TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/10 W183 2212502-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.10.2019
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Entscheidungsdatum

10.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

W183 2212502-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte I., II., IV. und V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) verließ im Jahr 2018 Iran, stellte am 12.06.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 13.06.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 14.09.2018 und 28.09.2018 wurde BF von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab BF als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er in Iran aufgrund seines Interesses für das Christentum und seines Besuchs von Hauskirchen Verfolgung fürchte. Kurz vor seiner Ausreise sei sein Zimmer durchsucht, nach ihm gesucht sowie ein Freund, mit dem er eine Hauskirche besucht habe, festgenommen worden. Auch in Österreich besuche er eine Kirche und einen Taufvorbereitungskurs.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 03.12.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 14.12.2018 erhob BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., IV. und V. des Bescheides. Vorgebracht wurde im Wesentlichen, der BF sei überzeugter Christ und hätte unabhängig von seinem Faktenwissen über das Christentum im Falle einer Rückkehr nach Iran auch mit Sanktionen des iranischen Regimes wegen Apostasie zu rechnen. Jedenfalls würde das öffentliche Praktizieren und Ausleben des Glaubens des BF diesen in Iran in eine lebensbedrohliche Situation bringen.

4. Mit Schriftsatz vom 03.01.2019 (eingelangt am 09.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

Am 25.06.2019 legte die belangte Behörde einen Abschlussbericht der Landespolizei Niederösterreich vom 24.06.2019 betreffend den Verdacht auf Vergewaltigung durch den BF vor, am 19.07.2019 legte sie die Verständigung durch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, dass das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, vor.

5. Mit Schreiben vom 04.07.2019 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.08.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtige, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.

Mit Schreiben vom 12.08.2019 ergänzte der BF seine Beschwerde dahingehend, dass er seit ca. vier Monaten die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in XXXX besuche.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.08.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen.

Der BF legte ein Schreiben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vom 18.08.2019 vor, mit dem bestätigt wurde, dass der BF von Zeit zu Zeit den Gottesdienst sonntags besuche und regelmäßigen Kontakt zu offiziellen Repräsentantinnen der Kirche habe.

Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

7. Mit Schreiben vom 04.09.2019 legte die belangte Behörde den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 31.08.2019, Zl. XXXX , über die Verhängung der Untersuchungshaft über den BF vor, der des versuchten Mordes und der gefährlichen Drohung verdächtigt wird (und die lt. Schreiben desselben Landesgerichts vom 04.10.2019 weiterhin aufrecht ist). Mit Schreiben vom 06.09.2019 legte die belangte Behörde eine Meldung der Landespolizeidirektion Wien darüber vor, dass der BF am 24.08.2019 wegen des Verdachts der Veruntreuung (§ 133 StGB) angezeigt wurde. Mit Schreiben vom 10.09.2019 legte die belangte Behörde einen Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vor, aus dem hervorgeht, dass im Zuge der Festnahme aufgrund der Taten, wegen derer über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde, 31 Gramm Cannabiskraut beim BF vorgefunden wurden und davon ausgegangen werde, dass der BF den Handel mit Suchtmittel betreibe und sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffe.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 03.10.2019 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

BF ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen. Seine Identität steht nicht fest.

BF stammt aus Teheran und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache), Englisch, Arabisch und Russisch, hat in Iran die Schule abgeschlossen und arbeitete in Iran als Dekorateur bzw. Verkäufer.

BF ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester. Zu seiner Familie in Iran hat BF Kontakt und es unterstützt ihn diese auch finanziell.

BF reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 12.06.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

BF leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

BF verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. BF lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. BF ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. BF absolviert keine Ausbildung. Die sozialen Kontakte beschränken sich auf Bekannte, deren Nachnamen er nicht kennt, und die er vorwiegend von der Kirche kennt. Die sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als BF bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Gelegentlich arbeitet BF als Saisonbeschäftigter.

BF spricht sehr wenig Deutsch; er hat bislang keinen Deutschkurs besucht.

BF wurde in Österreich bislang nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt. Er befindet sich aktuell in Untersuchungshaft wegen des Verdachts, er habe das Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB) sowie das Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 und 2 StGB) begangen.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

BF wuchs in Iran als Moslem auf und entstammt einer gläubigen Familie.

