Entscheidungsdatum
22.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
G303 2174689-1/19E
Schriftliche Ausfertigung des am 12.06.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die STIEGER Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 28.09.2017, Zl. XXXX, betreffend Erlassung eines für die Dauer von sechs Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.06.2019, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 29.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG eingeräumt, da ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden war. Der BF hatte die Möglichkeit zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
1.1. Seitens des BF erfolgte keine Stellungnahme.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.09.2017 wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt seien, da der BF das Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch, das Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Betrugs sowie das Vergehen der Sachbeschädigung begangen habe und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des BF, seiner Lebensumstände sowie der nicht vorhandenen familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätte ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom BF ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Ein weiterer Aufenthalt des BF stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Es hätten sich keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.
3. Mit dem am 24.10.2017 bei der belangten Behörde eingebrachten und mit selben Datum datierten Schriftsatz erhob die zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigte Vertretung des BF, ARGE Rechtsberatung -Diakonie und Volkshilfe, Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen; der Beschwerde stattzugeben und das Aufenthaltsverbot ersatzlos zu beheben; in eventu die Gültigkeitsdauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbots entsprechend zu reduzieren; in eventu, die angefochtene Entscheidung zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Beschwerde wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass die belangte Behörde fälschlicherweise den 22.10.2016 als Festnahmedatum im Bescheid angeführt habe, anstatt richtigerweise den 23.05.2017. An diesem Tag sei der BF in JA Feldkirch eingeliefert worden. Dieser Mangel verdeutliche, wie ungenau sich die Behörde mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt habe.
Die belangte Behörde habe es unberücksichtigt gelassen, dass sich der BF oft in Österreich aufgehalten habe, da er eine Beziehung mit einer Frau in Österreich geführt und Freunde in Österreich habe. Der BF habe jedoch in Lindau gewohnt und deshalb seinen Wohnsitz nicht nach Österreich verlegt.
Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid ohne persönliche Einvernahme des BF erlassen und lediglich den BF zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert und daher den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt. Der BF habe den Aufenthalt in Österreich dazu genutzt um eine Beziehung mit einer in Bregenz ansässigen Frau zu führen, sowie um seine sozialen Kontakte zu pflegen, und nicht um in Österreich Diebstähle zu begehen.
Der BF sei zu einer Freiheitsstrafe von lediglich 18 Monaten verurteilt worden. Da der Strafrahmen für die genannten Delikte bis zu fünf Jahren betrage, sei das konkret verhängte Strafmaß deutlich im unteren Bereich angesiedelt. Dies bedeute, dass sich Milderungsgründe zugunsten des BF auf die Strafhöhe ausgewirkt hätten und dies auch bei der Bemessung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt hätte werden müssen. Der BF bereue die von ihm begangenen Taten sehr und wolle nach seiner Haftentlassung ein neues, straffreies Leben führen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sei von einer für den BF günstigen spezialpräventiven Zukunftsprognose auszugehen. Die belangte Behörde hätte die Milderungs- und Erschwernisgründe der Strafbemessung berücksichtigen müssen. Auch sei keine Gefährlichkeitsprognose erstellt worden. Die Dauer des Aufenthaltsverbots von sechs Jahren sei von der belangten Behörde nicht näher begründet und jedenfalls zu hoch bemessen worden. Darüber hinaus habe die belangte Behörde das Privatleben des BF in Österreich unberücksichtigt gelassen. Der BF sei in Deutschland aufgewachsen und beherrsche die deutsche Sprache wie seine Muttersprache. Die belangte Behörde habe jedoch fälschlicherweise festgestellt, dass der BF mangelnde Deutschkenntnisse habe und begründe die Unglaubwürdigkeit des "minderjährigen" (=aus der Beschwerde übernommen) BF in erster Linie mit modulhaften Textbausteinen, ohne auf den individuellen Fall einzugehen.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes keinesfalls erforderlich sei, zumal der BF in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wolle und er seine Tat bereue. Daher werde der BF in Zukunft keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen.
4. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.10.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.
