TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/8 W279 2187611-1

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Veröffentlicht am 08.10.2019
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Entscheidungsdatum

08.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W279 2187618- 1/12E

W279 2187620-1/12E

W279 2187611-1/8E

W279 2187615-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von

(1) XXXX , geb. XXXX 1987 ,

(2) XXXX , geb. XXXX 1993 ,

(3) XXXX , geb. XXXX 2010 , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX ,

(4) XXXX , geb. XXXX 2012 , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX ,

alle Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 02.2018,

Zl. (1) XXXX , (2) XXXX , (3) XXXX , (4) XXXX

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und es wird XXXX und XXXX ,

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie, XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer (BF), ein afghanisches Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern, stellten nach schlepperunterstützter unberechtigter Einreise am XXXX 11.2015 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 01.2016 gab der 1.BF an, er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Ghazni. Im Herkunftsstaat habe er als Verkäufer, Bauarbeiter und Reinigungskraft gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass er bei seiner Tätigkeit als Verkäufer seine Ehefrau kennengelernt habe und um ihre Hand angehalten habe, deren Eltern jedoch gegen eine Hochzeit gewesen seien, da seine Verlobte mit einem älteren Mann verlobt worden sei, weswegen sie das Land verlassen hätten. Da ihr Sohn im Iran nicht zur Schule gehen habe können, hätten sie ihre Reise nach Europa fortgesetzt. Bei einer Rückkehr hätten sie Angst um ihr Leben, da ihm die Familie des ehemaligen Verlobten seiner Ehefrau nach dem Leben trachte.

Die 2.BF führte aus, dass ihre Eltern und Geschwister nach wie vor im Heimatstaat wohnhaft seien. Zum Fluchtgrund befragt, erklärte sie, dass ihr aktueller Ehemann sie zwar ehelichen habe wollen, ihr Vater dieser Heirat jedoch ablehnend gegenübergestanden sei und deshalb jemanden ausgesucht habe, der wesentlich älter als sie gewesen sei. Da sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden gewesen sei, sei sie von ihrem Vater verprügelt worden und in weiterer Folge mit ihrem Ehemann aus Afghanistan geflüchtet.

Nach Zulassung ihres Verfahrens erfolgte am XXXX 02.2018 eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der 1.BF gab eingangs an, dass er sich geistig und körperlich in der Lage fühle, die Einvernahme durchzuführen. Er sei gesund und habe im bisherigen Verfahren die Wahrheit angegeben. Die Frage, ob er Kontakt mit seiner Familie habe, wurde vom BF verneint. Seine Eltern seien bereits verstorben und seine Schwester sei im Iran aufhältig. Die Frage, ob seine Eltern Geschwister hätten, wurde vom BF verneint. Auf Vorhalt, dass es ungewöhnlich sei, dass beide Eltern Einzelkinder seien, erwiderte der BF, dass er nur seine Mutter kennengelernt habe und diese ihm niemanden vorgestellt oder genannt habe. Am Tag eines Angriffes seien sowohl sein Vater, seine beiden Brüder als auch seine Schwester zeitgleich getötet worden. Die Frage, ob er in Österreich Verwandte bzw. Familienangehörige habe, wurde vom BF verneint. Auf Aufforderung, seinen beruflichen Werdegang zu schildern, führte der BF aus, dass er in Herat in einer Firma gearbeitet habe und im Iran als Fliesenleger tätig gewesen sei. Die Schleppung nach Österreich habe insgesamt 7000 US-Dollar gekostet.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der 1.BF aus, dass er seine Ehefrau in Afghanistan kennengelernt habe und seine Mutter zu ihren Angehörige geschickt habe, um eine Heirat zu vereinbaren. Nachdem diese Anfrage abgelehnt worden sei, habe der 1.BF erfahren, dass seine Ehefrau einem anderen, älteren Mann versprochen worden sei und ihr vorgeschlagen, die Flucht zu ergreifen. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Herat hätten die BF dann Afghanistan in den Iran verlassen. Die Frage, ob er in Afghanistan persönlich bedroht oder verfolgt worden sei, wurde vom 1.BF verneint. Zur Frage, was in Herat in der Zeit seines Aufenthalts passiert sei, erklärte der

