TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/15 W237 2212713-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2019
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Entscheidungsdatum

15.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W237 2212713-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018, Zl. 830436803/181153985, zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste erstmalig im April 2013 nach Österreich, wo er am 07.04.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.1. In seiner Erstbefragung zu diesem Antrag führte er im Wesentlichen aus, dass er als früherer Direktor XXXX im Jahr 2008/2009 Probleme mit dem russischen FSB gehabt habe. Dabei sei es um wichtige Informationen im Zusammenhang mit dem Krieg in Tschetschenien und tschetschenische Freiheitskämpfer gegangen. Der FSB habe den Beschwerdeführer mehrmals aufgesucht, ihn geschlagen und misshandelt, wobei er Verletzungen davongetragen habe und sogar operiert worden sei. Seit Oktober 2012 habe er sich bei einem Freund versteckt gehalten und sich schließlich zur Ausreise entschlossen.

1.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.01.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er eine schwere Operation gehabt habe, die Einvernahme jedoch stattfinden könne. Der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien eine pädagogische Hochschule abgeschlossen, die betreffenden Zeugnisse seien in Tschetschenien. Nachgefragt, ob er noch Kontakt zu seiner Familie in Tschetschenien habe, führte der Beschwerdeführer an, dass er in unregelmäßigen Abständen mit seiner Schwester telefoniere, sie sei Ärztin.

Er sei auf Vorschlag des Verwaltungsleiters des Rayons XXXX gewesen. Er habe diesen Mann über Verwandte im Jahr 2007 kennengelernt, der Beschwerdeführer habe ihm Vorschläge unterbreitet, wie man mit den Leuten arbeiten könne und welche Maßnahmen Jugendliche überzeugen könnten, um Änderungen herbeizuführen. Es sei dabei um Informationspolitik gegangen, der Beschwerdeführer habe alles organisiert und sei auch Kandidat XXXX gewesen. Wäre er nicht aus Russland ausgereist, wäre er heute nicht mehr am Leben. Er sei bei seinem Onkel, dem damaligen Minister für Waldwirtschaft, aufgewachsen und habe dadurch einflussreiche Kontakte gehabt.

Im Zuge seines Verfahrens habe er bereits eine CD vorgelegt, auf der zwei Interviews zu sehen seien. Einmal habe der Beschwerdeführer XXXX ein Interview XXXX geführt. In dem zweiten - nach Angaben des Beschwerdeführers nie veröffentlichten - Interview sei es um einen verwundeten Kämpfer gegangen, der sich gestellt habe. Der Beschwerdeführer habe einen Dokumentarfilm über den Kämpfer drehen wollen. Nach dem Interview sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, beim FSB zu erscheinen; dort habe man ihn vorgewarnt. Der interviewte Kämpfer sei verschwunden. Man habe den Beschwerdeführer zwei Mal erschießen wollen.

Auf nochmalige Nachfrage, wann und wie er bedroht worden sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er im Jänner 2013 verhört und geschlagen worden sei. Nach der Arbeit sei sein Auto angehalten worden und er sei an einen Ort vor der Stadt gebracht worden, wo keine Menschen zu sehen gewesen seien. Beamte in schwarzen Uniformen hätten ihm gedroht und vorgeworfen, dass er mit Kämpfern in Verbindung stehe. Der Beschwerdeführer sei insgesamt 24 Stunden festgehalten worden, anschließend habe man ihn an den Rand der Stadt Grozny gebracht. Ein Mitarbeiter von Kadyrov, der ein guter Freund des Beschwerdeführers sei, habe ihm nach diesem Vorfall gesagt, es handle sich um eine ernste Angelegenheit und er könne ihm nicht helfen. Anschließend habe sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise bei einem Freund aufgehalten.

