TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 W274 2189851-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W274 2189851-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. LUGHOFER Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren 15.12.1977, iranischer Staatsbürger, XXXX , 8570 Voitsberg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 13.2.2018, Zahl 1103774206/160145700/BMI-BFA_STM_AST, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 29.01.2016 vor der Fachinspektion Polizeianhaltezentrum des Stadtpolizeikommandos Innsbruck einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, er sei entlassen worden, weil er zwei oder dreimal in die Kirche gegangen sei.

Zunächst wurde der Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des BVA vom 30.7.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, weil seit Abschluss des Konsultationsverfahrens die Zuständigkeit Kroatiens für das Asylverfahren gegeben sei.

Nach Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.11.2016 der oben genannte Bescheid behoben und das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zugelassen, weil die sechsmonatige Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Absatz 1 Dublin-III-VO abgelaufen sei.

In den Niederschriften vom 29.07.2016 und 21.12.2017 vor dem BFA gab der BF zusammengefasst an, in einer muslimischen Familie geboren und jetzt Christ zu sein. Als der BF zum dritten Mal eine Hauskirche besuchen habe wollen, sei ihm mitgeteilt worden, dass die Gruppe in der Hauskirche festgenommen worden sei und er dort nicht hingehen solle. Er habe Angst gehabt, dass der Geheimdienst aufgrund seines Anrufs auch seine Telefonnummer vom Handy des Freundes bekommen könne. Er sei dann zu einem Freund gefahren. Sein Schwager habe mitgeteilt, dass zwei bis drei Beamte bereits zu Hause nach ihm gesucht hätten. Er sei dann geflohen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Asyl und Subsidiärschutz ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran fest (Spruchpunkt V.) und setzte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Es könne nicht festgestellt werden, dass sich der BF ernsthaft mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt habe, dass er vor seiner Ausreise asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw., dass er tatsächlich überzeugter Christ geworden sei. Es handle sich um eine Scheinkonversion, durch die sich der BF bessere Voraussetzungen im Asylverfahren verschaffen habe wollen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF wegen "Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung" mit dem primären Antrag, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Am 16.09.2019 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der ergänzende Urkunden vorgelegt wurden und der BF als Partei sowie XXXX als Zeuge vernommen wurden.

Aufgrund der bisherigen Verfahrensergebnisse im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor Gericht steht nachfolgender Sachverhalt fest:

Die Situation im Iran stellt sich derzeit wie folgt dar:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw mit diesen sympathisierender Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Die Justizbehörden verhängten und verhängen weiterhin grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen). Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Mord und Sexualdelikten angewandt. Der Anteil öffentlich vollstreckter Hinrichtungen ist 2018 auf knapp 3% gesunken. Über erfolgte Hinrichtungen wird nicht öffentlich informiert.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Der BF wurde am 05.12.1977 in eine muslimisch schiitische, kurdische Familie aus Kermanshah geboren. Seine Eltern, drei Brüder sowie zwei Schwestern leben nach wie vor in Kermanshah. Der BF absolvierte eine Ausbildung für "KFZ-Elektrotechnik" sowie "Benzin-Automechanik" samt "Ausbildung für Leitung und Führung" und war zunächst in einer staatlichen Berufsschule für KFZ-Technik tätig, später dann in einer Art kleinen privaten KFZ-Technik-Schule. Er beendete seine Berufstätigkeit im Iran etwa Anfang 2015. Er ist ledig und kinderlos. Nicht festgestellt werden konnte, dass er im Iran Eigentümer von zwei Bazar-Geschäften ist, wovon er eines mit einem Freund als Teppichgeschäft betrieben hat.

Nicht festgestellt werden konnte weiters, dass der BF etwa Anfang 2015 einen Freund von früher, Azad, traf, mit diesem wieder ins Gespräch kam, von diesem zu hauskirchlichen Treffen eingeladen wurde, bei solchen Treffen zweimal teilnahm und es beim dritten Treffen, bevor der BF noch anwesend war, es zu einer Verhaftung der Mitglieder kam, die dem BF bekannt wurde und die er zum Anlass nahm, nach einem kurzen Aufenthalt bei einem Freund letztlich den Iran zu verlassen. Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF bereits im Iran relevanten Einflüssen des Christentums ausgesetzt war bzw. sich tiefergehend mit diesem beschäftigte.

