Entscheidungsdatum
09.12.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W260 2214949-1/11E
Schriftliche Ausfertigung des am 29.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS, sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.01.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 13.07.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gilt und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
2. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.10.2018 erstatteten Gutachten vom 09.11.2018 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einem "Operierten Rectumcarcinom - ED 06/2018" und an "Leichtem Bluthochdruck" mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert ("vH") leide. Die belangte Behörde stellte dem Beschwerdeführer einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH aus.
Dem Gutachten ist weiters zu entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" nicht vorlägen.
3. Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.11.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.
4. Die Beschwerdeführerin gab dazu mit Schreiben vom 20.11.2018 eine Stellungnahme ab.
5. Zur Überprüfung des Vorbringens holte die belangte Behörde eine Stellungnahme des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin ein. Die aufgrund der Aktenlage am 07.01.2019 erstattete ärztliche Stellungnahme kam zum Ergebnis, dass im Hinblick auf den Antrag auf "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" keine geänderte Beurteilung erfolgen könne.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.
Dem Bescheid wurde die eingeholte Stellungnahme des Sachverständigen in Kopie beigelegt.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, legte weitere medizinische Unterlagen vor und gab bekannt, dass er den KOBV mit seiner Vertretung beauftragt habe.
8. Die belangte Behörde übermittelte mit Schreiben vom 21.02.2019 den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage, wo dieser am 22.02.2019 eingelangt ist.
9. Der Beschwerdeführer übermittelte mit Schreiben an die belangte Behörde vom 18.03.2019 weitere Beweismittel. Die belangte Behörde übermittelte die Befunde mit Schreiben vom 08.04.2019 an das Bundesverwaltungsgericht.
10. Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2019 darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde am 22.02.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt sei und dass gemäß § 46 BBG ab diesem Zeitpunkt von ihm als Beschwerdeführer keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürften.
11. Das Bundesverwaltungsgericht holte ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie auf Basis der Aktenlage vom 28.08.2019 ein. Darin kam die medizinische Sachverständige zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel trotz seiner Funktionsbeeinträchtigungen zumutbar sei.
12. Am 29.08.2019 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein der medizinischen Sachverständigen, des Beschwerdeführers und seiner bevollmächtigten Vertretung statt. Im Zuge dieser mündlichen Beschwerdeverhandlung brachte der Beschwerdeführer neuerlich seine Funktionsbeeinträchtigungen vor, und die medizinische Sachverständige erörterte ausführlich gemeinsam mit dem Beschwerdeführer das von ihr erstellte medizinische Gutachten und konnte sich der erkennende Senat ein Bild von den Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers machen.
Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.
Die bevollmächtigte Vertreterin des Beschwerdeführers beantragte in der mündlichen Verhandlung die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.09.2019 wurde die belangte Behörde gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG belehrt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen
1.1 Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2. Art der Funktionseinschränkungen:
-
Operiertes Rektum-Karzinom, Erstdiagnose 06/2018
-
Bluthochdruck
1.3. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Beim Beschwerdeführer liegt aufgrund des operierten Rektumkarzinoms im Juni 2018, der darauffolgenden Bestrahlung und Chemotherapie, eine gehäufte Stuhlfrequenz vor. Beim Beschwerdeführer liegt aber keine maßgebliche Schließmuskelinsuffizienz vor. Eine anhaltend schwere Erkrankung des Verdauungstraktes ist nicht gegeben. Aufgrund der Operation und darauffolgenden Therapie liegt beim Beschwerdeführer keine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.
Das Tragen eines Inkontinenzschutzes und das Benützen von Einlagen wegen Inkontinenz bewirken im Hinblick auf das Ausmaß der Gesundheitsschädigung (häufiger Stuhlgang bzw. leichte Stuhlinkontinenz) und die Planbarkeit (Wechsel der Einlagen vor Benützung des Verkehrsmittels) auch keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Therapiemöglichkeiten sind nicht ausgeschöpft.
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten.
