Entscheidungsdatum
29.11.2019Norm
ASVG §18bSpruch
W156 2216016-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau C XXXX D XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Stefan Hoffmann Dr. Thomas Herzog, Stadtplatz 19, 4840 Vöcklabruck, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 04.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird in Abänderung des
angefochtenen Bescheides festgestellt, dass die Beschwerdeführerin ab 1.11.2017 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG berechtigt ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahrensgang:
1.1.Die Beschwerdeführer (im Folgenden BF) brachte bei der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden PVA) am 17.09.2018 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen K XXXX J XXXX , geb.
XXXX , ein.
1.2. Mit Bescheid vom 04.10.2018 hat die PVA den Anspruch der BF auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege des nahen Angehörigen J XXXX K XXXX abgelehnt. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine eigene Leistung aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung vorliege. Es bestehe daher kein sozialversicherungsrechtlicher Nachteil, da die Erwerbstätigkeit weder eingeschränkt noch beendet werden habe müssen.
1.3. Dagegen erhob die BF rechtzeitig und zulässig Beschwerde. Die BF bringt darin vor, sie habe im November 2017 die Pflege des nahen Angehörigen übernommen und bereits zuvor die Pflege ihrer bereits verstorbenen Mutter übernommen. Für den nunmehr zu pflegenden Vater sei die Pflegestufe 3 mit einem Pflegebedarf von 137 Stunden monatlich festgestellt worden. Sie wohne mit ihrem Vater im selben Haushalt, es seien somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG erfüllt. Sie arbeite noch nach wie vor als selbständige Versicherungsmaklerin und einige Stunden als Versicherungsmaklerin und Beraterin in Versicherungsangelegenheiten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF, die ihren Wohnsitz im Inland hat, lebt mit ihrem nahen Angehörigen, J XXXX K XXXX , geb. XXXX im gleichen Haushalt und pflegt ihn seit November 2017.
Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 31.08.2018 wurde der Pflegebedarf für den nahen Angehörigen J XXXX K XXXX mit 137 Stunden monatlich festgestellt. Dieser bezieht Pflegegeld der Pflegestufe 3.
Seit 1.04.2017 bezieht der BF eine Alterspension nach dem GSVG.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und Einsichtnahme in das Zentralmelderegister. Der Sachverhalt ist soweit hier wesentlich unbestritten. Der festgestellte Pflegeaufwand ergibt sich aus dem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 31.08.2018 und wird von der PVA nicht in Frage gestellt. Ebenso wenig wird die Tatsache bestritten, dass die BF den nahen Angehörigen J XXXX K XXXX pflegt.
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt und erscheint auch nicht geboten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A): Berechtigung zur Selbstversicherung:
Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG in der anzuwendenden Fassung können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
Gemäß § 18b Abs. 1a ASVG ist die Selbstversicherung für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j ASVG auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
Gemäß § 18b Abs. 2 ASVG beginnt die Selbstversicherung mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
Gemäß § 18b Abs. 3 ASVG endet die Selbstversicherung mit dem Ende des Kalendermonats, in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
Gemäß § 18b Abs. 4 ASVG hat der Versicherungsträger ab dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.
Gegenstand des nun anhängigen Beschwerdeverfahrens:
Gegenstand des nun anhängigen Beschwerdeverfahrens ist die Berechtigung der BF zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG ab 1.11.2017.
Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob der der BF bescheidmäßig zuerkannte Anspruch auf eine laufende eigene Leistung aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung ihre Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG ausschließt.
Die in § 18b Abs. 3 ASVG ausdrücklich normierten Endigungsgründe zielen gemäß dem Wortlaut dieser Bestimmung auf die Beendigung insbesondere des Inlandswohnsitzes, auf die Beendigung der Betreuung in häuslicher Umgebung und auch auf die Beendigung der Angehörigeneigenschaft ab. Dazu kommt der Austritt der bisher selbstversicherten Person (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a (Stand: 1.8.2015, rdb.at).
Dass ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung die Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG ausschließen würde, ordnet § 18b selbst nicht ausdrücklich an.
Wie Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a (Stand: 1.8.2015, rdb.at) in RZ1 zur § 18b ASVG ausführt, bestand vor der Einführung des § 18b ASVG (BGBl I 2005/132) für pflegende Angehörige lediglich die Möglichkeit einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG, die dadurch begünstigt war, dass der Bund den fiktiven Dienstgeberanteil für die Beiträge zur Pensionsversicherung übernahm, wenn der/die Weiterversicherte eine Person betreute, die ein Pflegegeld zumindest der Stufe 3 bezog.