1. BF, dass seine Schwiegermutter ihnen mitgeteilt habe, dass nach ihnen gesucht werde. Auf Aufforderung, bezüglich dieses Anrufs konkrete Zeitangaben zu machen, entgegnete der 1.BF, dass er in der Arbeit gewesen sei, als er den Anruf bekommen habe und das genaue Datum dieses Anrufs nicht mehr wisse. Die Fragen, ob er sich hilfesuchend an staatliche Stellen gewandt habe oder in seiner Heimat oder einem anderen Land vorbestraft sei, wurden vom BF verneint. Er sei im Herkunftsstaat auch nicht von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht gesucht worden und kein Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen. Die Fragen, ob er in seiner Heimat von staatlicher Seite jemals wegen seiner politischen Gesinnung oder seiner Religion bzw. wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden sei, wurden ebenfalls verneint. Bei einer Rückkehr befürchte der 1.BF, gefunden und anschließend gesteinigt zu werden.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der 1.BF zu Protokoll, dass er Leistungen aus der Grundversorgung beziehe und noch keiner legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Er habe Deutschkurse absolviert und sei in keinem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig.

Die 2.BF führte im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme aus, dass sie vor ihrer Ausreise in der Provinz Ghazni gewohnt habe und ihre Eltern sowie ihr Bruder und ihre Schwester nach wie vor in dieser Provinz leben würden. Auf die Frage, wie das Verhältnis zu ihrer Familie sei, erklärte der BF, dass sie zu ihren Angehörigen keine Beziehung habe. Die Frage, ob sie zu ihren Verwandten oder Freunden im Heimatland noch in Kontakt stehe, wurde von der 2.BF verneint. Sie habe ebenfalls keine Familienangehörigen in Österreich. Auf Aufforderung, ihren beruflichen Werdegang zu beschreiben, erwiderte der BF, dass sie Hausfrau gewesen sei und Stickereien angefertigt habe. Ihren Lebensunterhalt habe sie durch die Arbeitstätigkeit ihres Ehegatten verdient. Die 2.BF gab zu Protokoll, dass weder sie selbst noch ihre Kinder eigene Fluchtgründe hätten. Die Fragen, ob sie weitere Fluchtgründe vorzubringen habe, in ihrer Heimat vorbestraft sei oder von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde, wurden von der 2.BF verneint. Sie sei in ihrer Heimat ebenfalls kein Mitglied einer politischen Partei gewesen und niemals wegen ihrer politischen Gesinnung, Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte sie, aufgrund ihrer Flucht gesteinigt zu werden.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt, gab die 2.BF zu Protokoll, dass sie in der Grundversorgung sei und bisher keiner legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Sie habe einen Deutschkurs besucht und sei ehrenamtlich in einem Kindergarten tätig gewesen. Die Frage, ob sie Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig sei, wurde vom BF verneint.

Im Rahmen der Einvernahme wurden von den BF eine Kursbesuchsbestätigung vom XXXX 06.2017 die 2.BF betreffend, mehrere Teilnahmebestätigungen über Veranstaltungen den 1.BF betreffend, eine Kursantrittsbestätigung für einen Alphabetisierungskurs vom

XXXX 08.2017, eine Teilnahmebestätigung des BF vom XXXX 12.2016 über einen Alpha-Kurs von Juni 2016 bis Dezember 2016, eine Kursbesuchsbestätigung von der Teilnahme an einem ehrenamtlichen Deutschkurs von XXXX August- XXXX Dezember 2016, weitere Teilnahmebestätigungen des 1.BF über seine Absolvierung von Info-Modulen, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX 02.2017 über die Teilnahme des 1.BF an einer Mosaik-Deutschlerngruppe, eine Kursbesuchsbestätigung des 1.BF über die Teilnahme an einem Deutschkurs vom XXXX 08.2017- XXXX 10.2017, eine Teilbesuchsbestätigung des 1.BF vom XXXX 12.2017 über einen Kurs vom

XXXX 12.2017 bis zum XXXX 12.2017, eine Kursantrittsbestätigung vom

XXXX 10.2017 über die Absolvierung Deutsch A1, eine Kursbesuchsbestätigung für Fahrkostenerstattung, drei Teilnahmebestätigungen der 2.BF sowie ein Zertifikat vom XXXX 01.2018 über die Absolvierung auf dem Niveau A1 in Vorlage gebracht.

