TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/9 W157 2175357-1

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Veröffentlicht am 09.10.2019
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Entscheidungsdatum

09.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W157 2175357-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch (ZEIGE), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer reiste in die Republik Österreich ein und stellte am 30.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung am 30.11.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Religionszugehörigkeit an, er sei konfessionslos. Zu seinem Fluchtgrund führte der Beschwerdeführer aus, sein Bruder sei vor 10 Jahren umgebracht worden, weil er nicht an den Islam geglaubt habe. Der Beschwerdeführer glaube auch nicht an den Islam und habe deshalb seine Meinung gegenüber seinen Freunden geäußert. Diese hätten ihn bedroht und er habe Angst bekommen, ebenso wie sein Bruder umgebracht zu werden. Seine Eltern hätten ihn in der Folge weggeschickt.

3. Am 22.09.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zu dem fluchtauslösenden Vorfall an, im Zuge eines Fußballspiels mit Freunden habe einer der Spieler auf die Propheten und den Koran geschworen. Der Beschwerdeführer habe gefragt, was der Koran und die Propheten seien, und gesagt, dass er nicht daran glaube. Später habe einer der Spieler zu Hause und mit anderen Personen über die Äußerungen des Beschwerdeführers gesprochen und dabei noch übertrieben. Ein Cousin des Beschwerdeführers habe in der Folge berichtet, dass "die Leute" entschieden hätten, dass der Beschwerdeführer hingerichtet werden solle. Seine Mutter habe ihn daraufhin am nächsten Tag über Sange-e-Masha nach Kandahar und über Nimroz in den Iran geschickt, wo er bleiben sollte, bis sich die Lage beruhigt habe. In der Folge seien ein Mullah und Stammesälteste zu seiner Familie nach Hause gekommen, hätten nach dem Beschwerdeführer gefragt und verlangt, dass die Mutter diesen zu ihnen bringe. Als der Beschwerdeführer seine Mutter aus Nimroz kontaktiert habe, habe sie ihm gesagt, er solle nicht nach Hause zurückehren, sondern "irgendwohin gehen", damit diese Leute ihn nicht finden würden.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer Unterlagen betreffend seine Integration in Österreich zur Vorlage.

4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung wertete die belangte Behörde die Fluchtgründe des Beschwerdeführers als gänzlich unglaubhaft. Hinsichtlich der Herkunftsprovinz Ghazni wurde von einer volatilen Sicherheitslage ausgegangen, dem Beschwerdeführer stehe aber eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul oder Mazar-e Sharif zur Verfügung.

5. Hiegegen wurde innerhalb offener Frist Rechtsmittel erhoben. In der Begründung wurde auf die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur ethnischen Minderheit der Hazara ohne Glaubensbekenntnis hingewiesen. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan einer "massiven Gefährdung der religiösen und somit asylrelevanten Verfolgung iSd GFK 1951 ausgesetzt, da er sich als konfessionsloser Hazara erlaubt hat, sich in seiner streng muslimischen Heimat über die in Afghanistan vorherrschende Religion nichts wissend bzw. ablehnend zu äußern".

Auch eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer, einem jungen Hazara ohne familiäre Unterstützung, nicht zur Verfügung, da die Vertreter seiner ethnischen Minderheit immer noch Opfer gezielter Attacken, Verfolgungen und Ermordungen seitens der verschiedensten militanten Gruppierungen und privaten Akteure in Afghanistan seien.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 03.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Schreiben vom 05.07.2019 nahm der Beschwerdeführer zu den vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Länderberichten sowie zur aktuellen Lage in Afghanistan Stellung. Zusammenfassend wurde vorgebracht, aus der vorliegenden Berichtslage gehe hervor, dass ein Abfall vom Islam in Afghanistan mit Verfolgungsgefahr von asylrelevanter Intensität verbunden sei. Nicht nur Glaubenswechsel, sondern auch Atheismus werde in Afghanistan als Apostasie angesehen.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein eines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari insbesondere zu seiner Situation in Afghanistan, zu seinen Fluchtgründen und zu seinem Privatleben in Österreich befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt sowie insbesondere in folgende Länderberichte: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018, aktualisiert mit 04.06.2019; EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.08.2018; BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Nichtausübung des Islam und Apostasie, 25.10.2018; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan:

Situation von muslimischen Familienangehörigen von vom Islam abgefallen Personen (Apostaten), christlichen Konvertiten und Personen, die sich kritisch gegenüber dem Islam äußerten, 09.11.2017, und ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan:

Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa, 01.06.2017.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und der Volksgruppe der Hazara zugehörig. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 30.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in der afghanischen Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 bei seiner Familie gelebt.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und hat keine Kinder. Er ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Deutschkurse besucht und gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Die Familie des Beschwerdeführers in der Provinz Ghazni ist nicht mehr religiös, besucht bzw. besuchte aber manchmal - insbesondere bei nicht-religiösen Anlässen - die Moschee. Anderen Dorfbewohnern gegenüber hat der Vater des Beschwerdeführers vorgegeben, er könne die Moschee aus Zeitmangel nicht bzw. nicht öfter besuchen. Vor etwa 14 Jahren wurde ein Bruder des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung über dessen religiöse Überzeugung getötet.

Der Beschwerdeführer war bereits in Afghanistan kein gläubiger Muslim und hat die Moschee nur selten - etwa gemeinsam mit Freunden - besucht. Im Jahr 2015 kam es im Zuge eines Fußballspiels zu einer Auseinandersetzung, bei der der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährige Beschwerdeführer anderen Jugendlichen gegenüber geäußert hat, dass er nicht an den Koran und die Propheten glaube. Der Beschwerdeführer hat am folgenden Tag das Haus seiner Familie verlassen und ist über Kandahar nach Nimroz geflüchtet, da ihm sein Cousin erzählt hat, dass ihm andere Dorfbewohner verwerfen würden, keinen Glauben zu haben und sich gegen den Propheten geäußert zu haben. In Nimroz hat der Beschwerdeführer bei einem Telefongespräch mit seiner Mutter erfahren, dass mehrere Personen zu Hause nach ihm gesucht haben. Der Beschwerdeführer ist daraufhin zunächst in den Iran und dann weiter nach Österreich gereist.

In Österreich hat sich der Beschwerdeführer für das Christentum interessiert und etwa ein Jahr lang christliche Kirchen bzw. christliche Gottesdienste besucht, hat den christlichen Glauben aber nicht angenommen und ist derzeit religionslos. Er lehnt den Islam aus innerer Überzeugung ab und hält sich nicht an dessen religiöse Vorschriften. Der Beschwerdeführer hat der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) eine Beitrittserklärung übermittelt. Der als Sohn vom islamischen Glauben abgefallener Eltern geborene Beschwerdeführer vertritt seine kritischen Ansichten auch nach außen und es ist nicht anzunehmen, dass er seine innere Überzeugung in seinem Herkunftsstaat Afghanistan dauerhaft verleugnen würde.

Dem Beschwerdeführer droht daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer Abwendung vom islamischen Glauben (Apostasie) physische und/oder psychische Gewalt bzw. Strafverfolgung.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen aus dem Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara und 9 % Usbeken. Daneben gibt es noch weitere ethnische Minderheiten wie etwa die Aimaken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die schiitische Minderheit der Hazara besiedelt traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert. Gesellschaftliche Spannungen bestehen aber fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern - gelegentlich kommt es dabei aber zu Auseinandersetzungen mit Paschtunen. In den Jahren 2016 und 2017 wurden insbesondere von Taliban und dem IS vermehrt terroristische Angriffe auf schiitische kulturelle und religiöse Einrichtungen bzw. Veranstaltungen verübt, bei denen zahlreiche schiitische Muslime - überwiegend ethnische Hazara - verletzt oder getötet wurden.

Etwa 99,7 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus.

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern. Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden. Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikhs, Hindus und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch.

Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt. Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Kinder von Apostaten gelten als Muslime, wenn sie nicht das Erwachsenenalter erreichen, ohne zum Islam zurückzukehren, in welchem Fall ihnen die Hinrichtung droht.

Personengruppen wie Atheisten, Säkularisten oder Konvertiten, deren Ansichten als eine Abwendung vom Islam betrachtet werden können, müssen Selbstzensur üben und können ihre persönliche Meinung oder ihr Verhältnis zum Islam nicht in der Öffentlichkeit äußern, ohne Sanktionen oder Gewalt fürchten zu müssen. Diese Menschen müssen nach außen weiterhin als Muslime erscheinen und die religiösen und kulturellen Verhaltenserwartungen ihres Umfelds erfüllen, ohne dass diese ihren inneren Überzeugungen entsprechen.

Eine Person wird allerdings in Afghanistan - insbesondere im städtischen Raum - nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, da es auch viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. Auch für strenggläubige Muslime kann es darüber hinaus legitime Gründe geben, religiösen Zeremonien fernzubleiben.

