TE Vwgh Erkenntnis 1998/7/2 97/07/0195

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Veröffentlicht am 02.07.1998
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E03301000;
E3R E05203030;
E3R E14500000;
E3R E15103010;
L61304 Kulturpflanzenschutz Pflanzenschutz Mindestpflanzabstände
Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

31988R2052 Strukturfonds Interventionen EIB;
31988R4253 Strukturfonds Interventionen EIB DV;
31992R2078 umweltgerechte landwirtschaftliche Produktionsverfahren;
31992R2079 Beihilferegelung Vorruhestand Landwirtschaft;
B-VG Art140;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
EURallg;
KulturflächenschutzG OÖ 1958 §1 Abs2;
StGG Art2;
StGG Art5;
VwRallg impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der C Forstgut R GmbH & Co KEG in S, vertreten durch Dr. Michael Sallinger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Salurnerstraße 12/II, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. September 1997, Zl. Agrar-330104/20-1997-I/Mü/To, betreffend Kulturumwandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 1997 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Bewilligung zur Umwandlung des Grundstückes Nr. 365/3 der KG P. in Wald abgewiesen.

In der Begründung wird nach Wiedergabe des Verfahrensganges ausgeführt, auf Grund der objektiven und schlüssigen Ausführungen des landwirtschaftlichen und des forstfachlichen Amtssachverständigen sowie der anläßlich des am 4. April 1997 vorgenommenen Lokalaugenscheines gewonnenen eigenen Wahrnehmungen stehe für die belangte Behörde zweifelsfrei fest, daß das zur Aufforstung beantragte Grundstück Nr. 365/3 eine trapezförmige, praktisch ebene landwirtschaftliche Nutzfläche im Ausmaß von 10.349 m2 darstelle, die im Osten und Norden an Wald angrenze. Die übrigen an das verfahrensgegenständliche Grundstück anschließenden bzw. angrenzenden Grundstücke würden landwirtschaftlich genutzt. All diese Grundstücke hätten im wesentlichen die gleiche Bonität, die zudem für diese Region als überdurchschnittlich hoch zu bezeichnen sei. Die Aufforstungsfläche selbst sei auf Grund ihrer guten Flächenstruktur und ebenen Lage gut bearbeitbar und weise mit einer Fläche von mehr als 1 ha jedenfalls auch eine für die landwirtschaftliche Produktion relevante Größe auf. Weiters sei aus den aus der Agrarstrukturerhebung 1995 entnommenen Daten klar zu ersehen, daß in der Gemeinde S. die Produktions- und Existenzgrundlage der Haupterwerbsbetriebe im Verhältnis zur übrigen Landwirtschaft in Oberösterreich, wo insgesamt im Durchschnitt eine Produktionsfläche von etwa 19 ha über alle Betriebe vorliege, sehr gering sei und zudem noch die klimatischen Voraussetzungen und geringe Bodenbonität wesentliche Nachteile in der Produktion mit sich brächten. Die produktionskräftigsten Betriebe in S. hätten im Durchschnitt Flächen wie die durchschnittlichen Betriebe in Oberösterreich zur Verfügung. Eine Festigung der Existenz der tragenden Betriebe in der Gemeinde sei aber auch mit einer Vermehrung ihrer Produktionsfläche verbunden, sodaß zur Erreichung dieses Zieles gute landwirtschaftliche Flächen wie die Aufforstungsfläche für die landwirtschaftliche Produktion erhalten werden sollten. Da gerade die Haupterwerbsbetriebe, die fast 50 % der landwirtschaftlichen Flächen der Gemeinde bewirtschafteten, und Nebenerwerbsbetriebe, bei denen die landwirtschaftliche Produktion eine maßgebliche Existenzsäule darstelle, ganz wesentlich zur Erhaltung der Kulturlandschaft beitrügen, sei deren Weiterbestand zweifelsohne in einem bedeutenden öffentlichen Interesse gelegen. Zur Sicherung landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsformen sei jedoch die Bereitstellungen bzw. Erhaltung guter Produktionsflächen unbedingt erforderlich. Die Behörde gehe daher davon aus, daß die Beibehaltung der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstückes Nr. 365/3 in einem gewichtigen öffentlichen Interesse gelegen sei. Außerdem weise