5. Mit Schreiben vom 10.04.2019 teilte der BF mit, dass er auf die Teilnahme an der anberaumten mündlichen Verhandlung ("Anhörung") verzichte und ihn sein Rechtsanwalt, Nicolas STIEGER vertreten werde.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 12.06.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die rechtsfreundliche Vertretung des BF (im Form seines Substituts) teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde sowie der BF selbst nahmen an der Verhandlung nicht teil. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis verkündet
7. Mit Schriftsatz vom 19.06.2019 beantragte die rechtsfreundliche Vertretung des BF die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF wurde am XXXXXXXX in Deutschland geboren, ist deutscher Staatsangehöriger und spricht Deutsch.
Er ist ledig, gesund und arbeitsfähig.
Der BF verfügte in Österreich zu keiner Zeit - abgesehen von seinen Aufenthalten in den Justizanstalten - über einen meldeamtlich erfassten Wohnsitz.
Am 23.05.2017 wurde der BF wegen des Verdachtes auf Begehung von Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen gemäß § 129 Abs. 2 StGB festgenommen.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX2017, GZ: XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 und 2 Z 1, 15 StGB; wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 zweiter Fall, 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.
Bei der Strafbemessung wurden als mildernd gewertet, dass der BF teilweise geständig war und es teilweise beim Versuch geblieben ist, hingegen wurden eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, Tatwiederholungen, Begehung während eines anhängigen Ermittlungsverfahrens sowie die teilweise Begehung in Gesellschaft von Mittätern als erschwerend gewertet.
Dieser ersten strafrechtlichen Verurteilung in Österreich liegt zugrunde, dass der BF in der Zeit zwischen dem XXXX2016, XXXX Uhr und dem XXXX2016, XXXX Uhr, in XXXX aus einem Einfamilienhaus einer Person eine Ledergeldtasche mit Kreditkarte und Bargeld in Höhe von EUR 200,00, ein Sparschwein mit Münzgeld in Höhe von ca. EUR 100,00, Schmuck und Uhren im Wert von EUR 3.035,00 weggenommen hat, indem er mit einem Flachwerkzeug die versperrte Terrassentüre aufbrach und anschließend die Räumlichkeiten durchsuchte. Des weiteren hat der BF im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am XXXX2017 in XXXX aus einem Wohnhaus einer Person versucht Wertgegenstände und Bargeld wegzunehmen, indem er zunächst Aufpasserdienste leistete und sodann das Haus durchsuchte, wobei er und die anderen Täter angesichts der herannahenden Polizei vom Tatort flüchteten, sodass die Tat beim Versuch geblieben ist. Der BF hat weiters gewerbsmäßig durch Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit und Vorlage der gestohlenen Kreditkarte, die Verantwortlichen von diversen Lokalen und einem Schmuckgeschäft zu einer Handlung, nämlich der Zuverfügungsstellung von Speisen, Getränken und Schmuck im Gesamtwert von EUR 3.903,00 verleitet bzw. zu verleiten versucht. Schließlich hat der BF in der Zeit zwischen dem XXXX2016, XXXX Uhr und dem XXXX2016, XXXX Uhr in XXXX zwei steinerne Pflanzensäulen beschädigt, indem er diese von den Sockeln herunterriss.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX2018, GZ: XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 2 Z 1 iVm 129 Abs. 1 Z 1, 130 Abs. 3 iVm 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB sowie wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall, 15 StGB zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von sechseinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt.
Dieser letzten Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF im Zeitraum vom Dezember 2016 bis Februar 2017 insgesamt 20 Einbrüche in Wohnstätten zu verantworten hat. Dies erfolgte größteils in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehrern Mittätern und gewerbsmäßig. Des Weiteren versuchte der BF mit weiteren Mittätern zwei Personen eine unbestimmte Menge Marihuana wegzunehmen, indem sie ihnen eine Pistole vorhielten und die Haustüre gegen Widerstand aufdrückten.