Nur seine Schwester habe im Vorfeld von der geplanten Ausreise gewusst, seine Frau und seine Kinder würden sich aus Sicherheitsgründen in Inguschetien aufhalten. Nachgefragt, warum der Beschwerdeführer nicht auch dort hätte leben können, gab er an, dass es für seine Familie dort sicher wäre; er habe den Eindruck erwecken wollen, seine Frau und er hätten sich scheiden lassen. In Russland sei er nicht sicher, weil die Behörden überall seien und ihn überall fänden. Wenn er zurück in seine Heimat müsste, würde er spurlos verschwinden.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 08.05.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.4. Mit Schreiben vom 09.05.2018 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Zustellersuchen an die Polizeiinspektion Zohmanngasse und übermittelte zu diesem Zweck den Bescheid vom 08.05.2018 samt Vordruck eines Zustellscheins mit integrierter Übernahmebestätigung. Dabei führte es aus, dass der Beschwerdeführer in der Zohmanngasse 28, 1100 Wien, lediglich als obdachlos gemeldet sei; es handle sich um keine Abgabestelle, weshalb kein Zustellversuch notwendig sei. Der Bescheid sei nur zur persönlichen Abholung im Rahmen der Erfüllung der Meldepflicht des Beschwerdeführers bereitzuhalten. Erfolge keine persönliche Zustellung, sei darüber zu berichten, inwieweit der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung nachkomme. Der Bescheid sei dementsprechend bei der Polizeidienststelle zu hinterlegen und im Fall der Nichtbehebung nach drei Wochen mit Bericht dem Bundesamt rückzumitteln.

Mit Kurzbrief vom 23.05.2018 teilte die Polizeiinspektion Zohmanngasse mit, dass die am 09.05.2018 erfolgte Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides unbeachtet geblieben sei. Während des Bereithaltezeitraumes sei die Polizeidienststelle vom Beschwerdeführer nicht kontaktiert worden. Es bestehe keine Ortsanwesenheit, postalischer Kontakt bestehe in dreiwöchigem Rhythmus. Der letzte Kontakt mit dem Beschwerdeführer habe am 27.04.2018 bestanden, weitere Erhebungen zum aktuellen Aufenthaltsort seien negativ verlaufen.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 30.11.2018 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.1. Im Zuge dieser Antragstellung gab er an, dass die im vorangegangenen Verfahren genannten Fluchtgründe noch aufrecht seien. Vor ca. drei Monaten habe er erfahren, dass ein Freund von ihm, welcher beim tschetschenischen Präsidenten gearbeitet habe, von tschetschenischer Regierungsseite umgebracht worden sei. Außerdem habe er nicht gewusst, dass er im Juni 2018 einen negativen Bescheid erhalten habe; das habe er vor drei Monaten bei der Caritas erfahren. Bei seiner vorangegangenen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seien nicht alle Beweismittel aufgenommen worden, weshalb er sie neuerlich vorlege. Er habe bei der Einvernahme keine Möglichkeit gehabt, alles zu sagen. Es bestehe in der Russischen Föderation eine Fahndung betreffend seine Person.

2.2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2018 gab der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand befragt an, dass er im Jahr 2008 eine schwere Operation gehabt habe und seitdem immer wieder bewusstlos geworden sei; durchschnittlich sei er fünf bis zehn Minuten ohnmächtig gewesen. In Russland würden seine Gattin und seine Kinder leben; derzeit habe er keinen Kontakt, allerdings stehe er zu seiner Schwester in Kontakt und erfahre über sie, wie es seinen Verwandten gehe. Seit seiner Reise nach Österreich habe er keinen Kontakt mehr mit seiner Frau und seinen Kindern gehabt.

Seine Fluchtgründe, die er im ersten Verfahren angegeben habe, entsprächen der Wahrheit, allerdings sei nicht alles richtig protokolliert bzw. seien einige Aussagen falsch verstanden worden. Er habe auch keine detaillierten Angaben machen können, weil er in seiner Befragung unterbrochen worden sei.

