TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W209 2226203-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W209 2226203-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Gabriele STRAßEGGER und Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 15.11.2019 betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 30.09.2019 betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit von 01.10.2019 bis 25.11.2019 wegen Vereitelung einer möglichen Arbeitsaufnahme zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 30.09.2019 sprach die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 10 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit von 01.10.2019 bis 25.11.2019 (acht Wochen) aus. Begründend führte das AMS aus, dass der Beschwerdeführer eine mögliche Arbeitsaufnahme als Lagerangestellter beim Dienstgeber XXXX vereitelt habe, indem er sich nicht für diese ihm vom AMS zugewiesene Stelle beworben habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor bzw. hätten nicht berücksichtigt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer binnen offener Rechtsmittelfrist am 06.11.2019 Beschwerde.

3. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 15.11.2019 schloss das AMS die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 06.11.2019 gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Begründung aus, dass gegen den Beschwerdeführer bereits von 21.06.2019 bis 24.07.2019 eine Sperre des Leistungsbezugs wegen Arbeitsvereitelung verhängt worden sei und er nunmehr erneut durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom AMS zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt habe. Darüber hinaus würden gegen den Beschwerdeführer bereits Exekutionen laufen, welche die Einbringlichkeit der Forderungen des AMS bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen ließen. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck der §§ 9 und 10 AlVG unterlaufen. Das Vorgehen diene dem im öffentlichen Interesse gelegenen Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Dieses Ziel überwiege das mit der Beschwerde verfolgte Einzelinteresse.

4. Gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, die jedoch keine Gründe anführt, weshalb ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Insbesondere wurden keine Umstände dargelegt, die entgegen den Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen.

5. Am 05.12.2019 einlangend legte das AMS die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und teilte mit, von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.09.2019) nicht absehen zu wollen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der vorliegenden Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer steht seit 30.07.2015 durchgehend im Notstandshilfebezug.

Gegen ihn wurde bereits mit in Rechtskraft erwachsener Beschwerdevorentscheidung vom 03.09.2019 wegen Arbeitsvereitelung eine Sperre des Leistungsbezugs für die Zeit von 01.10.2019 bis 25.11.2019 verhängt.

Gegen ihn laufen bereits mehrere Exekutionen.

Der Beschwerdeführer legte in seiner Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht dar, inwiefern ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Insbesondere wurden keine Umstände dargelegt, die entgegen den Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen.

Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass seine Beschwerde gegen die Verhängung der beschwerdegegenständlichen Ausschlussfrist wahrscheinlich Erfolg haben wird.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur bestehenden Langzeitarbeitslosigkeit, zu der bereits verhängten Ausschlussfrist und zu den gegen den Beschwerdeführer laufenden Exekutionen sowie der Inhalt der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung stehen aufgrund der Aktenlage fest.

Der dem ersten Anschein nach unwahrscheinliche Erfolg seiner Beschwerde gegen den Anspruchsverlust für die Zeit von 01.10.2019 bis 25.11.2019 ergibt sich aus dem Umstand, dass nicht bereits aufgrund der Aktenlage erkennbar ist, dass die gegenständliche Ausschlussfrist zu Unrecht verhängt wurde. So hat das AMS (erst im Zuge der Beschwerde in der Hauptsache vom Verwaltungsgericht zu überprüfende) Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Einstellung des Leistungsbezugs gerechtfertigt wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden hat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören. Gegenständlich liegt daher Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung von der Behörde mit Bescheid ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die Entscheidung über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra 2016/09/0035) (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG auch VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer kein Vorbringen darüber erstattet, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde. Insbesondere wurden keine Umstände dargelegt, die entgegen den Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen. Auch ist prima facie nicht ersichtlich, dass seine Beschwerde gegen die Einstellung des Leistungsbezugs wahrscheinlich Erfolg haben wird. Eine Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers an der Weiterzahlung der Notstandshilfe mit den beschriebenen öffentlichen Interessen an der Wirksamkeit von Maßnahmen iSd § 10 Abs. 1 AlVG und an der Einbringlichkeit von Rückforderungsansprüchen ergibt somit im Lichte der oben angeführten Judikatur ein Überwiegen der öffentlichen Interessen.

Angesichts der vom AMS festgestellten Umstände des Einzelfalls (Langzeitarbeitslosigkeit, laufende Exekutionen), welche die Einbringlichkeit der Forderungen des AMS bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos erscheinen lassen, ist vorliegend von einem derartigen Nachteil für die berührten öffentlichen Interessen auszugehen, sodass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug auch dringend geboten ist.

Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war daher gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Mit der gegenständlichen Entscheidung wird einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorgegriffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2226203.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten