TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/6 G303 2171545-1

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G303 2171545-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Ungarn, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2017, Zahl IFA XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde zu Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe

stattgegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, (im Folgenden: belangte Behörde), vom 06.09.2017, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am selben Tag zugestellt, wurde über diesen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

2. Mit E-Mail vom 20.09.2017 brachte der BF seitens seiner bevollmächtigten Vertretung bei der belangten Behörde Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid ein.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF bis zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung unbescholten gewesen sei und ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von vier Jahren weder im Verhältnis zu dessen Verurteilung von 12 Monaten Freiheitsstrafe, davon 8 Monate bedingt, noch in einem angemessenen Verhältnis zum Strafrahmen der jeweiligen Bestimmungen des StGB und des WaffG stehe. Die belangte Behörde habe nicht näher begründet, warum nur mit einem Aufenthaltsverbot von vier Jahren das Auslangen gefunden werden könne. Es sei davon auszugehen, dass der besonderen Rechtsstellung des BF als einer dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Person nicht Rechnung getragen worden sei.

Daher wurde der Antrag gestellt, den bekämpfen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit gänzlich zu beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot wesentlich zu verkürzen sowie in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben der belangten Behörde vom 22.09.2017 vorgelegt und langten diese am 26.09.2017 ein.

4. Am 06.10.2017 erfolgte die Abschiebung des BF nach Ungarn.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum). Er ist Staatsangehöriger von Ungarn.

Der BF reiste mehrfach nach Österreich um hier zu arbeiten; ein Wohnsitz wurde jedoch im Bundesgebiet nie begründet. Er weist damit keine Wohnsitzmeldungen - mit Ausnahme seines Aufenthaltes in der JA XXXX - im Bundesgebiet auf.

Der BF ist ledig, gesund und arbeitsfähig.

Er ist in den Zeiträumen von 26.05.2015 bis 25.04.2016 und von 11.04.2017 bis 14.06.2017 in Österreich einer unselbstständigen Beschäftigung als Arbeiter nachgegangen.

Familiäre oder private Anknüpfungspunkte des BF im Bundesgebiet konnten nicht festgestellt werden.

Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung auf:

01) LG XXXX vom XXXX (rechtskräftig mit XXXX2017)

§§ 133 Abs. 1 1. Fall, 133 Abs. 2 1. Fall StGB

§ 223 Abs. 1 StGB

§ 50 Abs. 1 Z 2 WaffG

Datum der (letzten) Tat 08.06.2017

Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Der BF wurde mit dem oben angeführten Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX2017 wegen der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB und § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB, des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon drei Monate unbedingt und acht Monate bedingt, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Bei der Strafbemessung wurden das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und eine einschlägige Vorstrafe in Ungarn als erschwerend, hingegen das reumütige Geständnis des BF als mildern gewertet.

Dieser strafgerichtlichen Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF am 25.04.2016, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe - einen Schlagring - unbefugt besessen hat. Des Weiteren hat der BF als Paketzusteller vor dem 25.04.2016 an einem nicht näher bekannten Ort dadurch, dass er den Übernahmeschein von fünf Paketen unterschrieben hat, eine echte Urkunde mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsmäßen Zustellung der Pakete, gebraucht werde. Zudem hat der BF die fünf Pakete dadurch, dass er diese als Paketzusteller nicht auslieferte, sich zugeeignet um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Zusätzlich hat sich der BF im Zeitraum vom 23.05.2017 bis zum 08.06.2017 in XXXX im Rahmen seiner Tätigkeit als Paketzulieferer ein ihm anvertrautes Gut in einem Wert von EUR 7.500,00, nämlich 25 Pakete eines Paketdienstleisters, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er diese aus dem Lager verbrachte, ohne diese zu scannen.

Der BF wurde am XXXX2017 in Österreich festgenommen und befand sich von XXXX2017 bis zum XXXX2017 in der JA XXXX in Haft.

In seinem Herkunftsland Ungarn wurde der BF fünfmal strafrechtlich verurteilt. Diese Verurteilungen erfolgten aufgrund von Zollstraftaten, Drogendelikten und der Fälschung von Privaturkunden.

Der BF hat in Ungarn acht Jahre lang die Grundschule besucht und eine Ausbildung zum Mechaniker im Ausmaß von vier Jahren absolviert. Der BF ist in der Lage, in Ungarn einer Beschäftigung nachzugehen und Einkommen zu erwirtschaften. In Ungarn leben die Eltern und der Bruder des BF. Der BF hat seinen Wohnsitz ebenfalls in Ungarn.