Über Vorhalt, dass bereits über seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz negativ abgesprochen worden und der diesbezügliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei, führte der Beschwerdeführer an, dass er in seinem ersten Verfahren kaum Möglichkeit gehabt habe, seine Erlebnisse chronologisch und genau zu schildern. Zur in der Erstbefragung ins Treffen geführten Ermordung eines Freundes meinte der Beschwerdeführer, dass dies vor vier Jahren geschehen sei. Sie seien Kollegen gewesen und hätten zusammengearbeitet. Sein Freund sei gegen menschenhassende Politiker wie Kadyrov gewesen und habe in der Regierung gearbeitet, weil er die Menschen habe unterstützen wollen. Sie hätten ein Projekt geführt, im Rahmen dessen sie vielen behinderten Personen Unterstützung angeboten hätten. Die Leiche seines Freundes sei nie gefunden worden, er sei spurlos verschwunden; alle würden vermuten, dass er umgebracht worden sei. Es sei ausgeschlossen, dass er auch geflüchtet sei, weil er sechzehn Bodyguards gehabt habe, die ihn durchgehend bewacht hätten - dennoch sei er verschwunden. Eine weitere Familie sei ebenfalls spurlos verschwunden. XXXX Nachgefragt, warum er den Fahndungsbericht nicht schon im Vorverfahren vorgelegt habe, antwortete er, dass er damals nicht dazu befragt worden sei; er sei jedoch kurz nach seiner Ausreise in den Besitz dieses Schreibens gekommen. Nachgefragt, ob sich seit Abschluss des ersten Asylverfahrens für ihn persönlich etwas geändert habe, meinte er, dass weiterhin die gleichen Probleme bestünden. Bei einer Durchsuchung in seinem Arbeitszimmer seien mehrere Dokumente entnommen worden; unter anderem seien Filme bzw. Dokumentationen gefunden worden, die die Behörden als Provokation gesehen hätten. Er sei auch in Besitz von Videos über Folterungen gewesen. Weiters habe er Kindern und Jugendlichen, die zu Kämpfern geworden seien, geholfen, wieder ins normale Leben zurückzufinden und sich zu integrieren. Einem jungen Mann habe er konkret geholfen, weshalb nun landesweit nach dem Beschwerdeführer gesucht werde.

Zu seinem Leben in Österreich befragt führte er an, dass er sich seit fünf Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und bereits gut Deutsche spreche; er sei XXXX und unterstütze diese finanziell. Außerdem nehme er an verschiedenen Veranstaltungen für Klima- und Umweltschutzprojekte teil.

2.3. Mit Bescheid vom 21.12.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt V.); zudem hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Schließlich sprach sie aus, dass gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, ab 01.12.2018 in einem näher genannten Quartier in Traiskirchen Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass über den ersten Antrag auf internationalen Schutz bereits mit Bescheid vom 08.05.2018 negativ entschieden worden sei; dieser habe dem Beschwerdeführer zwar nicht persönlich ausgefolgt werden können, sei jedoch hinterlegt worden. Das Verfahren sei am 07.06.2018 in Rechtskraft erwachsen. In diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden, sodass darüber nicht mehr neuerlich zu entscheiden sei. Von der Behörde könne insgesamt kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden, weil die Aussagen des Beschwerdeführers weiterhin keinen glaubhaften Kern aufwiesen und auf sein vorheriges Vorbringen aufbauen würden. Das als Fahndungsbericht bezeichnete Dokumente sei mit 14.09.2017 datiert worden, weshalb er jenes Schreiben problemlos bereits im Vorverfahren hätte vorlegen können. Zudem könne aus dem Schreiben keine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung festgestellt werden. Es sei daher festzuhalten, dass seine Angaben einen unveränderten Sachverhalt darstellten, weshalb sich auch hinsichtlich der im vorherigen Verfahren getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland keine Änderung ergeben habe. Die vorgebrachten Gründe, warum es ihm nun nicht mehr möglich sei, in sein Herkunftsland zurückzukehren, seien nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken. Dem Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet nie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugekommen bzw. habe er realistischerweise nicht davon ausgehen können, dass ihm ein anderweitiges Aufenthaltsrecht zukomme. Es lägen im gegenständlichen Fall auch keine Hinweise für eine tiefergehende Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft vor. Sein bisheriger Aufenthalt sei auch nicht den Behörden zurechenbar. Besondere Integrationsmerkmale hätten in Österreich nicht festgestellt werden können. Zu seinem Gesundheitszustand führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer Grundversorgungsleistungen beziehe und deshalb einen Arzt aufsuchen könne; er habe jedoch bislang keine Befunde über gesundheitliche Beschwerden vorgelegt. Auch vor einer Abschiebung werde eine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob eine solche EMRK-widrig wäre; es sei deshalb gewährleistet, dass eine Überstellung nach Russland nicht vorgenommen werde, wenn der physische bzw. psychische Zustand des Beschwerdeführers dies nicht zuließe.