Der Beschwerdeführer ist in der Lage, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen, die üblichen Niveauunterschiede, wie sie bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden sind, zu bewältigen. Das sichere Bewegen und Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen neurologischer, intellektueller oder psychischer Fähigkeiten vor.
Es gibt keinen Hinweis auf eine schwere, anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
Eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit liegt nicht vor.
Dem Beschwerdeführer ist die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 28.08.2019, basierend auf der Aktenlage, sowie die weiteren Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.08.2019, sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten wurde mit dem Beschwerdeführer, in Anwesenheit der Sachverständigen, anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.08.2019 ausführlich erörtert.
Der Beschwerdeführer leidet an einem Operiertem Rektum-Karzinom, Erstdiagnose 06/2018 und Bluthochdruck. Aufgrund der Einwendungen und der vorgelegten Befunde in der Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht eine medizinische Sachverständige für die mündliche Verhandlung bestellt. Die Sachverständige setzte sich im Aktengutachten sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausführlich mit den gesundheitlichen Schwierigkeiten des Verdauungsapparates des Beschwerdeführers auseinander.
Wie dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den vorgelegten Befunden zu entnehmen ist, wurde beim Beschwerdeführer ein Rektum-Karzinom diagnostiziert und dieses im Juni 2018 operativ entfernt. Im Anschluss daran folgten Bestrahlung und Chemotherapie. Der Beschwerdeführer behauptet, seither an unkontrollierbaren Stuhlgängen, mit einer Häufigkeit von bis zu 20 Stuhlgängen pro Tag, zu leiden, da die Nerven, welche den Schließmuskel steuern, bei der Operation durchtrennt worden wären. Die marktüblichen Inkontinenzprodukte wären nicht ausreichend und ihm wäre daher die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
Die Sachverständige legte in ihrem Gutachten und insbesondere mit ihren Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung ausführlich dar, dass beim Beschwerdeführer zwar eine gehäufte Stuhlfrequenz vorliegt, aber keine Stuhlinkontinenz, keine Schließmuskelinsuffizienz und keine anhaltend schwere Erkrankung des Verdauungstraktes dokumentiert ist (vgl. S 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). In ihrem Gutachten vom 28.08.2019 führte die Sachverständige aus, dass es nach intersphinktärer Rektumresektion im Allgemeinen zu Beeinträchtigungen der Stuhlentleerung kommt, bedingt durch teilweile Entfernung der Mechanorezeptoren, durch die Entfernung des oberen Anteils des M. sphincter ani internus und das eingeschränkte Stuhlaufnahmeverhalten. Es erfordert eine unterschiedliche lange postoperative Adaptions- und Gewöhnungszeit. Massive Durchfälle sind auf die Chemotherapie und Bestrahlung zurückzuführen, welche medikamentös behandelbar sind und sich nach Beendigung der Therapie wieder bessern bzw. zurückbilden. Diese Annahme der Gutachterin wird auch durch die Aussagen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung bekräftigt. Der Beschwerdeführer legte ein Protokoll über die tägliche Anzahl seiner Stuhlgänge und die Einnahme von Imodium Akut vor (vgl. S 5 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). Daraus geht hervor und gibt der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung auch an, dass die Frequenz der Stuhlgänge derzeit komplett unterschiedlich ist. Zwischen den Toilettengängen liege eine Phase von 20 bis 30 Minuten. Auch die Sachverständige führte aus, dass beim Beschwerdeführer jedenfalls eine vermehrte Stuhlfrequenz dokumentiert ist, wobei hier Frequenzen von fünf bis sechs Mal täglich, manchmal auch weniger oder teilweise mehr bis zu 20 Mal dokumentiert sind. Eine Schließmuskelschwäche bzw. Inkontinenz geht daraus nicht hervor.
Der Beschwerdeführer gab auch selbst an, bei Bedarf Imodium Akut und Entereobene zu nehmen.
