TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 W211 2179139-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2179139-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der beschwerdeführenden

Partei gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei ist ein Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte am XXXX 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Die beschwerdeführende Partei gab im Rahmen ihrer Erstbefragung am XXXX .2016 an, aus Damaskus zu stammen und sunnitischen Glaubens zu sein. Ihre Ehefrau, zwei Töchter, ihre Mutter, einen Bruder eine Schwester würden noch in Syrien leben. Syrien habe sie im Jänner des Jahres 2016 illegal über die Grenze zur Türkei verlassen. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die beschwerdeführende Partei an, sie habe ihr Heimatland wegen des Krieges und der allgemeinen Unsicherheit verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie getötet zu werden.

3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX .2017 gab die beschwerdeführende Partei an, aus dem Bezirk XXXX in Damaskus zu stammen. Sei in von ihr zuvor vorgelegten Dokumenten als Geburtsort XXXX angegeben, so wisse sie nicht weshalb, jedoch stamme ihre Familie ursprünglich aus XXXX . Zwar habe sie in Damaskus acht Jahre lang die Schule besucht, sei jedoch des Lesens nicht mächtig. In Damaskus habe sie in einer Konditorei gearbeitet, die jedoch geschlossen worden sei. Mehrere ihrer Verwandten, darunter ihre zwei Kinder würden sich noch in Syrien befinden. Syrien habe sie verlassen, weil sie als Reservist wieder eingezogen worden wäre. Einen abermaligen Einberufungsbefehl habe sie jedoch noch nicht erhalten. Auch befürchte sie, von der freien syrischen Armee (FSA) zwangsrekrutiert zu werden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III). Die Behörde stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei Syrien aufgrund der allgemein schlechten Lage verlassen habe. Nicht festgestellt wurde, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Heimatland einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. gegenwärtig ausgesetzt wäre. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei erst im Jahr 2016 ausgereist sei und sich eine Einberufung als Reservist somit nicht als plausibel erweise. Weiter spreche auch der Umstand, dass sich die beschwerdeführende Partei kurz vor ihrer Ausreise im Jänner des Jahres 2016 einen Reisepass ausstellen lassen habe, gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Fluchtgeschichte. Schließlich bestehe auch die Möglichkeit, sich vom Militärdienst befreien zu lassen.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der im Wesentlichen auf die Wehrpflicht bzw. den Reservedienst in Syrien verwiesen wurde.

6. Mit Schreiben der Rechtsberatung der beschwerdeführenden Partei vom XXXX .2018 legte diese Integrationsunterlagen vor.

7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX .2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.

8. Mit Schreiben vom XXXX .2019 legte die Rechtsberatung der beschwerdeführenden Partei eine Kopie einer "Mitteilung zum Reservedienst" samt Übersetzung vom XXXX .2019 vor.

9. Am XXXX .2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei sowie ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX .2019 für die Teilnahme an der Verhandlung.

10. Am XXXX .2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage bei der Staatendokumentation mit der Bitte um nähere Informationen über die Praxis der Einberufung von Reservisten in Syrien, deren Beantwortung am XXXX .2019 einlangte.

11. Mit Schreiben vom XXXX .2019 nahm die Rechtsberatung der beschwerdeführenden Partei zu der Anfragebeantwortung vom XXXX .2019 Stellung und führte unter anderem aus, dass die früher geltenden Altersgrenzen, Aufschübe zum Militärdienst oder Ausnahmen nun nicht mehr gelten würden und die gegenwärtige Praxis der Einberufungen von Willkür geprägt sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein Staatsangehöriger Syriens, die am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischen Glaubens.

Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Bezirk XXXX in Damaskus-Stadt.

Die Ehefrau, zwei Töchter und die Mutter der beschwerdeführenden Partei leben in XXXX in Damaskus-Stadt. Ihr Vater ist bereits verstorben. Eine Schwester der beschwerdeführenden Partei lebt in Kuwait, eine in Aleppo und eine weitere in der Türkei.

Die beschwerdeführende Partei hat in Damaskus acht Jahre lang die Schule besucht und anschließend in einer Konditorei gearbeitet.

1.1.3. Die beschwerdeführend Partei ist strafrechtlich unbescholten und gesund.

1.2. Es wird festgestellt, dass sich der Bezirk XXXX in Damaskus-Stadt unter der Kontrolle der syrischen Regierung befindet.

Die beschwerdeführende Partei reiste im Jänner des Jahres 2016 illegal aus Syrien in die Türkei ein.