Es wird festgestellt, dass sich BF in Iran nicht dem Christentum zuwandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem BF von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.

In Österreich besucht BF seit einigen Monaten gelegentlich Gottesdienste der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in XXXX . Eine darüberhinausgehende Ausübung seines Glaubens besteht nicht. BF ist nicht getauft und meldete bislang nicht seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. BF verfügt über kein tiefergehendes Wissen über das Christentum generell oder die Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage im Speziellen.

Es wird festgestellt, dass BF in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des BF wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich BF im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

BF ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des BF in Österreich nicht Bescheid.

BF brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 (LIB 2018) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage insgesamt als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land. Sie haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 20.6.2018).

In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht. Am 7. Juni 2017 ist es nichtsdestotrotz in Teheran zu Anschlägen auf das Parlamentsgebäude und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini gekommen, die Todesopfer und Verletzte forderten (AA 20.6.2018b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b, vgl. BMEIA 20.6.2018).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am

6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben (AA 20.6.2018b).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (20.6.2018b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 20.6.2018

* BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/, Zugriff 20.6.2018

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (20.6.2018): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 20.6.2018

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist in Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Die Todesstrafe wird hauptsächlich bei Drogendelikten und Morden angewandt und seltener bei politischen "high-profile" Fällen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation:

Verurteilungsgrund unklar] (AA 2.3.2018, vgl. AI 22.2.2018).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Oftmals lautet die Anklage jedoch auf "Gefährdung der nationalen Sicherheit", "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Trotz des Verbots nimmt die Konversion zum sunnitischen Islam und zum Christentum weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 2.3.2018). Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 15.8.2018).

In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 9.2017).

Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab (ÖB Teheran 9.2017). Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion eines Familienmitgliedes jedoch als heikler eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der oder die Konvertierte aus der Familie verbannt oder sogar den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen (ÖB Teheran 9.2017, vgl. DIS/DRC 23.2.2018).

Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 9.2017).

Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Es gibt viele Hauskirchen in Iran und ihre Anzahl steigt. Dieser Anstieg an Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer was in der Gemeinschaft macht. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018). In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 1.2018). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagte eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab, dann erst auf Mitglieder. Es gibt aber auch Quellen, die besagen, dass auch auf Mitglieder abgezielt wird. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird aber normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Es gibt auch für normale Mitglieder das Risiko verhaftet zu werden, allerdings werden diese wieder freigelassen mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung, wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran unsicher, ob eine Taufe Auswirkungen hat; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 9,3 Mio. IRR im Monat (ca. 200 Euro). Das durchschnittliche Monatseinkommen pro Kopf liegt bei ca. 400 Euro (AA 2.3.2018).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 2.3.2018)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 5.6.2018

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 5.6.2018

* ÖB Teheran (9.2017): Asylländerbericht

* US DOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1406998.html, Zugriff 28.5.2018

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S. 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S. 11)

Die zu Apostasie festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das BFA sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 03.07.2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, die vom BF selbst beim BFA und vor dem BVwG vorgelegten Dokumente (Geburtsurkunde, Schreiben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage), die Strafregisterabfrage vom 03.10.2019 sowie der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 31.08.2019, Zl. XXXX .

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. Insbesondere hinsichtlich des Geburtsdatums des BF liegen mehrere widersprüchliche Angaben vor:

Der BF gab in der Erstbefragung vom 13.06.2018 an, am XXXX geboren worden zu sein (und unterschrieb das Dokument nach Rückübersetzung und Korrekturmöglichkeit). In der Einvernahme vom 14.09.2018 gab er wiederholt an, am XXXX geboren worden zu sein (und unterschrieb das Dokument nach Rückübersetzung und Korrekturmöglichkeit) sowie mittlerweile in den Besitz seiner Geburtsurkunde gelangt zu sein. In dieser Einvernahme korrigierte er auch die Vertauschung von Vor- und Nachnamen auf seiner Aufenthaltsberechtigungskarte, nicht jedoch das Geburtsdatum. In der Einvernahme vom 28.09.2018 gab der BF erstmals an, dass sein Geburtsdatum falsch umgerechnet worden sei, nannte jedoch von selbst kein bestimmtes Datum. Die Einvernahmeleiterin wies darauf hin, dass die anwesende Dolmetscherin das Geburtsdatum auf der Geburtsurkunde mit XXXX übersetze (AS 204). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF zuerst an, sein richtiges Geburtsdatum sei der XXXX , nochmal danach befragt gab er es jedoch mit XXXX an (VH-Schrift S. 5). Auch gab der BF in der Einvernahme vom 14.09.2018 an, er habe von XXXX die Schule besucht und mit sieben Jahren begonnen (AS 162), was XXXX als Geburtsjahr bedeuten würde. Somit liegen jedoch fünf verschiedene Angaben - vorgebracht vom BF selbst - vor, und kann vor diesem Hintergrund trotz des Untersuchungsberichts der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 03.02.2019, nach dem die vom BF vorgelegte Geburtsurkunde authentisch sei und sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben, kein bestimmtes Geburtsdatum des BF festgestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF - betreffend weitere Personenmerkmale (Volljährigkeit, Staatsangehörigkeit, Herkunftsregion, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war BF diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig. Feststellungen zu einer über die Schulbildung hinausgehenden Ausbildung können nicht getroffen werden, weil der BF dazu unterschiedliche Angaben tätigte: Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht: ein Semester an der Universität (VH-Schrift S. 6), BFA: zweijähriges Vorstudium im Bereich Wirtschaftsplanung abgeschlossen (Einvernahme vom 14.09.2018, AS 162). In der Erstbefragung hatte er keine über die Schulbildung hinausgehende Ausbildung erwähnt (13.06.2018, AS 39). Der Kontakt zu und die Unterstützung durch die Familie ergibt sich insbesondere aus der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Betreffend die Situation des BF in Österreich wird festgehalten, dass BF zu keinem Zeitpunkt im Verfahren Dokumente zu seiner Integration in Österreich vorlegte. Betreffend die Deutschkenntnisse konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den erst in Ansätzen vorhandenen Deutschkenntnissen machen.

Die Feststellung hinsichtlich der Untersuchungshaft des BF ergibt sich aus dem Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 31.08.2019, Zl. XXXX .

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

2.2.2.1. Zu den von BF vorgebrachten Vorfällen in Iran

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft ist. In seiner Beschwerde trat BF diesen Ausführungen nicht in geeigneter und substantiierter Weise entgegen, sondern wiederholte im Wesentlichen bereits Vorgebrachtes. Zusätzlich wurde vorgebracht, dass der BF im Falle einer Rückkehr auch mit Sanktionen wegen Apostasie - unabhängig von seinem Faktenwissen über das Christentum - zu rechnen hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der schlüssigen Beweiswürdigung der Behörde insbesondere hinsichtlich der Widersprüche im Vorbringen des BF zu seiner religiösen Betätigung in Iran an und führt diese in Folge, insofern sie über die Beweiswürdigung des Bescheides noch hinausgehen, weiter aus. Die Möglichkeit der Akteneinsicht in der mündlichen Verhandlung wurde von BF nicht genutzt. Angemerkt wird, dass die Einvernahme vor dem BFA dem BF rückübersetzt wurde und er in der Einvernahme die Möglichkeit hatte, ausführlich sein Fluchtvorbringen zu erstatten. BF hat - von der bereits angesprochenen Diskrepanz der Angaben zum Geburtsdatum abgesehen - am Beginn der Verhandlung keine Korrekturen oder Anmerkungen zur Einvernahme vor dem BFA gemacht. Eine falsche Übersetzung oder Protokollierung ist daher nicht anzunehmen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

