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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Antrags auf subsidiären Schutz hinsichtlich einer Familie afghanischer Staatsangehöriger; keine Bezugnahme auf das Nichtbestehen einer internen Schutzalternative für die Familie in Kabul nach der UNHCR-Richtlinie; keine ausreichende Prüfung familiärer Unterstützungsmöglichkeiten sowie einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Herat und Mazar-e SharifRechtssatz
Der VfGH kann sich, soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten mit der Begründung abgewiesen werden, den Beschwerdeführern sei eine Rückkehr in die Stadt Kabul zumutbar, darauf beschränken, auf VfGH 30.11.2018, E3870/2018, hinzuweisen; daraus ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass das angefochtene Erkenntnis keine Bezugnahme auf den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechende, hinreichend aktuelle Länderberichte enthält:
Bei den vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) bezogenen Länderfeststellungen handelt es sich um solche aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation auf dem Stand vom 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 25.09.2017) sowie das Gutachten vom 05.03.2017, ZBVwG-160.000/0001-Kammer A/2017. Auf dieser Grundlage geht das BVwG davon aus, dass die Beschwerdeführer durch eine Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würden, eine Verletzung ihrer durch Art2 und Art3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr 6 und 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Kabul sei eine "ausreichend sicher[e]" und auf dem Luftweg gut zu erreichende Stadt. Die durch vereinzelte Anschläge bestehenden Gefährdungsquellen seien in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen. Zudem sei die Versorgung der Bevölkerung zumindest grundlegend gesichert. Eine Gefährdung des Lebens der minderjährigen Kinder sei "in einer relativ sicheren Gegend wie Kabul nicht ersichtlich", zumal die erhöhte Gefahr für Kinder, Opfer von Kinderarbeit, Unterernährung oder Missbrauch zu werden bzw getötet zu werden vor allem Straßen- und Waisenkinder betreffe.
Das BVwG setzt sich nicht damit auseinander, dass nach den - unmittelbar einschlägigen - UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 "angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist". Das BVwG hat weder ausdrücklich Bezug auf diese aktuellen UNHCR-Richtlinien genommen, noch hat es den zu beurteilenden Sachverhalt mit der in diesen Richtlinien dargestellten Sicherheitslage inhaltlich in Bezug gesetzt. Daran vermag grundsätzlich auch nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführer - eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern - im vorliegenden Fall nicht im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in die Stadt Kabul verwiesen werden, sondern von dort stammen. Das BVwG hat die Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Kabul insbesondere mit dem regelmäßigen Kontakt der Beschwerdeführer mit der Familie der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers und dem damit verbundenen Rückhalt begründet, jedoch keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob diese Angehörigen tatsächlich willens und in der Lage sind, die vierköpfige Familie zu unterstützen.
Das BVwG hat aber auch im Hinblick auf die Städte Herat und Mazar-e Sharif das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ohne Weiteres bejaht und sich dabei auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung etwa 23 Monate alte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie das Gutachten gestützt. Abgesehen davon, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative für eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern grundsätzlich nur bei Vorhandensein eines entsprechenden Netzwerkes in Betracht kommt, das tatsächlich fähig und bereit ist, Unterstützung zu leisten, enthält das angefochtene Erkenntnis auch insoweit keine hinreichend aktuellen Länderberichte.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:E472.2019Zuletzt aktualisiert am
25.02.2020