2.4. Der Beschwerdeführer erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids vom 21.12.2018 fristgerecht Beschwerde, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht samt Verfahrensakt am 11.01.2019 vorlegte.

2.5. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 25.02.2019 die Beschwerde vollinhaltlich ab und begründete dies im Wesentlichen mit dem Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG. Dabei ging das Bundesverwaltungsgericht mit folgender Begründung davon aus, dass der Bescheid vom 08.05.2018 dem Beschwerdeführer zugestellt - und der Antrag vom 07.04.2013 mangels nachfolgender Erhebung einer Beschwerde rechtskräftig abgeschlossen - wurde:

"Der Beschwerdeführer war von 01.09.2017 bis 16.10.2018 - sohin im Zustellungszeitraum im Mai 2018 - beim Verein Ute Bock in der Zohmanngasse 28, 1100 Wien, obdachlos gemeldet. Bei dieser Adresse handelte es sich um eine Hauptwohnsitzbestätigung und Kontaktstelle im Sinne des § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG; eine Abgabestelle lag hingegen bereits aufgrund der Sonderregelung des § 11 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG (in der damaligen Fassung) nicht vor. Der Beschwerdeführer hatte sich zufolge § 13 Abs. 2 leg.cit. vierzehntätig bei der seiner Kontaktstelle nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion Wien - im vorliegenden Fall war dies die Polizeiinspektion Zohmanngasse 10 - zu melden; dass ihm die Erfüllung dieser Meldeverpflichtung nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre, brachte er zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor.

Angesichts dessen war entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht eine Zustellung des Bescheids vom 08.05.2018 durch die Polizei gemäß § 11 Abs. 6 BFA-VG (in der damaligen Fassung) ausdrücklich möglich. Die Polizei hinterließ am 09.05.2018 an der Kontaktstelle des Beschwerdeführers eine Verständigung über die Hinterlegung des Bescheids und teilte darin mit, dass dieser bis zum 22.05.2018 bei der Polizeiinspektion Zohmanngasse aufliege. Mit dem ersten Tag der Hinterlegung am 09.05.2018 galt der Bescheid der belangten Behörde damit als zugestellt (vgl. den Verweis auf § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG). Dass der Beschwerdeführer den Bescheid in der Folge mangels Einhaltung seiner Meldeverpflichtung nicht erhielt, vermag daran nichts zu ändern.

[...] Mangels Erhebung eines Rechtsmittels erwuchs der Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018 vier Wochen nach Zustellung mit Ablauf des 06.06.2018 in Rechtskraft. Der am 30.11.2018 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde daher von der belangten Behörde richtigerweise als Folgeantrag gewertet."

3. Mit Erkenntnis vom 17.10.2019 hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer außerordentlichen Revision das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.02.2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Unter näherer Auslegung der besonderen Zustellvorschrift des § 11 Abs. 6 BFA-VG und Erläuterung des mit dieser Bestimmung normierten Zustellregimes hält der Verwaltungsgerichtshof fest, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid der belangten Behörde vom 08.05.2018 nie zugestellt wurde.

4. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde dieses Erkenntnis am 04.11.2019 übermittelt; am 06.11.2019 langten die Verfahrensakten hg. ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Ablauf der Verfahrensgänge im Detail wird so festgestellt, wie er unter Pkt. I. der vorliegenden Entscheidung wiedergegeben ist.

Der Beschwerdeführer verließ die Russische Föderation im April 2013 und stellte am 07.04.2013 in Österreich einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 08.05.2018 abwies und unter einem gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erließ.