In einer Stellungnahme vom XXXX 02.2018 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der BF ausgeführt, dass in Afghanistan weder ein ausreichend funktionierender Polizei-noch ein Justizapparat bestehe bzw. staatliche Akteure häufig nicht in der Lage seien, Frauenrechte zu schützen. Hinzu komme, dass nach der ständigen Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes bzw. in der Vergangenheit schon des Asylgerichtshofes, die Situation von Frauen in Afghanistan eine Asylgewährung aufgrund von Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gebieten könne. Die 2.BF sei eine Frau, die die Einschränkung grundlegender Menschenrechte und die ungerechte Behandlung von Frauen erlebt habe und die sich in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, "westlichen" Frauen-und Gesellschaftsbild orientiert.

In einer weiteren Stellungnahme vom XXXX 07.2018 wurde vom BF die prekäre Lage in Afghanistan unter Anschluss mehrerer Berichte hervorgehoben.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde die Anträge der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte beweiswürdigend fest, dass die BF weder eine persönliche Bedrohung noch eine Verfolgung im Sinne der GFK oder Sanktionen von staatlicher Seite geltend gemacht hätten. Auch hinsichtlich der Schilderung ihres Vorbringens und der Ausreise müsse den BF die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Es erscheine unglaubwürdig, dass der 1.BF zwar die genaue Uhrzeit angeben habe können, wann er seine Frau abgeholt habe, um mit ihr nach Herat zu flüchten, jedoch keine einzigen genauen Zeitangaben bzw. überhaupt eine Zeitangabe für ihr gesamtes Vorbringen angebe. So habe der 1.BF angegeben, dass er nach zwei Jahren Aufenthalt in Herat, wo er mit seiner Frau gelebt und gearbeitet habe, einen Anruf seiner Schwiegermutter erhalten habe, dass die BF aufgespürt worden seien und dies kein gutes Ende für sie nehmen würde. Einerseits handle es sich dabei einerseits um eine Nachricht, die von einer dritten Person übermittelt worden sei, ein persönlicher Kontakt oder eine Bedrohung habe der BF jedoch dezidiert ausgeschlossen, andererseits erscheine es höchst unglaubwürdig, dass der 1.-und die 2.BF erst Tage nach dieser Nachricht aus Furcht das Land verlassen hätten. Auch sei anzunehmen, dass man sich das genaue Datum merken würde, da es sich hier doch um ein einschneidendes Erlebnis für jede Person handeln würde. Es müsse erwähnt werden, dass der 1.BF in der gesamten Einvernahme keinen einzigen Namen angegeben habe, sondern seine vermeintlichen Verfolger immer nur mit "sie" angeführt habe. Dies erscheine ebenfalls unglaubwürdig, da er zwar in der Erstbefragung angegeben habe, dass ihm sowohl die Familie des Ex-Verlobten seiner Frau als auch seine Schwiegerfamilie nach dem Leben trachte, er jedoch in der gesamten Einvernahme vor dem BF keine Personen namentlich erwähnt habe oder nähere Angaben zu diesen gemacht habe. Des Weiteren habe sich der 1.BF nicht hilfesuchend an staatliche Stellen gewandt, obwohl afghanische Sicherheitsbehörden bei derartigen Bedrohungen im Allgemeinen schutzfähig und schutzwillig seien. In dem angeführten Zeitraum von zwei Jahren sei der einzige fluchtauslösende Grund ein Telefonanruf gewesen, der den