Der BF hat im Wesentlichen vorgebracht, in Iran wegen seines Besuchs von Hauskirchen behördlich gesucht zu werden, sowie sich auch in Österreich religiös zu betätigen. Allerdings haben sich im Laufe des Verfahrens massive Zweifel am Fluchtvorbringen des BF ergeben, weil er es grundsätzlich vage schilderte und wesentliche Details in der Erstbefragung, den Einvernahmen und der Verhandlung unterschiedlich erzählte. So gab er zwar wiederholt an, von einer bestimmten Person zu einer Hauskirche mitgenommen worden zu sein, aber in der Erstbefragung vom 13.06.2018 (EB) bezeichnete er diese als Freund (AS 47), in der Einvernahme vom 14.09.2018 (EV1) als Freund seines Mitarbeiters (AS 172) und in der Verhandlung vom 19.08.2019 als Mitarbeiter (VH-Schrift S. 8, "Der hat für mich in meinem Laden gearbeitet."). Nachdem BF vorgebracht hat, dass diese Person ihn in Iran zum Christentum gebracht habe, indem sie ihn zu Hauskirchen mitgenommen habe, sowie deswegen verhaftet worden sei, ist davon auszugehen, dass es sich um eine besonders wichtige Person in Zusammenhang mit dem vorgebrachten Fluchtgrund des BF handelt. Dementsprechend ist es schwer mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang zu bringen, dass der BF dennoch nicht vermochte, die Rolle dieser Person gleichbleibend anzugeben. Zusätzlich verwundert es, dass BF den Nachnamen dieser Person auf Nachfrage nicht nennen konnte (VH-Schrift S. 8), wo es sich den Angaben des BF zufolge ja um seinen Freund oder Mitarbeiter gehandelt habe. Aufgrund der massiven Widersprüche im Vorbringen des BF kann nicht davon ausgegangen werden, dass er jemals eine Hauskirche besucht hat.

BF hat angegeben, bis zu seiner Flucht drei Sitzungen (eine pro Monat) in einer Hauskirche besucht zu haben, er habe jedoch keine besondere Verantwortung gehabt. Nach dem Inhalt der Sitzungen befragt, gab er äußerst vage an, der Priester habe über die Liebe erzählt (VH-Schrift, S. 8). Beim ersten Treffen habe er gar nicht gewusst, dass es sich um eine christliche Gruppe handle, er habe nämlich nichts mit Gott zu tun haben wollen. Erst beim zweiten Mal habe er gewusst, dass es Christen seien, er habe kaum etwas über das Christentum gewusst. Er sei bei allen drei Treffen im Grunde Zuhörer gewesen. (EV1, AS 173) An den Namen des Priesters kann er sich auch nicht mehr eindeutig erinnern (VH-Schrift S. 8: "er hieß glaube ich George oder David").

Während die Antworten auf Nachfragen im Wesentlichen stets sehr kurz und allgemein gehalten waren, war im Vergleich dazu die Fluchtgeschichte ausführlich, was auf eine Vorbereitung und nicht eine spontane Erzählung eines tatsächlichen Erlebnisses schließen lässt. Die Schilderungen betreffend den Ablauf von Veranstaltungen in Hauskirchen in Iran blieben oberflächlich. Dies lässt jeglichen individuellen Bezug zur Person des BF vermissen, auch eine Motivation für das Christentum lässt sich daraus nicht erschließen. BF gab in der Verhandlung an, sich auch erst in Österreich wirklich als Christ gefühlt zu haben (VH-Schrift, S. 10). Auch der persönliche Eindruck des BF in der mündlichen Verhandlung (gleichgültige Erzählweise, knappe Antworten, emotionsloser Ausdruck) lässt nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.

Angesichts der in Iran üblichen behördlichen Überwachungsmethode, Informanten in Hauskirchen einzuschleusen, widerspricht es jeglicher Vernunft und allgemeinen Erfahrung, dass eine Person muslimischen Glaubens bereits nach kurzer Zeit zu einer Hauskirche mitgenommen wird.

Alle geschilderten Umstände zusammen lassen für das Gericht keine Zweifel übrig, dass es sich beim Fluchtvorbringen des BF hinsichtlich der in Iran vorgefallenen Umstände um eine Konstruktion handelt.