Die beschwerdeführende Partei hat ihren Wehrdienst in Syrien bereits in den Jahren von 2008 bis 2010 abgeleistet, jedoch befindet sie sich nach wie vor im wehrfähigen Alter.

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.

Die beschwerdeführende Partei hat nach ihrer Ausreise aus Syrien einen Einberufungsbefehl der Militärbehörde XXXX , mit der Aufforderung ab November des Jahres 2018 seinen Reservedienst anzutreten, erhalten.

Der beschwerdeführenden Partei droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr die reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, und sie ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die beschwerdeführende Partei hat Syrien verlassen, damit sie sich ihrer Wehrdienstverpflichtung als Reservist in Syrien entziehen kann.

Männer im wehrfähigen Alter werden an Checkpoints hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

a) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 13.05.2019 (Auszüge):

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Befreiung und Aufschub Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Befreiung und Aufschub

Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Regierungsangestellte können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Auch medizinische Gründe können Befreiung oder Aufschub bedingen. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden (FIS 14.12.2018). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, mittlerweile wird der Status der Studenten jedoch aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren (BFA 8.2017). Einem Bericht zufolge gibt es nun in Bezug auf ein Studium als Befreiungsgrund auch Altersgrenzen für den Abschluss des Studiums. Ein weiterer Bericht gibt an, dass gelegentlich Studenten trotz einer Befreiung bei Checkpoints rekrutiert wurden (FIS 14.12.2018).

Syrische Männer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis im Ausland können sich gegen Zahlung eines "Wehrersatzgeldes" vom Wehrdienst befreien lassen. Laut Wehrpflichtgesetz Art. 46 von 2012 beträgt diese Zahlung je nach Wohnort zwischen 4.000 und 5.000 USD. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom August 2014 müssen bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren 8.000 USD bezahlt werden. Für im Ausland geborene und weiterhin wohnhafte Syrer im wehrpflichtigen Alter beträgt diese Zahlung 2.500 USD. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018).

Es gibt Beispiele, wo Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017). Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens

Die Fortbewegung in der Stadt Damaskus hat sich Berichten zufolge seit Mai 2018 und der damaligen Wiedereroberung von oppositionellen Gebieten durch die Regierung verbessert, da z.B. seither weniger Checkpoints in der Stadt betrieben werden. Die Checkpoints werden von den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden bemannt. Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, wenn sie aus oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder dort wohnen, oder auch wenn sie Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensgleichheit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Checkpoints führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann recht willkürlich sein. Die fehlende Rechtssicherheit und die in Syrien im Verlauf des Konfliktes generell gestiegene Willkür verursacht auch Probleme an Checkpoints (FIS 14.12.2018).

Rückkehr

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren. Laut einem Anwalt, seien drei Männer weniger als drei Monate nach ihrer Rückkehr von Europa nach Syrien inhaftiert worden und sind im Gefängnis verstorben, laut Totenscheinen an Herzproblemen. Ein Rückkehrer berichtet, am Flughafen Damaskus festgenommen, in einmonatiger Haft unter Gewalt befragt, und danach zum Wehrdienst eingezogen worden zu sein. Weitere Rückkehrer berichteten, dass ihre Reisepässe konfisziert wurden, damit sie das Land nicht mehr verlassen können. Ein ehemaliges Mitglied der Opposition wurde trotz dessen "Versöhnung" mit der syrischen Regierung nach mehreren Monaten zum ersten Mal und danach zwei weitere Male für insgesamt 18 Monate inhaftiert (IT 17.3.2018).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht (UNHCR 18.3.2019).

b) Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX .2019:

1. Gewünscht sind nähere Informationen über die Praxis der Einberufung von Reservisten in Syrien, z.B. Aussehen der Einberufungsbefehle, etc.

[...]

Zusammenfassung:

Einer der nachfolgend zitierten Quellen von Jänner 2018 ist zu entnehmen, dass Reservisten wie Rekruten einberufen werden. Entweder erhalten sie eine Benachrichtigung des Rekrutierungsbüros, oder sie werden über öffentliche Aufrufe im Fernsehen, Radio oder über die Presse einberufen. Eine Einberufung könnte z.B. so ablaufen, dass das militärische Registrierungsbüro (Idarat al-Sajalat al-Askariya) in Damaskus eine bestimmte Anzahl von Reservisten anfordert. Das Büro sendet die entsprechende Liste mit den Namen von Reservisten, die an einem spezifischen Ort leben, an das lokale Rekrutierungsbüro (Sho'bat al-Tajneed). Das lokale Rekrutierungsbüro beordert in der Folge einen lokalen Polizisten zur Adresse des Reservisten. Auf diese Weise wird die Aufforderung, sich beim Rekrutierungsbüro zu melden, direkt am Wohnort der betroffenen Person übergeben. Wird die Person dort nicht angetroffen, wird ein Familienmitglied aufgefordert, den Antrag zu unterschreiben.