Die Sachverständige führte dazu auch aus, dass aus dem vorgelegten Stuhlprotokoll ein Zusammenhang zwischen der Stuhlfrequenz und der Einnahme dieser Medikamente hervorgeht (vgl. S 11 und 15 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). Aus Sicht der Sachverständigen kann daher die Stuhlfrequenz medikamentös beeinflusst werden und ist daher auch eine Vorhersehbarkeit des Stuhlganges möglich. Imodium Akut und Enterobene haben als Nebenwirkung bei zu hoher Dosis Stuhleindickung und Verstopfung, eine Selbstdosierung ist aber zumutbar, und die Einnahme der Medikamente ist aus Sicht der Sachverständigen über einen langen Zeitraum möglich (vgl. S 15f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019).
Zusätzlich wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich und zumutbar, weitere Therapien in Anspruch zu nehmen, um die derzeit gehäufte Stuhlfrequenz zu verringern. Die Sachverständige legte in der Beschwerdeverhandlung dar, dass Therapiereserven bestehen. Eine Optimierung der medikamentösen Behandlung ist möglich. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Protokollen geht auch hervor, dass Imodium Akut wirksam ist. Es gibt zudem Möglichkeiten, die Funktion des Schließmuskels zu verbessern. Wie bereits im Gutachten dargelegt kommt es nach derartigen Operationen zu Stuhlentleerungsstörungen. Wiederum führte die Sachverständige aus, dass nach einer gewissen Gewöhnungszeit eine Verbesserung der Schließmuskelfunktion eintritt, diese Gewöhnungszeit kann unterschiedlich lange sein. Unterstützt kann diese Verbesserung der Funktion durch Schließmuskeltraining/ Beckenbodentraining werden. Es gibt auch physikalische Methoden das Füllungsvermögen des Enddarmes zu trainieren und es gibt Methoden, nämlich die sakrale Nervenstimmulation, mit der der Muskel tonisiert werden kann. Damit ist der Schließmuskel gemeint. Eine Therapierefraktion (nicht mehr beeinflussbar) sieht die Sachverständige als nicht gegeben an. Sowohl eine medikamentöse Therapie hinsichtlich Stuhlfrequenzregulierung, als auch eine Schließmuskeltonisierung sind gegeben (vgl. S 12f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). Der Beschwerdeführer gab diesbezüglich an, dass er nach Anraten seines Operateurs nur rein diätologische und pharmazeutische Maßnahmen gesetzt hätte. Beckenbodentraining hätte er noch nicht probiert, das wirke seiner Meinung nach bei Harninkontinenz und bei Frauen. Bei Stuhlinkontinenz hätte er damit seine Probleme (vgl. S 8 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). Der Beschwerdeführer hat daher noch nicht alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine Verbesserung seiner gesundheitlichen Probleme zu erreichen. Die von der Sachverständigen vorgeschlagenen Therapieoptionen sind auch mit der Chemotherapie samt bestehenden Metastasen des Beschwerdeführers vereinbar bzw. medizinisch indiziert und zumutbar (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019).
In der Beschwerde behauptete der Beschwerdeführer, dass bei der Operation der Schließmuskel bzw. ein Nerv beschädigt worden wäre, und er deshalb unter den unkontrollierbaren Stuhlgängen leide. Dazu führte die Sachverständige im Gutachten vom 28.08.2019 aus, dass aktuell kein Befund vorliegt, der eine nach wie vor bestehende maßgebliche Schließmuskelinsuffizienz belegt. In der Beschwerdeverhandlung befragt, ob durch die beim Beschwerdeführer vorliegende Durchtrennung einiger Nerven im Operationsbereich überhaupt noch ein Becken- oder Schließmuskeltraining möglich ist, sagte die Sachverständige unter Verweis auf ihr Gutachten, dass es sich bei der beim Beschwerdeführer vorgenommenen Tumoroperation um eine Schließmuskel-erhaltende Operation gehandelt hat, bei der lege artis der Oberrand des inneren Anteils des Schließmuskels entfernt wird. Der OP-Bericht vom 12.06.2018 beschreibt ein standardisiertes Vorgehen, ein Abweichen wird nicht beschrieben, das heißt es steht nicht, dass mehr, als nur der Oberrand entfernt worden ist (vgl. S 17 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019).