Der BF wurde am XXXX2017 nach Ungarn abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im Akt einliegenden Kopien des ungarischen Personalausweises und der Versicherungskarte des BF, sowie auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Dass der BF mehrfach nach Österreich einreiste, um hier einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, konnte aufgrund seinen eigenen Angaben bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.06.2017 festgestellt werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass der BF ab 26.05.2015 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2017 drei sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt hat.

Die Feststellung, dass der BF keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet jemals hatte, konnte aufgrund eines Auszuges des Zentralen Melderegisters festgestellt werden. Dies deckt sich auch mit seiner Aussage vor der belangten Behörde am 27.06.2017.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit des BF ergeben sich aus den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017 vor der belangten Behörde.

Ebenso basiert die Feststellung, dass der BF keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet besitzt, auf dessen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 27.06.2017 und auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zu den beruflichen Tätigkeiten des BF in Österreich gründen sich auf einem Auszug aus dem Register des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung in Österreich und den dieser zugrunde liegenden Umständen basieren auf dem unzweifelhaften Akteninhalt, insbesondere dem im Verwaltungsakt einliegenden und rechtkräftigen Strafurteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX2017 zur GZ.: XXXX(AS 63). Des weiteren wurde Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich genommen.

Die Feststellungen zu den Verurteilungen des BF im Herkunftsstaat konnten durch Einsichtnahme in das Europäische Strafregisterinformationssystem getroffen werden.

Die Feststellungen zur (Berufs-)Ausbildung des BF gründen sich auf dem im Akt einliegenden Protokoll der Beschuldigtenvernehmung der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 08.06.2017 (AS 21). Die Feststellungen zur familiären und beruflichen Situation des BF in Ungarn richten sich nach dessen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.06.2017 vor der belangten Behörde, wonach der BF auf Befragung angab, er könne in Ungarn einer Beschäftigung nachgehen und dass seine Eltern und sein Bruder in Ungarn leben würden.

Die Feststellung zu der Haft des BF in der JA XXXX ergibt sich aus der Vollzugsinformation (Festnahme) vom 09.06.2017 und aus dem Zentralen Melderegister.

Dass der BF am 06.10.2017 nach Ungarn abgeschoben wurde, konnte durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Als Staatsangehöriger von Ungarn ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK sind insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, Zl. 2013/22/0309).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Zl. Ra 2016/21/0075).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF hat sich weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgehalten, noch konnte ein durchgehendender und rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren des BF im Bundesgebiet im Sinne des § 53a NAG festgestellt werden. Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") maßgeblich.

Im Mittelpunkt der zu erstellenden Gefährdungsprognose steht die strafgerichtliche Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX vom XXXX2017. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF in den Jahren 2016 und 2017, im Rahmen seiner Tätigkeit als Paketzusteller, ihm anvertraute Pakete nicht ausgeliefert und sich zueignet hat, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Er hat damit zweimal die Tathandlung der Veruntreuung gesetzt und zusätzlich das Vergehen der Urkundenfälschung, indem er den Übernahmeschein der Pakete mit den Namen der Empfänger selbst unterschrieben hat. Zudem hat der BF durch den Besitz einer verbotenen Waffe gegen das Waffengesetz verstoßen.

Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass der BF - entgegen seiner eigenen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 27.06.2017 - in seinem Herkunftsstaat Ungarn in den Jahren 2014, 2015 und 2016 - somit mehrfach - wegen Straftaten verurteilt worden ist. Dazu kommt, dass eine der in Ungarn gesetzten Tathandlungen als einschlägig zu jener in Österreich gesetzten strafbaren Handlungen zu qualifizieren ist.

Der BF hat durch seine Tathandlungen im Jahr 2016 als auch im Jahr 2017 deutlich seine Bereitschaft gezeigt, rechtswidrig in fremdes Eigentum einzugreifen um sich zu bereichern, und dabei echte Urkunden gefälscht. Er hat diese Tathandlungen auch mehrfach, nämlich bei 30 Pakete, vorgenommen. Auch durch den Besitz einer verbotenen Waffe wurde die Bereitwilligkeit des BF, gegen die österreichische Rechtsordnung zu verstoßen, veranschaulicht. Mit Blick auf die Vorverurteilungen des BF wird zudem deutlich, dass er sich in seinem Herkunftsstaat durch mehrfache Verurteilungen und den darauf folgenden Sanktionen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ.

Diese beschriebenen Umstände weisen insgesamt auf eine erhebliche kriminelle Energie und auf ein mehrfaches und schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten des BF hin. Davon ausgehend ergibt sich jedenfalls aufgrund der bisherigen fortlaufenden Delinquenz des BF die Gefahr, dass der BF geneigt ist, oben beschriebenes Verhalten in Österreich fortzusetzen.