Der Beschwerdeführer war von 01.09.2017 bis 16.10.2018 beim Verein Ute Bock, Zohmanngasse 28, 1100 Wien, als obdachlos gemeldet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte den gegenständlichen Bescheid am 09.05.2018 der Polizeiinspektion Zohmanngasse 10, 1100 Wien, samt Zustellschein und Vorabdruck betreffend die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes mit der Aufforderung, den Bescheid zur persönlichen Abholung durch den Beschwerdeführer bereitzuhalten. Vor diesem Zeitpunkt wurde dem Bundesamt nicht mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung nach § 11 Abs. 6 BFA-VG nicht nachgekommen wäre. Die Polizei hinterließ noch am 09.05.2018 an der genannten Adresse des Beschwerdeführers die schriftliche Verständigung, dass der angefochtene Bescheid bis 22.05.2018 bei der Polizeiinspektion Zohmanngasse hinterlegt sei und diese Hinterlegung als Zustellung gelte. Der Beschwerdeführer holte in weiterer Folge den hinterlegten Bescheid nicht ab, der daraufhin mit entsprechender Mitteilung am 23.05.2018 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rückübermittelt wurde.

Der Beschwerdeführer erhielt den Bescheid vom 08.05.2018 in weiterer Folge nicht und stellte am 30.11.2018 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der jeweiligen Antragstellungen und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich zur Gänze aus dem unbestrittenen Akteninhalt. Die Feststellungen betreffend die Hinterlegung des Bescheids vom 08.05.2018 bei der Polizeiinspektion Zohmanngasse waren auf Basis der im Akt aufliegenden Unterlagen (Zustellersuchen der belangten Behörde vom 09.05.2018, ausgefüllte Verständigung über die Hinterlegung des Bescheids, Kurzbrief der PI Zohmanngasse) zu treffen; der festgestellte Vorgang der Hinterlegung wurde von keiner Verfahrenspartei bestritten. Auch der Verwaltungsgerichtshof ging in seinem Erkenntnis vom 17.10.2019 im Wesentlichen von diesen Feststellungen aus. Dass dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor Veranlassung der Zustellung keine Verletzung des Beschwerdeführers seiner Meldeverpflichtung bekannt gegeben wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Bescheid vom 08.05.2018 nie tatsächlich erhielt, konnte auf Basis seiner - unwidersprochen gebliebenen - Angaben in der Befragung vom 01.12.2018 festgestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht ging bereits im aufgehobenen Erkenntnis vom 25.02.2019 von diesem Umstand aus (vgl. das Zitat unter Pkt. I.2.5.), erhob ihn aber nicht zu den Feststellungen, weil dies nach der damaligen -unzutreffenden - Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Bestimmung des § 11 Abs. 6 BFA-VG keine Rolle spielte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.12.2018 persönlich zugestellt. Die am 08.01.2019 per Fax an die belangte Behörde übermittelte Beschwerde ist damit rechtzeitig.

Zu A)

3.1. Die Zurückweisung eines (Folge-)Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache setzt voraus, dass das Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig beendet worden ist. Ist ein das Erstverfahren beendender Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden, dann ist dieses Asylverfahren noch nicht rechtskräftig beendet, sondern weiterhin vor der Verwaltungsbehörde anhängig. Die Zurückweisung eines Folgeantrages wegen entschiedener Sache kommt diesfalls von vornherein nicht in Betracht (vgl. VwGH 27.04.2006, 2005/20/0645, mwN).

3.1.1. Für die Frage, ob der Bescheid vom 08.05.2018 dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde, sind folgende Rechtsvorschriften des BFA-VG (in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) maßgeblich:

"Zustellungen

§ 11. (1) Die Erstaufnahmestelle, in der sich der Asylwerber befindet oder die Unterkunft oder die Betreuungseinrichtung des Bundes, in der der Asylwerber oder Fremde versorgt wird, sind Abgabestelle für eine persönliche Zustellung nach dem Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982. Eine Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 2 Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, ist in Verfahren vor dem Bundesamt keine Abgabestelle im Sinne des ZustG.

(2) Ladungen im Zulassungsverfahren sind nur dem Asylwerber persönlich und - soweit eine Vertretung nach § 10 vorliegt oder es sich um Verfahrenshandlungen handelt, bei denen der Rechtsberater (§ 49) anwesend sein muss - einem Rechtsberater (§ 49) zuzustellen. Hat der Asylwerber auch einen gewillkürten Vertreter, ist dieser vom Rechtsberater (§ 49) über Ladungen und den Stand des Verfahrens schnellstmöglich zu verständigen, wenn der Asylwerber dies wünscht.