1. und die 2.BF dazu veranlasst habe, das Land zu verlassen. Dies erscheine jedoch höchst unglaubwürdig, zumal der 1.BF und die 2.BF nicht unmittelbar und sofort aufgebrochen seien, sondern erst Tage später in den Iran geflohen seien. Zusammenfassend komme das BFA zu dem Schluss, dass die Angaben der BF rund um ihre Fluchtgründe als unglaubwürdig zu betrachten seien. Die BF hätten keine gegen sie gerichtete Verfolgung oder Bedrohung geltend machen können. Da nach den Länderfeststellungen keine allgemeine Gefahr im gesamten Staatsgebiet Afghanistans festgestellt werden habe können, gehe die Behörde davon aus, dass den BF in ihrem Heimatstaat auch keine individuelle bzw. konkrete Bedrohung im Sinne des Art. 2 bzw. Art. 3 drohe.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom XXXX 02.2018, fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, dass die Erklärungen des Bundesamtes, wie es zur Ansicht gelangt, dass die Befürchtungen der BF nicht asylrelevant seien, nicht nachvollziehbar seien. Eine eigentliche Beurteilung der von den BF dargestellten Befürchtungen sei dem textbausteinartigen Bescheid nicht zu entnehmen. Der behördlichen Ermittlungspflicht könne die derartige Vorgangsweise des Bundesamtes, das offenbar nicht das geringste Interesse daran gehabt habe, sich mit dem Vorbringen des BF zu beschäftigen, nicht Rechnung tragen. In der Beweiswürdigung werde nicht beachtet, dass eine Asylrelevanz in den von den BF erlittenen Verfolgungshandlungen in mehrfacher Hinsicht vorliege-einerseits sei die Verfolgung der BF asylrelevant, weil die afghanischen Behörden nicht in der Lage seien, Personen wie sie zu beschützen, selbst, wenn es von ihnen gewollt sei. Das Bundesamt beziehe sich in der Beweiswürdigung vorrangig auf nicht verifizierbare Behauptungen, ohne die eigentlichen Aussagen der BF und die Länderberichte, aus denen hervorgehe, dass derartige Bedrohungen regelmäßig mit Gewalttaten einhergehen, in die Beurteilung der Verfolgungsgefahr der BF einzubeziehen. Weiters sei zur Asylrelevanz des Vorbringens der BF festzustellen, dass nach ständiger Judikatur auch einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung Asylrelevanz zukommen könne, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Die BF seien als Personen, die nunmehr schon jahrelang im Ausland gelebt und realistische Bedrohungen angeführt hätten, auch aufgrund ihrer "westlichen" Einstellung besonders gefährdet, asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein. Für den Fall der Abschiebung der BF bestehe aufgrund der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und mangels familiären Auffangnetzes die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung. Der behördlichen Ermittlungsverpflichtung sei nicht adäquat Rechnung getragen worden, da die Bewertung der Glaubwürdigkeit der BF genauso falsch sei wie die Bewertung der Gefährdung, der die BF bei einer Rückkehr ausgesetzt wären. Die Rückkehrbefürchtungen der BF seien wohl begründet, eine Abschiebung der BF widerspreche Art. 2 und 3 der EMRK und wäre daher jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Auch hinsichtlich des Privat-und Familienlebens der BF sei eine nur unzureichende Behandlung mit ihrem Vorbringen erfolgt. Der bloße Verweis des Bundesamtes auf die Aufenthaltsdauer könne die Integration der BF nicht entkräften und es könne jedenfalls kein überzeugender Grund für eine Ablehnung sein. Es stelle eine Mangelhaftigkeit des Verfahren dar, dass die Behörde es verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation der BF und der aktuellen Situation in Afghanistan auseinanderzusetzen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

4. In einer Stellungnahme vom XXXX 09.2019 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der BF ausgeführt, dass eine asylrelevante Verfolgung aus dem Umstand der Blutrache zu entnehmen sei. Wie aus dem Sachverhalt deutlich sei, würden die BF dem Risiko der Blutrache ausgesetzt seien und würden daher aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt werden. Im konkreten Fall treffe eine Verwestlichung aus der Sichtweise der afghanischen Bevölkerung zu. Die BF hätten nun schon mehrere Jahre außerhalb Afghanistans bzw. in Österreich ihr Leben verbracht. Selbst wenn diese "verwestlichte" Einstellung aus Sicht einer westlichen Person noch keine Verwestlichung darstelle, so stelle sie dennoch im Verhältnis und aus Sicht der afghanischen Bevölkerung eine eindeutige Verwestlichung dar. Es müsse berücksichtigt werden, ob die BF in den möglichen Städten aus wirtschaftlicher Sicht überleben könnten. Bei den BF bestehe im Falle einer Rückkehr intensiv und realistisch die Gefahr, dass sie in eine ausweglose Lage geraten würden und damit eine Verletzung der durch Art. 2 bzw. 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. Zur Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sei darauf hinzuweisen, dass die BF in der Zeit, in der sie bereits in Österreich verbracht hätten, große Anstrengungen zu ihrer Integration unternommen, die deutsche Sprache erlernt und soziale Kontakte entwickelt hätten.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX 10.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Dabei brachte die 2.BF zur Frage, wie sie ihren Mann kennengelernt habe, vor, dass er als Verkäufer gearbeitet habe und mit ihm in Ghazni nicht zusammengelebt habe. Ihre Familie habe diese Verbindung jedoch nicht akzeptiert, da ihr Vater beabsichtigt habe, sie mit einem reichen Mann zu verheiraten, weshalb die BF in weiterer Folge nach Herat gezogen seien und sich dort zwei Jahre lang aufgehalten hätten. Vor der Übersiedlung nach Herat hätten sich die BF über einen Zeitraum von sechs oder sieben Monaten getroffen. Befragt, weshalb sie Herat verlassen hätten, erwiderte die 2.BF, dass ihr Vater sie gesucht habe und sie weiterhin flüchten hätten müssen, um einer drohenden Steinigung zu entgehen. Auf die Frage, wie ihr Vater sie hätte finden können, entgegnete die 2.BF, dass ihr Ehemann ihrer Mutter vor der Flucht die Telefonnummer hinterlassen habe und diese ihnen erklärt habe, dass der Vater sie überall finden würde. Die Frage, ob es vor diesem Telefongespräch irgendwelche Drohungen gegeben habe, wurde von der 2.BF verneint und ausgeführt, dass ihr Vater sie geschlagen und darauf bestanden habe, den erwähnten reichen Mann zu ehelichen. Die Frage, ob sie den Mann, den sie ehelichen hätte sollen, gekannt habe, wurde von der 2.BF verneint. In Herat sei sie nie konkret bedroht worden, da sie das Haus nicht verlassen habe. Auch gegenüber ihrem Ehemann habe es keine Drohungen gegeben.