Laut einer Quelle aus dem Jahr 2014 wird die Einberufung als Reservist wie die Einberufung in den Militärdienst individuell ausgehändigt. An Checkpoints werden die Männer überprüft, ob sie eine Einberufung als Rekruten oder Reservisten bei sich haben. Eine Quelle von Jänner 2019 spricht von Benachrichtigungen [orig. notifications], die die Reservisten bekommen, und nach deren Erhalt sie sich in einem bestimmten Zeitraum melden müssen.

Einzelquellen:

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist ein Dachverband von Hilfswerken, welche sich für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz einsetzen. In einer Auskunft der SFH-Länderanalyse von Juni 2019 finden sich die folgenden Informationen:

Öffentliche Bekanntmachung der Einberufung.

Gemäss den Informationen des Danish Immigration Service (DIS) werden die Einberufungsrunden (Dawra) sowohl für Rekruten wie auch für Reservisten öffentlich über Fernsehen, Radio oder Presse bekannt gemacht.2 Mehrere Kontaktpersonen bestätigten dieses Vorgehen gegenüber der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).3 Die Namen werden jedoch nicht veröffentlicht, sondern nur die Nummern der Dawra.4 Laut einer syrischen Kontaktperson der SFH werden im Ausland Einberufungsbefehle über die syrischen Botschaften ausgestellt.5 Listen mit Namen liegen nur den Behörden vor. Laut den Informationen eines Syrien-Experten veröffentlicht das syrische Regime grundsätzlich keine Listen. Sie liegen lediglich intern den zuständigen Behörden vor; im Falle der Einberufungslisten sind dies die lokalen Rekrutierungsbüros. Die Veröffentlichung solcher Listen ist strafbar und gilt als Landesverrat.6

Schweizerische Flüchtlingshilfe (11.6.2019): Syrien: Fahndungslisten und Zaman al Wasl, Auskunft der SFH-Länderanalyse, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/syrien/190611-syr-zaman.pdf, Zugriff 10.9.2019

In einer Auskunft der SFH-Länderanalyse von Jänner 2018 finden sich die folgenden Informationen:

Öffentliche Bekanntmachung der Einberufung.

Gemäss den Informationen von DIS werden Einberufungsrunden sowohl für Rekruten wie auch für Reservisten öffentlich über Fernsehen, Radio oder über die Presse bekannt gemacht.40 Kontaktpersonen der SFH bestätigen dieses Vorgehen.41 [...] Reservisten werden wie Rekruten einberufen. Entweder erhalten sie eine Benachrichtigung des Rekrutierungsbüros, oder sie werden über öffentliche Aufrufe im Fernsehen, Radio oder über die Presse einberufen.47 Gemäss den Informationen von DIS erfolgt die Einberufung von Reservisten zum Beispiel nach einem Antrag einer Division der Armee an das militärische Registrierungsbüro (Idarat al-Sajalat al-Askariya) in Damaskus, in dem eine bestimmte Anzahl Personen mit einer bestimmten Qualifikation angefordert wird. Das Military Registration Office sendet die entsprechende Liste mit den Namen von Reservisten, die an einem spezifischen Ort leben, an das lokale Rekrutierungsbüro (Sho'bat al-Tajneed). Das lokale Rekrutierungsbüro beordert in der Folge einen lokalen Polizisten zur Adresse des Reservisten. Auf diese Weise wird die Aufforderung, sich beim Rekrutierungsbüro zu melden, direkt am Wohnort der betroffenen Person übergeben. Ist die Person dort nicht erreichbar, wird ein Familienmitglied aufgefordert, den Antrag zu unterschreiben. 2015 gingen Quellen des DIS davon aus, dass Reservisten aufgrund ihres Alters oder ihrer Qualifikationen einberufen werden.48 Einige Quellen des DIS wiesen 2017 darauf hin, dass heute nicht nur besonders qualifizierte Reservisten einberufen werden, sondern die Einberufung auch Reservisten ohne besondere Qualifikationen betrifft. Das Ausmass der Einberufung von Reservisten unterscheide sich von Region zu Region.49 Gemäss den Informationen einer Kontaktperson werden viele Reservisten anhand des Datums ihrer Einberufungsrunde eingezogen.50

Wie auch bereits von der SFH beschrieben, gehen die von DIS befragten Quellen davon aus, dass Männer über 42 Jahre als Reservisten eingezogen werden.51

Schweizerische Flüchtlingshilfe (18.1.2018): Syrien: Vorgehen der syrischen Armee bei der Rekrutierung, Auskunft der SFH-Länderanalyse,

https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/syrien/180118-syr-rekrutierung.pdf, Zugriff 10.9.2019

In einer Auskunft der SFH-Länderanalyse von Juli 2014 finden sich die folgenden Informationen:

Wie bereits erwähnt, wurde 2011 geschätzt, dass die syrische Armee über zwischen 280'000 und 450'000 Reservisten verfügt. In Kriegszeiten werden Reservisten einberufen. Die Einberufung als Reservist wird wie die Einberufung in den Militärdienst individuell ausgehändigt. 2011 berichteten verschiedene Quellen wie die Agence France-Presse (AFP) oder der Christian Science Monitor über die Einberufung von Reservisten in den aktiven Militärdienst. Etwa 60 Prozent der Reservisten seien der Einberufung gefolgt.40 Seit Ende 2012 werden immer mehr Reservisten in den Militärdienst einberufen. Tausende sollen 2012 einen Einberufungsbefehl erhalten haben.41 [...] An Checkpoints werden die Männer überprüft, ob sie eine Einberufung als Rekruten oder Reservisten bei sich haben. Männer, die militärpflichtig sind, brauchen sowohl für einen Pass, wie auch für eine staatliche Arbeitsstelle oder sogar für Heiratszertifikate eine Bewilligung der Armee. Dies macht das Umgehen der Einberufung als Reservisten schwierig. Viele entziehen sich der Einberufung trotzdem, fliehen oder verstecken sich. Es gibt Schätzungen, wonach sich nur etwa die Hälfte der einberufenen Reservisten beim Militär meldet.45 Ist eine Einberufung erlassen, bleibt sie gültig, auch wenn sich die Person nicht meldet.46 Personen, die während ihres Auslandaufenthaltes zum Wehrdienst einberufen werden, können bei ihrer Einreise durch die syrischen Behörden identifiziert werden, da der Name auf einer entsprechenden Suchliste zu finden ist.47

Schweizerische Flüchtlingshilfe (30.7.2014): Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, Auskunft, Alexandra Geiser, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlerer-osten-zentralasien/syrien/syrien-rekrutierung-durch-die-syrische-armee.pdf, Zugriff 10.9.2019

Diyaruna ist laut eigenen Angaben eine Website, die vom USCENTCOM (United States Central Command) finanziert wird, und durch bilaterale und multilaterale Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zu größerer regionaler Stabilität beitragen soll. Unter Berufung auf lokale Aktivisten berichtet Diyaruna am 28.12.2018, dass das syrische Regime Männer in den von ihm kontrollierten Gebieten versammelt, um sicherzustellen, dass sie ihren obligatorischen Militärdienst leisten. Das Regime habe sein Versprechen gegenüber denjenigen, die für den Reservedienst gesucht worden seien, gebrochen, indem es ein früheres Dekret zurückgenommen habe, in dem angekündigt wurde, dass Tausende von Namen von den Listen gestrichen und vom Dienst befreit worden seien. Die Möglichkeit, anstelle des Wehrdienstes eine Gebühr zu zahlen, wurde inzwischen aufgehoben. "In vom Regime kontrollierten Gebieten herrschen tiefe Ressentiments wegen des weitreichenden Einsatzes der Militärpolizei in allen Regionen und der Verfolgung von Männern und Jugendlichen unter 42 Jahren", so der Aktivist Mohammed al-Beik aus Ost-Ghouta. "Die Regionen Südsyriens, insbesondere Daraa und seine Umgebung, kochen vor Wut über die willkürlichen Verhaftungen von Jugendlichen über 18 Jahren aufgrund von Einberufungen zum Militär- und Reservistendienst", so der Aktivist Jumaa al-Masalma aus Daraa. Diese Verhaftungen fänden trotz der Vereinbarung zwischen den Bewohnern und dem Regime statt, ihren Dienst um mindestens ein Jahr zu verschieben. Darüber hinaus wäre durch die Vereinbarung mit dem Regime, die den Rückzug von oppositionellen Kämpfern aus der Region und die Übergabe ihrer Waffen vorsieht, eine große Zahl von Jugendlichen vom Militärdienst befreit worden, so al-Masalma.