(3) Zustellungen an Fremde können, soweit sie nicht durch eigene Organe des Bundesamtes oder des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommen werden, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder durch Organe der Betreuungseinrichtungen des Bundes (§ 1 Z 7 GVG-B) erfolgen. Eine allenfalls notwendige Hinterlegung hat diesfalls bei der nächsten Dienststelle der Landespolizeidirektion oder bei der Betreuungseinrichtung des Bundes zu erfolgen. § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG gilt sinngemäß.

[...]

(6) Zustellungen an Fremde können durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch im Zuge der Erfüllung einer Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005, §§ 56 Abs. 2 Z 2, 71 Abs. 2 Z 2 oder 77 Abs. 3 Z 2 FPG oder § 13 Abs. 2 erfolgen. Kommt der Empfänger seiner Meldeverpflichtung nach Veranlassung der Zustellung nicht nach, ist das Dokument bei der Dienststelle der Landespolizeidirektion zu hinterlegen. § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG gilt sinngemäß mit der Maßgabe, dass das hinterlegte Dokument von der Dienststelle der Landespolizeidirektion zur Abholung bereitzuhalten ist. Wurde eine Verletzung der Meldeverpflichtung dem Bundesamt vor Veranlassung der Zustellung mitgeteilt, ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen, solange der Fremde seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist. § 23 ZustG gilt sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes die Dienststelle der Landespolizeidirektion tritt und eine Hinterlegung beim Gemeindeamt nicht in Betracht kommt.

[...]

Mitwirkung eines Fremden

§ 13. (1) Der Fremde hat am Verfahren vor dem Bundesamt, insbesondere an einer erkennungsdienstlichen Behandlung mitzuwirken.

(2) Verfügt ein Fremder lediglich über eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG, so hat er sich beginnend mit dem ersten Werktag nach Ausstellung der Hauptwohnsitzbestätigung vierzehntätig bei der, der Kontaktstelle gemäß § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden; dies gilt nicht im Falle einer Verfahrensanordnung gemäß § 15a Abs. 2 AsylG 2005. Eine Verletzung dieser Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

[...]"

§ 19a Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 120/2016 (im Folgenden: MeldeG), lautet:

"Hauptwohnsitzbestätigung

§ 19a. (1) Die Meldebehörde hat einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er

1. glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und

2. im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle).

(2) Die Kontaktstelle gilt als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.

(3) Die Hauptwohnsitzbestätigung wird ungültig, wenn der Betroffene gemäß §§ 3 oder 5 bei einer Meldebehörde angemeldet wird oder wenn von einer anderen Meldebehörde eine Bestätigung gemäß Abs. 1 ausgestellt wird. § 4 Abs. 4 gilt mit der Maßgabe, dass anstelle der Abmeldung die Ungültigkeit zu bestätigen ist.

(4) Für Zwecke des 2. Abschnittes sind Bestätigungen gemäß Abs. 1 Anmeldungen und die Ungültigkeitserklärung gemäß Abs. 3 Abmeldungen gleichzuhalten.

(5) § 9 gilt für Hauptwohnsitzbestätigungen entsprechend."

3.1.2. Der Beschwerdeführer war von 01.09.2017 bis 16.10.2018 - sohin im Zustellungszeitraum im Mai 2018 - beim Verein Ute Bock in der Zohmanngasse 28, 1100 Wien, obdachlos gemeldet. Bei dieser Adresse handelte es sich um eine Hauptwohnsitzbestätigung und Kontaktstelle im Sinne des § 19a Abs. 1 Z 2 MeldeG; eine Abgabestelle lag hingegen bereits aufgrund der Sonderregelung des § 11 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG nicht vor. Der Beschwerdeführer hatte sich zufolge § 13 Abs. 2 BFA-VG vierzehntätig bei der seiner Kontaktstelle nächstgelegenen Dienststelle einer Landespolizeidirektion Wien - im vorliegenden Fall war dies die Polizeiinspektion Zohmanngasse 10 - zu melden; dass ihm die Erfüllung dieser Meldeverpflichtung nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre, brachte er zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor.

