TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/6 W144 2220522-1

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W144 2220522-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 03.06.2019, Zl. XXXX , aufgrund des Vorlageantrags der XXXX , geb. XXXX , StA. von Afghanistan, über ihre Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Islamabad vom 15.04.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG und 35 Abs. 1 und 5

AsylG 2005 stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Islamabad zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (BF), eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 19.10.2017 bei der österreichischen Botschaft in Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Begründend führte die BF aus, dass sie die Ehegattin des am 14.02.2011 nach Österreich eingereisten XXXX geb., sei, der seit 18.09.2014 subsidiär Schutzberechtigter im Bundesgebiet sei. Die Ehe sei am 06.11.2009 traditionell-muslimisch geschlossen und danach standesamtlich eingetragen worden. Die Beschwerdeführerin brachte dazu mehrere Dokumente in Vorlage, darunter eine mit 29.08.2016 datierte Heiratsurkunde.

In der Folge übermittelte die ÖB Islamabad den Antrag und Sachverhalt am 13.11.2017 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten an die BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.

Mit Schreiben vom 14.12.2018 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Zuerkennung des Status nicht wahrscheinlich sei, weil die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsland bestanden habe. Die Ehe sei zwar traditionell geschlossen worden, nicht aber vor der Einreise der Bezugsperson in Österreich staatlich registriert worden. Dies ergebe sich aus dem von der Antragstellerin vorgelegten und am 12.11.2017 ausgestellten Dokument. Nach Art. 61 Abs. 2 des afghanischen Zivilgesetzbuches sei für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages die Registrierung vorgeschrieben und sei die Ehe nach staatlichem afghanischem Recht ohne Nachweis einer entsprechenden öffentlichen Urkunde darüber ungültig. Die Ehe sei erst nach Ausreise der Bezugsperson mit der Registrierung nach afghanischem Recht entstanden.

Mit Schreiben vom 07.01.2019 wurde die BF seitens der ÖB Islamabad aufgefordert, zur gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 14.01.2019 erstattete die BF eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Ehe unbestrittenermaßen erst nach der Ausreise registriert worden sei, die Ehe jedoch rückwirkend ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung ihre Gültigkeit erlange. Dies sei durchaus üblich in Afghanistan und sei die Ehe mangels Verstoß gegen ordre public im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anzuerkennen.

Am 15.01.2019 übermittelte die ÖB Islamabad diese weitere Stellungnahme der BF an das BFA.

Mit Schreiben vom 11.03.2019 teilte das BFA der ÖB Islamabad mit, dass die Behörde die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht halte, da die Ehe mangels Registrierung nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson bestanden habe.

Mit Bescheid vom 15.04.2019, zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB Islamabad das Visum mit der Begründung, dass das BFA an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 02.05.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte die BF im Wesentlichen aus, dass nach Art. 77 des afghanischen Zivilgesetzbuches die Ehe bereits mit der Erfüllung der darin genannten Voraussetzungen gültig sei und nicht erst mit deren Registrierung Gültigkeit erlange. In Bezug auf einen ordre public Verstoß verwies sie auf entsprechende höchstgerichtliche Rechtsprechung.

In der Folge erließ die ÖB Islamabad mit Bescheid vom 03.06.2019, zugestellt am selben Tag, eine Beschwerdevorentscheidung gem. § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde.

Begründend führte die Botschaft im Wesentlichen Folgendes aus:

"... Jenseits und unabhängig von der oben angeführten Bindungswirkung teilt die belangte Behörde die Ansicht des BFA, dass die Familieneigenschaft der Ehegatten nicht bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden hat, nicht zuletzt auch, da die von der Antragstellerin vorgelegten Dokumente nicht genügen, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen.

Wie das BFA in der Stellungnahme vom 11.03.2019 zutreffend ausgeführt hat, hat die Beschwerdeführerin nicht unter Beweis gestellt, dass sie mit der Bezugsperson vor der Einreise nach Österreich eine Ehe nach staatlichem Recht (der Republik Afghanistan) d.h. einschließlich Eheregistrierung (Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch) geschlossen habe (...)."

Dagegen brachte die BF am 03.06.2019 und somit fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein und verwies in inhaltlicher Hinsicht auf die bereits erstatteten Stellungnahmen. Darüber hinaus brachte sie vor, dass dem afghanischen Zivilgesetzbuch nicht entnommen werden könnte, dass eine Registrierung für die Rechtsgültigkeit einer Ehe erforderlich wäre.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 24.06.2019 wurde am 27.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Zudem wird festgestellt, dass die BF die Bezugsperson XXXX geb., afghanischer StA, der mit Bescheid des BFA vom 18.09.2014 der subsidiäre Schutz gewährt wurde, in Afghanistan am 06.11.2009 traditionell-muslimisch nach Scharia-Recht geheiratet hat und ihre Verbindung mit am 29.08.2016 datierter Urkunde, ausgestellt von der Islamischen Republik Afghanistan, registriert wurde.