Bei der Strafbemessung wurden die teilweise geständige Verantwortung, der Umstand dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind, sowie die teilweise Sicherstellung der Diebesbeute als mildernd, hingegen eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die teilweise Tatbegehung in der Gesellschaft von Mittätern, die Anwendung beider Begehungsmittel des § 142 Abs. 1 StGB (Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben) und der Umstand, dass der Wert der Diebesbeute EUR 5.000,00 weit überschritten hat, als erschwerend gewertet.
Der BF verbüßte die Untersuchungs- und sodann die Strafhaft von XXXX2017 bis XXXX2018 zunächst in der Justizanstalt XXXX und wurde in weiterer Folge in die Justizanstalt XXXX überstellt. Am 10.05.2019 wurde der BF an seinen Herkunftsstaat Deutschland zur Strafvollstreckung im Heimatland ausgeliefert.
Der BF wurde bereits in Deutschland einschlägig verurteilt.
Der Lebensmittelpunkt des BF befand sich bislang in Deutschland. In Österreich hat er weder familiäre noch berufliche oder soziale Anknüpfungspunkte; er war hier nie erwerbstätig .
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten der belangten Behörde und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, den diesbezüglichen Angaben in der Beschwerde sowie der im Verwaltungsakt ersichtlichen Kopie des Personalausweises, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel entstanden sind und der bis 07.04.2022 gültig ist. Die Deutschkenntnisse des BF folgen aus seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit.
Die Feststellung zum Familienstand ergibt sich aus den oben angeführten Strafurteilen. Es sind keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des BF aktenkundig beziehungsweise wurden keine derartigen Beeinträchtigungen vorgebracht, sodass festgestellt werden konnte, dass dieser gesund und arbeitsfähig ist.
Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass abgesehen von den Wohnsitzmeldungen in den Justizanstalten XXXX und XXXX der BF im Bundesgebiet nie meldeamtlich erfasst war.
Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, den strafgerichtlichen Verurteilungen und den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf den im Akt einliegenden Strafurteilen. Die Verurteilungen wurden auch durch entsprechende Einträge im Strafregister belegt.
Die Festnahme des BF am XXXX2017 ergibt aus einem Schreiben der Justizanstalt XXXX an die belangte Behörde vom 24.05.2017.
Die Feststellungen zur Verbüßung der Untersuchungs- bzw. Strafhaft sowie zur Auslieferung nach Deutschland beruhen auf den Eintragungen im Zentralen Melderegister sowie der Verständigung von der Entlassung der Justizanstalt XXXX vom 14.05.2019.
Aus den Strafurteilen geht hervor, dass der BF bereits einschlägig in Deutschland strafgerichtlich verurteilt wurde.
Dass der BF in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt bislang hatte, beruht auf den Angaben in den Strafurteilen, wonach er dort wohnhaft gewesen ist und seine Eltern dort leben. Die Feststellung, dass der BF in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, beruht auf einem eingeholten Sozialversicherungsdatenauszug.
Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine Integration oder Anbindung des BF in Österreich. In der Beschwerde wird zwar allgemein gerügt, dass das Privatleben des BF in Österreich nicht berücksichtigt worden sei, insbesondere, weil der BF eine Beziehung mit einer österreichischen Frau geführt habe und soziale Kontakte in Österreich pflege, jedoch fehlt ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen dazu. Selbst in der mündlichen Verhandlung konnte die rechtsfreundliche Vertretung keine Angaben dazu machen. Da der BF die Aufforderung der belangten Behörde zur Stellungnahme mit konkreten Fragen (auch) zu solchen privaten und familiären Anknüpfungspunkten nicht beantwortete und weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Tatsachenvorbringen erstattet wurde und der BF selbst auf eine persönliche Einvernahme vor dem erkennenden Gericht ausdrücklich mit Schreiben vom 10.04.2019 verzichtete, muss in Ermangelung anderer Beweisergebnisse für Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet eine Negativfeststellung dazu getroffen werden.