Aufbauend darauf, dass nicht glaubhaft ist, dass BF in Iran Hauskirchen besuchte, kann auch der Behauptung, die Behörden hätten nach ihm gesucht und beim ihm zu Hause eine Hausdurchsuchung durchgeführt, kein Glauben geschenkt werden. Darüber hinaus ist diese behauptete Verfolgung auch insofern nicht plausibel, als der BF erstmals in der VH vorbrachte, es gebe auch einen Haftbefehl gegen ihn (VH-Schrift S. 7). Auch brachte BF erstmals in der VH vor, ein paar Familienmitglieder seien bei der Revolutionsgarde Sepah (VH-Schrift S. 15), was als Steigerung des Fluchtvorbringens gewertet wird, zumal BF bereits vor der Behörde hinlänglich die Möglichkeit hatte, sein Vorbringen detailliert zu erstatten (vgl. EV2, AS 222: "Haben Sie alles angegeben, was Ihnen im Hinblick auf den Iran wichtig erscheint?" "Ja." "Haben Sie noch irgendwelche Ergänzungen zu machen?" "Nein."). Es ist schließlich auch nicht anzunehmen, dass BF aus anderen Gründen ein Bezug zum Christentum oder missionarische Tätigkeit in Iran unterstellt wird, weil er darüber hinausgehende Tätigkeiten nicht vorgebracht hat.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass Ziel der Sicherheitskräfte nicht Privatpersonen, sondern die Hauskirche als Organisation und aktiv missionierende Führungspersonen sind. Ein einfaches Mitglied wird normalerweise wieder freigelassen. Im gegenständlichen Fall ist - selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens des BF - jedoch noch nicht einmal davon auszugehen, dass dieser ein einfaches Mitglied war, sondern er nach eigenen Angaben nur dreimal als "Zuhörer" dabei gewesen sei, wobei ihm beim ersten Mal noch nicht bewusst gewesen sei, dass es sich überhaupt um eine Hauskirche handle. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist somit das Vorbringen des BF zu seiner Verfolgung in Iran nicht plausibel. Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens des BF ist somit nicht davon auszugehen, dass er vor seiner Ausreise im Visier der iranischen Behörden stand bzw. im Falle einer Rückkehr stehen würde.

2.2.2.2. Zu den von BF in Österreich gesetzten Aktivitäten

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des BF in Österreich aus der von ihm vorgelegten Bestätigung (Schreiben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vom 18.08.2019) sowie der Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung. In der Beschwerde wurde keine Zeugeneinvernahme beantragt. Trotz konkreter Aufforderung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, alle verfügbaren Beweismittel mitzubringen, legte der BF keine weiteren Beweismittel vor, beantragte keine Zeugeneinvernahme und machte bei der Verhandlung auch keine Zeugen, welche die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung belegen hätten können, stellig (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 mwN). In der Verhandlung wurde kein Beweisantrag gestellt.

Die aktuelle innere Glaubensüberzeugung des BF ist mangels weiterer Beweismittel wie insbesondere Zeugen anhand dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu prüfen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die von BF vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte BF zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des BF sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des BF zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der BF aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aufgrund des Amtswissens aus vergleichbaren Verfahren bekannt sind. Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte bei BF demnach nicht festgestellt werden.

Weder vermochte der BF nachvollziehbar seine Motivation für die Hinwendung zum Christentum darzulegen, noch für die Auswahl einer bestimmten Glaubensgemeinschaft. So gab er in der EV1 am 14.09.2018 an, eine Kirche in der Nähe der XXXX zu besuchen, deren Namen er nicht kenne (AS 162). Am 25.09.2018 legte er eine (selbst ausgefüllte) Anmeldung für den Glaubens- und Taufkurs der XXXX Gemeinde ("Freikirchen in Österreich BBGÖ"), datiert mit 12.09.2018, vor, in der er u.a. angab, seit September 2018 diese Gemeinde einmal pro Woche zu besuchen (AS 199). Am 28.09.2019 gab er bei der EV2 an, die Taufvorbereitung laufe seit ein oder zwei Wochen (AS 212). Auch bei dieser Einvernahme vermochte er nicht, den Namen seiner Kirche zu nennen. Die Kirche sei jedenfalls in der Nähe vom XXXX , in der XXXX . Er gehe in diese Kirche, da zwei befreundete iranische Asylwerber auch dorthin gehen würden. Zuvor habe er eine andere, protestantische Kirche besucht, wo ihm jedoch die Personen und die Atmosphäre nicht gefallen hätten. Früher habe er in XXXX eine katholische Kirche besucht. (AS 224f.)

In der Beschwerdeergänzung vom 12.08.2019 gab der BF an, er besuche seit ca. vier Monaten [also seit ca. April 2019] die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in XXXX . Er sei dorthin gewechselt, da er sich in seiner vormaligen Kirche in XXXX nicht wertgeschätzt gefühlt habe. Er fühle sich nun wohl und werde voraussichtlich in einem halben bis einem Jahr getauft. Aus dem vom BF selbst vorgelegten Schreiben dieser Kirche geht jedoch nur hervor, dass er dort "von Zeit zu Zeit" den Gottesdienst besuche. In der VH gab er an, die Kirche schon seit fünf Monaten [also seit ca. März 2019] zu besuchen (S. 9), bzw. nach dem negativen Bescheid für einen Monat nicht in die (frühere) Kirche und danach zu den Mormonen gegangen zu sein [also ca. im Jänner 2019] (S. 10).

