TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 L518 2225605-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

L518 2225605-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Oberösterreich, GZ: OB: XXXX , vom 30.11.2018, beschlossen:

A)

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, dass der Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich vom 30.11.2018, GZ: OB: XXXX gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) BGBl. I Nr. 33/2013 idgF aufgehoben und zur Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen wird.

II. Das Mehrbegehren wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer (im Folgenden "BF" bzw. "bP" genannt) wurde nach am 28.11.2014 erfolgter klinischer Untersuchung wegen Suchterkrankungen, Suchterkrankung mit fortgeschrittenen körperlichen und psychischen Veränderungen und massiven Beeinträchtigungen im Alltag und Unmöglichkeit der Berufsausübung bei einem Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. ein Behindertenpass ausgestellt.

Eine Nachuntersuchung wurde in drei Jahren angesetzt

Mit Schreiben vom 30.3.2018, am 18.4.2018 bei der belangten Behörde (folglich "bB" bezeichnet) einlangend, beantragte der BF die Neuausstellung des Behindertenpasses, da dieser seine Gültigkeit verloren hat.

Zur Bescheinigung seines Vorbringens brachte der BF ein Konvolut von ärztlichen Schreiben in Vorlage.

Am 7.11.2018 wurde der BF einer klinischen Untersuchung durch Fr. Drin XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, zugeführt und erbrachte das Gutachten wegen Suchterkrankungen, soziale Phobien, Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung, mittelgradiege depressive Störung, stabil bei minimaler Substitution (Pos. Nr. 03.08.02, 50%); Wirbelsäulenbeschwerden, Z.n. Bandscheibenvorfall, keine neurologischen Ausfallserscheinungen (Pos. Nr. 02.01.01, 20%) und Sprunggelenksarthrose li, Z.n. Verplattung, Metallentfernung anempfohlen (Pos. Nr. 02.05.32, 20%) einen Gesamtgrad von 50 v.H.

Mit Schreiben vom 28.11.2018 wurde der BF in Kenntnis gesetzt, dass ein Gesamtgrad von 50 v.H. festgestellt wurde und am 30.11.2018 wurde dem BF ein Behindertenpass ausgestellt.

Mit Schreiben vom 12.12.2018, am 24.12.2018 einlangend, erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde.

Eine durch Dr. XXXX , FA für Neurologie und Psychiatrie, neuerlich erfolgte Gutachtenserstellung erbrachte wegen Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen, Emotional instabile Persönlichkeit mit starken emotionalen Schwankungen (Depression, Angst, Panik), Belastungsintoleranz, de facto weder berufl. Noch andersartig sozial integrierbar (Pos. Nr. 03.04.02, 70%); Suchterkrankung mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen, anhaltende Opiatabhängigkeit, auch Cannabinoid-Konsum, Substitutionstherapie (Compensan). Die Suchterkrankung hat zu anhaltenden psych. Veränderungen geführt. (Pos. Nr. 03.08.01, 30%); Funktionseinschränkung bis Versteifung einseitig li. Nach Verletzung des Fersenbeines, OP, sekundärer Arthrose des oberen und des unteren Sprunggelenkes und des Talometatarsal-Gel III li, Beeinträchtigung beim Gehen (Hinken) (Pos. Nr. 02.05.32, 20%) und Wirbelsäule - funktionseinschränkungen geringen Grades, Bandscheibenvorfall L5/S1 bei Spondylolyse und Spondylisthese, aktuell geringe Beschwerden (Pos. Nr. 02.01.01, 10%) einen Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H.