Hinsichtlich der mit Schreiben vom 18.03.2019 vorgelegten Befunde wurde der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung - wie bereits mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2019 erneut darauf hingewiesen, dass die neu vorgelegten Unterlagen der Neuerungsbeschränkung unterliegen und somit keine Berücksichtigung im Verfahren gefunden haben. Der Vollständigkeit halber wurde die Sachverständige in der Beschwerdeverhandlung gefragt, ob die in der Beweismittelvorlage vorgelegten medizinischen Unterlagen, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen, samt den heute vorgelegten Protokollbüchern das Ergebnis der Einschätzung ändern. Dazu gab die Sachverständige an, dass in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung vom Dr. FEIL vom 07.03.2019 eine Inkontinenz mit bis zu 20 Stuhlgängen pro Tag festgehalten wird. Es besteht eine Schließmuskelschwäche, eine Passagestörung, bedingt durch die Verwachsungen und die Neigung zu lokalen Entzündungen am verbleibenden Mastdarm. Nachdem es ihre Aufgabe ist, objektive Tatsachen für die Beurteilungen heranzuziehen, kann die Sachverständige in ihrer heute bereits vorgelegten Stellungnahme keine Änderung zum bisher getroffenen Ergebnis vorgeschlagen, weil es nicht ausreichend dokumentiert ist, dass es zu einer anhaltenden Schließmuskelschwäche und Stuhlinkontinenz beim Beschwerdeführer gekommen ist.
Weiters sind die möglichen therapeutischen Maßnahmen beim Beschwerdeführer nicht ausgeschöpft bzw. liegt keine Dokumentationen über Behandlungen vor.
Die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegte Bestätigung von Dr. FEIL bringt keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Die Tatsache, dass eine Schließmuskelschwäche angeführt wird, ist für die Beurteilung nicht ausreichend. Vor allem weil es dafür objektive Methoden gibt, diese zu verifizieren, und deswegen allein eine Anführung einer Schließmuskelschwäche für ein diesbezügliches Gutachten nicht ausreichend ist. Aus gutachterlicher Sicht ist die Anführung der Schließmuskelschwäche nicht ausreichend, um darauf ein Gutachten aufbauen zu können (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019).
In der Beschwerde behauptete der Beschwerdeführer, dass die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte nicht ausreichend sicher wären, um der Verunreinigung durch Stuhl vorzubeugen.
Dieser Behauptung kann nicht gefolgt werden.
In der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er als Inkontinenzprodukt Einlagen verwendet. Diese würde er den ganzen Tag tragen. Einlagen hätte er im Notfall immer dabei. Er würde auch Windeln verwenden. Die hätte er aber heute nicht mit, da sie zu viel Platz wegnehmen und unangenehm zu tragen wären. Die Sachverständige gab dazu an, dass es unzählige Produkte am Markt gäbe, die nur teilweise nach ihrer Größe benannt sind. Die vorgelegte Einlage ist vom Fassungsvermögen eine mittlere Größe. Ein Abdichten ist mit dieser nicht möglich. Eine Windel hat die Möglichkeit, abzudichten und schützt vor Verunreinigungen. Diese vorgelegte Einlage kann vor Verunreinigungen schützen, eine Abdichtung wie bei einem Durchfall kann nur die Windel gewährleisten (vgl. S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019).
Diese Angaben machen bereits deutlich, dass der Beschwerdeführer jedenfalls nicht an schweren, häufigen und unkontrollierbaren Durchfällen leidet, da er ansonsten sicherlich bei längeren Aufenthalten außer Haus eine Windel tragen würde.
Der erkennende Senat nahm in der Verhandlung auch Einsicht in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Belege von Rechnungen betreffend Hilfsmittel und Medikamente des Beschwerdeführers.