The Syrian regime has been rounding up men in areas under its control to ensure they fulfill their mandatory military service, local activists tell Diyaruna. In response to this crackdown, thousands of men under the age of 42 who reside in regime-held areas have fled or gone into hiding, they said. "The Syrian regime has begun to tighten enforcement of the mandatory military and reserve service," Syrian lawyer Bashir al-Bassam told Diyaruna. [...] This effort is being undertaken in order to alleviate the manpower shortage in the ranks of the army, he said. The shortage stems from heavy losses on the battlefronts, the evasion of military and reserve service by thousands of youth opposed to the regime, and the defection of thousands of soldiers since the outbreak of the Syrian conflict, he explained.

[...] The regime broke its promise to those wanted for reserve duty, he said, by going back on a previous decree in which it had announced that thousands of names had been taken off the lists and excused from service. The option of paying a fee in lieu of military service has now been rescinded.

[...] "Deep resentment prevails in regime-controlled areas because of the wide-scale deployment of military police in all regions and pursuit of men and youth under the age of 42," said activist Mohammed al-Beik, of Eastern Ghouta. [...] Regime forces have imposed a blockade on Eastern Ghouta, and are conducting daily raids to round up young men for their mandatory military service, al-Beik said. This is being done even though, per the truce agreements, youth in the region are allowed a one-year exemption period, he added.

"Southern Syria regions, especially Daraa and its environs, are boiling with anger over the random arrests of youth over the age of 18 for conscription and reserve duty," Daraa activist Jumaa al-Masalma told Diyaruna. These arrests are taking place despite the agreement reached between residents and the regime to postpone their service for at least one year, he said. Additionally, per the agreement with the regime that stipulated that opposition fighters withdraw from the region and hand over their weapons, a large number of youth would be exempted from military service, he said. "The majority of the youth who are arrested are taken to hot spots in Idlib and Deir Ezzor, even though the agreement stipulates that after the passage of one year, their area of service would be Daraa or southern Syria," al-Masalma said.

Diyaruna (28.12.2018): Syria clamps down on conscription dodgers, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2018/12/28/feature-01, Zugriff 10.9.2019

SMART News Agency ist eine 2011 von oppositionellen syrischen Aktivisten in Frankreich gegründete Online-Nachrichtenagentur, die sich hauptsächlich mit Syrien befasst. Sie veröffentlicht ihre Beiträge hauptsächlich in arabischer Sprache aber auch gelegentlich auf Englisch. SMART News Agency gilt als das größte unabhängige syrische Mediennetzwerk.

Am 27.1.2019 wird in einem Artikel berichtet, dass syrische Regierungskräfte junge Männer an temporären Checkpoints in der Stadt Damaskus verhaftet haben, um sie zum verpflichtenden Militärdienst einzuziehen. Aktivisten berichten, dass die syrische Militärpolizei bei den Busstationen Jisr al-Ra'ees, al-Maramika, al-Sumaria und al-'Abaseen patrouilliert, und nach jungen Männern für die Rekrutierung sucht, nachdem neue Listen von für den Reservedienst gesuchten Männern veröffentlicht worden waren.

On Sunday, the Syrian government forces arrested young men at temporary checkpoints in the city of Damascus, Southern Syria, for compulsory military recruitment. [...] Activists reported that the Syrian government forces' Military Police patrols the Jisr al-Ra'ees, al-Baramika, al-Sumaria and al-'Abaseen bus stations searching for young men wanted for recruitment, after new lists of wanted reservists were published.

Smart News Agency (27.1.2019): Syrian government forces arrest young men in Damascus for compulsory recruitment, https://smartnews-agency.com/en/wires/360431/syrian-government-forces-arrest-young-men-in-damascus-for-compulsory, Zugriff 10.9.2019

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) ist eine in Großbritannien ansässige Organisation, die in Opposition zur syrischen Regierung steht und Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Syrien sammelt und diese veröffentlicht. Am 6.1.2019 berichtet SOHR, dass vertrauenswürdige Quellen bestätigt haben, dass Regimekräfte Listen mit mehr als 15.000 Personen veröffentlichten, die für den Reservedienst in den Provinzen Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) gesucht werden. Personen, die zum Reservedienst eingezogen werden sollen, haben nach Erhalt der Benachrichtigung [orig. notification] maximal 15 Tage Zeit, um sich zu melden. In den Rekrutierungsbüros der im Süden von Rif Damasq gelegenen Städte, wie Babbila, Yalda und Beit Sahm, wurden am 3.1.2019 circa 3.500 junge Menschen benachrichtigt, dass sie sich innerhalb der nächsten 48 Stunden nach Erhalt der Benachrichtigung melden müssen; diejenigen, die das nicht tun, müssen mit Strafverfolgung rechnen.

