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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der M in N, vertreten durch W, P und N, Rechtsanwalts-Partnerschaft in K, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. August 1994, Zl. Ve1-550-2140/1-4, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Ulrich am Pillersee, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. September 1991 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung hinsichtlich eines An-, Um- und Aufbaues des in ihrem Eigentum stehenden Wohnhauses im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde sowie des Anbaues einer Garage. Mit Bescheid vom 18. Jänner 1993 des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde wurde der Beschwerdeführerin nach Fertigstellung des Bauvorhabens der baubehördliche Auftrag erteilt, den gesetzmäßigen Zustand hinsichtlich der Wandhöhe der dem Grundstück Nr. 911/5 zugewandten Garagenseite bis zum 31. Mai 1993, entsprechend der Baubewilligung vom 30. September 1991, herzustellen, da laut Sachverständigengutachten des Ing. P die Wandhöhe der dem Grundstück 911/5 zugekehrten Garagenseite 3,26 m betrage und diese Höhe somit der gesetzlich normierten Höchsthöhe von 2,80 m nicht entspreche.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an den Gemeindevorstand und führte im wesentlichen aus, daß sich der angefochtene Bescheid auf das aktuelle Geländeniveau und nicht auf den ursprünglichen Geländeverlauf beziehe. Nicht berücksichtigt worden sei, daß durch zwischenzeitig erfolgte Erdbewegungen der Beschwerdeführerin wie auch der Nachbarn der Geländeverlauf wesentlich verändert worden sei. Auch sei die Garage exakt nach den genehmigten Plänen errichtet worden; insbesondere sei der Garagensockel in den Einreichplänen genehmigt. Die Beschwerdeführerin habe sich auf die Rechtmäßigkeit der ihr von der Gemeinde erteilten Baugenehmigung verlassen.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 15. Juni 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung damit, daß der Sachverständige Ing. P die Wandhöhe mit Betonsockel mit 3,26 m festgestellt habe. Auch gehe die exakte Wandhöhe aus den genehmigten Plänen nicht eindeutig hervor, zumal im Schnitt die Abschrägung des Daches zur Grundparzelle 911/5 nicht ersichtlich sei. Das natürliche Geländeniveau sei so eingezeichnet, daß die gesamte Sockelhöhe unterirdisch angegeben sei.
Mit Bescheid vom 22. Februar 1994 gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung statt, behob den Bescheid infolge Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand.
Im ergänzenden Ermittlungsverfahren erstellte der Sachverständige Ing. H ein Gutachten hinsichtlich des genauen Geländeniveaus vor und nach der Bauführung, zur Frage, ob die Garage entsprechend den genehmigten Plänen errichtet worden sei, und schließlich zur Frage, welches Ausmaß die Wandhöhe nunmehr habe und welches Ausmaß sie hätte, wenn eine bestimmte Veränderung der Höhenlage nicht berücksichtigt würde.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 1994 die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich als unbegründet abgewiesen. Im wesentlichen begründete der Gemeindevorstand die nochmalige Abweisung des Rechtsmittels damit, daß aufgrund des Gutachtens feststehe, daß der Unterschied zwischen dem aktuellen und dem Geländeniveau vor Beginn der Bauführung maximal 7 cm betragen habe. Die in den Einreichunterlagen eingezeichnete Urgeländelinie sei mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht ident. Aus den Berechnungen des Sachverständigen würde sich die aktuelle Wandhöhe an der Südecke mit 3,29 m und an der Westecke mit 3,32 m ergeben. Dieselben Daten bezogen auf das ursprüngliche Gelände würden mit 3,36 m und 3,37 m ebenfalls noch weit über der gesetzlich zulässigen Höhe von 2,80 m liegen. Was die Garagenneuerrichtung betreffe, wäre im Zeitpunkt der Bauverhandlung davon auszugehen gewesen, daß die Bodenplatte, wie sie im Plan im Schnitt ausgeführt sei, an das bestehende Niveau anschließe und nicht wie nun ausgeführt auf einem Sockel fuße, wodurch die der Grundparzelle 911/5 zugewandete Seite die zulässige Höhe von 2,80 m überschreiten würde.
Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung gegen diesen Bescheid. Sie verwies darin auf ihre bisherigen Ausführungen und brachte weiter vor, daß der dem Gutachten von Ing. H zugrundegelegte Vermessungsplan des Dr. B erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen erstellt worden sei und es damit nicht möglich wäre, mittels dieses Gutachtens Aussagen über den Geländezustand vor Baubeginn zu treffen. Die Fundamente und die Fußbodenoberkante des Gebäudes (welches vor dem Umbau schon bestanden hätte) seien unverändert geblieben. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde im Zuge des Vorstellungsverfahrens auch darauf hingewiesen, daß die vorgegebene Höhe der Bodenplatte der Gemeinde aus früheren Baugenehmigungen bekannt gewesen sein müßte. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäbe sich eindeutig, daß die Oberkante des Garagenfußbodens ca. 20 cm unter der Fußbodenoberkante des Hauses liege. Außerdem sei in keiner Zeichnung eine Urgeländelinie dargestellt. In Kenntnis dieser Höhen wäre diese Ausführung genehmigt worden. Auch entspreche die Wandhöhe der Baugenehmigung und es sei im Zeitpunkt der Baugenehmigung die ausgebaute Garage bereits vorhanden gewesen. Der Streit wäre weiters durch eine Vereinbarung der Beteiligten unter Mitwirkung der Gemeinde beigelegt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, daß bei Bedenken einer Partei gegen ein Sachverständigengutachten diesem nur auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden könne. Da ein solches gegenteiliges Gutachten nicht vorliege, sei den Ausführungen des Sachverständigen H zu folgen. Dieser habe in seinem Gutachten festgestellt, daß die Wandhöhe der Garage mit und ohne Berücksichtigung von Geländeveränderungen jedenfalls die Höhe von 2,80 m übersteige. Auch habe der Sachverständige Feststellungen zum ursprünglichen Geländeniveau getroffen. Zwar sei dem Gutachten der Vermessungsplan des Dr. B zugrundegelegt worden, der erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen erstellt worden sei, doch seien darin von der Bauführung nicht berührte Geländepunkte angeführt und es sei daher eine 10 cm genaue Rückrechnung möglich gewesen. Ausgehend von diesen Vermessungen habe der Sachverständige, bezogen auf die nunmehrige Geländeführung, eine Wandhöhe an der Südecke der Garage von 3,29 m und an der Westecke von 3,32 m errechnet. Unter Zugrundelegung der Höhenlage vor der Bauführung errechne sich daher eine Wandhöhe an der Südecke mit 3,36 m und an der Westecke mit 3,37 m. Bezüglich der eingewendeten planmäßigen Errichtung der Garage habe der Sachverständige festgestellt, daß der genehmigte Bauplan zwei verschiedene Dachformen aufweise (Satteldach und Walmdach), wobei lediglich beim Garagenbau ein Walmdach ausgeführt worden sei. Durch Nachmessen könne dem Schnitt entnommen werden, daß die Garagenbodenoberkante 20 cm tiefer liege als die Fußbodenoberkante des Wohnhauses. Ausdrücklich wiederholt die belangte Behörde auch die Feststellung des Sachverständigen, daß, da den Planunterlagen bezüglich der Höhengestaltung im Bereich des Garagenbaues keine aussagekräftigen Informationen zu entnehmen seien, auch nicht festgestellt werden könne, ob in höhenlagenmäßiger Hinsicht die Garage entsprechend den genehmigten Plänen errichtet worden sei. Auch sei vom Sachverständigen festgestellt worden, daß die in die Einreichunterlagen eingezeichneten Urgeländelinien nicht dem tatsächlichen Geländelauf entsprächen. Da somit aus den genehmigten Plänen eine exakte Wandhöhe nicht hervorgehe, könne auch nicht festgestellt werden, ob die Garage entsprechend den genehmigten Plänen errichtet worden sei. Da aus den genehmigten Plänen die exakte Wandhöhe nicht hervorgehe, gehe der Einwand der Beschwerdeführerin, die Garage sei entsprechend den genehmigten Plänen errichtet worden, ins Leere.
Die Vorstellungsbehörde vertritt weiters die Auffassung, daß die Garage laut Einreichplan völlig neu erstellt worden sei, daß also zum Zeitpunkt der Bauverhandlung noch keine Bodenplatte der Garage vorhanden gewesen sei und daher im übrigen davon auszugehen sei, daß die Bodenplatte der Garage laut Plan an das bestehende Gelände anschließe und nicht auf einem Sockel fuße. Im übrigen sei die zwingende Vorschrift des § 7 Abs. 6 lit. a TBO keiner gegenteiligen Parteivereinbarung zugänglich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 40 Abs. 2 TBO hat die Behörde die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben zu untersagen, wenn ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wird, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung hiefür vorliegt.
Gemäß § 40 Abs. 3 TBO ist Absatz 2 sinngemäß anzuwenden, wenn ein Bauvorhaben abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wird und diese Abweichung eine Änderung des Bauvorhabens darstellt, zu deren Vornahme auch dann, wenn das Bauvorhaben bereits ausgeführt wäre, eine Baubewilligung erforderlich wäre. Nach § 40 Abs. 3 Satz 2 TBO hat die Behörde anstelle der Beseitigung des Bauvorhabens die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufzutragen, sofern dies wirtschaftlich vertretbar ist.