Der BF reiste mit dem großen Flüchtlingsstrom Anfang 2016 über die "Balkanroute" nach Österreich, wo er ohne gültige Reisepapiere einreiste. Er war zunächst drei Tage in der Erstaufnahmestelle Thalham, sodann für 14 Tage in einer Asylunterkunft in Salzburg und vom 08.04.2016 bis 11.12.2017 und sodann seit 11.12.2017 in verschiedenen Asylquartieren in Voitsberg (Steiermark).

Bereits in den ersten Tagen kamen Freiwillige der evangelischen Gemeinde AB Voitsberg in die Asylunterkunft des BF in Voitsberg und organisierten dort Deutschunterricht. Im Rahmen dessen besuchte der BF nicht zertifizierte Deutschkurse von Freiwilligen und gelangte von dort recht rasch zu Kirchenbesuchen der evangelischen Kirche Voitsberg und besuchte dort auch einen Glaubens- bzw. Taufvorbereitungskurs im Rahmen einer größeren Farsi sprechenden Gemeinde. Diesen wöchentlich stattfindenden Kurs hielt grundsätzlich der seit 2012 in der dortigen Gemeinde als Kurator und Lektor tätige XXXX , wobei alle 3 bis 4 Wochen aus Oberösterreich XXXX , der für die englische Kirche in der Flüchtlingsarbeit tätig ist, für diese Glaubenskurse unterstützend tätig war. Rasch ergab sich auch eine Integration des BF in die evangelische Gemeinde. Darüber hinaus besuchte der BF an Samstagen häufig Gottesdienste der in Voitsberg ansässigen Adventisten-Gemeinde und besuchte dort ebenfalls Deutschkurse bzw. beteiligte sich am Fußballspiel. Im Rahmen der Flüchtlingsarbeit arbeiteten die drei größeren Kirchen in Voitsberg, die römisch-katholische Kirche, die evangelische Kirche AB und die Adventisten-Gemeinde eng zusammen. Anfangs hatte der BF auch einige Male die katholische Kirche besucht. Er hat Kontakte zu katholischen Gemeindemitgliedern. Der BF wurde am 11.09.2016 in einer Gruppe von 27 Farsi-Sprechern in der evangelischen Kirche Voitsberg durch Pfarrer XXXX unter Assistenz von XXXX getauft und nahm den Taufnamen "Johannes" an. Er besucht auch seitdem regelmäßig die in dieser Gemeinde stattfinden Glaubenskurse und Gottesdienste. Seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2018 ist der BF ehrenamtlicher Mitarbeiter des der katholischen Kirche in Voitsberg nahestehenden Sozialmarktes "Vinzimarkt". Er ist dabei fünf Tage pro Woche sowohl bei der Warenabholung als auch bei der Mitarbeit im Markt selbst tätig, zunächst bei XXXX und seit 01.01.2019 bei XXXX . Gelegentlich hilft er ehrenamtlich bei der katholischen Gemeinde Voitsberg mit.

Der BF hat zwischenzeitig den christlichen Glauben soweit innerlich und äußerlich angenommen, dass er auch bei geänderten Verhältnissen, wie einer Rückkehr in den Iran, das Bedürfnis hätte, diesen innerlich und äußerlich auszuleben.

Der BF befindet sich in Grundversorgung und ist in Österreich unbescholten.