Somit hat der BF seit seiner Ankunft in Österreich vor knapp eineinhalb Jahren jeweils zumindest eine katholische, protestantische, Freikirchen- und Mormonengemeinde besucht. Den Namen der von ihm aktuell besuchten Kirche konnte der BF nicht auswendig und musste ihn in der Verhandlung ablesen (VH-Schrift, S. 11). Auch konnte er in der Verhandlung weder nachvollziehbar die Motivation der Wechsel zwischen den verschiedenen Richtungen darlegen bzw. waren die Motive nicht religiöser Art, noch Unterschiede erklären: Es gäbe da keinen so großen Unterschied zwischen der evangelischen Kirche und den Mormonen, außer dass bei den Mormonen die Familie besonders wichtig sei und alles, was dem Körper schade, nicht konsumiert werde (z.B. Alkohol, Tee, Zigaretten) (S. 9). Auf die Frage, was die grundlegenden Elemente seien, gab er an, dass abgesehen von diesem letzten Punkt es das sei, was auch für die Katholiken gelte (was er jedoch nicht genauer auszuführen vermochte; S. 13). Ein weiterer Unterschied sei auch die Familie (S. 14). Auch eine Wesensänderung durch das Christentum konnte der BF nicht nachvollziehbar darlegen sondern erschöpfte sich seine knappe Ausführung in Stehsätzen (ruhiger, beten; S. 14). Der Glaube spiele eine hohe Rolle in seinem alltäglichen Leben, das äußere sich darin, dass obwohl er jetzt gestresst sei, sich relaxed fühle. Der Glaube sei stärker, die Liebe spiele eine große Rolle (S. 13). Näher vermochte der BF auch nachgefragt nicht auszuführen, worin genau die Rolle des Glaubens in seinem alltäglichen Leben besteht.

Die Besonderheit der Kirche der Heiligen der Letzten Tage, nichts zu konsumieren, was dem Körper schade, sei für ihn besonders wichtig, da er in Iran Raucher gewesen sei. Ohne Zigaretten habe man ein besseres Gefühl (S. 9). Die Angabe, dass er in Iran Raucher gewesen sei, deckt sich mit dem Umstand, dass er bei der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz fünf Packungen Zigaretten bei sich hatte (AS 27). Die Angabe, damit aufgehört zu haben, ist jedoch nicht mit seinen weiteren Angaben vereinbar: Von April bis Juni 2019 - also jedenfalls zu einem Zeitpunkt, als er nach eigenen Angaben bereits bei seiner aktuellen Gemeinde gewesen sei - habe er ebenfalls seinen eigenen Angaben zufolge mehrmals Marihuana geraucht (Beschuldigtenvernehmung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 19.06.2019 zum Vorwurf der Vergewaltigung, dieses Ermittlungsverfahren wurde eingestellt). Ebenfalls seinen Angaben zufolge habe er am 29.08.2019 Cannabiskraut zum Eigengebrauch besessen (Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 08.09.2019). Diese Umstände zeigen, dass der BF seinen Lebenswandel nicht am Inhalt der Lehren der Kirche der Heiligen der Letzten Tage auszurichten vermag.

Die Antworten auf Fragen in Bezug auf die Rolle, welche der neue Glaube für den BF persönlich spielt, begnügen sich mit Allgemeinplätzen, sind oberflächlich und lassen jegliche Individualität vermissen. Es besteht kein erkennbarer Bezug zur persönlichen Glaubensüberzeugung. BF konnte nur inhaltsleere, floskelhafte Aussagen zu seinem neuen Glauben tätigen (Frieden, Liebe), er konnte diese stereotypen Aussagen aber nicht auf seine Person und sein Verhalten bezogen näher erläutern.