Für als "verwestlicht" wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko - insbesondere im urbanen Bereich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren, konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans, deren Bevölkerung hauptsächlich aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara besteht. Die Provinz zählt zu den relativ volatilen Provinzen und grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.

Die afghanische Hauptstadt Kabul hat etwa 4,6 Millionen Einwohner und ist über den Flughafen gut zu erreichen. Die Lage in Kabul ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 wurden von UNAMA 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul dokumentiert.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren in abgelegenen Distrikten aufgrund von Aktivitäten der Taliban verschlechtert, insbesondere in der Stadt Herat ist die Lage aber vergleichsweise friedlich.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft - wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung - auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Arbeitslosigkeit wird als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre - insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes - weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Zudem werden von der Dürre betroffene Menschen von nationaler und internationaler Seite insbesondere mit Nahrungsmitteln und Bargeld sowie auch hinsichtlich der Versorgung mit sauberem Trinkwasser unterstützt. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Daneben gibt es eine Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms "Assisted Voluntary Return and Reintegration". IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten und bei der Ankunft in Kabul sowie Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land - auch hinsichtlich einer ersten Unterkunftnahme. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser - insbesondere in der Stadt Kabul - lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zum Alter und Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglich plausiblen und im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und zu den Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, vorgelegten Unterlagen und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen betreffend die religiöse Überzeugung und Betätigung der Familie des Beschwerdeführers sowie des Beschwerdeführers selbst und den Vorfall bei einem Fußballspiel im Jahr 2015 beruhen auf den im wesentlichen gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des gesamten Asylverfahrens. Der Beschwerdeführer hat bereits bei der Erstbefragung am 30.11.2015 angegeben, dass sein Bruder umgebracht worden sei, weil er nicht an den Islam geglaubt habe, und dass er selbst seinen Freunden gegenüber seine Meinung [betreffend den Islam] geäußert habe. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat der Beschwerdeführer nähere Angaben zu dem Vorfall bei dem Fußballspiel gemacht und insbesondere auch nachvollziehbar vorgebracht, dass seine Familie zwar ungläubig sei, dies aber nicht öffentlich gemacht und bei bestimmten Anlässen dennoch die Moschee besucht habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht machte der Beschwerdeführer einen überaus glaubhaften Eindruck, brachte seine Fluchtgeschichte stringent und in den Kernaussagen widerspruchsfrei vor und konnte insbesondere auch plausibel darlegen, dass er bei dem bereits genannten Fußballspiel im Jahre 2015 im Zuge einer Auseinandersetzung mit befreundeten Jugendlichen die Beherrschung verloren hat und ihm - obwohl er sich des Risikos bewusst war - Aussagen über seinen (fehlenden) Glauben "herausgerutscht" sind.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Probleme mit anderen Dorfbewohnern, die durch den Vorfall bei dem Fußballspiel ausgelöst wurden, sind mit den Länderfeststellungen und dem Amtswissen zu Afghanistan in Einklang zu bringen. Soweit das Bundesamt die öffentlichen Äußerungen des Beschwerdeführers als in "keinster" Weise nachvollziehbar beurteilt hat, ist auf das damalige jugendliche Alter des Beschwerdeführers (vgl. VwGH 23.02.2013, Ra 2015/20/0161, mwN) sowie auf die besonderen Umstände hinzuweisen, unter denen dem Beschwerdeführer unbedachte Äußerungen "herausgerutscht" sind.

Vor diesem Hintergrund ist es dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch gelungen, glaubhaft darzulegen, dass er die religiösen Gebote und Lehren des Islam aus innerer Überzeugung ablehnt und seine Haltung auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan vor seinem sozialen Umfeld nicht dauerhaft verbergen würde bzw. könnte. Der Beschwerdeführer hatte bereits vor seiner Ausreise aus Afghanistan Probleme, seine kritische Haltung gegenüber dem Islam nicht nach außen zu tragen, und hat sich darüber hinaus während seines Aufenthaltes in Österreich daran gewöhnt, frei von religiösen Zwängen zu leben. Hinsichtlich der Feststellungen zur Religionslosigkeit des Beschwerdeführers wurde neben den schlüssigen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch die vorgelegte Beitrittserklärung zur Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich berücksichtigt.