Für Pflegepersonen, die nicht unmittelbar vor der Aufnahme der Pflege der Versichertengemeinschaft als Pflichtversicherte angehört haben, und auch die begünstigte Selbstversicherung nach § 18a ASVG nicht in Anspruch nehmen konnten, sollte mit der Schaffung des § 18b ASVG eine sich aus der bis dahin geltenden Rechtslage ergebende "Lücke" geschlossen werden. Die Begünstigung besteht nun darin, dass für diese Selbstversicherung keine Beiträge zu zahlen sind, sondern diese zur Gänze vom Bund getragen werden.
Wie aus den erläuternden Bemerkungen 1111 der Beilagen XXII. GP zu § 18b ASVG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 132/2005 hervorgeht, sollten Zeiten dieser Selbstversicherung für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit nach § 4 Abs. 1 APG als Versicherungsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit gelten.
Daraus ist für den vorliegenden Fall zunächst abzuleiten, dass mit § 18b ASVG eine dem § 17 vergleichbare Möglichkeit der Selbstversicherung geschaffen werden sollte.
Während § 17 Abs. 1 ASVG die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung aber ausschließt, sobald die weiterversicherte Person in einer gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert ist oder einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung haben, enthält § 18b ASVG keine vergleichbare Ausschlussbestimmung.
Die Erläuterungen 1111 der Beilagen XXII. GP zu § 18b ASVG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 132/2005 führen im Gegenteil unmissverständlich aus, dass die neue Selbstversicherung auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit bestehen kann, da die Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG dann gewährt wird, wenn die Pflege bloß unter erheblicher Beanspruchung der Arbeitskraft des Pflegenden vorgenommen wird, wodurch grundsätzlich noch Raum für eine Erwerbstätigkeit bleibt.
Darüber, ob die Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG auch neben einem bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung weiterbestehen kann, äußern sich auch die genannten Erläuterungen nicht.
§18a ASVG, den der Gesetzgeber bei der bei der Schaffung des § 18b ASVG ebenfalls zur Orientierung herangezogen hat, sah zur Zeit der Schaffung des BGBl. I Nr. 132/2005 in § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG einen dem § 17 Abs. 1 ASVG vergleichbaren Ausschlussgrund vor:
§ 18a Abs. 1 Z 1 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 20/1994, BGBl. I Nr. 1/2002, BGBl. I Nr. 142/2004, BGBl. I Nr. 132/2005 schloss die Selbstversicherung für Zeiten aus, für die eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung bestand.
§ 18a Abs. 2 Z 1 ASVG wurde mit der Novelle BGBl I 2015/2, in Kraft seit 1.1.2015 gänzlich aufgehoben. Gleichzeitig wurde die in § 18a Abs. 1 ASVG normierte Anspruchsvoraussetzung der "gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft" in das Erfordernis der "überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft" geändert: § 18a ASVG wurde dem § 18b ASVG angeglichen.
Wie Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a (Stand: 1.8.2015, rdb.at) in RZ 15 zu
§ 18a ASVG ausführt, haben weder die Aufnahme einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit, die noch nicht als Wegfall des Tatbestandsmerkmales "erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft" verstanden werden kann, noch das Entstehen eines Eigenpensionsanspruches den Wegfall der Berechtigung zur Selbstversicherung zur Folge.
Sofern sich die belangte Behörde auf § 18b Abs. 5 ASVG bezeiht, ist das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass dieser dahingehend auszulegen ist, dass das Ende der Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG als Voraussetzung nach § 17 Abs. 1 Z 1 lit a ASVG zur anschließenden Weiterversicherung nach § 17 ASVG anzusehen ist, um diesen Personen weiterhin den Erwerb von Pensionszeiten zu ermöglichen. Ein Argument für den Ausschluss der Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG bei zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung kann darin allerdings nicht erblickt werden.
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die von der BF beantragte Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG aus dem Grund ihres Anspruches auf eine Alterspension nicht ohne weiteres ausgeschlossen ist.
Im nun vorliegenden Verfahren steht daher fest, dass die BF einen Wohnsitz im Inland hat und unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft einen nahen Angehörigen mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung pflegt.
Das von der PVA als Ausschlussgrund geltend gemachte Bestehen eines Eigenpensionsanspruches führt nicht zum Wegfall der verfahrensgegenständlichen Berechtigung zur Selbstversicherung. Einen anderen Ausschlussgrund hat die PVA nicht geltend gemacht und finden sich im vorgelegten Akt auch keine Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes hindeuten würden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt der Entscheidung die Beurteilung der Frage zugrunde, ob ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende eigene Leistung aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG ausschließt, wozu eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, in welcher diese Frage geklärt ist, fehlt, sodass die Revision für zulässig erachtet wird.
Schlagworte
Pensionsversicherung, Revision zulässig, SelbstversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W156.2216016.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.03.2020