Beweiswürdigung:

Die wesentlichen biografischen Feststellungen beruhen auf den insofern glaubwürdigen Angaben des BF. Betreffend seine Ausbildung liegen unbedenkliche Urkunden in Kopie samt Übersetzung vor. Die Angaben zur Identität waren bereits erstinstanzlich unbedenklich. Im Wesentlichen war dem BF auch dabei Glauben zu schenken, dass er zunächst in einer staatlichen und sodann privaten Art Berufsschule tätig war. Dass er bereits einige Zeit vor seiner Ausreise nicht mehr berufstätig war, beruht auf den eigenen Angaben des BF. Die Negativfeststellung betreffend seine Eigentümerschaft von 2 Basargeschäften folgt dem Umstand, dass auch eine nähere Befragung keine Klärung dieser Umstände mit sich brachte.

Nicht glaubhaft war eine wesentliche christliche Vorprägung im Iran und insbesondere das gesamte Vorbringen sowie die Aussagen hinsichtlich Hauskirchenbesuche sowie Verfolgung im Iran:

Zunächst ist selbst unter Berücksichtigung allfälliger sprachlicher Schwierigkeiten der Erläuterungsversuch des BF, mit "entlassen" sei gemeint gewesen, den Glauben zu "verlassen" (Erstbefragung S 15, Protokoll BVwG S 14) nicht nachvollziehbar. Die letztere Bedeutung kann dem damals protokollierten Satz: "Ich wurde entlassen, weil ich zwei- oder dreimal in die Kirche gegangen bin" selbst unter Zubilligung sprachlicher Unschärfen nicht zugesonnen werden. Die in weiterer Folge vor dem BFA näher ausgeführte "Fluchtgeschichte" folgt einem vielmals im Rahmen von Asylverfahren von Iranern vorkommenden "Muster", wobei sich bei näherer Befragung vor Gericht derartig deutliche Divergenzen ergaben, dass ein Zutreffen dieser "Fluchtgeschichte" ausgeschlossen ist: Vor dem BFA gab der BF an, beim dritten Besuch sei er etwas spät dran gewesen. Sie wären um 10:00 Uhr morgens verabredet gewesen. Um 10:30 Uhr habe er seinen Freund telefonisch informieren wollen, dass er später komme. Er habe ihn nicht erreichen können, jedoch seinen Bruder erreicht, der ein guter Freund von ihm gewesen sei. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass die Gruppe in der Hauskirche festgenommen worden sei und er dort nicht hingehen solle (AS 257). Vor Gericht gab der BF demgegenüber an, es sei vereinbart gewesen, dass ihn Azad (der Freund) um 10:00 Uhr abhole. Azad sei aber nicht gekommen. Bis 10:30 Uhr habe der BF gewartet. Azad habe einen Bruder gehabt, ca. 15/16 Jahre alt. Der BF habe den Bruder Azads telefonisch erreicht und gefragt, warum Azad nicht gekommen sei, um ihn abzuholen. Dieser habe dem BF gesagt, dass Polizisten in Zivil dort gewesen seien und Azad und 3 bis 4 Personen festgenommen hätten. Der BF habe das Gespräch abgebrochen.

Es wäre davon auszugehen, dass sich der BF an wesentliche Umstände dieses für ihn so einschneidenden Ereignisses erinnern könnte. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob er sich verspätete und diesbezüglich Azad informieren wollte (Erzählung vor dem BFA), oder ob Azad ihn nicht vereinbarungsgemäß aholte und er dann dessen Bruder anrief (vor Gericht). Vor dem BFA bezeichnete der BF Azads Bruder auch als einen guten Freund des BF, vor Gericht bezeichnete er diesen als 15 oder 16 Jahre alt und gab über Nachfrage, weshalb er das Telefonat mit diesem abgebrochen habe, an, er sei sehr jung gewesen, nicht in dem Alter, dass man mit ihm lange reden hätte können. Er sei sehr jung gewesen, er glaube, 14 oder 15 Jahre alt (Protokoll BVwG S 11 und 12. Abgesehen von der generellen mangelnden Plausibilität der gesamten "Fluchtgeschichte", sind diese beiden Divergenzen so wesentlich, dass das Gericht vom Nichtzutreffen dieses behauptete Fluchtgrundes ausgeht.