Da sich dieses Gutachten für die bB offensichtlich als nicht schlüssig erwies, wurde der BF für eine abermalige klinische Untersuchung und neuerlichen Erstellung eines Gutachtens geladen. Dieser Ladung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

Da zwischenzeitlich die Frist für die Beschwerdevorentscheidung verstrichen ist, wurde die Beschwerde an das BVwG weitergeleitet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen:

Da der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde, konnten keine Feststellungen getroffen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister und den im Akt befindlichen sonstigen relevanten Unterlagen.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrundelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der, gegen die Gutachten gerichteten, sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

In dem, für die Entscheidungsfindung der bB in Auftrag gegebenen, Sachverständigengutachten sowie auch dem neuem Gutachten vom 19.6.2019 wird nicht hinreichend auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP eingegangen. Insbesondere erweisen sich die Ausführungen, weshalb von der Einschätzung des jeweiligen Vorgutachtens abgewichen wird, als sehr rudimentäre bzw. oberflächliche Begründung geliefert. Ebenfalls wurde in den Gutachten die Abgrenzung zu anderen in Frage kommenden Positionsnummern aus medizinischer Sicht nicht hinreichend und substantiiert dargelegt, um sich ein abschließendes Bild machen zu können. Zwar wurden bei dem zur Entscheidung herangezogenen Gutachten die Suchterkrankung, soziale Phobien, der Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung, eine mittelgradige depressive Störung und eine dzt. gegebene Stabilität unter minimaler Substitution berücksichtigt, jedoch wurde nicht schlüssig dargelegt, wie sich diese sozialen Phobien oder die emotional instabile Persönlichkeitsstörung im Alltag auswirken.

Es genügt nach der Rechtsprechung des VwGH nicht, in einem ärztlichen Sachverständigengutachten die dauernde Gesundheitsschädigung darzustellen, vielmehr müssen in einem Gutachten die Auswirkungen der Gesundheitsschädigungen einer bP, also die Folgen der Beeinträchtigungen aufgezeigt werden. Dazu zählt insbesondere das Definieren der gesundheitlichen Leiden, sowie die daraus resultierenden Auswirkungen. Im konkreten Fall erweisen sich die Gutachten weder als schlüssig noch als nachvollziehbar. So wurden in den beiden erstgenannten Gutachten die Suchterkrankung mitsamt den daraus resultierenden Beeinträchtigungen wie soziale Phobien, der Verdacht der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und die mittelgradige Depression als führendes Leiden identifiziert und unterschiedlich bewertet, während im letztbezeichneten Leiden die Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen im Vordergrund stehend angesehen und die Suchterkrankung mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen nicht steigernd lediglich mit 30 v.H. bewertet wurden. Zudem wurde in diesem Gutachten vermerkt, dass keine Änderung zum Gutachten im Jahr 2014 besteht. Ungeachtet des Umstandes, dass das Bezugsgutachten das vom 26.11.2018 wäre, war festzustellen, dass das in Bezug genommene Gutachten von 2014 die Suchterkrankung mit der Positionsnummer 03.08.02 mit 70 v.H. heranzieht, während das letztgenannte Gutachten die Persönlichkeits- und Verhaltensstörung mit der Pos. Nr. 03.04.02 mit 70 v.H. als führendes Leiden definiert und sohin - entgegen den Ausführungen im Gutachten - sehr wohl eine Änderung vorliegt und einer eingehenderen Begründung bedurft hätte.

Da im vorliegenden Fall sich die Gutachten in maßgeblichen Punkten als erheblich widerstreitend darstellten und dem Beschwerdeführer das Parteiengehör vorenthalten wurde, erweist sich eine neuerliche Gutachtenserstellung als unerlässlich. Dabei wäre insbesondere zu begründen weshalb welches Leiden als führendes Leiden definiert wurde. Ebenso wäre eine Abgrenzung aus medizinischer Sicht zu anderen Positionsnummern schlüssig nachvollziehbar vorzunehmen.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist dadurch das Gutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar. Es fehlt gerade betreffend des Antragsbegehrens an einer ausführlichen Begründung.

Zusammenfassend erfüllt das, von der bB für seine Entscheidung herangezogene, Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden.

