TE Vwgh Erkenntnis 1964/5/21 0184/64

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Veröffentlicht am 21.05.1964
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Index

Abgabenverfahren

Norm

BAO §111 Abs1
BAO §143
BAO §144 Abs1
NO 1871 §37
NO 1871 §5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Schmid und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des AB in D, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. Dezember 1963, Zl. GA VIII-148/2/63, betreffend Zwangsstrafe nach § 111 BAO, nach, durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Wilhelm Kaan, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberfinanzrates Dr. FR, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien hat mit Bescheid vom 6. November 1962 über den Beschwerdeführer gemäß § 111 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), nach vorheriger schriftlicher Androhung eine Zwangsstrafe in Höhe von S 500,-- verhängt. Der Grund hiefür war die Weigerung des Beschwerdeführers, am 13. und 28. September 1962 zum Zweck einer Gebührennachschau durch behördliche Prüfungsorgane Handakten aus seiner Kanzlei an Ort und Stelle vorzulegen.

In der gegen diese Verfügung erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er die Vorlage der Handakten "lediglich hinsichtlich derjenigen Tätigkeitsgebiete" verweigert habe, auf die sich § 159 BAO nicht beziehe. Es sei ihm zufolge § 37 der Notariatsordnung vom 25. Juli 1871, RGBl. Nr. 75 (NO), "zwingend" eine Verschwiegenheitspflicht auferlegt, die er in allen Fällen befolgen müsse, in denen ihm das Gesetz die Möglichkeit zur Wahrung dieser Pflicht auch gegenüber Behörden einräumt. Sein Standpunkt sei auch durch die Vorschriften des § 34 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267/1957 (GebG), im Zusammenhalte mit §§ 321 Abs. 1, 143 Abs. 3, 171 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 und 172 Abs. 1 BAO gedeckt. Der Beschwerdeführer berief sich überdies auch auf den Beschluß des Deutschen Bundesfinanzhofes vom 11. Dezember 1957, BStBl. 1958, III S. 86.

Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochtenen Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. Dezember 1963 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, beim Beschwerdeführer habe am 13. September 1962 eine Gebührennachschau nicht vorgenommen werden können, weil dieser die Einsicht in Handakten verweigert habe. Mit Bescheid vom 18. September 1962 sei er aufgefordert worden, bei einer weiteren für den 27. September 1962 vorgesehenen Gebührennachschau sämtliche Akten und Aufzeichnungen (also auch die Handakten) vorzulegen, widrigenfalls eine Zwangsstrafe von S 500,-- festgesetzt werden würde. Die angesagte Gebührennachschau habe wegen der fortgesetzten Weigerung des Beschwerdeführers, die Handakten vorzulegen, nicht stattfinden können. Darauf sei die Zwangsstrafe in der angedrohten Höhe verhängt worden. Nach § 31 Abs. 2 Z. 1 lit. a GebG sei der Notar zur ungeteilten Hand mit den Vertragspartnern zur Anzeige jener Rechtsgeschäfte verpflichtet, die unter seiner Mitwirkung abgeschlossen werden. Sei der Notar als Parteienvertreter tätig, hafte er bei schuldhafter Verletzung seiner Anzeigepflicht nach § 9 BAO. Der Notar hafte überdies jedenfalls gemeinsam mit dem Gebührenschuldner für die Entrichtung der Gebühren bei Rechtsgeschäften, über die Urkunden unter seiner Mitwirkung errichtet oder ausgefertigt werden. Somit sei ein Notar, soweit er für die Gebühren persönlich haftet, Abgabepflichtiger im Sinne des § 72 Abs. 2 BAO (gemeint ist offenbar § 77 Abs. 2) und gehöre damit zum Kreise jener Personen, bei denen gemäß § 144 BAO Nachschau gehalten werden könne. In Ausübung der Nachschau dürften sodann die Abgabenbehörden die Vorlage der Aufschreibungen und aller sonstigen für die Abgabenerhebung maßgeblichen Unterlagen verlangen und in. diese Einsicht nehmen (§ 144 Abs. 2 BAO). § 37 NO sehe keineswegs eine absolute Verschwiegenheitspflicht oder eine Verschwiegenheitspflicht der Abgabenbehörde gegenüber vor, sondern bestimme lediglich, daß der Notar den Beteiligten zur Verschwiegenheit über die vor ihm stattgehabten Verhandlungen verpflichtet ist. Die behördlichen Organe, die Nachschau oder Prüfung halten, könnten aber nicht als Beteiligte der notariellen Tätigkeit angesehen werden, sodaß ihnen gegenüber auch § 37 NO nicht angewendet werden könnte. Auch der Hinweis auf einen Beschluß des Deutschen Bundesfinanzhofes gehe ins Leere, da sich die Verpflichtung zur Vorlage der Handakten aus den Bestimmungen des Gebührengesetzes 1957 und aus der Bundesabgabenordnung ableiten.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 111 Abs. 1 der auf den vorliegenden Fall bereits anzuwendenden Bundesabgabenordnung, die gemäß ihrem § 223 Abs. 1 am 1. Jänner 1962 in Kraft getreten ist, sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lassen, durch Verhängung von Zwangsstrafen zu erzwingen. Im vorliegenden Falle hat das Finanzamt im Zug einer Nachschau vom Beschwerdeführer die Vorlage von Handakten verlangt, es hat, als diese verweigert wurde, eine Erzwingungsstrafe für den Fall angedroht, daß bei Wiederholung der Nachschau abermals die Vorlage der Handakten verweigert werden würde und es hat, als der Beschwerdeführer auch bei dieser späteren Nachschau die Vorlage der Handakten verweigerte, gegen ihn eine Erzwingungsstrafe festgesetzt. Die belangte Behörde hat diese Festsetzung bestätigt. Die Verhängung dieser Erzwingungsstrafe war aber nach dem Gesetze nur dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung des Finanzamtes, die Handakten vorzulegen, auf Grund der gesetzlichen Befugnisse des Finanzamtes zulässig war. Die belangte Behörde erachtete die betreffende Anordnung des Finanzamtes für gesetzmäßig, der Beschwerdeführer bestreitet dies und beruft sich, um die Gesetzmäßigkeit seiner Weigerung darzutun, auf § 37 NO und auf §§ 159, 171 und 172 BAO.

Nach § 37 NO ist der Notar, soweit er nicht nach diesem Gesetze Mitteilungen aus seinen Akten zu machen hat, den Beteiligten zur Verschwiegenheit über die vor ihm stattgehabten Verhandlungen verpflichtet. Der Beschwerdeführer leitet daraus zum Schutze der Interessen der rechtsuchenden Parteien eine zwingende Verschwiegenheitspflicht für den Notar ab, die die Behörde gemäß § 159 BAO insoweit auch bei Durchführung allgemeiner Aufsichtsmaßnahmen gegen sich gelten lassen müssen Die belangte Behörde bestreitet demgegenüber, daß den Notaren durch § 37 NO eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht auferlegt worden sei. Sie beruft sich auf den Wortlaut dieses Gesetzes, demzufolge der Notar "den Beteiligten" gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, und meint, daß die Verschwiegenheitspflicht nur "gegenüber den Beteiligten" einzuhalten sei. Da nun die Abgabenbehörden nicht als "Beteiligte" anzusehen seien, könne diesen gegenüber eine Verschwiegenheitspflicht nach der angeführten Rechtsvorschrift nicht bestehen. Diese Auslegung des § 37 NO ist jedoch abwegig. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die Partei davor zu schützen, daß Angelegenheiten, mit denen sie einen Notar als Person ihres Vertrauens bekannt macht, ohne ihre Einwilligung unbeteiligten dritten Personen bekannt werden. Es wäre verfehlt, anzunehmen, daß die Verschwiegenheitspflicht nur gegenüber den Auftraggebern des Notars einzuhalten wäre, denen die betreffende Angelegenheit ohnehin bekannt ist. Die gesetzliche Auferlegung einer Pflicht zur Verschwiegenheit kann doch nur dann einen Sinn haben, wenn sie denen gegenüber einzuhalten ist, die nicht an der betreffenden Angelegenheit beteiligt waren. Deshalb ist der Notar verpflichtet, über alle Angelegenheiten, die ihm bekannt geworden sind, weil die Parteien ihm entweder ihr Vertrauen geschenkt haben oder infolge der gesetzlichen Bestimmungen, die in bestimmten Sachen eine zwangsweise Mitwirkung eines Notares vorsehen, ihm ihr Vertrauen schenken mußten, gegenüber jedermann Stillschweigen zu bewahren. Nur solche Angelegenheiten nimmt die Notariatsordnung von der Pflicht zur Verschwiegenheit aus, über die er nach diesem Gesetze selbst aus seinen Akten Mitteilungen machen muß. Eine solche Ausnahme ist aber bei jenen Angelegenheiten, die dem Notar im Sinne des § 5 der Notariatsordnung zusätzlich zu den im § 1 des Gesetzes übertragenen Aufgaben zur Besorgung eingeräumt wurden und die dieser berufsmäßig nur auf Verlangen der Parteien auszuführen hat, nicht vorgesehen. In solchen Angelegenheiten kann der Notar nur mit Zustimmung aller an solchen Angelegenheiten beteiligten Personen Auskünfte erteilen oder Einsicht in die Akten gewähren. Eine solche Entbindung ist im Streitfalle von keiner Seite behauptet worden. Der Beschwerdeführer konnte sich somit auf die umfassende im § 37 NO ausgesprochene Verschwiegenheitspflicht berufen, soweit diese nicht durch gegenteilige Vorschriften des Abgabenrechtes eingeschränkt war. Ob im vorliegenden Falle solche Einschränkungen bestanden, ist nunmehr zu untersuchen.

