Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über den Antrag des H in W, vertreten durch D, Rechtsanwalt in B, auf Ablehnung von Senatspräsident Dr. Hans Kirschner und der Hofräte Dr. Gerhard Mizner und Dr. Leopold Bumberger, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1. Der Antrag auf Ablehnung von Senatspräsident Dr. Hans Kirschner wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Ablehnung der Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger wird abgewiesen:
Begründung
Beim Verwaltungsgerichtshof ist die zur Zl. 97/10/0033 protokollierte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 16. April 1996, Zl. 1-1136/95/K3, anhängig, welche mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Februar 1997, B 1971/96-7, nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, wurde.
Aufgrund der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte der Beschwerdeführer die Beschwerde und stellte darin auch einen Ablehnungsantrag bezüglich Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger.
Da Senatspräsident Dr. Hans Kirschner nicht mehr dem Personalstand des Verwaltungsgerichtshofes angehört, ist ein zulässiger Ablehnungsantrag hinsichtlich seiner Person nicht mehr möglich. Der Antrag war daher insoweit zurückzuweisen.
Soweit sich der Antrag auf die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger bezieht ist folgendes auszuführen:
Der zur Zl. 97/10/0033 angefochtene Bescheid betrifft ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Vorwurfes der Übertretung des § 174 Abs. 1 zweiter Satz Z 1 Forstgesetz. Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe gegen das Rodungsverbot verstoßen, indem er im Zeitraum Frühjahr 1995 bis zum 6. Juni 1995 auf dem nördlichen Teil eines näher bezeichneten Grundstückes, welches bis 1986 mit Lärchen und Rubinien bestockt gewesen sei und somit Wald im Sinne des Forstgesetzes darstelle, Weinreben gepflanzt und somit eine Waldfläche als landwirtschaftliche Nutzfläche verwendet. Es wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe verhängt. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe abgewiesen, daß der Tatzeitraum mit "erste Maihälfte 1995" und die Strafsanktionsnorm mit "§ 174 Abs. 1 zweiter Satz Z 1 Forstgesetz" präzisiert wurden.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft der gegenständliche Tatvorwurf eine Grundfläche, hinsichtlich derer für den Tatzeitraum 1991 bereits ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nach dem Forstgesetz wegen Verstoßes gegen das Rodungsverbot durch Schafweidung geführt worden ist. Einer gegen den im Instanzenzug ergangenen Strafbescheid in diesem Strafverfahren erhobenen Beschwerde gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 95/10/0035, keine Folge. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis insbesondere aus, daß die Bestockung des nördlichen Teils des verfahrensgegenständlichen Grundstückes bis 1986 mit Forstgewächsen der im Anhang zum Forstgesetz aufgezählten Art die Waldeigenschaft des Grundstücksteils im Zeitpunkt der damaligen Verwaltungsübertretung bewirkt habe, weil damit dokumentiert werde, daß die in Rede stehende Fläche innerhalb der letzten 15 Jahre Waldeigenschaft besessen habe und sie daher im Sinne des § 5 Abs. 2 Forstgesetz auch noch zum Zeitpunkt der Begehung der damaligen Verwaltungsübertretung die Waldeigenschaft gegeben gewesen sei. Diese Entscheidung wurde von Senatspräsident Dr. Kirschner und den Hofräten Dr. Mizner und Dr. Bumberger getroffen.