Zu ihren Lebensumständen in Österreich befragt, führte die 2.BF aus, dass sie ihre Kinder in die Schule bringe und anschließend Sport betreibe. Sie nehme überdies an einem Deutschkurs teil und hole ihre Kinder von der Schule ab. Sie arbeite in einem Garten und beabsichtige, sich in Österreich ihren Lebensunterhalt als Kindergärtnerin zu finanzieren.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihr der Tod durch Steinigung drohen, da sie eine schwere Straftat begangen habe. Ihre gesamte Familie lebe in Ghazni und ein Onkel, zu dem jedoch kein Kontakt bestehe, wohne in Pakistan. Ihr Vater würde sie auch bei einer Rückkehr weiterhin töten, da es für eine Straftat wie jene, die sie begangen habe, keine Verjährung gebe.

Der 1.BF führte im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass er aus der Provinz Ghazni stamme und seine Ehefrau im Rahmen seiner Tätigkeit als Straßenverkäufer kennengelernt habe. In Ghazni hätten die BF noch nicht zusammengelebt und sich nur getroffen. Da es Frauen in Afghanistan nicht erlaubt sei, das Haus zu verlassen, habe der 1.BF der Familie der 2.BF Gegenstände an die Familie seiner zukünftigen Ehefrau verkauft und der 2.BF Schmuck geschenkt. Zur Frage, wie lange sie in Ghazni zusammengelebt hätten, erklärte der 1.BF, dass sie erst nach ihrer Flucht nach Herat zusammengewohnt hätten. Der 1.BF habe zwar über seine Mutter versucht, um die Hand der 2.BF anzuhalten, die Familie sei jedoch mit einer Hochzeit nicht einverstanden gewesen. Eines Tages habe sie ihm gestanden, dass sie einen älteren, reichen Mann ehelichen müsse, woraufhin er ihr die Flucht vorgeschlagen und sie darauf hingewiesen habe, dass sie ermordet werden würden, falls ihr Vater sie aufspüre. Da die 2.BF mit dieser Vorgangsweise einverstanden gewesen sei, habe der 1.BF mit dem Fahrer vereinbart, sie nach Herat zu bringen. Befragt, ob sie in Herat konkret bedroht worden seien, entgegnete der 1.BF, dass sie dort erstmals erfahren hätten, dass sich gesucht werden würden und diese Feinde auch nach Herat kommen würden, um sie zu finden. Die Fragen, ob er den versprochenen Ehemann seiner Frau gekannt habe bzw. ihre Frau diesen gekannt habe, wurden vom 1.BF verneint.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der 1.BF an, dass er mit seiner Frau laufen gehe und seine Kinder in die Schule begleite. Er besuche einen Deutschkurs und betreue einen großen Gemeinschaftsgarten. In Zukunft wolle er als Maler tätig sein, da er diese Tätigkeit bereits im Iran ausgeübt habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er vom Bruder seiner Frau und von jenem Mann, der seiner Frau versprochen gewesen sei, getötet werden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden von den BF zwei Empfehlungsschreiben, eine Anmeldung zum österreichischen Frauenlauf, ein Zertifikat der 2.BF vom XXXX 02.2018 über eine bestandene Prüfung auf dem Niveau A1, eine Bestätigung vom XXXX 03.2018 über die Teilnahme der 2.BF an fünf Informationsmodulen im Rahmen eines EU-Projektes, ein Zeugnis zur Integrationsprüfung der