Daher ist § 40 Abs. 3 Satz 2 TBO grundsätzlich eine taugliche Rechtsgrundlage zur Erlassung eines Auftrages, den konsensgemäßen Zustand (lt. Bescheid vom 30. September 1991) herzustellen.
Zu dem von der Behörde festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt für die Erlassung eines derartigen Auftrages zählt zunächst der Inhalt der seinerzeitigen Baubewilligung vom 30. September 1991. Sodann ist ein Vergleich der tatsächlich errichteten Anlage mit dieser Bewilligung vorzunehmen und festzustellen, ob das tatsächlich errichtete Bauwerk der Bewilligung entspricht. Die bloße Feststellung, daß eine bestimmte gesetzliche Bestimmung durch die Wandhöhe nicht eingehalten werde, besagt noch nicht, daß das Bauwerk abweichend von der Bewilligung errichtet worden ist.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde hat sich bei Erlassung des Bauauftrages insoweit auf das Gutachten des Sachverständigen H. gestützt, als er daraus ableitete, daß die Wandhöhe der Garage mit und ohne Berücksichtigung von Geländeveränderungen jedenfalls die Höhe von 2,80 m übersteige.
Damit hat die Gemeindebehörde jedoch verkannt, daß das maßgebliche Beweisthema nicht die Übereinstimmung des ausgeführten Bauvorhabens mit der aktuellen Gesetzeslage hinsichtlich Seitenabstand und Höhe von Bauwerken, sondern die Übereinstimmung mit der Baubewilligung vom 30. September 1991 war.
Die Behörde hat somit ihrer Entscheidung ein Gutachten zugrundegelegt, aus dem der maßgebliche Sachverhalt nicht ableitbar ist, hat doch der Sachverständige in seinem Gutachten ausdrücklich festgehalten, daß nicht festgestellt werden könne, ob in höhenlagenmäßiger Hinsicht die Garage entsprechend den genehmigten Plänen errichtet worden sei.
Wenn die belangte Behörde aus diesen Feststellungen des Sachverständigen ableiten möchte, daß damit die Beschwerdeführerin nicht nachzuweisen vermocht hätte, daß die Garage entsprechend der Baubewilligung errichtet worden sei, verkennt sie, daß nicht die Beschwerdeführerin die Übereinstimmung des Bauwerks mit der Baubewilligung nachzuweisen hat, sondern daß die Erteilung des gegenständlichen Bauauftrags voraussetzt, daß die Verwaltungsbehörde die Nichtübereinstimmung des Bauwerks mit der Baubewilligung feststellt. Aus dem dargestellten Gutachten läßt sich dieser Nachweis jedenfalls nicht führen. Es war daher auch verfehlt, die Beschwerdeführerin auf die Notwendigkeit der Entkräftung dieses Gutachtens zu verweisen. Eine Behörde kann ein Gutachten nur dann ihrer Entscheidung zugrunde legen, wenn daraus die maßgeblichen Rechtsfragen schlüssig beantwortet werden können. Die Verpfichtung, einem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, besteht für die Parteien des Verfahrens nur, wenn das Gutachten schlüssig ist und sich aus dem Gutachten die von der Behörde gezogenen Folgerungen ableiten lassen. Im vorliegenden Fall hat der Gutachter ausdrücklich festgehalten, die ihm von der Behörde gestellte Frage aus den zur Verfügung gestellten Plänen nicht beantworten zu können. Eine Verpflichtung zur Widerlegung dieser Aussage hat für die Beschwerdeführerin nicht bestanden. Der Umstand, daß von der Behörde Pläne bewilligt wurden, denen bestimmte Angaben nicht entnommen werden können, kann nicht bedeuten, daß diese Unklarheit sich insofern zu Lasten des Antragstellers im Bauverfahren auswirkt, daß diesem nun die Beweislast für die Übereinstimmung mit den Plänen (dies wäre ein Beweis, der mangels entsprechender Angaben in den Plänen nicht geführt werden kann) auferlegt werde. An dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Ermittlungsverfahrens nach § 39 AVG ändert vielmehr auch ein derartiges Versehen der Verwaltungsbehörde nichts.
Die Feststellung, daß die in Rede stehende Garage mit den genehmigten Plänen nicht übereinstimme, wurde daher nicht in einem mängelfreien Verfahren getroffen.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde konnte sich daher bei Erlassung des gegenständlichen Bauauftrages nicht zu Recht auf das Gutachten des Ing. H stützen.
Da die belangte Behörde diesen Verfahrensmangel nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994060217.X00Im RIS seit
20.11.2000