Reliable sources confirmed to the Syrian Observatory for Human Rights that regime's authorities issued lists of more than 15 thousand people wanted for reserve service in the provinces of Damascus and Rif Dimashq, the reliable sources confirmed to the Observatory that a circular had been issued for these lists, and that the people wanted for the reserve service are required to hand themselves within a maximum of 15 days after being notified, where the Syrian Observatory monitored the military police of the regime intensifying their patrols in the neighborhoods of Damascus city, searching for wanted people, along with intensive searching, where these patrols stop the passersby randomly to search them and to carry out security clearance and check their names with the list of the wanted people, and several intersected sources confirmed that daily arrests are taking place in the 2 provinces against at least 25 people from several of the neighborhoods of the city, while the Syrian Observatory monitored a few days ago that the recruitment departments in the towns of the south of Rif Dimashq; "Babbila, Yalda, and Beit Sahm", have notified about 3500 young people on Thursday, the 3rd of January, that they need to hand themselves over within 48 hours of receiving the notification, and those who don't will put themselves under security and legal prosecution, [...]

Syrian Observatory for Human Rights (6.1.2019): The Provinces of Damascus and Rif Dimashq witness the issuance of lists of more than 15 thousand people wanted for reserve service and the regime intensifies its patrols in search of wanted for the compulsory recruitment, http://www.syriahr.com/en/?p=111652, Zugriff 10.9.2019

Reliable sources confirmed to the Syrian Observatory for Human Rights that regime's authorities issued lists of more than 15 thousand people wanted for reserve service in the provinces of Damascus and Rif Dimashq, the reliable sources confirmed to the Observatory that a circular had been issued for these lists, and that the people wanted for the reserve service are required to hand themselves within a maximum of 15 days after being notified, where the Syrian Observatory monitored the military police of the regime intensifying their patrols in the neighborhoods of Damascus city, searching for wanted people, along with intensive searching, where these patrols stop the passersby randomly to search them and to carry out security clearance and check their names with the list of the wanted people, and several intersected sources confirmed that daily arrests are taking place in the 2 provinces against at least 25 people from several of the neighborhoods of the city, while the Syrian Observatory monitored a few days ago that the recruitment departments in the towns of the south of Rif Dimashq; "Babbila, Yalda, and Beit Sahm", have notified about 3500 young people on Thursday, the 3rd of January, that they need to hand themselves over within 48 hours of receiving the notification, and those who don't will put themselves under security and legal prosecution, [...]

Syrian Observatory for Human Rights (6.1.2019): The Provinces of Damascus and Rif Dimashq witness the issuance of lists of more than 15 thousand people wanted for reserve service and the regime intensifies its patrols in search of wanted for the compulsory recruitment, http://www.syriahr.com/en/?p=111652, Zugriff 10.9.2019

7D News ist eine englischsprachige Website, die 2018 gegründet wurde, sich auf Inhalte aus der arabischsprachigen Welt konzentriert, und, laut eigenen Angaben, zwischen den Kulturen vermitteln und Frieden und Diversität fördern möchte. Am 2.11.2018 wird in einem Artikel berichtet, dass die syrische Armee im Verlauf der Krise einige Male Reservisten einberufen hat. Hierbei wurden grundsätzlich Männer mit besonderen militärischen Fähigkeiten im Alter zwischen 18 und 42 ausgewählt. Die Liste der gesuchten Männer wurde fast täglich an Checkpoints im Landesinneren und an den Grenzübergängen aktualisiert. Einige Syrer mussten bis zu sieben Jahre Militärdienst ableisten, bevor sie entlassen wurden. Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge wird über eine Dienstentbindung für Reservisten in der syrischen Armee, sowie für Wehrpflichtige diskutiert, die aufgrund eines Gesetzes, welches die Dienstverlängerung bei Bedarf ermöglicht, bereits seit mehreren Jahren gedient haben. Die Zahl der für den Reservistendienst infrage kommenden Männer wird auf 800.000 geschätzt. Das Streichen ihrer Namen von den Fahndungslisten wird als wichtiger Ansporn für eine Rückkehr nach Syrien angesehen.