Zudem missachtete die bB den Grundsatz des Parteiengehörs und hätte die bB bei Einhaltung der gebotenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen ihre Entscheidung aufgrund einer anderen, nämlich umfassenderen Befund- und Beweislage getroffen.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und die in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Dies auch unter dem Aspekt, dass, um eine Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren treffen zu können, vorher vom Bundesverwaltungsgericht noch notwendige ergänzende Ermittlungen durch Einholung von weiteren Sachverständigengutachten vorzunehmen wären. Dementsprechend würde es das Verfahren iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht beschleunigen und auch keine Kostenersparnis mit sich bringen. Die Behörde ist in diesem Fall an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 46 2. Satz BBG beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zwölf Wochen.

Gegenständliche Entscheidungsform stellt nach Ansicht des ho. Gerichtes ein verfahrensökonomisches Instrument, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verfahrensbeschleunigende Wirkung dar, welches generell vorab durch die Behörde zu prüfen und einzelfallbezogen in Betracht zu ziehen wäre. Insoweit die bB die Notwendigkeit weiterer schlüssiger und nachvollziehbarer Gutachten erkannte, bestätigt diese die mangelnde Sachverhaltserhebung.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.3. Mangels Vorliegens einer bescheidmäßigen Erledigung hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung entzieht sich das in der Beschwerde vorgebrachte Begehren der Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" der Kognitionsbefugnis durch das Bundesverwaltungsgericht; dieses Mehrbegehren war daher zurückzuweisen. Insoweit ist der BF mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes an das Bundessozialamt zu verweisen.

3.4. Aus den angeführten Erwägungen wurde nach Ansicht des ho. Gerichtes das Ermittlungsverfahren der bB mangelhaft geführt und sind vor allem hinsichtlich der im Gutachten nicht berücksichtigten Beschwerden, welche dem Beschwerdevorbringen der bP zugrunde liegen, weitreichendere Ermittlungen zu führen und diese gegebenenfalls im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung durch die Erstbehörde zu berücksichtigen.

Diesbezüglich sei im Speziellen auf die Entscheidung des VwGH vom 08.08.2008, Zl. 2004/09/0124, hingewiesen, die besagt, dass Gegenstand der Gesamteinschätzung die durch das Zusammenwirken mehrerer Leiden bzw. Leidensmomente bewirkte Beeinträchtigung der gesamten körperlichen und seelischen Beschaffenheit des Behinderten in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben ist.

Steht der maßgebliche Sachverhalt fest oder ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Hierzu führt der VwGH aus, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im

§ 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Obig angeführte Ermittlungsmängel liegen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vor.

Zusammenfassend erfüllt das, von der bB für seine Entscheidung herangezogene, Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden.

Bei Einhaltung der gebotenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen hätte die bB ihre Entscheidung aufgrund einer anderen, nämlich umfassenderen Befund- und Beweislage getroffen.

Durch die Zurückverweisung wird die Rechtssache nicht materiell erledigt, sondern es handelt sich um eine prozessuale Entscheidung. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senats und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Da die gegenständliche Rechtssache für eine materielle Entscheidung mangels hinreichend feststehenden Sachverhaltes für den Senat noch nicht verhandlungs- bzw. entscheidungsreif war, ist unter Zugrundelegung der oben angeführten Erwägungen der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Dies auch unter dem Aspekt der Raschheit und Wirtschaftlichkeit iSd § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, da aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten des BVwG das anhängige Verfahren mit Sicherheit nicht rascher, sondern nur kostenintensiver im Vergleich zum Sozialministeriumservice, durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten, durchgeführt werden kann.

3.5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Im vorliegenden Fall stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war und das Mehrbegehren zurückzuweisen war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung iSd § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen konnte.

3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil im gegenständlichen Fall die Entscheidung als Einzelrichter gemäß § 6 BVwGG iVm § 28 Abs. 3 VwGVG von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diesbezüglich liegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes Gründe vor, insbesondere aufgrund der im

§ 45 Abs. 3 BBG normierten Senatszuständigkeit, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen.

In diesem Sinne ist die Revision zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, Kognitionsbefugnis, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Sachverständigengutachten,
Unzuständigkeit, Zurückweisung, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L518.2225605.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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