln. Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen Verstößen gegen die Moral, Vertragsbruch, Familiendisputen und zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen. Beobachter berichten, dass oft Frauen für "moralische" Vergehen inhaftiert werden. Die angekündigten Reformen u. a. zur Beendigung der unwissenschaftlichen und missbräuchlichen Jungfräulichkeitsuntersuchungen bei inhaftierten Frauen wurden nicht durchgeführt. Oft werden Frauen wegen versuchter zina [Anm.:

Ehebruch] angeklagt, um Verhaftungen wegen Verstöße gegen die Sitten, wie das Davonlaufen von Zuhause, die Ablehnung designierter Ehemänner, die Flucht vor häuslicher Gewalt usw. rechtlich zu legitimieren. Einige Frauen, die Missbräuche anzeigen, werden verhaftet und anstelle von verurteilten Familienmitgliedern eingesperrt in der Annahme, dass diese sich stellen würden, um die Freilassung der Frau zu bewirken. In einigen Fällen werden Frauen in Schutzhaft genommen, um sie vor Gewalt seitens ihrer Familienmitglieder zu beschützen. Wenn die Unterbringung in Frauenhäusern nicht möglich ist, werden von häuslicher Gewalt betroffene Frauen auch in Gefängnisse gebracht, um sie gegen weitere Missbräuche zu schützen. Auch arrangiert das Ministerium für Frauenangelegenheiten Ehen für Frauen, die nicht zu ihren Familien zurückkehren können (Punkt 13 LIB).

Gem. Punkt 14 LIB droht die Todesstrafe nicht nur bei Delikten wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen usw., sondern auch unter dem Einfluss der Scharia bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch).

Punkt 15 des LIB hält zur Religion in Afghanistan das Folgende fest:

"15. Religionsfreiheit

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017). [...]

[...]

"16.3. TADSCHIKEN

Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte (CRS 12.1.2015; vgl. LIP 5.2018); und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (CRS 12.1.2015). Sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus (LIP 5.2018). Außerhalb der tadschikischen Kerngebiete in Nordafghanistan bilden Tadschiken in weiten Teilen Afghanistans ethnische Inseln, namentlich in den größeren Städten:In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit (LIP 5.2018). Aus historischer Perspektive identifizierten sich Sprecher des Dari-Persischen in Afghanistan nach sehr unterschiedlichen Kriterien, etwa Siedlungsgebiet oder Herkunftsregion. Dementsprechend nannten sie sich zum Beispiel kaboli (aus Kabul), herati (aus Herat), mazari (aus Mazar-e Scharif), panjsheri (aus Pajshir) oder badakhshi (aus Badakhshan). Sie konnten auch nach ihrer Lebensweise benannt werden. Der Name tajik (Tadschike) bezeichnete traditionell sesshafte persischsprachige Bauern oder Stadtbewohner sunnitischer Konfession (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Der Hauptführer der "Nordallianz", einer politisch-militärischen Koalition, ist Dr. Abdullah Abdullah - dessen Mutter Tadschikin und dessen Vater Pashtune ist (CRS 12.1.2015). Trotz seiner gemischten Abstammung, sehen ihn die Menschen als Tadschiken an (BBC 29.9.2014). Auch er selbst identifiziert sich politisch gesehen als Tadschike, da er ein hochrangiger Berater von Ahmad Shah Masoud, war (CRS 12.1.2015). Mittlerweile ist er "Chief Executive Officer" in Afghanistan (CRS 12.1.2015); ein Amt, das speziell geschaffen wurde und ihm die Rolle eines Premierministers zuweist (BBC 29.2.2014).

Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017)."

Lt. Punkt 19 des LIB garantiert das Gesetz interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Gesellschaftliche Sitten schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ohne männliche Begleitung ein. Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).

Die Mobiltelefonie ist weit verbreitet, Internet und soziale Medien vor allem in den städtischen Zentren verfügbar (LIB, 10).

Zur VERSORGUNGSLAGE wird in Punkt 21 und 22 des LIB ausgeführt

"21. Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 8.12.2017; vgl. WB 10.4.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.5.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.4.2018).

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 8.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.2.2018).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Projekte der afghanischen Regierung

Im Laufe des Jahres 2017 hat die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen unternommen, um die Rechenschaftspflicht bei der Umsetzung ihrer Entwicklungsprioritäten durch die hohen Entwicklungsräte zu fördern (UN GASC 27.2.2018). Darunter fällt u.

a. der fünfjährige (2017 - 2020) Nationale Rahmen für Frieden und Entwicklung in Afghanistan (The Afghanistan National Peace and Development Framework, ANPDF) zur Erreichung der Selbständigkeit. Ziele dieses strategischen Plans sind u. a. der Aufbau von Institutionen, die Förderung von privaten Investitionen, Wirtschaftswachstum, die Korruptionsbekämpfung, Personalentwicklung usw. (WP 10.4.2018.; vgl. GEC 29.1.2017). Im Rahmen der Umsetzung dieses Projekts hat die Regierung die zehn prioritären nationalen Programme mithilfe der Beratung durch die hohen Entwicklungsräte weiterentwickelt. Die Implementierung zweier dieser Projekte, des "Citizens' Charter National Priority Program" und des "Women's Economic Empowerment National Priority Program" ist vorangekommen. Die restlichen acht befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien (UN GASC 27.2.2018).

Das "Citizens' Charter National Priority Program" z. B. hat die Armutsreduktion und die Erhöhung des Lebensstandards zum Ziel, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden sollen. Die erste Phase des Projektes sollte ein Drittel der 34 Provinzen erfassen und konzentrierte sich auf Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar. Ziel des Projekts ist es, 3,4 Mio. Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu verschaffen, die Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungswesen, das Straßennetz und die Stromversorgung zu verbessern, sowie die Zufriedenheit und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu steigern. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Behinderte, Arme und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018).

22. Medizinische Versorgung

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).

[...]"

Zur Rückkehr nach Afghanistan, wird in Punkt 23 des LIB ausgeführt:

"23. Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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