Auch ist der Umstand zu berücksichtigen, dass sich BF früher nicht für Religion interessierte. Ein innerer Entschluss für die Konversion wurde vom BF nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Frage nach einem persönlichen auslösenden Moment für den Wechsel zum Christentum verneinte der BF schlicht, ohne dies näher auszuführen (VH-Schrift, S. 11). Vor der belangten Behörde hatte er in dieser Hinsicht noch ein Problem mit seiner Bank angeführt (EV1, AS 176). Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass, wenn die Konversion auf einem bestimmten Schlüsselmoment beruht, ein Konvertit diesen einfach vergessen würde. Der BF gab auch kein spezielles Erlebnis für die Abwendung vom Islam an, sondern brachte phrasenhaft wirkende Kritik am Islam vor: Es habe auch Hinrichtungen gegeben. Der Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum sei, dass der Islam ausgelebt werden müsse, beim Christentum handle es sich aber um den Weg des Lebens und die richtige Art und Weise des Lebens (VH-Schrift, S. 11). Mit diesen Angaben hat der BF aber keine innere Glaubenshaltung dargelegt.

Ein aktives Ausüben des christlichen Glaubens beschränkt sich - wie sich aus dem vorgelegten Schreiben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ergibt - auf gelegentliche Gottesdienstbesuche. Auffällig ist, dass der BF seit seiner Ankunft in Österreich häufig die Kirchengemeinden und Glaubensrichtungen wechselt, ohne dafür eine nachvollziehbare, religiös-motivierte Erklärung zu geben. Nach Erhalt des negativen Asylbescheides ging er ein Monat nicht mehr in die Kirche und wechselte in der Folge zu den Mormonen. Auch ist er bislang nicht getauft worden und ist dies so zu werten, dass offenbar keine der von BF aufgesuchten Gemeinden bislang bereit war, ihn tatsächlich als Mitglied aufzunehmen. Eine Funktion nimmt BF bei den Mormonen nicht ein und gab er auch selbst an, erst nach der Taufe und dem Erhalt von Deutsch A2 aktiv sein zu können (VH-Schrift S. 13).

In Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Wissensfragen zum Christentum und zu der von BF gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber sehr wohl verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert, und nicht lediglich um einen Lebenswandel hin zu einem "besseren" Lebensgefühl, welches auch unabhängig vom Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft erreicht werden kann. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich-individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können.

Obwohl sich BF eigenen Angaben zufolge bereits seit knapp eineinhalb Jahren mit dem Christentum befasst und angeblich auch in der Schule in Iran sehr viel über die Entstehung des Christentums gelernt hat, war er in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, grundlegende Fragen zum Christentum zu beantworten. BF begnügte sich mit oberflächlichen Angaben, welche in ihrer Allgemeinheit nicht geeignet sind, das Christentum zu beschreiben. So konnte er keine christlichen Symbole nennen oder die grundlegenden Elemente seiner neuen Religion nicht beschreiben. Welche Sakramente es in seiner Kirche gebe, wusste er nicht, ebenso wenig, was zu Pfingsten gefeiert werde. Er kenne das Vater Unser, könne es jedoch nicht sprechen, und bete, indem er Gott und Jesus Christus danke für alles, was er besitze. Den Gottesdiensten könne er nicht folgen, da sie auf Deutsch seien.

Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des BF eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar, sondern ist von einer Scheinkonversion auszugehen. BF hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (gelegentliche Gottesdienstbesuche) beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass BF im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde, hat er selbst nicht behauptet. Eine solche Tätigkeit erscheint aber auch aufgrund des geringen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben ausgeschlossen.

Dass Privatpersonen in Iran mit den christlichen Aktivitäten des BF in Österreich ein ernsthaftes Problem haben, ist im Verfahren nicht hervorgekommen und hat BF dies auch nicht vorgebracht. Seinen Angaben zufolge wisse nur seine Mutter von seiner Konversion (VH-Schrift, S. 14), doch war diese lediglich nicht begeistert, er könne aber seine eigenen Entscheidungen treffen.

Die Feststellung, wonach BF keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme, wo er von sich aus und auch auf Nachfrage keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären (AS 222). Auch in der mündlichen Verhandlung brachte er keine darüberhinausgehenden Gründe vor ("Gibt es noch weitere Gründe, warum Sie Iran verlassen haben?" "Nein."; VH-Schrift, S. 9).

2.2.3. Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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