Es handelt sich um Rechnungen aus dem Jahr 2018 und 2019. Hierbei gilt es insbesondere zusammenzufassen, dass im Jahr 2018 vornehmlich Windel der Marke XXXX XXXX und im Jahresverlauf XXXX gekauft wurden. Im Jahr 2019 liegen keine Rechnungen für Windeln vor, jedoch für Einlagen von " XXXX vier Tropfen". Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass er noch Windeln vorrätig habe, diese kommen nicht mehr ca. seit März 2019 zum Einsatz (vgl. S 15f der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 29.08.2019). Auch diese Angaben machen deutlich, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nach der Operation verbessert hat, und dies auch mit den Ausführungen der Sachverständigen übereinstimmt.
Den vorgelegten Rechnungen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in letzter Zeit nur wenige Inkontinenzprodukte gekauft hat und insbesondere keine Windeln mehr braucht. Dies spricht aber auch dafür, dass die am Markt erhältlichen Inkontinenzprodukte derzeit jedenfalls ausreichend sind und selbst bei einer Verschlechterung seines Beschwerdebildes noch ausreichend Möglichkeiten (Nutzung von Windeln) bestehen, die zumutbar sind.
Hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 28.08.2019 aus, dass dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer Gehstrecke von rund 10 min, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m ist möglich ist. Eine maßgebliche Funktionseinschränkung, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erheblich erschweren könnte, ist nicht objektivierbar. Das Überwinden von Niveauunterschieden, wie zum Beispiel beim Ein-und Aussteigen in bzw. aus öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich. Eine relevante Einschränkung des Bewegungsumfangs der Gelenke der unteren Extremitäten liegt nicht vor.
Ein höhergradiges neurologisches Defizit, welches zu einer erheblichen Schwäche führen könnte, ist nicht objektivierbar.
Das sichere Bewegen und das Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich, eine erhebliche Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit liegt nicht vor. Das Anhalten ist nicht erschwert.
Eine kardiopulmonale Funktionseinschränkung oder anderweitige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar.
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen liegen nicht vor.
Bei operiertem Rektum-Karzinom 06/2018, Bestrahlung und Chemotherapie ist aktuell keine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit dokumentiert. Eine anhaltend schwere Erkrankung des Verdauungstraktes ist nicht ausreichend dokumentiert.
Es sind weder eine Immunschwäche nach Chemotherapie noch eine Immunerkrankung belegt, häufige Infektionen sind nicht durch ärztliche Befunde belegt.
Es sind daher auf Grundlage der vorgelegten medizinischen Unterlagen sowie der Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Einschränkungen im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen objektiviert.
Sämtliche vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde sind in der Beurteilung der Sachverständigen berücksichtigt. Die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.
Der Beschwerdeführer ist mit seinen Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung dem Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie im Lichte obiger Ausführungen nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 28.09.2019, beruhend auf der Aktenlage, sowie den weiteren Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.08.2019, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.01.2019 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 18/2017 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller
Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1
Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden...
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
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anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
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fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
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selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
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vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
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laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
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Kleinwuchs,
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gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
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bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar."
..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachten vom 28.08.2019 (Beilage ./2), beruhend auf dem Akteninhalt, sowie den Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.08.2019, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Ausgehend vom vorliegenden Sachverständigengutachten sind beim Beschwerdeführer aktuell weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren oder oberen Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen objektiviert. Insbesondere konnte keine anhaltend schwere Erkrankung des Verdauungstraktes objektiviert werden. Die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte sind ausreichend sicher um Verunreinigungen des Beschwerdeführers durch Stuhl vorbeugen.
Das Zurücklegen von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft, das Stehen sowie das sichere Ein- und Aussteigen (Überwinden von Niveauunterschieden) sind dem Beschwerdeführer durch die möglichen Bewegungsumfänge, die ausreichende Kraft und Koordination uneingeschränkt möglich.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2214949.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.03.2020