die Gemeinde S. mit einem Waldanteil von 69 % eine der höchsten Bewaldungen Oberösterreichs auf und es sei insbesondere in den letzten Jahrzehnten sowohl in S. als auch in den umliegenden Gemeinden ein starker Waldflächenzuwachs feststellbar. Die "überwirtschaftlichen" Funktionen des Waldes (Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktion) würden auf Grund des hohen Bewaldungsprozentes zweifelsohne ausreichend erfüllt. Durch eine Aufforstung der verfahrensgegenständlichen Fläche würden allenfalls die Nutzfunktion des Waldes (Bereitstellung des Rohstoffes Holz) etwas verbessert werden, eine stärkere "überwirtschaftliche" Funktion könne jedoch nicht mehr erwartet werden. Die beantragte Umwandlung der landwirtschaftlichen Fläche in Wald würde somit im wesentlichen ausschließlich der beshwerdeführenden Partei Vorteile bringen. Aus der Tatsache, daß durch eine deutlich progressive Waldflächenzunahme in den letzten Jahrzehnten das Bewaldungsprozent der Gemeinde S. schon 69 % ausmache und aus den schlüssigen Ausführungen des forstfachlichen Amtssachverständigen klar hervorgehe, daß "überwirtschaftliche" Funktionen des Waldes ausreichend erfüllt würden, sei zwingend abzuleiten, daß kein erhöhtes öffentliches Interesse an der Durchführung der Neuaufforstung bestehe. Die Beurteilung der öffentlichen Interessen der Landeskultur ergebe somit vom Standpunkt des allgemeinen Besten aus gesehen, daß die Beibehaltung der landwirtschaftlichen Nutzung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes einer Umwandlung in Wald jedenfalls vorzuziehen sei. Dies bedeute, daß der beantragten Kulturumwandlung öffentliche Interessen der Landeskultur entgegenstünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde habe Gemeinschaftsrecht, welches österreichischem Recht vorgehe, außer acht gelassen. Selbst für den Fall aber, daß kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliege, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Die zugrundeliegenden Gutachten seien unvollständig. Übersehen werde, daß der Eigentümer einer zur Aufforstung beantragten Grundfläche keineswegs dazu verhalten werden könne, diese in irgendeiner besonderen Art und Weise zu nützen; es könne ihm lediglich die Aufforstung untersagt werden. Im übrigen bestünden auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes. Es sei strittig, ob dieses kompetenzrechtlich gedeckt sei. § 1 Abs. 2 des Oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes verstoße sowohl gegen das verfassungsgerechtlich geschützte Eigentumsrecht als auch gegen das Gleichheitsgebot. Es werde unsachlich in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentumssphäre der beschwerdeführenden Partei eingegriffen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 des Oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes, LGBl. Nr. 31/1958 (Kulturflächenschutzgesetz) dürfen Grundstücke, welche der landwirtschaftlichen Nutzung dienen oder Grundstücke, welche an landwirtschaftlich genutzte Grundstücke angrenzen, nur mit behördlicher Bewilligung (§ 2) in Wald umgewandelt werden. Als Umwandlung in Wald gilt auch die Duldung des natürlichen Anfluges.

Nach § 1 Abs. 2 leg. cit. ist die Bewilligung zu erteilen, soweit der Kulturumwandlung nicht öffentliche Interessen der Landeskultur entgegenstehen und soweit die Kulturumwandlung die Bewirtschaftung der angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke, insbesondere durch drohende Beschattung oder Durchwurzelung nicht beeinträchtigt. Die Bewilligung kann aus diesem Grunde mit der Auflage erteilt werden, daß entlang der fremden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke auf dem in Wald umzuwandelnden Grundstück ein Kulturschutzstreifen in einer Breite von drei bis fünfzehn Meter zu erhalten ist. Der Kulturschutzstreifen ist in einer Weise zu bewirtschaften, daß dadurch die angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke in ihrer Bewirtschaftung nicht beeinträchtigt werden.

Öffentliche Interessen der Landeskultur stehen einer Kulturumwandlung in Wald dann entgegen, wenn, vom Standpunkt des allgemeinen Besten aus gesehen, anderen zur Bewirtschaftung oder Verbesserung des Bodens in Betracht kommenden Maßnahmen, die sich tatsächlich und rechtlich verwirklichen lassen, der Vorzug vor der Umwandlung in Wald zu geben ist. Zur Lösung dieser Frage ist eine Interessenabwägung erforderlich, in die auch Vor- und Nachteile forstwirtschaftlicher Nutzung des Grundstückes vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus einzubeziehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1980, Slg. N.F. 10.215/A). Bei der Anwendung des Kulturflächenschutzgesetzes hat demnach eine Interessenabwägung stattzufinden, die sich am allgemeinen Besten zu orientieren hat. Einen unsachlichen Eingriff in das Eigentumsrecht ermöglicht das Gesetz daher nicht.

Die kompetenzrechtliche Grundlage des Kulturflächenschutzgesetzes stellt Art. 15 Abs. 1 B-VG dar.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Kulturflächenschutzgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof unter den von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Aspekten im Beschwerdefall nicht.

Unzutreffend ist auch die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die belangte Behörde habe das Gemeinschaftsrecht nicht beachtet. Die beschwerdeführende Partei erwähnt in diesem Zusammenhang die Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente, die Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88, die Verordnung (EWG) Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für umweltgerechte und den natürlichen Lebensraum schützende landwirtschaftliche Produktionsverfahren und die Verordnung (EWG) Nr. 2079/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Beihilferegelung für den Vorruhestand in der Landwirtschaft. Die genannten Verordnungen enthalten keine Regelungen, die sich mit jenen des Kulturflächenschutzgesetzes überschneiden und diesen in der Anwendung vorgingen. Aus ihnen ist auch für die Interpretation des Kulturflächenschutzgesetzes nichts zu gewinnen, da sie, soweit sie überhaupt die Stillegung landwirtschaftlicher Produktionsflächen beinhalten, nicht eine solche Stillegung schlechthin, sondern insbesondere eine Einschränkung umweltschädigender landwirtschaftlicher Produktionsweisen zum Ziel haben.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber deswegen als rechtswidrig, weil seine Begründung nicht ausreicht, um die Auffassung der belangten Behörde, der beantragten Umwandlung des Grundstückes Nr. 365/3 in Wald stünden öffentliche Interessen der Landeskultur entgegen, überprüfen zu können. Die belangte Behörde führt zwar im angefochtenen Bescheid an, eine Festigung der Existenz der "Betriebe" in der Gemeinde sei auch mit einer Vermehrung ihrer Produktionsfläche verbunden, sodaß zur Erreichung dieses Zieles gute landwirtschaftliche Flächen wie die Aufforstungsfläche für die landwirtschaftliche Produktion erhalten werden sollten. Es wird aber nicht erläutert, inwiefern die Verweigerung der beantragten Aufforstung diesen Ziel dienlich sein könnte. Die beschwerdeführende Partei kann weder zu einer bestimmten Nutzung ihres Grundstückes noch zu dessen Verkauf oder Verpachtung gezwungen werden. Andere landwirtschaftliche Betriebe in der Gemeinde können daher aus der Verweigerung der Aufforstung unter dem Aspekt einer Verbreiterung ihrer Betriebsbasis keinen Nutzen ziehen. Daß die Verweigerung der Aufforstungsbewilligung im Interesse des Betriebes der beschwerdeführenden Partei gelegen wäre, behauptet die belangte Behörde selbst nicht, sodaß sich auch eine Untersuchung der Frage erübrigt, ob und unter welchen Voraussetzungen dies eine Verweigerung der Aufforstung rechtfertigte.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997070195.X00

Im RIS seit

07.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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