3.1.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof festhielt (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0144), ergibt sich aus dieser Meldeverpflichtung allerdings kein starres Meldeintervall, weil es einem Fremden auch unbenommen ist, sich vereinzelt früher (also vor Ablauf der vierzehntägigen Meldefrist) bei der zuständigen Dienststelle erneut zu melden. Die vierzehntägige Meldeverpflichtung läuft daher jeweils ab dem Datum der letzten Meldung des Obdachlosen.

Für die Zustellung im Zuge der Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG unterscheidet § 11 Abs. 6 BFA-VG zwei Fälle, nämlich den Fall einer vorliegenden Verletzung der Meldeverpflichtung nach Veranlassung der Zustellung und den Fall der bereits vorliegenden Verletzung der Meldeverpflichtung vor Veranlassung der Zustellung, und normiert für diese beiden Fälle unterschiedliche Zustellvoraussetzungen.

Wurde eine Verletzung der Meldeverpflichtung dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bereits vor Veranlassung der Zustellung mitgeteilt, ist die Zustellung nach § 11 Abs. 6 vierter Satz BFA-VG (vereinfacht) durch sofortige Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen. Dies gilt, bis der Fremde seiner Meldeverpflichtung erneut nachgekommen ist. Kommt ein obdachlos gemeldeter Empfänger seiner Meldeverpflichtung dagegen erst nach Veranlassung der Zustellung nicht nach, ist das Dokument gemäß § 11 Abs. 6 zweiter Satz BFA-VG bei der Dienststelle der Landespolizeidirektion zu hinterlegen.

Der Gesetzgeber hat somit für Zustellungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl an obdachlos gemeldete Personen iSd § 19a MeldeG folgenden Ablauf vor Augen: Wurde dem Bundesamt vor Veranlassung der Zustellung eine Verletzung der Meldeverpflichtung nicht mitgeteilt, hat es an die der Kontaktstelle nächstgelegene Polizeiinspektion ein Zustellersuchen (samt Bescheid) zur persönlichen Ausfolgung zu übermitteln. Liegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hingegen eine Mitteilung über die Verletzung der Meldeverpflichtung vor, kann es die Zustellung gemäß § 11 Abs. 6 BFA-VG iVm § 23 ZustG gleich durch sofortiger Hinterlegung ohne Zustellversuch entweder durch Bereithaltung der Entscheidung zur Abholung beim Bundesamt selbst oder bei der Dienststelle der Landespolizeidirektion vornehmen.

Wie festgestellt, stand im vorliegenden Fall vor Veranlassung der Zustellung des Bescheids vom 08.05.2018 noch nicht fest, ob der Beschwerdeführer seine Meldeverpflichtung zuletzt erfüllt hatte. Diesfalls hängt das weitere Vorgehen der ersuchten Polizeiinspektion davon ab, ob bereits zum Zeitpunkt des Einlangens der Sendung bei ihr eine Verletzung der Meldeverpflichtung der obdachlos gemeldeten Person iSd § 19a MeldeG vorlag: Verneinendenfalls ist das übermittelte Dokument zunächst von der Dienststelle der Landespolizeidirektion bei ihr zur persönlichen Übergabe im Rahmen der nächsten ordnungsgemäßen Meldung bereit zu halten. Bejahendenfalls kann ein Zuwarten auf eine ordnungsgemäße Abholung entfallen, weil eine Verletzung der Meldeverpflichtung bereits im Zeitpunkt des Einlangens der Sendung vorliegt.

Stellt die Dienststelle der Landespolizeidirektion eine Verletzung der Meldeverpflichtung des § 13 Abs. 2 BFA-VG fest, ist das Dokument bei ihr zu hinterlegen. Für diesen Fall verweist § 11 Abs. 6 BFA-VG auf die sinngemäße Geltung von § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG mit der Maßgabe, dass das hinterlegte Dokument von der Dienststelle der Landespolizeidirektion zur Abholung bereitzuhalten ist.