Soweit der BF angibt, im Iran bereits den christlichen Glauben "recherchiert" zu haben, blieb er auch bei diesbezüglichen Nachfragen nicht glaubhaft: Er gab vor Gericht zunächst an, per Internet über das Christentum recherchiert zu haben und viele Bücher und Unterlagen zu Hause zu haben: Über Nachfrage gab er an, man könne nicht sagen, dass es Bücher über das Christentum seien. So etwas sei im Iran verboten. Er habe in der Vergangenheit Bücher gekauft, wenn man diese lese, beinhalteten sie auch Information über das Christentum (Protokoll BVwG, S 14). Auf konkrete Nachfrage nach solchen Büchern, nannte er zunächst ein Buch namens Nasekho Tawarikh. Über weitere Nachfrage gab er an, es sei sehr wenig darin über das Christentum erwähnt. Nach weiterem Vorhalt dieses Buches gab er an, er habe diesen Namen falsch gesagt. Es sei ein anderes Buch. Dieses heiße Kureshe Kabir. Es sei über einen iranischen König, der Christen sehr viel geholfen habe.

Aufgrund dieser Antworten wurde für das Gericht deutlich, dass er auch auf dem Rechercheweg kein relevantes Wissen des BF über das Christentum im Iran erworben hatte.

Hingegen war eine Konversion des BF im Rahmen dessen mittlerweile gut dreieinhalb jähriger Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche Voitsberg sowie Kontakten zu weiteren christlichen Kirchen (Römisch Katholische Kirche und Adventistische Gemeinde Voitsberg) glaubhaft:

Zwar liegt dieser Konversion nach den Feststellungen keine besonders "individuelle" Glaubensgeschichte zugrunde. Die "christliche Sozialisierung" erfolgte auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle in einer größeren farsisprachigen Gruppe speziell durch die evangelische Gemeinde Voitsberg, darüber hinaus auch die weiteren dort ansässigen vorgenannten christlichen Gemeinden. Die diesbezüglichen Feststellungen beruhen auf der insoferne jedenfalls glaubwürdigen Aussage des Zeugen XXXX im Zusammenhalt mit der Taufurkunde sowie den weiteren sowohl von XXXX als auch dem evangelischen Pfarrer von Voitsberg gezeichneten Schreiben und einem Schreiben des evangelischen Superintendenten für die Steiermark vom 23.02.2018. Laut einer Bestätigung von XXXX und XXXX vom 20. Dezember 2017 besuchte der BF von Anfang an mit Interesse einerseits die sonntäglichen Gottesdienste sowie die wöchentlich stattfindenden Glaubenskurse. Der BF nahm an diesen Glaubenskursen auch nach der Taufe bis heute weiter teil und stellt nach Angaben des Zeugen XXXX dort theologisch herausfordernde Fragen. Die Taufe bereits im August 2016 fand im Verhältnis zu den von der katholischen und der evangelischen Kirche diesbezüglich selbst auferlegten Regeln zwar relativ bald statt. Dieser Umstand wird aber durch die Tatsache ausgeglichen, dass der BF nunmehr seit gut dreieinhalb Jahren in der Gemeinde mitlebt und an den Gottesdiensten und den Glaubenskursen teilnimmt. Zwar ließ die erste Bestätigung vom 27. Juli 2016, gezeichnet von XXXX und XXXX , an der Individualität dieser Ausführungen insofern zweifeln, als im letzten Absatz offensichtlich der Name eines anderen Flüchtlings (Medipour) aufscheint, was auf eine standardisierte Bestätigung schließen lässt. Der Zeuge XXXX bestätigte dies insofern, als auch mit Textbausteinen gearbeitet worden sei, der größere Teil aber individualisiert abgefasst werde (was auch aus der Bestätigung vom 27.Juli 2016 erkennbar ist). Andererseits gibt selbst der - damalige - evangelische Superintendent der Steiermark, Mag. XXXX , in seinem Schreiben vom 23. Februar 2018 persönliche Beobachtungen betreffend den BF bei kirchlichen Veranstaltungen und Gottesdiensten wieder (AS 473). Die vorgelegten Bilder, Beilage ./F und ./G, zeigen den BF beim Vorlesen am Altar neben Lektor ( XXXX ) bzw. Pfarrer. Obzwar darin kein Beweis einer inneren Konversion zu sehen ist, indiziert dies eine Ernsthaftigkeit der Glaubensüberzeugung des BF aber insoferne, als davon auszugehen ist, dass die evangelische Kirche sorgsam damit umgeht, wer im Rahmen von Gottesdiensten liturgisch auftreten darf. Der durch XXXX vom 18.12.2017 bescheinigte Umstand, dass der BF auch in der Adventisten-Gemeinde aktiv ist und dort Gottesdienste besuchte, lässt in concreto eher auf eine weitehende Integration in Voitsberg schließen, als auf ein vordergründig auf das Asylverfahren bezogenes nach außen gekehrtes Aktivsein. In diesem Schreiben wird durchaus auch eine Integration in die dortige Gemeinde deutlich. Die individuell abgefassten Schreiben Beilagen ./B und ./C von XXXX und XXXX betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit des BF beim Vinzi Markt zeigen ein zeitlich bereits längerdauerndes intensives ehrenamtliches Engagement des BF für sozial karitative Angelegenheiten, somit auch praktisch gelebtes Christentum.