Die belangte Behörde behauptet nun, die Verschwiegenheitspflicht der Notare sei den Abgabenbehörden gegenüber auch durch besondere Vorschriften des Abgabenrechtes eingeschränkt. Sie hat zunächst auf § 31 Abs. 2 Z. 1 lit. a GebG hingewiesen. Nach dieser Vorschrift sind Notare zur Anzeige von Rechtsgeschäften, die unter ihrer Mitwirkung im Inland abgeschlossen werden, verpflichtet. Daraus hat die belangte Behörde abgeleitet, daß der Notar, wenn er im Einzelfall als Parteienvertreter tätig war, bei schuldhafter Verletzung der ihn treffenden Anzeigepflicht gemäß § 9 BAO für die Abgabe haftet. Sie hat ferner auf § 30 Z. 3 GebG hingewiesen. Nach dieser Vorschrift haften die Notare gemeinsam mit den Gebührenschuldnern für die Entrichtung der Gebühren, soweit unter ihrer Mitwirkung Urkunden über gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte errichtet oder ausgefertigt werden. Daraus, daß die Notare unter den angeführten Umständen eine persönliche Haftung für Gebühren trifft, hat die belangte Behörde schließlich gefolgert, daß die Notare gemäß § 72 Abs. 2 BAO (gemeint ist offenbar § 77 Abs. 2) zu den abgabepflichtigen Personen gehören, bei denen kraft § 144 BAO Nachschau gehalten werden könne, und daß im Zug einer solchen Nachschau die Abgabenbehörden die Vorlage der Aufschreibung und aller sonstigen für die Abgabenerhebung maßgebenden Unterlagen (darunter würden auch die Handakten des Beschwerdeführers fallen) verlangen und darin Einsicht nehmen können.

Aus den Verwaltungsakten geht nun hervor, daß das Finanzamt beim Beschwerdeführer ohne einen besonderen Anlaß eine Gebührennachschau durchführen wollte und daß es also in Durchführung allgemeiner Aufsichtsmaßnahmen im Sinne der §§ 143 und 144 BAO tätig geworden ist. (Dies räumt die belangte Behörde ausdrücklich ein und der Beschwerdeführer bestreitet es nicht.)