Daher konnte auch dem Antrag der rechtsfreundlichen Vertretung auf Einvernahme des BF, der derzeit seine Haftstrafe in Deutschland verbüßt, in der mündlichen Verhandlung, zum Privat- und Familienleben des BF in Österreich nicht entsprochen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend Aufenthaltsverbot:
Der BF ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und als solcher EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann das Aufenthaltsverbot sogar unbefristet erlassen werden, so etwa, wenn ein EWR-Bürger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt wurde (Z1).
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).
Die Verhältnismäßigkeit eines Aufenthaltsverbots ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289)
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der BF hatte in Österreich zur keiner Zeit - abgesehen von seinen Aufenthalten in den Justizanstalten - über einen meldeamtlich erfassten Wohnsitz verfügt.
Er hat sich daher weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgehalten, noch konnte ein durchgehendender und rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren des BF im Bundesgebiet im Sinne des § 53a NAG festgestellt werden. Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") maßgeblich.
Die belangte Behörde stützte das auf die Dauer von sechs Jahren verhängte Aufenthaltsverbot insbesondere auf die strafrechtliche Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX vom XXXX2017, wonach dieser wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall, 15 StGB, des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB und des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 und 2 Z 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstraße im Ausmaß von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde der BF mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX2018 wegen Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 2 Z1 iVm. 129 Abs. 1 Z1, 130 Abs. 3 iVm 130 Abs. 1 erster Fall 1 und 15 sowie wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall, 15 StGB zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von sechseinhalb Jahren verurteilt.
Dieser letzten Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF im Zeitraum vom Dezember 2016 bis Februar 2017 insgesamt 20 Einbrüche in Wohnstätten zu verantworten hat. Dies erfolgte größteils in bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren Mittätern und gewerbsmäßig. Des Weiteren versuchte der BF mit zwei Mittätern zwei Personen eine unbestimmte Menge Marihuana wegzunehmen, indem sie ihnen eine Pistole vorhielten und die Haustüre aufdrückten.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie annahm, dass vom BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG ausgeht, die ein massives Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Das gegen dem BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten, zumal der BF nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes strafgerichtlich zu zwei weiteren Verbrechen verurteilt wurde; auch in Deutschland ist der BF mehrfach verurteilt; einmal davon wegen des "gemeinschaftlichen schweren Bandendiebstahles".
Der belangten Behörde ist auch dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine solche schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die ein Aufenthaltsverbot erforderlich macht, zumal der BF mit weiteren Mittätern in Wohnungen eingebrochen ist um sich so ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Angesichts der Vielzahl der Angriffe und des langen Deliktszeitraums, der professionellen Vorgangsweise und der tristen finanziellen Lage des BF (ohne Beschäftigung), bei dem Anhaltspunkte für ein stabiles soziales und finanzielles Umfeld fehlen, liegt Wiederholungsgefahr vor.
Die seitens des BF in der Beschwerde bekundete Reue und Besserungsabsicht führt nicht zu einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe z.B. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Er wird den Wegfall der durch seine strafgerichtlichen Verurteilungen indizierte Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.
Es konnten keinerlei maßgeblichen familiären und privaten Bindungen des BF in Österreich festgestellt werden. Daher konnte die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen. Selbst bei Berücksichtigung, dass der BF in Österreich eine Beziehung führte und über Freunde im Bundesgebiet verfügt - wie in der Beschwerde vorgebracht - würde ein Entfall des Aufenthaltsverbotes bzw. eine Reduzierung nicht in Betracht kommen.
Aufgrund der schwerwiegenden Delinquenz des BF und unter Berücksichtigung der besonderen Gefährlichkeit von organisierter Kriminalität im Allgemeinen und von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten im Besonderen sowie der damit verbundenen Wiederholungsgefahr, kommt weder eine Aufhebung des Aufenthaltsverbots noch eine Reduktion der Dauer in Betracht. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach § 18 Abs. 5 BFA-VG der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG liegen gegenständlich nicht vor.
Da der BF mehrfach straffällig wurde, und sowohl Vermögensdelikte begangen hat, aber auch Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anwendete, war weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2174689.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.02.2020