Die Eheschließung erlangte - ungeachtet einer allfälligen innerafghanischen früheren Gültigkeit - jedenfalls spätestens durch die Registrierung rückwirkend mit 06.11.2009 ihren Nachweis und ihre Gültigkeit.

Die Anwesenheit beider Eheleute war jedenfalls bei der traditionell-muslimischen Heirat gegeben und bestehen am Willen der Eheleute keine Zweifel. Ein Ehezwang oder eine bloße Stellvertreterehe liegen nicht vor.

2.) Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zur Bezugsperson der BF ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt der ÖB Islamabad.

Der Umstand, dass die BF mit der Bezugsperson verheiratet ist, ergibt sich zum einen aus der vorgelegten afghanischen Heiratsurkunde, die seitens des BFA nicht falsifiziert werden konnte und deren Echtheit zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens angezweifelt wurde. Der vorliegenden Urkunde kann entnommen werden, dass die BF und die Bezugsperson am 06.11.2009 die Ehe geschlossen haben. Da diese Angaben zum anderen auch mit dem Vorbringen der BF und der Bezugsperson übereinstimmen, liegt insgesamt kein plausibler Grund vor, an der traditionell-muslimischen Eheschließung am 06.11.2009 zu zweifeln. Ohne Hinzutreten konkreter Umstände, die die Echtheit bzw. Richtigkeit einer Urkunde zweifelhaft erscheinen lassen, reichen bloße Mutmaßungen, dass eine Urkunde allenfalls auch unrichtigen Inhalts sein könnte, nicht aus, um einer Urkunde jeglichen Beweiswert abzusprechen, zumal seitens der belangten Behörde keine dahingehenden Ermittlungen oder Feststellungen getroffen wurden. Bei einer gesamthaften Würdigung aller Umstände liegt, zumindest die traditionelle Eheschließung betreffend, unzweifelhaft ein widerspruchsfreies Vorbringen der BF, deren Identität durch die Vorlage ihres Reisepasses als erwiesen anzusehen ist, und der Bezugsperson vor, welches auch mit den vorgelegten Unterlagen übereinstimmt. Dass die BF im Zuge der Antragstellung zunächst angab, die Ehe sei bereits vor vielen Jahren registriert worden, als die Bezugsperson noch in Afghanistan aufhältig gewesen sei, und auf Vorhalt der zeitlich nachdatierten Urkunde angab, diese sei vielleicht erst vor einem Jahr ausgestellt worden, ist insofern unbeachtlich, als die erfolgte traditionell-muslimische Eheschließung am 06.11.2009 und deren nachträgliche Registrierung durch die Vorlage der Urkunde feststeht.

Zur Gültigkeit einer in Afghanistan geschlossenen Ehe wird - wie die BF in ihrer Beschwerdeschrift vom 02.05.2019 darlegt - zum einen ausgeführt, dass auch rein islamisch geschlossene Ehen ohne staatliche Registrierung gültig seien (mit Verweis auf ACCORD Anfragebeantwortung vom 18.11.2015 sowie auf Max-Planck-Institut zum afghanischen Familienrecht vom Juli 2012), zum anderen hingegen unter Hinweis auf das afghanische Zivilgesetzbuch, dass auch in Afghanistan (sofern ein Nachweis erforderlich ist) nur staatlich registrierte Ehen als bewiesen und damit gültig angesehen werden.

Dass mit einer nachfolgenden staatlichen Registrierung einer zuvor bloß traditionell-muslimisch geschlossenen Ehe diese Ehe jedenfalls rückwirkend als gültig zu betrachten ist, erscheint jedoch unstrittig und ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde selbst, in der als - offensichtlich rechtsverbindliches - Datum der Eheschließung eben das Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit genannt ist.

Die negative Feststellung zum Krankenversicherungsschutz der BF ergibt sich aus dem Umstand, dass die BF zwar einerseits vorbringt, dass die Bezugsperson im Bundesgebiet krankenversichert sei, doch ist damit nicht dargetan, dass die Bezugsperson auch bereits eine Mitversicherung der BF bei seiner Krankenversicherung in die Wege geleitet hat bzw. ob auch tatsächlich bereits ab Einreise der BF ein solcher Krankenversicherungsschutz bestehen würde.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides:

§§ 34 und 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lauten:

Sonderbestimmungen für das Familienverfahren

Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

1.-einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2.-einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt

worden ist oder

3.-einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben

Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

1.-dieser nicht straffällig geworden ist und

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein

Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1.-dieser nicht straffällig geworden ist;

-(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.-gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt

wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4.-dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1.-auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2.-auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der

Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem

Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen

um ein minderjähriges lediges Kind;

3.-im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption

(§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär

Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status

anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.-das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den

öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.-im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des

§ 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß

§ 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des

Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die

Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich

Gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§§ 11 Abs. 1, 11a und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

....