Nach § 143 Abs. 1 BAO ist die Abgabenbehörde zur Erfüllung der ihr nach § 114 BAO obliegenden Aufgaben - dazu zählt auch die gleichmäßige Erfassung aller Abgabepflichtigen gemäß den Abgabevorschriften - berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen, wobei die Auskunftspflicht jedermann trifft, und zwar auch dann, wenn es sich im Einzelfalle nicht um die persönliche Abgabepflicht desjenigen handelt, von dem die Auskunft verlangt wird. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle schließt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung auch die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere schriftliche Unterlagen, die für die Feststellung von Abgabenansprüchen von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsicht in sie zu gestatten. Nach § 144 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde für Zwecke der Abgabenerhebung auch Nachschau halten und nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle im Zug einer solchen Nachschau unter anderem auch die Vorlage aller für die Abgabenerhebung maßgeblichen Unterlagen verlangen und in diese Einsicht nehmen. Diese Nachschau kann die Behörde auch bei Personen halten, die nicht nach den abgabenrechtlichen Vorschriften Bücher oder Aufzeichnungen zu führen haben, wenn Grund zur Annahme besteht, daß gegen diese Personen Abgabenansprüche gegeben sind, die auf andere Weise nicht festgestellt werden können. Dies bestreitet auch der Beschwerdeführer nicht. Er beruft sich aber auf §§ 159, 170 und 171 BAO. In § 159 BAO wird ausgesprochen, daß die in § 158 BAO für alle Dienststellen der Körperschaften des öffentlichen Rechtes - soweit sie nicht als gesetzliche Berufsvertretungen tätig sind - und für die Österreichische Nationalbank in ihrer Eigenschaft als Überwachungsstelle für die Devisenbewirtschaftung angeordnete Beistandspflicht auch für Ersuchschreiben an Notare gilt, soweit sich das Ersuchen auf die Tätigkeit der Notare im Rahmen ihres gesetzlichen Wirkungskreises als Gerichtskommissäre oder auf Notariatsakte mit Ausnahme der noch nicht kundgemachten letztwilligen Anordnungen bezieht, und daß die Beantwortung solcher Ersuchschreiben nicht mit dem Hinweis auf gesetzliche Verpflichtungen zur Verschwiegenheit abgelehnt werden darf. Durch die Vorschriften der §§ 158 und 159 BAO ist jedenfalls klargestellt, daß sich die Beistandspflicht der Notare nur auf Angelegenheiten erstreckt, die deren Tätigkeit im Rahmen ihres gesetzlichen Wirkungskreises als Gerichtskommissäre berühren oder sich auf Notariatsakte beziehen. Eine solche Beistandspflicht trifft die Notare aber nicht, wenn und soweit sie als Parteienvertreter im Sinne des § 5 der Notariatsordnung auftreten. Mit dieser Erkenntnis ist allerdings für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers noch nichts gewonnen, denn die Vorschrift des § 159 BAO hat ihren Platz im Teil "E" des 4. Abschnittes der Bundesabgabenordnung, während sich die Behörden des Abgabenverfahrens zur Durchsetzung ihrer Nachschaubefugnis auf die Vorschriften der §§ 143 und 144 BAO gestützt haben, die sich im Teil "D" des gleichen Abschnittes befinden, eines Teiles, der von den Befugnissen der Abgabenbehörden allgemeiner Art (Aufsichtsmaßnahmen) handelt. Daraus ergibt sich, daß Sondernormen, die das Gesetz bei der Regelung der "Beistandspflicht" bestimmter Personen und Dienststellen aufgestellt hat, nicht ohne weiteres auch auf andere Tatbestände übertragen werden müssen. Das bedeutet, daß ein Notar, wenn er in Erfüllung der Auskunftspflicht nach § 143 BAO in Anspruch genommen wird oder Aufsichtsmaßnahmen nach § 144 BAO dulden und zu ihrer Durchführung beitragen muß, sich nicht ohne weiteres auf die ihm in § 159 BAO eingeräumte Sonderstellung berufen könnte. Hier greift aber die ganz allgemein gehaltene, nicht nur auf Notare beschränkte Vorschrift des § 143 Abs. 3 BAO ein, derzufolge auch bei der Durchführung allgemeiner Aufsichtsmaßnahmen die Behörden