The Syrian army has made several calls for reserve forces throughout the crisis, which basically involves choosing men with certain military skills between 18-42 years old, to report to the reserve forces. The list of wanted men was updated almost daily at checkpoints inside the country and the country's border crossings. Some Syrians were forced to serve up to seven years before being relieved from military duty.

On the other hand, Defense Minister Ali Ayoub announced the discharge of reserve forces in the Syrian army, as well as the conscripts, who have been serving for many years during the war as a result of a law to keep them while needed, is being discussed at the People's Assembly and Defence Ministry. The new decision aims at facilitating the return of thousands of young Syrians from abroad and the return of refugees as well. It noted that number of men eligible for the reserve forces is estimated at 800,000, and scraping their names off the wanted list will be important to encourage people to return to Syria. MP Nabil Saleh, in a Facebook post, quoted Defence Minister Ayoub as saying that Assad had ordered studying the possibility of demobilising all reserve servicemen. Pro-government Al-Watan newspaper later reported that the pursuit of eligible young men who have failed to report to the reserve forces in the Syrian army will be halted and their names will be deleted from the wanted list at airports and border crossings.

7D News (2.11.2018): Syria's Military Draft Discourages Refugee Return,

https://7dnews.com/news/syria-s-military-draft-discourages-refugee-return, Zugriff 10.9.2019

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der beschwerdeführenden Partei, zu ihrer Staatsangehörigkeit und den Familienverhältnissen beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens, teilweise bereits auf den Feststellungen des angefochtenen Bescheides sowie auf dem Verwaltungsakt (Kopie Familienbuch, Personalausweis, Zivilregisterauszug, Reisepass AS 207ff).

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft und Schulbildung sowie zur Berufstätigkeit in Syrien ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens. Die Feststellung zu ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit fußt auf einem Strafregisterauszug.

2.3. Die Feststellung, dass der Bezirk Bezirk XXXX in Damaskus-Stadt unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht, basiert auf einer Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/ im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Hinsichtlich der Ausreise der beschwerdeführenden Partei gilt es anzumerken, dass diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft angab, im Jänner des Jahres 2016 aus Syrien in die Türkei illegal ausgereist zu sein, trotz der Ausstellung eines Reisepasses durch die syrischen Behörden kurz zuvor, weil der türkische Grenzübergang geschlossen gewesen sei (siehe Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). Tatsächlich befindet sich in der im Akt befindlichen Kopie des Reisepasses der beschwerdeführenden Parte kein syrischer Ausreisetempel (AS 97ff). Aus diesem Grund kann aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts angenommen werden, dass die Ausreise der beschwerdeführenden Partei illegal erfolgte.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei ihren Wehdienst in Syrien in den Jahren von 2008 bis 2010 abgeleistet hat, ergibt sich aus der im Akt befindlichen vorgelegten Kopie einer Bestätigung über die Ableistung des Wehdienstes (AS 195-205).

Die Feststellungen, dass der beschwerdeführenden Partei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee bzw. dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen oder für seine Weigerung eine Bestrafung droht, deren Ausmaß aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation bis zur extralegalen Tötung reichen kann, stützen sich maßgeblich auf dem Länderinformationsblatt bzw. der mit Schreiben vom XXXX .2019 vorgelegten Kopie einer "Mitteilung zum Reservedienst" samt Übersetzung vom XXXX .2019 sowie dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen der beschwerdeführenden Partei.

Zu ihren Befürchtungen, als Reservist von der syrischen Regierung einberufen zu werden, brachte die beschwerdeführende Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .2019 Folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"[...] RV legt vor: eine Kopie und eine Übersetzung einer Mitteilung zum Reservedienst.

R: Das wurde erst nach Ihrer Ausreise ausgestellt.

P: Ja, ich habe Syrien verlassen, aus Angst, dass ich das Schriftstück bekomme und einrücken muss. Als ich Syrien verlassen hatte, dann ist das Schreiben nach Hause gekommen. Als das Schreiben angekommen ist, war ich nicht mehr in Syrien.

R: Ich werde dazu soweit möglich eine Echtheitsprüfung machen lassen.

An welche Adresse ging dieses Schreiben?

P: Zu uns nach Hause, wir haben in Syrien keine Anschriften wie hier. Auf Nachfrage, war die Polizei bei mir zu Hause und hat nach mir gefragt. Sie wollten mich deswegen, damit sie mir dieses Schreiben geben und mich als Reservist einberufen. Meine Mutter hat es abfotografiert und mir zugeschickt. Ich habe es ausdrucken lassen und übersetzen lassen und habe es meinem Vertreter gegeben. [...]"