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend ist für den österreichischen Rechtsverkehr, der das Vorliegen einer Zivilehe verlangt, eine nachfolgende staatliche Registrierung einer zuvor traditionell-muslimisch geschlossenen Ehe als rückwirkend gültig - und die Rückwirkung nicht dem ordre public widersprechend - anzusehen: "Der bloße Umstand der Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung im ausländischen Recht verstößt allerdings - entgegen der Annahme des BVwG - nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung im Sinne der zitierten Judikatur der Höchstgerichte" (vgl. VwGH 06.09.2018, Zl. Ra 2018/18/0094-8).

Durch diese Entscheidung ist nunmehr klargestellt, dass traditionell-muslimische Hochzeiten, die nachfolgend staatlich registriert werden, grundsätzlich rückwirkend mit dem Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit als rechtsgültig anzusehen sind, sofern keine sonstigen dem ordre public widersprechenden Umstände (wie etwa Kinderehe oder Ehezwang) gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Ehe der BF mit der Bezugsperson bereits mit 06.11.2009 als rechtsgültig anzusehen ist.

Der Einwand der ÖB Islamabad, wonach in casu eine dem ordre public nach § 6 IPRG widersprechende und damit rechtsungültige "Stellvertreterehe" vorliege, erscheint im vorliegenden Fall verfehlt, da beide Brautleute jedenfalls zum Zeitpunkt der traditionell-muslimischen Eheschließung anwesend waren, sodass am Ehewillen keine Zweifel bestehen. Eine nochmalige Anwesenheit beider Eheleute bei der nachfolgenden staatlichen Registrierung der traditionell-muslimischen Ehe ist jedoch nach afghanischem Eherecht nicht notwendig, da, wie sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.01.2018 eines lokalen Rechtsanwalts in Kabul zu den Fragen der Ehen in Afghanistan, Registrierung und Gültigkeit ergibt, wonach es auch möglich ist, eine Ehe in Abwesenheit registrieren zu lassen, die Parteien jedoch einem Rechtsanwalt eine beglaubigte Bevollmächtigung ausstellen müssen. Hieraus erhellt, dass eine Anwesenheit der Brautleute bei der staatlichen Registrierung für die Gültigkeit der Ehe nicht notwendig erscheint. Wesentlich erscheint in dem Zusammenhang, dass jedenfalls zu einem Zeitpunkt - entweder (wie hier) bei der traditionell-muslimischen Hochzeit oder bei der nachfolgenden staatlichen Registrierung - beide Brautleute persönlich bei der Begründung der Ehe anwesend waren, damit ein Ehezwang bzw. eine bloße Stellvertreterehe ausgeschlossen ist.

Somit bestand die Ehe der BF mit der Bezugsperson bereits seit 06.11.2009 und somit bereits vor der Einreise der Bezugsperson am 14.02.2011 nach Österreich. Die Erwägungen der ÖB, wonach vor der Einreise keine Ehe der BF mit der Bezugsperson bestanden habe, erweisen sich daher als nicht schlüssig. Insgesamt betrachtet kann damit dem Vorbringen der BF, dass sie die Ehegattin der Bezugsperson und mit dieser seit 06.11.2009 verheiratet sei, nicht entgegengetreten werden. Die Familieneigenschaft der Bezugsperson zur Ehegattin ist vielmehr als gegeben anzusehen.

Neben der Familieneigenschaft zur Bezugsperson hat die BF gemäß § 35 Abs. 2 erster Satz, letzter Halbsatz AsylG 2005 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 leg. cit. zu erfüllen.

Die BF hat diesbezüglich diverse Unterlagen vorgelegt (Mietvertrag, Lohnzettel der Bezugsperson, e-Card der Bezugsperson, etc.), die erstinstanzlich keinerlei Erwägungen auf Sachverhaltsebene unterzogen worden sind und demgemäß auch zu keinen Feststellungen geführt haben, die als Grundlage für die Überprüfung ihrer Tragfähigkeit (insbesondere im Hinblick auf Versicherungsschutz, Ortsüblichkeit der Unterkunft und ausreichender Existenzmittel) unabdingbar sind.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde der BF vor Bescheiderlassung Gelegenheit zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme zu allen entscheidungsrelevanten Fragen einzuräumen, dies unter der Prämisse, dass die vorgehaltenen Bedenken auch für die BF näher ausgeführt und inhaltlich ausreichend nachvollziehbar begründet werden.

Ohne Abklärung der angesprochenen Umstände und valider Feststellungen hiezu, ist es dem Bundesverwaltungsgericht nicht möglich, die wesentlichen Verfahrensfragen zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können. Es war somit mit einer Zurückverweisung zur Sachverhaltsergänzung vorzugehen.

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 11a Abs. 2 FPG nicht durchzuführen.

Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W144.2220522.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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