Aufgrund der glaubhaften religiösen Haltung des Beschwerdeführers und dem zu erwartenden Verhalten bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ist auch bei einer Neuansiedlung in einer afghanischen Großstadt, in der grundsätzlich ein geringeres Risiko für Personen besteht, die sich nicht aktiv religiös betätigen, von einer Gefährdung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner Religionslosigkeit bzw. seiner Ablehnung islamischer Lehren auszugehen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet - und dem EASO-Bericht "Country Guidance:

Afghanistan" vom Juni 2018 (vgl. auch den Folgebericht vom Juni 2019). Zur Lage von Apostaten und Konvertiten wurden ergänzend die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.10.2018 sowie die ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 09.11.2017 und 01.06.2017 herangezogen.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Die Situation in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in aktuelle Berichte bzw. Folgeberichte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des U.S. Department of State sowie von UNHCR, UNAMA, EASO und ACCORD; vgl. etwa ecoi.net-Themendossier "Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Chronologie für Kabul" vom 26.07.2019) versichert hat.

Der Beschwerdeführer hat in der Stellungnahme vom 05.07.2019 ergänzend weitere Berichte ins Treffen geführt, deren Kernaussagen im Wesentlichen mit den getroffenen Feststellungen in Einklang zu bringen sind, wenngleich die Sicherheitslage und die sozioökonomische Lage teilweise schlechter dargestellt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

3.2.2. Dem Beschwerdeführer ist es - wie oben dargelegt - gelungen, drohende Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass die bloße Passivität zum Islam, wie etwa das Unterlassen des Betens oder des Fastens während des Ramadan, generell nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu gesellschaftlichen oder allenfalls auch staatlichen Handlungen oder Maßnahmen führt, welche eine asylrechtlich relevante Intensität erreichen. Auf den gegenständlichen Einzelfall bezogen ist aber festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan erneut in einer von Dritten wahrzunehmenden Form äußern bzw. betätigen würde, was sowohl von staatlichen Organen wie auch von der Gesellschaft als Abfall vom Islam (Apostasie) wahrgenommen werden kann. Dass die Konfessionslosigkeit des Beschwerdeführers - bei dem es sich um einen Sohn ursprünglich islamischer Eltern (Apostaten) handelt - den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann angesichts des offenen Umgangs des Beschwerdeführers mit der eigenen Überzeugung nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Der Beschwerdeführer wäre sohin auf Grund seiner Ablehnung der Religion und seiner bekenntnislosen Lebensweise im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen, Diskriminierungen und strafrechtlichen Sanktionen (bis zur Todesstrafe) ausgesetzt.

Die Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers geht im vorliegenden Fall einerseits vom afghanischen Staat und andererseits auch von der afghanischen Bevölkerung aus, die von traditionell islamischen Vorstellungen geprägt ist; wobei insgesamt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen davon ausgegangen werden kann, dass der afghanische Staat nicht willens und in der Lage ist den Beschwerdeführer entsprechend zu schützen.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt nur dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einen in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Grund, nämlich jenen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung anknüpft. Im Fall des Beschwerdeführers liegt das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in seiner nunmehrigen religiösen Überzeugung begründet.

Die Verfolgung aus Gründen der Religion ist nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geschützt, wobei der Begriff der Religion auch atheistische Glaubensüberzeugungen umfasst (vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU - Statusrichtlinie). In seinem Urteil vom 4. Oktober 2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) jüngst präzisiert, dass eine "schwerwiegende Verletzung" der Religionsfreiheit vorliegen muss, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt, damit die betreffenden Handlungen als Verfolgung im asylrechtlichen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 und 2 der Statusrichtlinie) gelten können. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die Person, die internationalen Schutz beantragt, aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in ihrem Herkunftsland tatsächlich Gefahr läuft, durch einen der in Art. 6 der Richtlinie genannten Akteure verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Die Tatsache, dass einem Asylwerber im Herkunftsstaat etwa aufgrund eines Gesetzes über Apostasie eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht, kann für sich genommen eine "Verfolgung" im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie darstellen, sofern eine solche Strafe in dem Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395).

Aufgrund des in ganz Afghanistans gültigen islamischen Rechts (Scharia) und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber Apostaten bzw. Konvertiten gegenüber, ist aufgrund der offen nach außen getragenen Haltung des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass sich die oben dargelegte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan gleichermaßen darstellt, weshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer besteht.

Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.2.3. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

Anders als im Fall der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, für den § 8 Abs. 4 AsylG 2005 die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung vorsieht, wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes bestimmt. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter hat somit nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erfolgen. Auch gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016 kommt dem Asylberechtigten eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu, ohne dass eine darüber hinausgehende Erteilung dieser Berechtigung vorzunehmen wäre (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).

3.2.4. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung folgt - wie dargelegt - der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Apostasie, asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, gesamtes Staatsgebiet, Religion,
Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W157.2175357.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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