Nach § 17 Abs. 3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

Aus § 11 Abs. 6 BFA-VG ergibt sich allerdings, dass die Rechtsfolgen einer "Hinterlegung" erst eintreten sollen, wenn der Empfänger seiner Meldeverpflichtung nach Veranlassung der Zustellung nicht nachkommt (arg: "Kommt der Empfänger seiner Meldeverpflichtung nach Veranlassung der Zustellung nicht nach, ist das Dokument bei der Dienststelle der Landespolizeidirektion zu hinterlegen."). Dazu muss der Ablauf des letzten Tages der Meldeverpflichtung abgewartet werden. Die Zustellwirkung kann daher frühestens am Tag nach Verletzung der Meldepflicht eintreten und nicht - wie die Erläuterungen zur Regierungsvorlage fälschlich angenommen haben - bereits am "Termin, an dem der Fremde sich melden hätte sollen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 17 Abs. 3 ZustG bereits ausgesprochen, dass eine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung unter anderem voraussetzt, dass die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen nach Hinterlegung zur Abholung bereitgehalten wird (vgl. VwGH 26.06.2007, 2004/13/0093). Diese Rechtsprechung ist - schon angesichts des expliziten Verweises in § 11 Abs. 6 BFA-VG auf § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 ZustG - auf die Zustellung nach § 11 Abs. 6 BFA-VG zu übertragen.

3.1.4. Angesichts dieses Zustellregimes ging der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.10.2019 für den vorliegenden Fall davon aus, dass eine rechtswirksame Zustellung des Bescheids vom 08.05.2018 - durch Bereithalten der hinterlegten Sendung für mindestens zwei Wochen - aufgrund der Rücksendung am 23.05.2018 nicht erfolgte; dies unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer seiner Meldeverpflichtung nach § 13 Abs. 2 BFA-VG zuletzt nachgekommen war. Der volle zweiwöchige Bereithaltungszeitraum iSd § 17 Abs. 3 ZustG wäre von der Polizeiinspektion Zohmanngasse nämlich nicht einmal dann gewahrt worden, wenn sich der Beschwerdeführer exakt vierzehn Tage vor Veranlassung der Zustellung das letzte Mal bei ihr gemeldet hätte und daher am 09.05.2018 wieder hätte melden müssen, womit die zweiwöchige Abholfrist gemäß § 17 Abs. 3 ZustG vom 10.05.2018 bis zum 24.05.2018 gedauert hätte (vgl. § 32 Abs. 2 AVG). Selbst wenn im Zeitpunkt des Einlangens des Zustellersuchens am 09.05.2018 bereits eine Verletzung der Meldeverpflichtung vorlag und die Dienststelle der Landespolizeidirektion sofort hinterlegen hätte dürfen, hätte es bei Einhaltung der zweiwöchigen Abholfrist für eine Rücksendung den Ablauf des 23.05.2018 abwarten müssen; dies ist nicht erfolgt, weil der Bescheid bereits an diesem Tag dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl rückübermittelt wurde.

Bereits in Bindung an diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist daher festzuhalten, dass der Bescheid vom 08.05.2018 dem Beschwerdeführer niemals zugestellt wurde; der fehlerhafte Zustellvorgang heilte nämlich auch nicht im Sinne des § 7 ZustG, weil - wie festgestellt - der an den Beschwerdeführer adressierte Bescheid ihm auch danach nicht tatsächlich zukam.

3.2. Mangels Zustellung dieses Bescheids ist das Verfahren über den am 07.04.2013 gestellten Antrag auf internationalen Schutz noch nicht rechtskräftig beendet. Damit fehlt es an der Grundlage, den Antrag vom 30.11.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

3.3. Da auch die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids auf der Zurückweisung wegen entschiedener Sache aufbauen, ist der gesamte Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2018 ersatzlos zu beheben.

Das Bundesamt wird in der Folge das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.04.2013 weiter- und dabei auch eine neuerliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durchzuführen haben. Die letzte Befragung fand nämlich bereits vor einem Jahr statt und bezog sich - unter der falschen Annahme, dass das genannte Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen war - im Wesentlichen auf die (unzutreffende) Frage, ob entschiedene Sache vorliegt.

4. Die vorliegende Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil sich sämtliche maßgeblichen Feststellungen unbestritten aus dem Inhalt der Verfahrensakten ergeben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage vollinhaltlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.10.2019, Ra 2019/18/0144, stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Rechtswidrigkeit, Voraussetzungen,
Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W237.2212713.1.01

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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