Und:

"[...] R: Sie waren beim Militär, haben ein Militärbuch, sind wegen des Reservedienstes ausgereist. Können Sie mir sagen, welche Militärbehörde für Sie zuständig ist?

P: In XXXX habe ich gedient, aber mein Militärbuch wurde ausgestellt in XXXX .

R: Und wo ist jetzt das Militäramt XXXX ?

P: In XXXX . [...]"

Hinsichtlich der vorgelegten Kopie einer "Mitteilung zum Reservedienst" samt Übersetzung vom XXXX .2019 ist auszuführen, dass die erkennende Richterin am tatsächlichen Erhalt der als Einberufungsbefehl zu wertenden Mitteilung nicht zweifeln kann. Die von der beschwerdeführernden Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Ausführungen zum Rekrutierungsvorgang als Reservist wirken insbesondere deshalb glaubhaft, da sie sich mit den Informationen der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX .2019 decken, wonach Rekrutierungen derart ablaufen, dass das militärische Registrierungsbüro (Idarat al-Sajalat al-Askariya) in Damaskus eine bestimmte Anzahl von Reservisten anfordert und die entsprechende Liste mit den Namen von Reservisten, die an einem spezifischen Ort leben, an das lokale Rekrutierungsbüro (Sho'bat al-Tajneed) sendet, welches in der Folge einen lokalen Polizisten zur Adresse des Reservisten beordert. Auf diese Weise wird die Aufforderung, sich beim Rekrutierungsbüro zu melden, direkt am Wohnort der betroffenen Person übergeben. Wird die Person dort nicht angetroffen, wird ein Familienmitglied aufgefordert, den Antrag zu unterschreiben. Dabei wird nicht übersehen, dass die vorgelegte Benachrichtigung vom Leiter der Militärbehörde XXXX ausgestellt wurde, die beschwerdeführende Partei jedoch angab, aus Damaskus zu stammen. Vor dem Hintergrund, dass die beschwerdeführende Partei ihren Wehrdienst laut vorgelegter Urkunde über die Ableistung des Militärdienstes in XXXX abdiente (AS 199), vermag die erkennende Richterhin hierin aber keinen Widerspruch zu erkennen. Es konnte somit die Feststellung erfolgen, dass die beschwerdeführende Partei nach ihrer Ausreise aus Syrien einen Einberufungsbefehl der Militärbehörde XXXX mit der Aufforderung, ab November des Jahres 2018 ihren Reservedienst anzutreten, erhalten hat.

Wie sich aus den Länderberichten ergibt, hat die syrische Armee durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen, Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Den Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht.

Es kommt maßgeblich darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren; alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage; es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, zu Einberufungen auch von Männern, die ihren Wehrdienst bereits abgeleistet haben und zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben) und dem persönlichen Profil der beschwerdeführenden Partei (als gesunder Staatsbürger im nach wie vor wehrfähigen Alter, der bereits einen Einberufungsbefehl erhalten hat) ergibt sich, dass eine Person mit diesen Voraussetzungen in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden und dabei - wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt - u.a. gegen Protestierende und gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt zu werden.

Daher würde die beschwerdeführende Partei als gesunder Mann im wehrfähigen Alter, der bereits einen Einberufungsbefehl als Reservist erhalten hat, wahrscheinlich (erneut) zum Militärdienst eingezogen und unter anderem zur Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen gezwungen werden. Durch ihren Auslandsaufenthalt entzieht sich die beschwerdeführende Partei jedoch dem Militärdienst und wäre daher im Fall einer Rückkehr der Gefahr der Verhaftung und Bestrafung bis hin zu Misshandlungen und Folter ausgesetzt. Bei der Rückkehr von erfolglosen Asylwerbern nach Syrien kommt es nämlich zu einer Befragung an der Grenze. Es kann daher angenommen werden, dass aufgrund der Wehrdienstentziehung eine regimekritische Haltung der beschwerdeführenden Partei erblickt wird.

Die Rückkehrbefürchtungen der beschwerdeführenden Partei stellen sich daher - vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen -als plausibel dar.

2.4. Die Feststellungen zu 1.3. fußen auf dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 13.05.2019 und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom XXXX .2019. Sie beruhen auf den folgenden Detailquellen:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 13.05.2019:

-

AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jord anien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 13.12.2018

-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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