Wenn sich der Beschwerdeführer zur Begründung seines Ablehnungsantrages ohne nähere Nennung von Urteilen des EGMR darauf beruft, daß "nach ständiger Rechtsprechung der Straßburger
Konventionsinstanzen ... Richter, die einen Beschuldigten bereits
einmal verurteilt haben, im gleichen Sachverhalt befangen" seien, so wird damit nicht eine Befangenheit jener Richter des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt, die über den im Beschwerdeverfahren zur Zl. 95/10/0035 zugrundeliegenden Tatvorwurf entschieden haben. Gegenstand des nunmehrigen Strafverfahrens ist nicht die vom Beschwerdeführer im Jahre 1991 durchgeführte Schafweide, sondern das Verhalten des Beschwerdeführers im Mai 1995. Die Rechtsprechung zur Frage der Entscheidung über denselben Tatvorwurf kann im vorliegenden Fall daher nicht herangezogen werden. Aber auch der Umstand, daß in einem Strafverfahren die gleiche Vorfrage (im Beschwerdefall: die Waldeigenschaft eines Grundstücksteiles) neuerlich eine Rolle spielt, vermag eine Befangenheit jener Richter des Verwaltungsgerichtshofes, die über einen Strafbescheid in einem Verfahren, in dem diese Vorfrage eine Rolle gespielt hat, bereits früher zu entscheiden hatten, nicht zu begründen. Da Vorfragen vergleichbarer Art regelmäßig im Verwaltungsstrafverfahren als Voraussetzung für das Vorliegen eines bestimmten Straftatbestandes zu beantworten sind, würde die Auffassung, daß ein Entscheidungsorgan, welches einmal die betreffende Vorfrage - entweder gegenüber einem bestimmtem Beschuldigten oder aber gar generell - beantwortet hätte, in Zukunft für alle künftigen Fälle, in denen diese Vorfrage ebenfalls unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen der Strafbarkeit ist, befangen wäre, bedeuten, daß in allen derartigen Fällen eine Befangenheit des (der) entscheidenden Richter(s) in Folgeverfahren gegeben wäre. Es liegt auf der Hand, daß insoferne das Funktionieren der Rechtspflege nicht gewährleistet wäre, wollte man die Rechtsprechung des EGMR zur sog. "objektiven Unparteilichkeit" (vgl. z.B. Miehsler/Vogler, Internationaler Kommentar zur EMRK, Randziffer 302 zu Art. 6) auch auf diesen Fall ausdehnen. Wie sich insbesondere aus dem Urteil des EGMR vom 24. Mai 1989 im Fall Hauschildt gegen Dänemark ergibt, stellt auch der Umstand, daß ein Richter im selben Verfahren im Vorverfahren Entscheidungen über den Tatverdacht zu treffen hatte, noch nicht zwingend einen Befangenheitsgrund dar.
Entscheidend ist nach diesem Urteil, ob die Befürchtung der mangelnden Unparteilichkeit objektiv gerechtfertigt ist. Dies kann bei Entscheidungen in anderen Strafverfahren betreffend denselben Beschuldigten, auch wenn dabei über eine Vorfrage entschieden wurde, die auch im nunmehrigen Verfahren zu beantworten ist, nicht gesagt werden. Genauso wie zwischen der Entscheidung über den Verdacht gegen einen Beschuldigten und der Entscheidung bezüglich der Schuld zu unterscheiden ist, ist zwischen der Entscheidung in verschiedenen Strafverfahren gegen einen Beschuldigten zu unterscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher keinen Grund zur Annahme einer Befangenheit allein in der Tatsache zu erblicken, daß im nunmehrigen Verfahren neuerlich dieselbe Vorfrage zu beurteilen ist.
Es ist daher aus Anlaß des vorliegenden Ablehnungsantrages auch nicht näher auf die Frage einzugehen, ob die Bedenken im Hinblick auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR zur Frage der sogenannten "objektiven Unparteilichkeit", der zufolge Befangenheit jedenfalls dann gegeben ist, wenn ein urteilender Richter zuvor als Staatsanwalt oder Untersuchungsrichter mit demselben Fall in einer Art befaßt war, die einer Entscheidung über die Schuld nahekommt, auch auf jene Fälle anzuwenden ist, in denen der Verwaltungsgerichtshof - aufgrund welcher Umstände immer - im selben Verwaltungsstrafverfahren (aufgrund einer zunächst erfolgenden Aufhebung des Straferkenntnisses) neuerlich angerufen wird (in diesem Fall hätte der Verwaltungsgerichtshof mit der Aufhebung zunächst für den Beschuldigten entschieden).
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren geht es nämlich nicht um denselben Tatvorwurf, sondern um den Vorwurf der Begehung einer strafbaren Handlung vier Jahre nach jener Tat, die Gegenstand des ersten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Zl. 95/10/0035 war.
Daß auf Seiten der abgelehnten Richter eine subjektive Parteilichkeit im Sinne der Rechtsprechung des EGMR vorläge, wird auch im Ablehnungsantrag nicht behauptet. Der Antragsteller vermag somit mit seinem Vorbringen nicht darzutun, daß die volle Unbefangenheit der von ihm genannten Richter in Zweifel zu ziehen wäre.
Der Ablehnungsantrag war daher insoweit als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 2. Juli 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997060101.X00Im RIS seit
20.02.2003Zuletzt aktualisiert am
24.07.2015