die Vorschriften der §§ 170 bis 173 BAO, zu beachten haben. Die genannten Paragraphen beschäftigen sich allerdings nicht mit der Rechtstellung der auskunftspflichtigen Personen, sondern mit jener der Zeugen, sie sind aber sinngemäß auch auf die Durchführung der Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 f BAO anzuwenden. Aus dem Hinweis des Gesetzes ergibt sich aber, daß die Befugnisse der Abgabenbehörde bei der Durchführung der allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen bestimmten Einschränkungen unterliegen. Die Abgabepflichtigen brauchen danach behördlichen Aufträgen in jenen Fällen nicht nachzukommen, in denen sie als Zeugen die Aussage verweigern dürfen. Gemäß § 171 Abs. 1 lit. c BAO darf ein Zeuge die Aussage unter anderem dann verweigern, wenn er durch die Beantwortung einer Frage eine ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, verletzen würde. Darüber hinaus bestimmt § 172 BAO, daß ein Zeuge auf Verlangen der Abgabenbehörde Schriftstücke, Urkunden und die einschlägigen Stellen seiner Geschäftsbücher den Behörden nur dann zur Einsicht vorzulegen verpflichtet ist, wenn er auch zur Aussage verpflichtet ist. Daraus muß gefolgert werden, daß ein Zeuge, der sich in den gesetzlich anerkannten Fällen der Zeugenaussage entschlagen kann, auch nicht zur Vorlage von Schriftstücken, Urkunden und dgl. verpflichtet ist. Eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften auf den Anwendungsbereich der §§ 143 und 144 BAO kann somit nur darin bestehen, daß auch eine Person, die bei der Festsetzung der Abgaben im Zug allgemeiner Aufsichtsmaßnahmen mitzuwirken hat, diese Mitwirkung in den Fällen ablehnen darf, in denen ein Zeuge zur Aussage nicht verhalten werden darf. Da eine solche Ablehnung der Zeugenaussage, wie bereits ausgeführt wurde, dann statthaft ist, wenn der Zeuge, ohne von der Geheimhaltung gültig entbunden zu sein, im Falle der Aussage eine ihm durch das Gesetz auferlegte Geheimhaltungspflicht verletzen würde, ist demnach auch ein Notar berechtigt, die Herausgabe von Schriftstücken, Urkunden u. dgl, zu verweigern, wenn ihn eine Geheimhaltungspflicht trifft, von der er nicht gültig entbunden worden ist. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß zufolge § 114 BAO die Abgabenbehörden darauf zu achten haben, daß alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden. Denn die Geheimhaltungspflicht, die einen Notar gemäß § 37 der Notariatsordnung trifft, ist zum Schutz und im Interesse jener Parteien festgelegt worden, die den Notar im Vertrauen auf eben diese Geheimhaltungspflicht in ihre Privatangelegenheiten einschalten und ihm Einblick in ihre Privatsphäre gewähren. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes wird in der modernen und freien Gesellschaft so hoch gewertet, daß ihm der Vorzug auch dann gebührt, wenn durch seine Aufrechterhaltung dem Notar in seinen eigenen steuerlichen Angelegenheiten unter Umständen ein Vorteil gegenüber allen anderen Steuerträgern zukommt. Die belangte Behörde, die den Beschwerdeführer unter allen Umständen zur Vorlage seiner Handakten verpflichten wollte, ohne Rücksicht darauf, ob er in den betreffenden Fällen von seiner Geheimhaltungspflicht entbunden war oder nicht, hat somit die ihr durch §§ 143 und 144 BAO gezogenen Grenzen ihrer Befugnisse nicht eingehalten. Da sie gemäß § 111 BAO nur berechtigt war, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen durch Verhängung von Zwangsstrafen zu erzwingen und da der vom Finanzamt an den Beschwerdeführer erteilte Auftrag, die Handakten vorzulegen, durch das Gesetz nicht gedeckt war, erweist sich der angefochtene Bescheid seinem Inhalte nach als rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 aufzuheben.

Wien, am 21. Mai 1964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1964:1964000184.X00

Im RIS seit

25.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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