2. BF auf dem A1 Niveau vom XXXX 01.2019, ein Zertifikat über die Teilnahme der 2.BF an einem Deutschkurs auf dem Niveau A2 vom XXXX 05.2018, Zertifikat vom XXXX 06.2018, vom XXXX 03.2019, eine Teilbesuchsbestätigung der 2.BF über den Besuch eines Integrationskurses vom XXXX 02.2018 bis zum XXXX 05.2018, ein Zertifikat vom XXXX 12.2018 über den regelmäßigen Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A1, ein Zertifikat des 1.BF über einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 vom XXXX 02.2018 bis zum 15.06.2018, eine Bestätigung des 1.BF vom XXXX 04.2018 über die Teilnahme an fünf Informationsmodulen, ein Zertifikat des 1.BF über den Besuch eines Kurses auf dem Niveau A1 vom XXXX 07.2018 in der Zeit vom XXXX 10.2017 bis zum XXXX 02.2018, eine Teilbesuchsbestätigung des 1.BF vom XXXX 09.2018 über den Besuch eines Integrationskurses vom XXXX 07.2018 bis zum XXXX 09.2018, ein Zertifikat des 1.BF vom XXXX 01.2019 auf dem Niveau A2 in der Zeit vom XXXX 10.2018 bis zum XXXX 02.2019, eine Schulnachricht vom XXXX 02.2019 den 3.BF betreffend, eine Schulbesuchsbestätigung vom XXXX 06.2018 den 3.BF betreffend sowie eine Semesterinformation vom XXXX 02.2019 den 4.BF betreffend in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1 Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern, sind afghanische Staatsangehöriger und sprechen die Sprache Dari. Die BF gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind Schiiten. Sie reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX 11.2015 Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Der ursächliche Grund für die Flucht war die Furcht vor der Familie der 2.BF aufgrund einer vereinbarten Zwangsverheiratung. Die BF laufen als Familienangehörige Gefahr, vom Bruder, Vater oder dem versprochenen Ehemann der 2.BF getötet zu werden, weil diese eine bereits arrangierte Heirat abgelehnt hat, obwohl sie bereits einem reichen Mann versprochen war. Da sie mit ihrer Flucht Schande über ihre Familie gebracht hat, sind die BF bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer Familieneigenschaft einer Blutrache durch den von der 2.BF verschmähten Mann sowie die in Afghanistan lebenden männlichen Angehörigen der 2.BF ausgesetzt. Von einer hinreichenden Schutzgewährung seitens der zuständigen afghanischen Behörden kann nicht ausgegangen werden. In Afghanistan ist daher von einer individuellen (drohenden) Verfolgungssituation der BF auszugehen.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

1.3. Die BF absolvierten mehrere Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A 1 und nahmen an Informationsmodulen im Rahmen eines EU-Projekts teil. Der 2-und der 3.BF besuchen die Volksschule. In ihrer Freizeit kümmern sich der 1.BF und die 2.BF um einen Gemeinschaftsgarten und gehen sportlichen Aktivitäten nach. Sie haben im Bundesgebiet bereits zahlreiche soziale Anknüpfungspunkte.

1.4. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter

Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und

Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen

Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

* Anschläge in Kabul-Stadt

* Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in KabulStadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

* Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

* Überflutungen und Dürre

* Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan,

* Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und

94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

* Friedensgespräche

* Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition

* von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

* Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

* Verschiebung der Präsidentschaftswahl

* Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen„ welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

* Quellen:

-

AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6- year-festival-190321064823472.html. Zugriff 26.3.2019

-

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-

* shia-gathering-190308102222870.html. Zugriff 26.3.2019

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019):

Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

-

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies

* (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,

*

https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods

-

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a

* Big Question: What Is Terrorism?,

*

https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talks-afghanistan.html.

* Zugriff 26.3.2019

-

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff

* 26.3.2019

-

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghancapital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL. Zugriff 26.3.2019

-

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,

https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-

* in-peace-talks-feud-sources-idUSKCN1 QZ2OU. Zugriff 26.3.2019

-

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,

https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/i5568633/.

Zugriff

* 26.3.2019

-

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistankabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

-

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_

* mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019

-

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,

https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidentialelection/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

-

WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.- Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-of-us-taliban-

* peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11

e9-8cfc- 2c5d0999c21e story.html?noredirect=on&utm

term=.ffa121b12dbc, Zugriff

* 26.3.2019

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt - speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

High-profile Angriffe:

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

Taliban

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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