Abgesehen davon, dass aufgrund der nicht glaubhaften Angaben zum Fluchtgrund die generelle Glaubwürdigkeit des BF herabgesetzt war, kamen keine Umstände hervor, die an der Ernsthaftigkeit der Glaubenspraxis des BF in Österreich zweifeln ließen. Mehrfach kam zum Ausdruck, dass der BF sowohl zum Kirchenbesuch der evangelischen Kirche in Voitsberg als auch der adventistischen Gemeinde lange Fußwege in Kauf nahm und nimmt und verlässlich jeden Sonntag zum evangelischen Gottesdienst kommt und diesen mitfeiert. Angesichts dessen war insbesondere unter Zugrundelegung des langen Zeitraumes von dreieinhalb Jahren dieser Praxis die oben festgestellte innere Konversion glaubhaft.

Aufgrund der durch die weitere Beweisaufnahme verbreiterte Beweisgrundlage kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Beweiswürdigung des BFA dahinstehen. Zu den Ausführungen auf S 66, vorletzter Absatz, des angefochtenen Bescheids ist aber anzumerken, dass aus diesen nicht hervorgeht, weshalb die dort getroffene Annahme gerade in diesem Fall zulässig sein sollte. Der Taufurkunde ist zu entnehmen, dass es sich um die Evangelische Kirche HB und keine "evangelikale Gemeinde" handelt.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtline, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.

Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:

Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Der Begriff der Religion umfasst nach Art 10 insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von - allfälligen - Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

Zwar konnte der behauptete Fluchtgrund nicht festgestellt werden. Festgestellt werden konnte aber, dass der BF im Sinn eines Nachfluchtgrundes in einem etwa dreieinnhalb Jahre dauernden Zeitraum in Österreich innerlich zum Christentum konvertiert ist, wodurch diesem in Österreich Asyl zukommt. Aufgrund dieser inneren Konversion ist es durchaus glaubhaft, dass dem BF im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung seines Glaubens Verfolgungsgefahr droht. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte er als nicht geborener Christ keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich der BF einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Er würde daher bei Rückkehr in sein Heimatland Gefahr laufen, auf Grund seiner Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auf Grund des Umstands, dass die Verfolgungssituation von nicht geborenen Christen im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, auszuschließen.

Da der BF daher den Flüchtlingsbegriff des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt - es liegt ein Nachfluchtgrund iSd § 3 Abs 2 AsylG 2005 vor - und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 hervorkam, war der Beschwerde Folge zu geben, dem BF der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass diesem kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde kommt daher im Ergebnis Berechtigung zu.

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2189851.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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