Damit ergibt sich eine vom BF ausgehende tatsächliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft an der Verhinderung von Eigentumsdelikten (VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043) und Betrugskriminalität (VwGH 28.06.2017, 2007/21/0161). Im Zusammenhang mit den Vorverurteilungen im Herkunftsstaat und der Verurteilung in Österreich zu gleich vier Vergehen ist von einer Erheblichkeit dieser Gefahr auszugehen.

Zu beurteilen ist weiters die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinn des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Tatsächlichkeit und Erheblichkeit vorliegen muss. Ein allfälliger Gesinnungswandel kann nicht am Verhalten in der Strafhaft, sondern nur daran geprüft werden, wie lange sich der BF in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 13.02.2007, 2006/18/0497 mwN; 28.01.2016, Ra 2016/21/0013; 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Der BF wurde am 06.10.2017 aus der Haft entlassen. Die vom BF seit dem Vollzug der Freiheitsstrafe in Freiheit verbrachte Zeit ist zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG gänzlich ausschließen zu können.

Bei Gesamtbetrachtung liegt daher eine tatsächliche, erhebliche und auch gegenwärtige Gefahr vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FPG sind somit gegeben.

Auch die im Lichte des § 9 BFA-VG gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen konnte eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertigen.

Der BF verfügt nach eigenen Angaben in Österreich über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte. Zudem hatte der BF zu keinem Zeitpunkt einen Wohnsitz in Österreich oder Bestrebungen gezeigt, einen solchen im Bundesgebiet zu begründen, weshalb davon auszugehen ist, dass der Lebensmittelpunkt des BF in Ungarn liegt. Der BF ist ein gesunder, junger Mann und hat im Herkunftsstaat eine Berufsausbildung zum Mechaniker absolviert, weshalb er in der Lage ist, sich in Ungarn am Erwerbsleben zu beteiligen und sich dort eine Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Allein die relativ kurzen Dienstverhältnisse des BF in Österreich können kein schützenswertes Privatleben begründen.

Angesichts des mit der strafgerichtlichen Verurteilung zu Tage getretenen und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des BF verstößt das Aufenthaltsverbot nicht gegen Art 8 EMRK, ist es doch zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.

Das von der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 1 FPG angeordnete Aufenthaltsverbot erweist sich somit dem Grunde nach als zulässig, weshalb eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht kam und die Beschwerde insoweit als unbegründet abzuweisen war.

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von vier Jahren als nicht angemessen. Dies aus folgenden Erwägungen:

In Anbetracht der vom BF begangenen Straftaten nach dem Strafgesetzbuch ist festzuhalten, dass der für die Bestimmung des Strafrahmens maßgebliche § 133 Abs. 2 StGB ("Veruntreuung von Gut, dessen Wert EUR 5.000,00 übersteigt") einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Das Strafgericht hat den BF rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Der mögliche Strafrahmen wurde vom Strafgericht demnach bei weitem nicht zur Gänze ausgeschöpft. Die Strafe wurde vielmehr im unteren Drittel des Strafrahmens angesetzt. Zudem fällt dabei auch ins Gewicht, dass der BF bis zu dieser Verurteilung in Österreich zumindest unbescholten war.

Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von vier Jahren steht im Vergleich zu der im gegenständlichen Fall tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe und dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründen demnach außer Relation.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Aufenthaltsverbotes daher spruchgemäß in angemessener Weise auf zwei Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkte II. und III.) gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub erteilt und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise eines BF geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen (VwGH 21.11.2006, Zl. 2006/21/0171 mwN).

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Der BF hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er bislang nicht gewillt war, sich über einen längeren Zeitraum hinweg rechtskonform zu verhalten. Dies zeigen seine fünf strafgerichtlichen Verurteilungen in Ungarn im relativ kurzen Zeitraum von 2014 bis 2016. Auch seiner strafgerichtlichen Verurteilung in Österreich im Jahr 2017 lag nicht ein einmaliger "Fehltritt" zugrunde, sondern wiederholte der BF auch hier seine Tathandlungen hinsichtlich des Strafdelikts der Veruntreuung. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der BF auch durch die Verurteilung durch das Landesgericht Korneuburg nicht von der Begehung von weiteren Straftaten abhalten lassen wird.

Damit war weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG zu beanstanden, sodass die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zudem wurde von den Verfahrensparteien die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG bei der gegenständlichen Entscheidung an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war. Die gegenständliche Entscheidung weicht damit weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Aufenthaltsverboten und zur Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, strafrechtliche Verurteilung,
Unbescholtenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2171545.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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